L 12 KA 11/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 KA 266/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 11/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 95d Abs. 3 Satz 1 SGB V knüpft die Voraussetzungen der Honorarkürzung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht nicht an ein bestimmtes Zulassungsgebiet, sondern lediglich an den Status als Vertragsarzt ("Ein Vertragsarzt"). Ein zwischenzeitlicher Verzicht auf die Zulassung und eine sich anschließende Neuzulassung auf einem anderen Fachgebiet berührt die laufende Fortbildungsverpflichtung des Vertragsarztes daher nicht.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Februar 2018, S 20 KA 266/16 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Kürzung des Honorars für das Quartal 4/2014 wegen einer Verletzung der Pflicht zur fachlichen Fortbildung nach § 95d SGB V.

Der Kläger ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, bis zum 30.06.2014 als Facharzt für Anästhesiologie, ab dem 01.07.2014 als Facharzt für Allgemeinmedizin. Mit Honorarbescheid vom 20.05.2015 kürzte die Beklagte sein Honorar für das Quartal 4/2014 um 10 % (7.753,09 Euro) mit der Begründung, dass der Kläger seine Pflicht zur fachlichen Fortbildung nach § 95d SGB V verletzt habe. Die Frist von fünf Jahren, innerhalb der der Kläger die Fortbildungsnachweise einzureichen habe, sei am 30.06.2014 abgelaufen, der Kläger habe die Fortbildungsnachweise jedoch erst am 15.06.2015 vorgelegt. Im Vorfeld der Honorarkürzung hatte die Beklagte den Kläger wiederholt an die sozialrechtliche Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V erinnert (Schreiben vom 31.07.2013, 05.02.2014, 11.04.2014 und 05.06.2014).

Der gegen den Honorarbescheid eingelegte Widerspruch wurde im Wesentlichen mit einer Übererfüllung der Fortbildungspflicht in der Zeit zwischen 01.01.2002 und 30.06.2012 begründet. Zudem verwies der Kläger auf die besonderen Belastungen, die mit der Praxisübergabe seiner Anästhesiepraxis zum 30.06.2014 und der Praxisübernahme einer Allgemeinarztpraxis zum 01.07.2014 verbunden gewesen seien. Er werde trotz Zulassungswechsel regelwidrig anders behandelt als ein vertragsärztlicher Neueinsteiger. Schließlich sei zu prüfen, ob ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege, da bei Praxisabgabe ein mangelnder Nachweis der Fortbildungspflicht völlig folgenlos bleibe, falls er vor dem Ablauf der Fünfjahresfrist oder zum Ende der Fünfjahresfrist erfolge.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2016 zurück. Der Kläger habe, nachdem er am 30.06.2004 bereits zugelassen gewesen sei, für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 30.06.2014 zum zweiten Mal der sozialrechtlichen Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V unterlegen. Die bis zum 30.06.2014 nachzuweisenden 250 Fortbildungspunkte habe er bis zum 13.06.2015 erworben und der Nachweis hierüber sei bei der Beklagten erst am 15.06.2015 eingegangen. Ausnahmetatbestände lägen nicht vor, so dass das Honorar im Quartal 4/2014 zu Recht um 10 % gekürzt worden sei.

In seiner dagegen gerichteten Klage zum SG München trägt der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte vor, die Kürzung sei rechtswidrig, da der Zulassungswechsel zum 01.07.2014 unberücksichtigt geblieben sei. Mit Verzicht auf die vertragsärztliche Zulassung würden die Fortbildungsverpflichtung, der Fünfjahreszeitraum und die Möglichkeit der Beklagten zur Honorarkürzung enden. Hiervon sei in § 95d Abs. 3 SGB V nur eine - - hier nicht zutreffende - Ausnahme wegen Wegzugs aus dem Zulassungsbezirk vorgesehen. Für die vorliegende Konstellation beginne die Frist für die Fortbildung mit der Neuzulassung neu zu laufen und eine Kürzung könne nicht mehr erfolgen. Darüber hinaus sei eine Kürzung des Honorars, welches der Kläger auf der Basis seiner Neuzulassung in einem anderen Fachgebiet, nämlich der Allgemeinmedizin, erwirtschaftet habe, mangels Ermächtigungsgrundlage unzulässig. Außerdem verstoße die vorgenommene Honorarkürzung gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG, da sie ohne rechtfertigenden Grund Gleiches ungleich behandle. Sie würde die erheblichen Belastungen, denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei, unberücksichtigt lassen und gleichzeitig für andere Belastungen, wie beispielsweise Erkrankungen, und auch für neu zugelassene Ärzte Ausnahmen bezüglich der zu erbringenden Fortbildungsleistungen vorsehen. Außerdem werde Ungleiches vorliegend ohne rechtfertigenden Grund gleichbehandelt, da der Kläger durch die Honorarkürzung behandelt würde, als wäre er ohne jede Veränderung durchgängig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen gewesen. Es fehle an einer konkreten Eingriffsermächtigung der Beklagten.

Die Beklagte führte an, das Gesetz differenziere hier nicht, ob ein Statuswechsel erfolgt sei bzw. kopple die Fortbildungspflicht nicht an ein bestimmtes Zulassungsgebiet. Die Beklagte könne keine Ungleichbehandlung des Klägers feststellen, vielmehr würden alle Vertragsärzte gleich behandelt.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 28. Februar 2018 stattgegeben. Zwar habe der Kläger in Anwendung des gesetzlichen Fünfjahreszeitraums zum Stichtag 30.06.2014 nicht die erforderlichen Fortbildungsnachweise erbracht, die Beklagte sei dennoch zur vorgenommenen Honorarkürzung nicht berechtigt gewesen. Die vom Kläger aufgeführten schwierigen Umstände im Zusammenhang mit der Praxisübergabe führten nicht zu einer Entbindung von der Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten. Auch könne der maßgebliche Fünfjahreszeitraum nicht durch vor diesem Zeitraum erworbene Fortbildungspunkte aufgefüllt werden. Jedoch ende mit dem Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt für Anästhesie zum 30.06.2014 seine hier streitgegenständliche Fortbildungsverpflichtung. Erfolge keine Wiederzulassung, so unterliege der Arzt nicht mehr der sozialrechtlichen Fortbildungsverpflichtung, womit auch das Recht bzw. die Pflicht der Beklagten zur Honorarkürzung entfalle. Eine spätere Wiederzulassung im selben Zulassungsbezirk sei als Neuzulassung anzusehen, mit der Folge, dass die Frist für die Fortbildungsverpflichtung neu zu laufen beginne (vgl. Pawlita in Schlegel-Voelzke, jurisPK-SGB V, § 95d Rn. 25). Lediglich für den Fall, dass die bisherige Zulassung durch Wegzug des Vertragsarztes in einen anderen Zulassungsbezirk ende, laufe die Frist gemäß § 95d Abs. 3 S. 2 SGB V bei Wiederzulassung weiter.

Hier habe die Zulassung des Klägers durch Verzicht zum 30.06.2014 und damit auch die Frist zum Nachweis der Fortbildungsverpflichtung geendet. Zwar falle dieses Datum auch gleichzeitig auf das Ende des Fünfjahreszeitraums, jedoch sei die Beklagte nicht mehr berechtigt, die für diesen Zeitraum bestehende Fortbildungsverpflichtung mit einer Honorarkürzung zu sanktionieren. Sinn und Zweck der Fortbildungspflicht für Ärzte sei, eine kontinuierliche, auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand beruhende Weiterbildung der vertragsärztlich tätigen Ärzte sicherzustellen. Die Fortbildung diene der Erhaltung und Fortentwicklung der zur Berufsausübung notwendigen Fertigkeiten. Dies sei für den Fall der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht mehr notwendig, so dass auch die Berechtigung zur Sanktionierung entfalle. Daran ändere auch die einen Tag später erfolgte Zulassung des Klägers im selben Zulassungsbezirk als Anästhesist nichts, da diese als Neuzulassung anzusehen sei und eine neue Frist für die Fortbildungsverpflichtung in Gang setze, zumal der Kläger in einem anderen Fachbereich zugelassen worden sei. Eine analoge Anwendung des § 95d Abs. 3 S. 2 SGB V komme wegen des für Eingriffe der Verwaltung in die Rechtsphäre des Bürgers bestehenden Analogieverbots nicht in Betracht. Darüber hinaus fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Vielmehr sei nach Auffassung der Kammer dem Gesetz aufgrund der Regelung in § 95d Abs. 3 S. 2 SGB V (e contrario) zu entnehmen, dass der Fortlauf der Frist für die Fortbildungsverpflichtung nur für den geregelten Fall des Wegzugs in einen anderen Bezirk gelten solle.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 15.03.2018 zum Bayerischen Landessozialgericht. Die Voraussetzungen für eine Honorarkürzung nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V lägen vor. Der Gesetzgeber differenziere nicht, ob der zur Fortbildung verpflichtete Arzt durchgängig unter einer Facharztbezeichnung zugelassen sei oder ob zwischenzeitlich ein Fachgebietswechsel stattgefunden habe, sondern stelle insgesamt auf die vertragsärztliche Tätigkeit ab. Der Kläger sei allein aufgrund seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zur Fortbildung verpflichtet, zumal zur Fortbildung beispielsweise auch das Auffrischen von Kenntnissen im Bereich des Bereitschaftsdienstes, zu dessen Teilnahme jeder Vertragsarzt grundsätzlich verpflichtet sei, zähle. Zu unterscheiden hiervon sei die Weiterbildung des Vertragsarztes. Da der Kläger seiner Nachweispflicht nicht rechtzeitig nachgekommen sei, sei die Beklagte von Gesetzes wegen zur Honorarkürzung verpflichtet gewesen. Die Kürzungsverpflichtung habe nicht durch den Verzicht auf die Zulassung zum 30.06.2014 geendet, sondern habe wegen der nahtlosen weiteren vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers weiter bestanden. Darüber hinaus bestimmten die Regeln der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten, dass auch bei einem Verzicht eines Vertragsarztes auf eine Zulassung und späterem Erhalt einer neuen Zulassung der Fünfjahreszeitraum lediglich für die Zeit der Nichtausübung der vertraglichen Tätigkeit unterbrochen werde. Auch dies zeige, dass auf die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit abgestellt werde und so bei Ablauf des Fortbildungszeitraums und anschließender Neuzulassung nur von einer Unterbrechung des Fortbildungsprozedere auszugehen sei. Die Auffassung des SG München habe zur Folge, dass weder Kürzungsmaßnahmen zulässig wären noch die zweijährige Nachfrist gelten würde mit der Konsequenz, dass der Kläger für jede sich an den nicht nachgewiesen Fortbildungszeitraum anschließende Zulassung wegen vorangegangener gröblicher Pflichtverletzung ungeeignet wäre. Auch die gesetzliche Regelung des § 95d Abs. 3 Satz 2 SGB V (Weiterlaufen des Fortbildungszeitraums nach Ende der Zulassung wegen Wegzugs in anderen KV-Bereich) könne das Anliegen des Klägers nicht stützen. Da in diesem Fall die Zulassung von Gesetzes wegen nach § 95 Abs. 7 SGB V ende, habe sich der Gesetzgeber veranlasst gesehen klarzustellen, dass bei Wiederzulassung in einem anderen Zulassungsbezirk der Fortbildungszeitraum fort gelte. Dies müsse erst recht für den Fall gelten, in dem der Vertragsarzt das Ende seiner Zulassung durch einseitige Verzichtserklärung selbst herbeiführe und im gleichen Zulassungsbezirk eine neue Zulassung beantrage. Dies habe die KBV in § 1 Abs. 6 ihrer Regelung zur Fortbildung auch konsequent umgesetzt. Die Beklagte verweist zudem auf die Fortbildungsverpflichtung von Ermächtigten. Da persönliche Ermächtigungen in der Regel nur für zwei Jahre erteilt werden, würden die Ermächtigten trotz § 95d Abs. 4 SGB V ohne Zusammenrechnung der Ermächtigungszeiten keiner Fortbildungsverpflichtung unterliegen. Dies laufe dem gesetzgeberischen Willen eindeutig zuwider. Der Kläger habe im Ergebnis zum 01.07.2014 eine Fachgebietsänderung vorgenommen, die auf zwei Wegen möglich sei. Sofern der Vertragsarzt einen Antrag auf Fachgebietsänderung nach § 24 Abs. 6 Ärzte-ZV an den Zulassungsausschuss stelle, könne er nach dessen Genehmigung auf dem neu gewählten Fachgebiet weiter vertragsärztlich tätig sein. In diesem Fall dürfte unstreitig sein, dass die Fortbildungsverpflichtung unverändert nach § 95d SGB V fort bestehe. Die vom Kläger gewählte Variante des Verzichts mit anschließender Neuzulassung werde dann gewählt, wenn der bisherige Vertragsarztsitz ausgeschrieben und an einen Nachfolger übergeben werden solle. Für diesen Fall regele § 1 Abs. 6 der Regelung der KBV zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten lediglich eine Unterbrechung des Fortbildungszeitraums für die Dauer der Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Soweit in der Rechtsprechung (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.04.2016, L 3 KA 107/13) bei einem Wechsel vom zugelassenen Vertragsarzt zum im MVZ angestellten Arzt bei Verletzung der Fortbildungspflicht als Vertragsarzt eine Kürzung des Honorars des MVZ abgelehnt wurde, hänge dies allein damit zusammen, dass dem MVZ eine Pflichtverletzung des vormals zugelassenen Arztes nicht zugerechnet werden könne. Im vorliegenden Fall sei der Kläger aber weiter vertragsärztlich tätig.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.02.2018, S 20 KA 266/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend. Die Beklagte verkenne weiterhin, dass der Kläger mit Wirkung zum 30.06.2014 auf seine Zulassung als Facharzt für Anästhesie verzichtet habe und ab dem 01.07.2014 als Facharzt für Allgemeinmedizin neu zugelassen worden sei. Mit dem Verzicht auf die Zulassung ende die Fortbildungsverpflichtung, mit der Neuzulassung beginne die Frist für die Fortbildung neu zu laufen und eine Kürzung könne nicht mehr erfolgen. Eine Kürzung des Honorars, welches der Kläger auf Basis einer Neuzulassung in einem anderen Fachgebiet erwirtschaftet habe, sei mangels Ermächtigungsgrundlage unzulässig. Eine analoge Anwendung des § 95d Abs. 3 Satz 2 SGB V scheide aus. Zudem sei die Regelung als Ausnahmeregelung restriktiv auszulegen. Die Entscheidung des SG stelle auch eine konsequente Gleichbehandlung mit der Rechtsprechung beim Statuswechsel vom selbständigen zugelassen zum angestellten Arzt dar, bei dem ebenfalls trotz nicht rechtzeitigen Nachweises der Fortbildung das Honorar des anstellenden MVZ nicht gekürzt werden dürfe (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.04.2016, L 3 KA 107/13). Vorliegend sei auf eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der spezialisierten fachärztlichen Versorgung (Anästhesie) verzichtet worden und eine Neuzulassung im Bereich der hausärztlichen Versorgung erfolgt. Eine Verpflichtung zur Nachweisführung der Fortbildung als Anästhesist habe mit dem Verzicht auf die Zulassung geendet. Die Regelung des § 95d Abs. 6 SGB V sei eindeutig und aus rechtlicher Sicht kein Raum für eine teleologische Auslegung, die zudem zu verfassungsrechtlich unerträglichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen würde. Die vorgenommene Kürzung sei daher nicht rechtmäßig, wie das SG zutreffend festgestellt habe.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Anders als das SG meint, ist die im Honorarbescheid vom 20.05.2015 für das Quartal 4/2014 erfolgte Kürzung wegen Verletzung des Nachweises über die Fortbildung rechtmäßig.

1. Gemäß § 95d Abs. 1 Satz 1 SGB V ist der Vertragsarzt verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist. Ein Vertragsarzt hat alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Abs. 1 nachgekommen ist; für die Zeit des Ruhens der Zulassung ist die Frist unterbrochen (Abs. 3 Satz 1). Nach Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift ist die KÄV verpflichtet, das an den Vertragsarzt zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertragsärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale, die auf den Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 vH und ab dem darauffolgenden Quartal um 25 vH zu kürzen, wenn ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig erbringt. Die Honorarkürzung endet gemäß § 95d Abs. 3 Satz 5 SGB V nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird. Der Fortbildungsnachweis dient der Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift BSG, Urteil vom 11.02.2015, B 6 KA 19/14 R).

Für das Verfahren des Fortbildungsnachweises und der Honorarkürzung, u.a den angemessenen Umfang der im Fünfjahreszeitraum notwendigen Fortbildung, hat die KBV im Einvernehmen mit den zuständigen Arbeitsgemeinschaften der Kammern auf Bundesebene auf der Grundlage des § 95d Abs. 6 Satz 2 SGB V Regelungen zum Umfang der Fortbildungsverpflichtung getroffen. Die Regelungen sind für die KVen verbindlich (Absatz 6 Satz 4). Auf dieser Grundlage hat die KBV im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer in § 1 Abs. 3 S. 1 der Regelung zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95d SGB V (DÄ 2005, Heft 5, A 306; im Folgenden: Regelung der KBV) festgelegt, dass Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten innerhalb des Fünfjahreszeitraums 250 Fortbildungspunkte nachzuweisen haben. Bei der Regelung der KBV handelt es sich nicht um eine bloße Verwaltungsvorschrift ohne Außenwirkung, sondern um eine verbindliche Regelung auch mit Wirkung gegenüber den Vertragsärzten (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 11.02.2015, B 6 KA 19/14 R, RdNr. 29, Juris).

2. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 95d SGB V eine Honorarkürzung wegen Verletzung der Pflicht zum Nachweis über die Fortbildung festzusetzen ist, sind erfüllt.

a) Für den Kläger, der seit dem 01.02.2002 zunächst als Anästhesist ohne Unterbrechung durch Zeiträume des Ruhens zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war, endete die Frist zum Nachweis seiner Fortbildungspflicht am 30.06.2014. Die entsprechenden Nachweise im Umfang von 250 Fortbildungspunkten sind erst am 15.06.2015 bei der Beklagten eingegangen. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Frist von fünf Jahren zum Nachweis der Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung hat der Kläger damit unstreitig versäumt. Dem kann der Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er in der Vergangenheit seine Fortbildungsverpflichtung überobligatorisch erfüllt habe. Ausschlaggebend ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 95d Abs. 3 Satz 1 SGB V der rechtzeitige Nachweis, dass in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum und damit innerhalb der maßgeblichen Frist die erforderlichen Fortbildungen absolviert wurden. Eine Erfüllung der Fortbildungspflicht "auf Vorrat" sieht das Gesetz nicht vor. Auch der Einwand, der Kläger habe aufgrund der Praxisübergabe keine ausreichende Zeit zur Absolvierung der notwendigen Fortbildung gehabt, verfängt nicht. Persönliche Lebensumstände wie etwa Erkrankung oder hohe Belastungen sind für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Honorarkürzung vorliegen, ohne Belang (vgl. zum Zulassungsentzug mangels Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung BSG, Beschluss vom 11.02.2015, B 6 KA 37/14 B). Da der Kläger den erforderlichen Nachweis über seine Fortbildung nicht innerhalb des genannten Fünfjahreszeitraums, sondern erst am 15.06.2015 erbracht hat, durfte und musste die Beklagte das Honorar des Klägers für das streitgegenständliche Quartal 4/2014 kürzen.

b) Entgegen der Auffassung des SG ändert auch die Tatsache, dass der Kläger zum 30.06.2014 auf seine Zulassung als Anästhesist verzichtet und zum 01.07.2014 eine neue Zulassung als Allgemeinarzt erhalten hat, nichts an der Zulässigkeit der Honorarkürzung. Denn das Gesetz knüpft in § 95d Abs. 3 Satz 1 SGB V die Voraussetzungen der Honorarkürzung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht nicht an ein bestimmtes Zulassungsgebiet, sondern lediglich an den Status als Vertragsarzt ("Ein Vertragsarzt"). Daher bietet die Vorschrift eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Honorarkürzung im streitgegenständlichen Quartal, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Anästhesist, sondern als Allgemeinarzt zugelassen war.

c) Für den Fall des Verzichts auf eine Zulassung und eine spätere Neuzulassung hat die KBV in § 1 Abs. 6 der Regelung (in der Fassung vom 16. September 2004, ändert durch Beschluss vom 31.03.2009; unverändert in der jetzt geltenden Fassung vom 16.09.2016) Folgendes geregelt:

"(6) Verzichtet ein Vertragsarzt oder ein Vertragspsychotherapeut auf seine Zulassung und beantragt diese zu einem späteren Zeitpunkt erneut, so wird der 5-Jahreszeitraum für die Zeit der Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit unterbrochen."

Die Regelung zeigt, dass die KBV sehr wohl den Fall des Verzichts auf die Zulassung mit spätere Neuzulassung im Blick hatte und auch hierfür Regeln getroffen hat. Die KBV stellt schon nach dem Wortlaut der Regelung auf die Zulassung als solche und damit den Status als Vertragsarzt und nicht auf ein bestimmtes Zulassungsgebiet ab. Dies erklärt sich auch vor dem Hintergrund, dass die Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V zu unterscheiden ist von der Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung (WBO). § 95d Abs. 1 SGB V umschreibt die Inhalte der Fortbildung nur allgemein und dass sie frei von wirtschaftlichen Interessen sein müssen. Gefordert wird zwar eine fachliche, aber keine fachspezifische Weiterbildung. Die Pflicht zur fachlichen Fortbildung kann durch die Teilnahme an den von den Kammern anerkannten Fortbildungsmaßnahmen erfüllt werden. Nach § 2 der Regelung der KVB ist die Fortbildung nach § 1 ohne Prüfung durch die KÄV nachgewiesen, wenn der Vertragsarzt die Fortbildung durch ein Fortbildungszertifikat der Ärztekammer nachweist. Daneben ist es auch möglich, dass der Vertragsarzt die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht durch die Teilnahme an anderen Fortbildungsmaßnahmen nachweist, sofern diese den von der Bundesärztekammer aufgestellten Anforderungen entsprechen (BtDrs. 15/1525, S. 110, vgl. § 3 der Regelung der KBV). Nach § 1 der Fortbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) dient die Fortbildung der Ärztinnen und Ärzte dem Erhalt der kontinuierlichen Weiterentwicklung der beruflichen Kompetenz zur Gewährleistung einer hochwertigen Patientenversorgung und Sicherung der Qualität ärztlicher Berufsausübung. Nach § 2 der Fortbildungsordnung der BLÄK soll die Fortbildung sowohl fachspezifische als auch interdisziplinäre und fachübergreifende Kenntnisse, die Einübung von klinisch-praktischen Fähigkeiten sowie die Verbesserung kommunikativer und sozialer Kompetenzen umfassen. Die Fokussierung ausschließlich auf eine bestimmte Fachrichtung ist gerade nicht gewollt. Damit ist es für die Fortbildungsverpflichtung auch unerheblich, auf welchem Gebiet der Vertragsarzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.

Soweit demgegenüber die Klägerbevollmächtigte argumentiert, der Verzicht auf die Zulassung und die spätere Wiederzulassung im selben Zulassungsbezirk sei als Neuzulassung anzusehen mit der Folge, dass die Frist von neuem zu laufen beginne, ist dem nicht zu folgen. Denn diese Auslegung steht im Widerspruch zur für die KÄV und den Vertragsarzt verbindlichen und insoweit eindeutigen Regelung in § 1 Abs. 6 der Regelung der KBV. Auch könnte sich ein Vertragsarzt seiner Fortbildungsverpflichtung entziehen, indem er am Ende des 5-Jahreszeitraums auf seine Zulassung verzichtet und sich zu einem späteren Zeitpunkt neu zulässt. Nach der Auslegung des SG sowie des Klägers würde es dazu nicht einmal einer Zulassung auf einem anderen Fachgebiet bedürfen. Mit einem Zulassungsverzicht und einer späteren Neuzulassung (auf gleichem oder anderem Fachgebiet) könnte der Vertragsarzt nicht nur einer Honorarkürzung, sondern auch einem Zulassungsentzug entgehen, ohne seine Fortbildungsverpflichtung zu erfüllen. Diese Auslegung konterkariert die Fortbildungsverpflichtung nach§ 95d Abs. 1 SGB V. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist auf den Vertragsarztstatus abzustellen, bei Zulassungsverzicht und späterer Neuzulassung unter Berücksichtigung der Regelung des § 1 Abs. 6 der KBV-Regelung.

Diese Auslegung wird gestützt von der Fortbildungsverpflichtung von ermächtigten Ärzten. Denn § 95d Abs. 4 SGB V ordnet die entsprechende Anwendung der Absätze 1-3 für ermächtigte Ärzte an. Da Ermächtigungen in der Regel auf zwei Jahre begrenzt werden (vgl. § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV), kommt eine Überprüfung der Fortbildung nur bei einer fortlaufenden Ermächtigung, die den Fünfjahreszeitraum erreicht, in Betracht (so auch Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95d SGB V, RdNr. 39). Würde allein auf den Zwei-Jahres-Zeitraum der Ermächtigung abgestellt, liefe die Fortbildungsverpflichtung für ermächtigte Ärzte ins Leere. So wie hier auf den Status der "Ermächtigung" - unabhängig vom jeweiligen Umfang - abgestellt wird, ist bei einem zugelassenen Vertragsarzt allein auf den Status als "Vertragsarzt" abzustellen, unabhängig vom Fachgebiet, auf dem der Arzt zugelassen ist. Einer analogen Anwendung des § 95d Abs. 3 Satz 2 SGB V bedarf es daher nicht.

d) Auch das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, konnte in dem dort entschiedenen Fall eine Honorarkürzung eines MVZ wegen nicht nachgewiesener Fortbildung eines angestellten Arztes nicht erfolgen, da die Pflichtverletzung des Arztes aus seiner früheren vertragsärztlichen Tätigkeit resultierte, die dem MVZ nicht zugerechnet werden konnte. Im dortigen Fall war an den Vertragsarzt selbst kein vertragsärztliches Honorar mehr zu zahlen, sondern lediglich an das MVZ, das im dortigen Fall keine eigene Pflichtverletzung begangen hatte. Eine Sanktionierung gegenüber dem MVZ schied damit aus. Im vorliegenden Fall ist der Kläger aber weiterhin vertragsärztlich mit eigener Zulassung tätig, so dass ihm gegenüber eine Sanktionierung in Form einer Honorarkürzung erfolgen durfte. Dass das vertragsärztliche Honorar in einem anderen Fachgebiet erwirtschaftet wurde, spielt für die Rechtmäßigkeit der Honorarkürzung keine Rolle. Maßgeblich ist vorliegend allein die Zulassung des Klägers als Vertragsarzt.

Die Berufung ist daher erfolgreich. Das Urteil des SG München ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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