S 23 U 54/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 54/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Diagnostik und Begutachtung des Pleuramesothelioms ist die abgelaufene Interdisziplinäre S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin aus dem Jahr 2010 "Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten" heranzuziehen, solange die bereits seit Jahren angekündigte S3-Leitlinie "Mesotheliom" noch nicht vorliegt.
Darüber hinaus stellt auch die "Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten - Falkensteiner Empfehlung" der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und des Spitzenverbands der landwirtschaftlichen Sozialversicherung von Februar 2011 den aktuellen allgemein anerkannten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand dar.
Danach hat die Diagnosesicherung des Mesothelioms histologisch und immunhistochemisch, Letzteres über sog. positive und negative Marker, zu erfolgen.
2. Für den Vollbeweis des Vorliegens eines Mesothelioms ist zu fordern, dass sowohl positive Marker (s. Ziffer 1) positiv, als auch negative Marker (dito) negativ sind.
3. Bezüglich eines, im Rahmen der Anforderung ärztlicher Berichte, der Behörde vorgelegten externen Gutachtens ist § 200 Abs. 2 SGB VII nicht anwendbar.
4. Der den Rechtsstreit fortführenden Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Klägers steht kein aus § 200 Abs. 2 SGB VII abgeleitetes Widerspruchsrecht zu, wenn der ursprüngliche Kläger zum Beauftragungszeitpunkt des Gutachtens (Obduktion mit gutachtlicher Stellungnahme) schon tot war, da das Widerspruchsrecht als höchstpersönliches Recht nur dem Betroffenen zusteht (Anschluss an LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.07.2009, L 2 U 176/08, und Urteil vom 15.08.2011, L 2 U 153/10). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Sonderrechtsnachfolgerin die Obduktion beantragt bzw. ihr zugestimmt hat.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des im Alter von 80 Jahren verstorbenen, ursprünglichen Klägers, begehrt die Feststellung, dass es sich bei der Erkrankung ihres Ehemannes um eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (im Folgenden BK Nr. 4105 genannt) (iVm § 9 Abs. 1 SGB VII) ("Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells") gehandelt hat.

Am 14.05.2012 erhielt die Beklagte die den ursprünglichen Kläger betreffende ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit des Klinikums Hanau. Diese stellte einen Kausalzusammenhang zwischen der Asbestexposition des Klägers am Arbeitsplatz und der Verdachtsdiagnose eines Mesothelioms her.

Zur Asbestexposition trug der ehemalige Kläger vor, dass er von 1953 bis 1982 an einer Wellpapp-Maschine, die mit Asbestbremsklötzen ausgestattet gewesen sei, im Akkord gearbeitet habe, zunächst in 12-stündiger Schicht, später in 8-stündiger Schicht, auch samstags. Seine Aufgabe sei es gewesen, den Staub bzw. Asbest mit Pressluft von den Bremsklötzen abzulösen. Hierdurch habe er jede Schicht ein- bis zweimal voll im Staub gestanden. Schutzmaßnahmen habe es nicht gegeben.

Eine Nachfrage beim ehemaligen Arbeitgeber verlief ergebnislos, da wegen Zeitablaufs die Personalakte des ursprünglichen Klägers nicht mehr vorlag.

Die Beklagte forderte Krankenunterlagen an und erhielt u. a. Berichte des Klinikums Hanau vom 25.04.2012, 08.05.2012 und 18.05.2012, das pathologisch-anatomische Gutachten der Dres. D. und E. (Institut für Pathologie am Klinikum Hanau) vom 04.05.2012 über ein Pleuraresektat, einen Befundbericht des Instituts für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum (Prof. F. und Dr. G.) vom 11.05.2012, betreffend dasselbe Material, einen daraufhin erstellten Nachbericht der Dres. D. und E. vom 16.05.2012, Berichte der Onkologischen Gemeinschaftspraxis und Klinik "Onkologie Bethanien" vom 05.06.2012, 22.06.2012, 13.07.2012, und 20.08.2012 sowie Berichte des St. Katharinen Krankenhauses vom 22.05.2012 und 20.09.2012.

Die Beklagte holte beim Regierungspräsidium Darmstadt – Landesgewerbearzt – eine Stellungnahme ein. Dr. H. empfahl in ihrem Schreiben vom 27.09.2012 die Ablehnung der Feststellung der BK 4105, weil die Diagnose eines Pleuramesothelioms histologisch nicht habe gesichert werden können. Hierbei bezog sich die Ärztin auf die mikroskopischen und immunhistochemische Untersuchungen bei Prof. F.

Mit Bescheid vom 16.10.2012 lehnte die Beklagte es gegenüber dem ursprünglichen Kläger ab, bei ihm eine BK 4105 festzustellen. Auch Anspruch auf Leistungen bestehe nicht. Hierbei berief sie sich auf die obige landesgewerbeärztliche Stellungnahme.

Die ursprüngliche Klägervertreterin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, mit dem sie den Feststellungen von Prof. F. unter Berufung auf den Fachartikel "Das maligne Pleuramesotheliom" (Deutsches Ärzteblatt 2000, 97 (48): A-3257/B-2739/C-2426) entgegentrat: Sowohl Berufsanamnese als auch Zytologie/Histologie bestätigten das Vorliegen eines durch Asbestexposition verursachten malignen Pleuramesothelioms. Außerdem handele es sich bei der von Prof. F. gestellten Diagnose "undifferenzierter maligner mesenchymaler Tumor, klinischerseits von der Pleura" nicht um eine gesicherte Diagnose.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.10.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass sich nach erneuter Prüfung im Widerspruchsverfahren Anhaltspunkt für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nicht ergeben hätten. Wiederum berief sich die Beklagte darauf, dass die Verdachtsdiagnose Pleuramesotheliom nach den immunhistochemischen Untersuchungen von Prof. F. vom 11.05.2012 nicht habe nachgewiesen werden können, zur Feststellung der BK 4105 aber diesbezüglicher Vollbeweis erforderlich sei.

Der ursprüngliche Kläger hat, durch seine Prozessbevollmächtigte, am 26.03.2013 Klage zum Sozialgericht Frankfurt erhoben. Der ursprüngliche Kläger ist am 07.04.2013 verstorben. Seitdem wird der Rechtsstreit durch seine Rechtsnachfolgerin, die Witwe, fortgeführt.

Die ursprüngliche Klägervertreterin beruft sich auf die Diagnostizierung eines asbestbedingten Pleuramesothelioms beim ursprünglichen Kläger gemäß den aktenkundigen Behandlungsberichten des Klinikums Hanau und der "Onkologie Bethanien". Den Ausschluss dieser Diagnose anhand der immunhistochemischen Untersuchung von Gewebeproben des Versicherten durch Frau Prof. F. in der Stellungnahme vom 11.05.2012 bezeichnet sie als grob fahrlässig und wirft der Pathologin zudem vor, aktuelle medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zur Diagnosesicherung nicht beachtet zu haben.

Nach Vorlage der Stellungnahme von Prof. F. vom 23.05.2013 (s. u.) macht die ursprüngliche Klägervertreterin geltend, dass deren Diagnose eines undifferenzierten pleomorphen Sarkoms, das sehr selten vorkomme, angesichts der Asbestbelastung des Klägers als kurios zu bezeichnen sei. Für ein solches lägen anhand der vorliegenden Arztberichte auch keinerlei Anhaltspunkte vor. Prof. J. habe in seinem Obduktionsbericht (s. u.) eindeutig eine flächige Tumorschwarte festgestellt, die für das Pleuramesotheliom spreche und Frau Dr. G. habe in dem der Stellungnahme vom 23.05.2013 beigefügten Makroskopischen Befund – entgegen Prof. F. – ein Pleuramesotheliom diagnostiziert. Vor dem Hintergrund eigener Internetrecherchen wirft die ursprüngliche Klägervertreterin Prof. F. sowie dem Gerichtsgutachter Prof. K. (s. u.) Parteilichkeit, Unkenntnis bzw. Ignoranz aktueller medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse in Bezug auf die Diagnostik des Pleuramesothelioms und die Zusammenhangsfrage vor. Im Hinblick auf das Sachverständigengutachten des Prof. K. vom 10.03.2015 (s. u.) macht die ursprüngliche Klägervertreterin zudem geltend, dass dieses unverständlich und intransparent und damit unverwertbar sei. Es sei nicht erkennbar, welches Gewebe der Sachverständige genau untersucht habe, welche Untersuchungsmethoden er angewandt habe, welche präzisen Werte erzielt worden seien, warum er welche Marker geprüft habe und welche Bedeutung sie für die Feststellung eines Mesothelioms hätten. Vor allem gebe es keine präzise Interpretation der Ergebnisse. Im Gegensatz zu Prof. F. habe der Gerichtssachverständige überhaupt keine Asbestfasern bzw. Pseudoasbestfasern im Lungengewebe gefunden. Hier entstehe der Verdacht, dass der Gutachter das Gewebe einer anderen Person untersucht habe.

Im Hinblick auf die Obduktion durch Prof. J. und die Stellungnahme von Prof. F. vom 23.05.2013 macht die ursprüngliche Klägervertreterin die Verletzung des § 200 Abs. 2 SGB VII geltend. Das von dem ursprünglichen Kläger im Widerspruchsverfahren ausgeübte Recht gelte über dessen Tod hinaus.

Der Klägervertreter beantragt,
den Bescheid vom 16.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Erkrankung des verstorbenen Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung war.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Klageverfahren nach dem Tod des ursprünglichen Klägers im Einvernehmen mit der ursprünglichen Klägervertreterin eine Obduktion der Leiche in Auftrag gegeben und den diesbezüglichen Bericht inklusive vorläufiger Beurteilung des Prof. J., Direktor des Instituts für Rechtsmedizin im Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, vom 30.04.2013 zur Gerichtsakte gereicht. Gleichzeitig hat die Beklagte sich gegenüber Prof. J. einverstanden erklärt, Prof. F. mit einer gutachtlichen Stellungnahme zum Krankheitsbild zu betrauen und hat dann auch deren, zusammen mit der Oberärztin Dr. G. erstellte, fachpathologische, wissenschaftlich begründete Stellungnahme vom 23.05.2013 ins Klageverfahren eingeführt. Auf die von den Sachverständigen mitgeteilten Erkenntnisse beruft sich die Beklagte.

Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die Verwaltungsakte der Beklagten zu dem Rechtsstreit beigezogen. Darüber hinaus hat das Gericht die Beklagte aufgefordert, ergänzend zum Obduktionsbericht mit vorläufiger Beurteilung des Prof. J. dessen abschließende Beurteilung anzufordern. Selbige, vom 11.04.2014 stammend, ist ebenfalls Bestandteil der Gerichtsakte geworden. Das Gericht hat zudem Beweis erhoben durch Beauftragung des Prof. K., Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Gießen, mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem 10.03.2015 vorgelegt. Hierin kommt er zu dem Ergebnis, dass bei dem verstorbenen Kläger ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells nicht vorlag.

Das Ergebnis der Sachverhaltsermittlungen und der Beweisaufnahme im Einzelnen wird soweit erheblich – im Rahmen der Entscheidungsgründe dargestellt.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig; sie ist insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), gerichtet auf die Feststellung eines Versicherungsfalls (Vorliegen der Berufskrankheit BK Nr. 4105).

Die zulässige Klage führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.

Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass es sich bei der Erkrankung ihres Mannes um eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (iVm § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) gehandelt hat.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründeten Tätigkeit erleiden. Abs. 1 Satz 2 des § 9 SGB VII ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung mit einer Liste der Berufskrankheiten aufzustellen. Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung (BK-V; gültig ab 01.12.1997) erlassen. Deren Anlage 1 bezeichnet unter der Nr. 4105 ein "Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards" als Berufskrankheit (§ 1 BK-V).

Damit eine Listen-Berufskrankheit (hier die BK Nr. 4105) festgestellt werden kann, muss der Versicherte folgende Tatbestandsmerkmale erfüllen: Die Verrichtung einer grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben. Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 7/08 R –, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 3; juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht.

Die begehrte Feststellung scheitert bereits in medizinischer Hinsicht daran, dass nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist, dass der verstorbene Kläger an einem Mesotheliom des Rippenfells (Pleura) erkrankt war.

Für die Diagnostik und Begutachtung des Pleuramesothelioms entsprechend dem allgemein anerkannten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand sind vier Veröffentlichungen relevant:

Erstens steht die Interdisziplinäre S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin aus dem Jahr 2010 "Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten" (im Folgenden S2-Leitlinie genannt) zur Verfügung. Die S2-Leitlinie ist zwar mittlerweile abgelaufen, aber trotz bereits jahrelanger Arbeit an der Ausarbeitung einer S3-Leitlinie "Mesotheliom" (vgl. S2-Leitlinie, Ziffer 4.4.3, Seite 24) liegt eine solche bis dato nicht vor.

Nach der o. g. S2-Leitlinie, Ziffer 4.4.3, Seite 25, ist die Diagnose "Mesotheliom" histologisch und immunhistochemisch an ausreichend großen Gewebsproben zu sichern.

Im Rahmen der Immunhistochemie stellen immunologische Reaktionen zwischen Antigenen und spezifischen monoklonalen oder polyklonalen Antikörpern den ersten Schritt jeder immunhistologischen Färbung dar. Der zweite Schritt besteht in der Detektion der entstandenen Antigen-Antikörper-Komplexe durch die Farbreaktion. Die Beurteilung immunhistologischer Färbungen hat zu einer Zunahme der diagnostischen Präzision in der Pathologie geführt (Internetrecherche der Kammervorsitzenden am 19.03.2018 unter http://www.pathologie.med.uni-muenchen.de/010diagnostik/030immunhisto/index.htmltop).

Betreffend die immunhistochemische Diagnosesicherung ist in der S2-Leitlinie (aa0) zu lesen: "In der Immunhistochemie ist ein malignes Mesotheliom typischerweise durch den positiven Nachweis der Marker epitheliales Membran-Antigen [EMA; Anm. d. Verf.], Calretinin, WT1, Zytokeratin 5/6 und/oder Mesothelin sowie durch den fehlenden Nachweis von CEA, B72.3, MOC-31, Ber-EP4 sowie BG8 charakterisiert."

Für die rein zytopathologische Diagnose (wenn – anders als hier – repräsentatives Gewebe für histologische Untersuchungen nicht vorliegt) wird in der Ziffer 4.4.3, aa0, gefordert, dass wenigstens ein weiteres Verfahren zur Sicherung der Malignität (DNA-Zytometrie, AgNOR-Analyse oder chromosomale FISH) sowie die Anwendung mindestens eines mesotheliomspezifischen (z. B. Calretinin oder WT1) und eines epithelspezifischen (z. B. BerEP4, HEA 125) monoklonalen Antikörpers verwendet wird.

Die Ziffer 4.4.3 der S2-Leitlinie enthält auf Seite 24 einen Verweis auf – zweitens – die Publikation der "International Mesothelioma Interest Group" (Hussain AN, Colby TV, Ordonez NG, et al. Guidelines für pathologic diagnosis of malignant mesothelioma: a consensus statement from die International Mesothelioma Interest Group, Arch Pathol Lab Med 2009, 133: 1317-1331), wonach ebenfalls eine Diagnosesicherung am Gewebe erfolgen sollte.

Drittens bezieht sich die "Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten - Falkensteiner Empfehlung" der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und des Spitzenverbands der landwirtschaftlichen Sozialversicherung von Februar 2011 wegen der Schwierigkeit der pathologischen Diagnostik zunächst auf Referenzzentren für die histologische Diagnose und nennt hier (Seite 52) in der Fußnote das Deutsche Mesotheliomregister Bochum. Im Folgenden wird in der Falkensteiner Empfehlung, ebenso wie in der zitierten S2-Leitlinie, die erforderliche diagnostische Sicherung anhand Histologie und Immunhistologie dargestellt. Betreffend die immunhistochemische Untersuchung heißt es in der Falkensteiner Empfehlung (Seite 54 Mitte): "Einen spezifischen Marker gibt es nicht. Je nach Tumorsubtyp und differentialdiagnostischer Fragestellung müssen unterschiedliche Markerpanel eingesetzt werden. Für die Diagnostik haben sich folgende Marker als besonders geeignet erwiesen: Calretinin (positiver Marker), MOC31, BerEP4 (negativer Marker), D2-40 (positiver Marker), TTF-1 (negativer Marker), Zytokeratine (positiver Marker) und WT-1 (positiver Marker). Ergänzend werden Antikörper gegen CDX2, CK 7, CK 20, ProSpB, LCA, PSA, CD34, Ca19.9, Melan A, S-100, Desmin, Aktin, Synaptophysin, CD56, BMA 120 u. a. eingesetzt."

Viertens nimmt der im Ärzteblatt veröffentlichte Artikel "Malignes Pleuramesotheliom" (Dtsch Arztebl Int 2013; 110(18): 319-26; DOI: 10.3238/aerztebl. 2013.0319) zur weiteren Darstellung relevanter Aspekte der Diagnostik auf alle drei vorgenannten Veröffentlichungen Bezug.

Unter Berücksichtigung der genannten vier einschlägigen Publikationen, die den aktuellen allgemein anerkannten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Diagnostik des Pleuramesothelioms abbilden (das Merkblatt zur BK Nr. 4105 von 1993, Bek. des BMA v. 08.11.1993 im Bundesarbeitsblatt 1/1994, 67, ist demgegenüber veraltet), ist nach der Aktenlage im vorliegenden Fall nicht im erforderlichen Vollbeweis bewiesen, dass der verstorbene Kläger an einem Mesotheliom erkrankt war:

1. Die immunhistochemische Untersuchung des bei der Thoraskopie am 02.05.2012 entnommenen Materials ("Pleuraresektat Schnellschnitt") durch die Dres. D. und E. (Institut für Pathologie am Klinikum Hanau) im pathologisch-anatomischen Gutachten vom 04.05.2012 erbrachte eine kräftige Anfärbung gegen Viment und in randnahen Abschnitten eine Coexpression mit Keratin, keine Reaktion gegen HEA 125, CK (Zytokeratin; Anm. d. Verf.) 5/6 und Calretinin.

2. Die von dort aus veranlasste konsiliarische Mitbegutachtung der entnommenen Proben im Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum am BG-lichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, die durch Frau Prof. F. am 11.05.2012 durchgeführt wurde, ergab immunhistochemisch "negative Reaktionen mit den Antikörpern gegen Zytokeratin MNF116 sowie AE1/AE3 und EMA bei Darstellung der oberflächlich gereizten aktivierten Subserosa- und Mesothelzellen, Negativität mit den Antikörpern gegen Calretinin, WT1, D2-40, BerEP4, MOC31 und TTF1. CD31 und CD34 in den Gefäßen positiv. CD117, BCL2 und S100 negativ. Schwach positive Reaktion in einzelnen wenigen Zellen mit dem Antikörper gegen glatt-muskuläres Aktin und Desmin. Viment und CD99 positiv. MIB-1 mit über 50 % markierten Zellkernen."

3. Die im Klageverfahren vorgelegte weitere fachpathologische, wissenschaftlich begründete Stellungnahme von Prof. F. vom 23.05.2013, die nach Auswertung des, bei der Obduktion des verstorbenen Versicherten am 11.04.2013 gewonnenen, Untersuchungsguts aus den beiderseitigen Lungen, Zwerchfell und Brustfell sowie weitergehenden Organabschnitten erfolgte, beschreibt immunhistochemisch eine "negative Reaktion mit den Antikörpern gegen Zytokeratin MNF116, CK5/6, Zytokeratin AE1/AE3, EMA, Calretinin, WT1, MOC31, BerEP4 und TTF1, D2-40, Desmin, S100, glatt-muskuläres Aktin, CD34. Viment stark positiv."

4. Der Sachverständige Prof. K. stellt in seinem Gutachten vom 10.03.2015 nach Auswertung des ihm vom Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum zur Verfügung gestellten "repräsentativen" Tumormaterials (Lungen- und Pleuragewebe) (ursprünglich stammend vom Obduzenten Dr. J.) fest (Seite 6 unten und 7 des Gutachtens): "In den von uns durchgeführten immunhistochemischen Färbungen bleiben die Tumorzellen negativ für den Pan-Keratinmarker MNF116 sowie für CK5/6 und CK7, wobei sich in den Reaktionen für den Pan-Keratinmarker MNF116 und auch CK7 das angrenzende Lungengewebe spezifisch positiv darstellt. Desmin ist in einzelnen Tumorzellen exprimiert, ferner zeigt sich eine mäßig starke Positivität für Aktin. Negativität für CD15 und Calretinin, WT1 ist zytoplasmatisch und nicht eindeutig nukleär exprimiert, D2-40 stellt nur ganz vereinzelte Tumorzellen positiv dar. Negativität für die Melanom-assoziierten Marker S-100 und MelanA sowie für TTF1, Negativität für CD34, CD99 und CD117, p53 ist schwach bis mäßig nukleär exprimiert. Die Reaktion für den Proliferationsmarker MIB-1 fällt trotz mehrmaliger Wiederholungen negativ aus. [ ] Wir haben daraufhin noch molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis einer Deletion 9p21 mittels FISH-Analysen durchgeführt, in diesen Untersuchungen ist eine 9p21 Deletion nicht nachweisbar."

Damit war zu konstatieren, dass die positiven Marker im untersuchten Gewebe des verstorbenen Klägers wie im Nachfolgenden zusammengefasst nicht nachweisbar waren:

Die positiven Marker Calretinin und Zytokeratin waren in allen vier immunhistochemischen Untersuchungen nicht nachweisbar.

Der von Prof. F. zusätzlich angewandte positive Marker EMA war in ihren Untersuchungen vom 11.05.2012 und vom 23.05.2013 negativ.

Die positiven Marker WT1 und D2-40 waren in beiden Untersuchungen von Prof. F. nicht nachweisbar; WT1 war auch in der Untersuchung des Sachverständigen K. negativ und D2-40 nur "ganz vereinzelt" positiv.

Die negativen Marker BerEP4, MOC31 und TTF1 waren in beiden Untersuchungen von Prof. F. negativ; auch in der Untersuchung des Gerichtssachverständigen war TTF1 negativ. Auch die von Prof. K. zusätzlich durchgeführten FISH-Analysen (erforderlich nur bei rein zytopathologischer Diagnose, s. o., womit die diesbezüglichen Ausführungen der ursprünglichen Klägervertreterin im Schriftsatz vom 09.04.2015, Seite 6, neben der Sache liegen) verliefen negativ.

Anhand der Ergebnisse der zur Diagnosesicherung maßgeblichen immunhistochemischen Untersuchungen steht fest, dass ein Mesotheliom beim verstorbenen Kläger nicht im Vollbeweis gesichert werden kann, weil die positiven Marker, die für das Vorhandensein eines Mesothelioms gesprochen hätten, allesamt negativ waren. Dass auch negative Marker negativ waren, ändert hieran nichts, denn allein hierdurch kann der erforderliche Vollbeweis nicht geführt werden. Das Ergebnis von Prof. F. und des Gerichtssachverständigen Prof. K. ist damit vollständig nachvollziehbar und überzeugend.

Soweit die ursprüngliche Klägervertreterin bezüglich der Stellungnahmen von Prof. F. ein Widerspruchsrecht nach § 200 Abs. 2 SGB VII geltend macht, führt dies aus mehreren Gründen nicht zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse Prof. F. im Klageverfahren:

Nach § 200 Abs. 2 SGB VII soll der Unfallversicherungsträger vor Erteilung eines Gutachtens dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Vorliegend hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren überhaupt kein Gutachten in Auftrag gegeben. Vielmehr wurden ihr seitens des Klinikums Hanau unter dem 19.06.2012 dessen Arztbriefe und das von diesem veranlasste pathologisch-anatomische Gutachten der Dres. D. und E. vom 04.05.2012 vorgelegt, das seinerseits entsprechend der Falkensteiner Empfehlung (s. o.) das Mesotheliomregister Bochum (Prof. F.) zur konsiliarischen Mitbegutachtung eingeschaltet hatte. Der anschließende Befundbericht von Prof. F. und Dr. G. vom 11.05.2012 sowie das hieran anschließende weitere pathologisch-anatomische Gutachten der Dres. D. und E. vom 16.05.2012 waren ebenfalls den vom Klinikum Hanau übersandten Unterlagen beigefügt. Dem Versicherten stand damit im Verwaltungsverfahren gar kein Widerspruchsrecht zu.

Im Klageverfahren hat die Beklagte nach dem Tod des Versicherten eine Obduktion bei Prof. J. veranlasst, der seinerseits Prof. F. zur Beantwortung der Frage nach der Kausalität zwischen Asbestbelastung und Todeseintritt eingeschaltet hat (Seite 15 seines Berichts mit anschließender vorläufiger Beurteilung vom 30.04.2013). Gleichzeitig war (vgl. Schreiben der Beklagten vom 13.05.2013 an das Gericht) eine unmittelbare Beauftragung Prof. F. mit einer gutachtlichen Stellungnahme seitens der Beklagten erfolgt. Soweit die Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII hierdurch berührt sein sollte, was das Gericht offenlassen kann (zur komplexen Fragestellung richtungsweisend ist das BSG-Urteil vom 5.2.2008, B 2 U 8/07 R, juris), steht nach der Rechtsüberzeugung der erkennenden Kammer der Rechtsnachfolgerin des Versicherten, die als Sonderrechtsnachfolgerin klagt, kein aus dieser Vorschrift abgeleitetes Widerspruchsrecht zu, da selbiges als höchstpersönliches Recht nur dem Betroffenen zusteht (vgl. bereits rechtlicher Hinweis der Kammervorsitzenden vom 01.07.2014 mit Verweis auf die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 13.07.2009, L 2 U 176/08, und vom 15.08.2011, L 2 U 153/10; beide juris). Zum Beauftragungszeitpunkt aber war der ursprüngliche Kläger schon tot. Abgesehen davon hatte die Sonderrechtsnachfolgerin des ursprünglichen Klägers die Obduktion selbst beantragt bzw. ihr zugestimmt. Soweit die ursprüngliche Klägervertreterin in diesem Zusammenhang auf einen im Widerspruchsschreiben ausgeübten Widerspruch des Versicherten (der übrigens in diesem Schreiben nicht nachzuweisen ist) verweist, kann sie sich hierauf nicht mit Erfolg berufen, weil dem Versicherten zum damaligen Zeitpunkt ein Widerspruch gar nicht zustand.

Die Stellungnahmen von Prof. F. sind also uneingeschränkt durch das Gericht verwertbar. Aus dem oben genannten Rechtsgrund sind auch der Obduktionsbericht des Prof. J. sowie dessen Beurteilung uneingeschränkt gerichtsverwertbar.

Soweit die ursprüngliche Klägervertreterin sich auf die aus dem makroskopischen Befund der Frau Dr. G. abgeleitete Diagnose "pleuraassoziierter rechtsseitiger maligner Tumor, nach dem makroskopischen Aspekt pathognomonisch für das klinischerseits übermittelte Pleuramesotheliom" beruft (als Anlage der Stellungnahme vom 23.05.2013 beigefügt unter Verweis hierauf auf Seite 5 Mitte der soeben genannten Stellungnahme), greift diese Argumentation zu kurz, da die aufgrund des makroskopischen Befundes gewonnene Diagnose sich nach der zur Diagnosesicherung eingesetzten weiteren Verfahren (insbesondere der Immunhistochemie, hierauf verweist zu Recht auch die o. g. Stellungnahme auf Seite 12, Zeilen 6 bis 10 von oben) nicht bestätigt hat.

Die Kritik der ursprünglichen Klägervertreterin an dem Gutachten des Gerichtssachverständigen ist nicht nachvollziehbar. Auch dieses ist vollumfänglich verwertbar. Wie oben dargestellt, hat Prof. K. seine Untersuchungen und Bewertungen auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand vorgenommen, nämlich gerade auf der Basis der von der angeführten S2-Leitlinie und der Falkensteiner Empfehlung. Auch seine konkreten Ergebnisse hat Prof. K., wie oben dargestellt, mitgeteilt. Soweit die ursprüngliche Klägervertreterin – entgegen der einschlägigen S2-Leitlinie und der Falkensteiner Empfehlung – die fehlende Anwendung der vom Universitätsklinikum Heidelberg (unter https://eliph.klinikum.uni-heidelberg.de/texte s/650/malignes-pleuramesotheliom-mpmfn20854033945015b3389a55c) angeführten Marker reklamiert, ist dies nicht nur widersprüchlich zu ihrer vorherigen Forderung nach Anwendung von Leitlinie und Falkensteiner Empfehlung unter Hinweis darauf, dass diese den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbilden. Hinzu kommt, dass, übereinstimmend mit den oben genannten einschlägigen Veröffentlichungen, auch vom Universitätsklinikum Heidelberg die Positiv-Marker Calretinin und Zytokeratin zur Diagnostik herangezogen werden. Die Marker Thombomodulin, HBME und CEA hingegen gehen auf Studien aus den Jahren 2000, 2002, 2006 und 2008 zurück (vgl. von der ursprünglichen Klägervertreterin nicht angefügte Fußnoten der von ihr zitierten Textstelle des Universitätsklinikum Heidelberg), die gerade nicht in die späteren S2-Leitlinie (2010) und Falkensteiner Empfehlung (2011) aufgenommen wurden. Der vom Universitätsklinikum darüber hinaus angeführte Antikörper Leu-M1 wird zudem nach eigener Aussage zur Differentialdiagnose gegenüber dem Adenokarzinom herangezogen, das hier gar nicht zur Debatte steht.

Soweit die ursprüngliche Klägervertreterin bemängelt, dass Standardverfahren inklusive speziell auf die Diagnostik des Mesothelioms ausgerichtete Marker zur Diagnosesicherung nicht zum Einsatz gekommen seien, erübrigt sich mit Hinweis auf den oben dargestellten aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand jedes weitere Eingehen hierauf.

Die Zweifel der ursprünglichen Klägervertreterin daran, dass der Gerichtssachverständige das Gewebe des Versicherten untersucht habe, sind als reine Spekulationen anzusehen, denn sie hat hierfür weder Anhaltspunkte genannt noch sind solche ersichtlich. Hiergegen sprechen die oben dargestellten übereinstimmenden Ergebnisse der immunhistochemischen Untersuchungen. Am fehlenden Vollbeweis der Erkrankung Mesotheliom ändert sich auch nichts dadurch, dass Prof. F. Asbestfasern in beiden Lungenflügeln gefunden hat und der Gerichtssachverständige nicht.

Soweit seitens der ursprünglichen Klägervertreterin bemängelt wird, dass der Sachverständige K. die Erkrankung des ursprünglichen Klägers nach dem Wertungsschema des Europäischen Mesotheliom Panels als "Mesotheliom E: Sicher kein Mesotheliom – die konkrete Diagnose eines anderen Tumors sollte angegeben werden" einordne, aber keine konkrete Diagnose eines anderen Tumors angebe, ist dies bereits sachlich unzutreffend, da der Sachverständige ein "pleomorphes high-grade Sarkom G3 NOS" (= bösartiger Bindegewebstumor der Brustwand/Pleura, vgl. Stellungnahme Prof. F./Dr. G. vom 23.05.2013) diagnostiziert hat, übrigens übereinstimmend mit Diagnose und Einordnung ins o. g. Wertungsschema von Prof. F. und Dr. G. in ihrer Stellungnahme vom 23.05.2013. Selbst wenn aber im Falle des verstorbenen Klägers nach dem Wertungsschema des Europäischen Mesotheliom Panels ein "Mesotheliom D: wahrscheinlich kein Mesotheliom – die Diagnose ist zwar unwahrscheinlich, kann jedoch nicht absolut verneint werden" vorläge, wäre auch hiermit der erforderliche Vollbeweis der Erkrankung nicht gegeben.

In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die Beweislast beim Versicherten/Kläger liegt und es deshalb nicht der Berufsgenossenschaft obliegt, eine andere – nicht durch die berufliche Einwirkung verursachte – Erkrankung im Vollbeweis zu sichern. Einen Sonderfall bildet hier § 9 Abs. 3 SGB VII, wonach das Bestehen der Kausalität dann vermutet wird, wenn Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Berufskrankheiten-Verordnung ausgesetzt waren, an dieser Krankheit tatsächlich erkranken und keine Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit festgestellt werden können. Ein solcher Sonderfall liegt jedoch beim verstorbenen Kläger nicht vor, da eben gerade nicht nachgewiesen ist, dass er an einem Pleuramesotheliom erkrankt war.

Auch aus dem Umstand, dass in den von der Beklagten beigezogenen Arztbriefen die Diagnose Pleuramesotheliom genannt wird, kann die Klägerin nichts zu ihren Gunsten ableiten:

Auf die ausdrückliche Anfrage der Beklagten an das Klinikum Hanau, warum nach den immunhistochemischen Untersuchungen von Prof. F. immer noch von einem Pleuramesotheliom ausgegangen werde und worauf diese Diagnose gestützt werde (Schreiben vom 26.06.2012), wurde von dort ausgeführt, dass nach den bereits aktenkundigen Befunden keine neuen Erkenntnisse vorlägen (Aktenvermerk der Beklagten nach einem Telefonat mit Dr. E. am 18.09.2012). Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass die einmal aufgenommene Diagnose Pleuramesotheliom in den weiteren Berichten schlicht fortgeführt wurde. Eine weitergehende Diagnostik geht aus den Berichten auch nicht hervor.

Das St. Katharinen Krankenhaus, das der ursprüngliche Kläger notfallmäßig aufgesucht hatte, übernahm in seinem Bericht vom 22.05.2012 die Diagnose des Klinikums Hanau (vgl. Stellungnahme des Krankenhauses vom 20.09.2012 auf den Fragekatalog der Beklagten, hier: Frage und Antwort 6). Weiterführende diagnostische Maßnahmen wurden auch in diesem Krankenhaus nicht durchgeführt.

Was die Berichterstattung der Tagesklinik "Onkologie Bethanien" anbelangt, in der der ursprüngliche Kläger eine Chemotherapie durchgeführt hatte (Berichte vom 05.06.2012, 22.06.2012, 13.07.2012 und 20.08.2012), so ergibt sich bereits aus dem ersten Bericht vom 05.06.2012, dass die Diagnose auch hier von der vorangegangenen Berichterstattung übernommen wurde ("Computertomographie Thorax vom 23.05.2012: Bei bekanntem Pleuramesotheliom rechts [ ]"). Was die in der Tagesklinik durchgeführte Computertomographie des Thorax anbetrifft, wäre diese zudem zu unspezifisch, um sich hiermit einer Diagnosesicherung anzunähern. Die S2-Leitlinie fordert hier die Untersuchung mit einem Mehrzeilen-Spiral-CT-Gerät (MSCT) oder ein MRT der Thoraxwand mit PET-CT/HRCT (S2-Leitlinie Ziffer 4.3.1, Seite 16 oben).

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG.
Rechtskraft
Aus
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