L 39 SF 219/17 B E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
39
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 165 SF 604/17 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 39 SF 219/17 B E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bezüglich der Erforderlichkeit von Auslagen, zu denen auch die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV RVG gehört, enthält § 46 Abs. 1 RVG eine Sonderregelung für die Vergütung beigeordneter Rechtsanwälte aus der Staatskasse. Diese begründet eine Beweislast für die Staatskasse, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Ein Anscheinsbeweis gegen die Erforderlichkeit kann aber die Darlegungs- und Beweislast von der Staatskasse auf den Rechtsanwalt verlagern. Anderenfalls muss die Staatskasse, wenn sie ihre Erstattungspflicht bestreiten will, konkrete Gründe für die aus ihrer Sicht fehlende Erforderlichkeit benennen. Die Prüfung, ob die Auslagen erforderlich waren, ist dann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. August 2017 geändert. Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird auch der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 16. Juni 2017 geändert. Die Vergütung der Antragstellerin aus der Landeskasse wird auf 901,37 EUR festgesetzt. Im Übrigen werden die Beschwerde und die Erinnerung zurückgewiesen. Die Kosten des gebührenfreien Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt als beigeordnete Rechtsanwältin eine höhere Vergütung aus der Landeskasse nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

In dem Ausgangsverfahren S 100 AS 1259/15 erhob der spätere Mandant der Antragstellerin – ein syrischer Staatsangehöriger, der mit seinen fünf Familienangehörigen laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezog – am 19. Januar 2015 zunächst selbständig in der Rechtsantragstelle des Sozialgerichts Berlin eine Klage, die sich gegen einen Bescheid vom 27. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2015 richtete, mit welchem der Grundsicherungsträger von ihm die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Leistungen in Höhe von 2.110,08 EUR forderte, und zwar mit der Begründung, der Mandant habe die Rechtswidrigkeit der Zahlung jedenfalls grob fahrlässig nicht erkannt. In der Niederschrift des Urkundsbeamten heißt es, dass im Falle einer mündlichen Verhandlung ein Dolmetscher für die kurdische Sprache notwendig sei. Mit einem Schriftsatz vom 25. August 2015 meldete sich die Antragstellerin unter Vorlage einer Vollmacht ihres Mandanten bei dem Sozialgericht und beantragte Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung. Dem gab das Sozialgericht durch einen Beschluss vom 21. September 2015 mit Wirkung ab dem 26. August 2015 statt. Nach durchgeführter Akteneinsicht begründete die Antragstellerin die Klage mit einem siebenseitigen Schriftsatz vom 14. Dezember 2015, wobei sie ausführte, ihr Mandant genieße Vertrauensschutz, weil ihm angesichts der Vielzahl von Anträgen und Leistungsbewilligungen – welche die Antragstellerin ausführlich referierte – sowie wegen seiner unzureichenden Kenntnis der deutschen Sprache keine grobe Verletzung seiner Sorgfaltspflicht an-gelastet werden könne. Auf die Erwiderung des Grundsicherungsträgers gab die Antragstellerin mit einem kurzen Schreiben vom 27. Januar 2016 erneut eine Stellungnahme ab. An der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2016, die von 8.30 Uhr bis 9.15 Uhr dauerte, nahm sie in Begleitung ihres Mandanten teil. Auf Veranlassung des Sozialgerichts erschien auch ein Dolmetscher für die kurdische Sprache. Das Sozialgericht wies die Klage mit einem Urteil vom selben Tag ab.

Mit einem Schreiben vom 19. Oktober 2016 hat die Antragstellerin für das Verfahren S 100 AS 1259/15 die folgende Vergütung geltend gemacht: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 390,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 364,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Dokumentenpauschale für 451 Ablichtungen Nr. 7000 VV RVG 85,15 EUR Zwischensumme 859,15 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 163,24 EUR Gesamtbetrag 1.022,39 EUR Die Antragstellerin hat hierbei rechtsanwaltlich versichert, dass die geltend gemachten Auslagen während der Beiordnung entstanden sind. Die gefertigten Ablichtungen hat sie zunächst nicht eingereicht.

Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle hat mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 erwidert, gegen die Bemessung der Verfahrensgebühr bestünden keine Einwände. Hierbei werde auch die Vorbereitung des Termins berücksichtigt. Die Terminsgebühr sei jedoch bei einer Terminsdauer von 45 Minuten als durchschnittlich anzusehen. Besondere Schwierigkeiten bei der Durchführung des Termins seien nicht zu erkennen. Hinsichtlich der geltend gemachten Dokumentenpauschale fehle es an einem Nachweis der Notwendigkeit. Der Rechtsanwalt müsse sein Ermessen ausüben und dürfe nicht kurzerhand die gesamten Akten ablichten lassen.

Die Antragstellerin hat daraufhin die begehrte Höhe der Terminsgebühr damit be-gründet, dass eine umfangreiche Durchsicht der Verwaltungsvorgänge sowie eine zeitintensive Bearbeitung erforderlich gewesen seien. Da der Mandant zudem die deutsche Sprache nicht beherrsche, sei die Prozessführung nur mit einem Dolmetscher möglich gewesen, was sich gebührenerhöhend auswirken müsse. Die gute Vorbereitung des Termins habe zu dessen Verkürzung beigetragen, so dass nicht allein die Terminsdauer zur Bemessung der Terminsgebühr herangezogen werden dürfe. Hinsichtlich der Dokumentenpauschale hat die Antragstellerin ausgeführt, ihr stehe hinsichtlich der Erforderlichkeit der Ablichtungen ein Beurteilungsspielraum zu, von dem sie unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsanschauung und der Waffengleichheit Gebrauch gemacht habe. Bei den gefertigten Ablichtungen handle es sich nicht um den gesamten Akteninhalt, sondern vorwiegend um Briefwechsel und Bescheide des Grundsicherungsträgers sowie anderer Behörden und Einrichtungen. Eine Durchsicht der beantragten und empfangenen Leistungen sei für eine fundierte Stellungnahme unerlässlich gewesen. Im Zweifel sei ohnehin von der Erforderlichkeit der Ablichtungen auszugehen. Diese seien jedenfalls nicht offensichtlich unnötig gewesen und könnten auf Wunsch auch zur Verfügung gestellt werden.

Die Urkundsbeamtin hat die Vergütung mit einem Beschluss vom 16. Juni 2017 folgendermaßen festgesetzt: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 390,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 690,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 131,10 EUR Gesamtbetrag 821,10 EUR Zur Begründung hat die Urkundsbeamtin zunächst auf ihr Schreiben vom 21. Oktober 2016 verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass zur Dokumentenpauschale keine Nachweise erbracht worden seien.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin am 11. Juli 2017 unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Erinnerung eingelegt. Auf die Aufforderung des Sozialgerichts hat sie die gefertigten Ablichtungen eingereicht. Das Sozialgericht hat die Erinnerung mit einem Beschluss vom 9. August 2017 zurückgewiesen. Eine höhere Terminsgebühr stehe der Antragstellerin nicht zu, weil die Vorbereitung des Termins mit der Verfahrensgebühr abgegolten sei und der im Termin anwesende Dolmetscher die rechtsanwaltliche Tätigkeit erleichtert habe. Die Dokumentenpauschale sei nicht zu berücksichtigen. Der Rechtsanwalt müsse Tatsachen darlegen, aus denen sich schlüssig die Notwendigkeit der Ablichtungen für eine sachgerechte Prozessführung ergebe. Das sei hier nicht geschehen. Die Prüfung der eingereichten Ablichtungen habe zudem ergeben, dass zahlreiche Schreiben und Bescheide abgelichtet worden seien, die der Grundsicherungsträger an den Mandanten gerichtet habe, so dass die Antragstellerin die Unterlagen auch von ihrem Mandanten hätte erhalten können. Es sei nicht die Aufgabe des Gerichts, die notwendigen Ablichtungen von den insgesamt geltend gemachten abzuziehen. Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 11. August 2017 zugestellten Beschluss am 24. August 2017 Beschwerde eingelegt und eine Terminsgebühr in Höhe von 364,00 EUR sowie eine Dokumentenpauschale in Höhe von 85,15 EUR nebst Um-satzsteuer geltend gemacht. Zu der Dokumentenpauschale hat sie ergänzend vor-getragen, dass der Mandant nicht mehr im Besitz aller notwendigen Unterlagen ge-wesen sei, so dass insoweit Ablichtungen erforderlich gewesen seien. Außerdem sei ein Überblick über sämtliche Bescheide notwendig gewesen, was an der Argumentation im Klageverfahren erkennbar sei. Die Antragstellerin hat die mit dem Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens zurückgesandten Ablichtungen nochmals eingereicht (Bl. 70-402 der Verwaltungsvorgänge).

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. August 2017 aufzuheben, den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 16. Juni 2017 zu ändern und die Vergütung aus der Landeskasse auf 1.022,39 EUR festzusetzen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten hat der Berichterstatter die Sache mit Beschluss vom 11. Oktober 2018 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet nach der Übertragung der Sache gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 2 und Satz 3 RVG sowie § 33 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Besetzung mit drei Berufsrichtern.

Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Das Sozialgericht hat die Erinnerung zu Unrecht vollständig zurückgewiesen. Diese ist zulässig und teilweise begründet. Die Antragstellerin hat einen Vergütungsanspruch von insgesamt 901,37 EUR. Dieser ergibt sich dem Grunde nach aus § 45 Abs. 1 RVG. Die Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz (VV RVG). Vorliegend sind in dem Ausgangsverfahren gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren entstanden, da es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelte, in dem das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden war.

Nach § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Höhe der Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Durch diese Regelungen hat der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Gesichtspunkte verbunden ist. Allerdings findet bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse nach § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG zugunsten der Staatskasse eine Billigkeitskontrolle statt (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Januar 2017, L 2 AS 441/15 B, Rn. 23; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. April 2016, L 7/14 AS 35/14 B, Rn. 15; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 7. Februar 2013, L 6 SF 1883/12, Rn. 19; Sächsisches Lan-dessozialgericht, Beschluss vom 9. Juni 2004, L 6 B 15/04 KR-KO, Rn. 15; diese und die nachfolgenden Entscheidungen zitiert nach der Datenbank JURIS).

Zur Bestimmung der Billigkeit einer Rahmengebühr ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen. Sie ist in den Fällen zu Grunde zu legen, in denen die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abweicht (BT-Drucksache 15/1971, S. 207). Die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt dar-über hinaus einen Spielraum von 20 Prozent als Toleranzgrenze zu. Er darf aber den Wert der Mittelgebühr insoweit nicht ohne weitere Begründung erhöhen (Bundessozialgericht, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R, Rn. 24; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. August 2005, 6 C 13.04, Rn. 24; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19. Oktober 2004, VII B 1/04, Rn. 10).

Die Gebühr ist im Wege der Gesamtwürdigung aller gemäß § 14 Abs. 1 RVG maß-geblichen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 2013, XI ZR 345/10, Rn. 62). Diese stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander (Bundessozialgericht, Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 155/10 R, Rn. 25; Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R, Rn. 21). Die über- oder unterdurchschnittliche Ausprägung eines Gesichtspunktes kann durch die Relevanz der übrigen Umstände kompensiert werden (Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23. April 2012, III-2 Ws 67/12, Rn. 24; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Auflage 2019, § 14 RVG Rn. 11).

Nach diesen Maßgaben macht die Antragstellerin die entstandene Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG mit 364,00 EUR in unbilliger Höhe geltend. Der Gebühren-rahmen reicht von 50,00 EUR bis 510,00 EUR. Die Mittelgebühr beträgt 280,00 EUR. Die Sache war auch insgesamt nur durchschnittlich.

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, womit der benötigte Zeitaufwand gemeint ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. März 2016, B 14 AS 5/15 R, Rn. 17; Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R, Rn. 28), war ebenfalls durchschnittlich. Die durchschnittliche Terminsdauer vor den Sozialgerichten beträgt 30 bis 45 Minuten (Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 17. Februar 2011, S 180 SF 3212/10 E, Rn. 3; Beschluss vom 25. Januar 2010, S 165 SF 1315/09 E, Rn. 15). Der Termin dauerte hier 45 Mi-nuten. Der Zeitaufwand der Terminsvorbereitung ist nicht bei der Terminsgebühr, sondern bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen. Die Terminsgebühr fällt allein für die Vertretung im Termin an (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 17. April 2014, L 6 SF 209/14 B, Rn. 21; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Juni 2013, L 8 AS 45/12 B KO, Rn. 22; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 18. Mai 2012, L 18 KN 224/11 B, Rn. 16; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. August 2010, L 15 B 1007/08 SF, Rn. 21). Denn die Terminsgebühr entsteht für die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins (Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG), während die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information anfällt (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG).

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, also die Intensität der Arbeit (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. März 2016, B 14 AS 5/15 R, Rn. 17; Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R, Rn. 32), war ebenfalls durchschnittlich. Eine besondere rechtliche Schwierigkeit ist hinsichtlich des Termins nicht ersichtlich. Die Schwierigkeit bei der sprachlichen Verständigung mit dem Mandanten wurde durch die Hinzuziehung des Dolmetschers ausgeglichen.

Die überdurchschnittliche Bedeutung der Sache für den Mandanten und dessen unterdurchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse gleichen sich gegenseitig aus. Ein besonderes Haftungsrisiko bestand nicht. Sonstige Gesichtspunkte für eine Herauf- oder Herabbemessung sind nicht erkennbar.

Unter Berücksichtigung der insgesamt beantragten Vergütung (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 6. Februar 2019, L 12 SF 22/15 E, Rn. 29-30) kommt auch keine weitere Erhöhung der entstandenen Verfahrensgebühr in Betracht, da insoweit bereits alle nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Gesichtspunkte in die Gebührenfestsetzung eingeflossen sind.

Die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV RVG ist hier jedoch in Höhe von 67,45 EUR zu berücksichtigen. Danach kann für Kopien aus Behördenakten die Dokumentenpauschale gefordert werden, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 15/1971, S. 231) entspricht diese Regelung im Wesentlichen der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO).

Bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse genügt es gemäß § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 104 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen reicht nach § 104 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Versicherung des Rechtsanwalts aus, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt gemäß § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine entsprechende rechtsanwaltliche Versicherung als Glaubhaftmachung für Gebühren und andere Auslagen nicht ausreicht. Hierzu können nach § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung eingesetzt werden (Bun-desgerichtshof, Beschluss vom 24. Februar 2010, XII ZB 147/05, Rn. 18; Beschluss vom 4. April 2007, III ZB 79/06, Rn. 9). Im Falle überwiegender Wahrscheinlichkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen ist die betreffende Gebühr zu Gunsten des Rechtsanwalts festzusetzen (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. März 2014, VII ZB 40/13, Rn. 16; Beschluss vom 13. Juli 2011, IV ZB 8/11, Rn. 10; Beschluss vom 13. April 2007, II ZB 10/06, Rn. 8).

Bezüglich der Erforderlichkeit von Auslagen, zu denen auch die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV RVG gehört, enthält § 46 Abs. 1 RVG eine Sonderregelung für die Vergütung beigeordneter Rechtsanwälte aus der Staatskasse (so auch Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 28. November 2011, 1 Ws 415/11, Rn. 9; Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Auflage 2019, § 46 Rn. 87-88). Danach werden Auslagen, insbesondere Reisekosten, nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Diese Regelung entspricht der Vorgängervorschrift des § 126 Abs. 1 Satz 1 BRA-GO, durch deren negativen Wortlaut die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Erforderlichkeit dem Staat auferlegt wurde (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2002, 2 BvR 2099/01, Rn. 9). Dementsprechend heißt es auch in der Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 1 RVG (BT-Drucksache 15/1971, S. 200): "Die negative Fassung des § 126 Abs. 1 Satz 1 BRAGO wurde beibehalten. Diese begründet eine Beweislast für die Staatskasse, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Hieran soll festgehalten werden. Im Zweifel ist die Notwendigkeit der Auslagen anzuerkennen. Es ist nicht Aufgabe des Urkundsbeamten oder des auf die Erinnerung entscheidenden Gerichts, seine eigene Auffassung an die Stelle der Meinung des Rechtsanwalts zu setzen. Der Rechtsanwalt hat den Rechtsstreit geführt; nur er ist für die sachgemäße Wahrnehmung der Interessen der Partei verantwortlich". Demnach steht ihm hinsichtlich der Erforderlichkeit der Auslagen ein Beurteilungsspielraum zu. Soweit die Auffassung vertreten wird, dass es sich bei Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV RVG um eine Sonderregelung zu § 46 Abs. 1 RVG handle, so dass die Darlegungs- und Beweislast bei dem Rechtsanwalt liege (Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 26. Mai 2016, 1 Ws 245/16, Rn. 14; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 28. August 2015, 1 Ws 31/15, Rn. 4; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. August 2015, 1 Ws 233/15, Rn. 12; Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 4. August 2014, 20 Ws 193/14, Rn. 14; Oberlandesgericht München, Beschluss vom 3. November 2014, 4c Ws 18/14, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht. Denn Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV RVG ist eine allgemeine Vorschrift für die Rechtsanwaltsvergütung, während § 46 Abs. 1 RVG nur die Vergütung des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts aus der Staatskasse betrifft. Es handelt sich daher um eine Spezialregelung, die nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung ausnahmslos für alle Auslagen gilt. Zudem wurde auch in Bezug auf die Dokumentenpauschale nach § 27 Abs. 1 BRAGO angenommen, dass gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 BRAGO im Zweifel zugunsten des beigeordneten Rechtsanwalts zu entscheiden ist (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 8. März 1984, VII E 9/83, Rn. 2). Dass sich hieran durch das RVG etwas ändern sollte, ist nicht ersichtlich.

Die Privilegierung durch § 46 Abs. 1 RVG erfährt allerdings eine Einschränkung durch den Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Kosten der Prozessführung, die ihm gegebenenfalls zu erstatten sein werden, so niedrig zu halten hat, wie sich dieses mit der Wahrung seiner prozessualen Belange vereinbaren lässt. Daher kann es unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, die Erstattung der Auslagen von der Darlegung konkreter Umstände abhängig zu machen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Dezember 2002, 2 BvR 2099/01, Rn. 9). In diesem Sinne kann ein Anscheinsbeweis gegen die Erforderlichkeit die Darlegungs- und Beweis-last von der Staatskasse auf den Rechtsanwalt verlagern (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. März 2014, 1 Ws 31/14, Rn. 9; Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 4. Juni 2012, 1 Ws 71/12, Rn. 3; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 27. Mai 2008, 2/5 Ws 131/06, Rn. 14). Anderenfalls muss die Staatskasse, wenn sie ihre Erstattungspflicht bestreiten will, konkrete Gründe für die aus ihrer Sicht fehlende Erforderlichkeit benennen. Die Prüfung, ob die Auslagen erforderlich waren, ist dann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. März 2014, 1 Ws 31/14, Rn. 9; Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Auflage 2019, § 46 Rn. 87-89). Die Erforderlichkeit von Ablichtungen ist aus der Sicht zu beurteilen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Prozessbevollmächtigter haben kann, wenn er sich mit den betreffenden Gerichtsakten beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der noch erforderlichen eigenen Bearbeitung der Sache auf-treten können. Deshalb darf kein kleinlicher Maßstab angelegt werden. Nicht erstattungsfähig sind gleichwohl nicht nur Kosten für die Ablichtung von Aktenbestandteilen, die für das weitere Vorgehen des Rechtsanwalts von vornherein irrelevant sind, sondern auch Kosten für Aktenbestandteile, von denen der Prozessbevollmächtigte sicher erwarten kann, dass von ihnen bereits Ablichtungen gefertigt sind oder Abschriften existieren und hierauf rechtzeitig zurückgegriffen werden kann (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. April 2005, X ZB 17/04, Rn. 10).

Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin hier das Entstehen der Dokumentenpauschale spätestens dadurch glaubhaft gemacht, dass sie die gefertigten Ablichtungen übersandt hat. Allerdings handelt es sich nur um 333 Ablichtungen. Diese sind aber auch als erforderlich anzusehen. Ein Anscheinsbeweis gegen die Erforderlichkeit ist hier nicht ersichtlich. Er lässt sich nicht bereits daraus herleiten, dass hier lückenlos Ablichtungen eines Teils der Verwaltungsvorgänge angefertigt worden sind. Ein solches Vorgehen kann unter Berücksichtigung aller Eventualitäten, die bei der Bearbeitung der Sache auftreten können, aus der Sicht des verständigen Prozessbevollmächtigten erforderlich sein. In Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung sieht es der Senat insoweit nicht als seine Aufgabe an, seine eigene Auffassung an die Stelle der Meinung des Rechtsanwalts zu setzen. Im Übrigen hat die Antragstellerin diesbezüglich nachvollziehbar angegeben, eine Erfassung der beantragten und empfangenen Leistungen sei für eine fundierte Stellungnahme unerlässlich gewesen. Die Landeskasse hat selbst auch keine konkreten Gründe gegen die Erforderlichkeit vorgebracht. Soweit sie sich auf den angefochtenen Beschluss bezogen hat, ist die Antragstellerin dem dort geäußerten Einwand, dass die Ablichtungen teilweise schon vorhanden gewesen seien, überzeugend entgegengetreten, indem sie ausgeführt hat, dass der Mandant nicht mehr im Besitz aller Unterlagen gewesen sei.

Nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV RVG beträgt die Pauschale für die ersten 50 ab-zurechnenden Seiten je Seite 0,50 EUR und für jede weitere Seite 0,15 EUR. Dar-aus ergibt sich bei 333 Seiten ein Betrag von 67,45 EUR. Zusätzlich ist die darauf entfallende Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 12,82 EUR zu berücksichtigen.

Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei. Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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