L 10 KO 1418/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 KO 1418/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der dem Sachverständigen zur Verfügung stehende, im Gutachtensauftrag mitgeteilte Kostenrahmen nach § 109 SGG wird erweitert, wenn zusätzliche Aufwendungen vom Gericht auf Vorschlag des Sachverständigen genehmigt werden.
Die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 31.01.2020 wird auf 2.405 EUR festgesetzt, wovon 1.800 EUR an den Antragsteller auszuzahlen sind. Der Nachzahlungsbetrag beträgt 605 EUR.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

In dem beim Landessozialgericht anhängigen Berufungsverfahren L 5 KR 3054/17 ging es um die Frage, ob bei beinbetonter Halbseitenlähmung nach erlittener Hirnblutung ein verordnetes elektrisches Fußhebersystem erforderlich ist oder ein preisgünstigeres Hilfsmittel (mechanische Fußhebeschiene bzw. Peroneusschiene) ausreicht.

Im Mai 2019 wurde der Antragsteller auf Antrag der dortigen Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und nach Zahlung eines angeforderten Kostenvorschusses in Höhe von 1.800 EUR zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung der Klägerin gebeten. Im Gutachtensauftrag wurde er darauf hingewiesen, dass sich der Kostenvorschuss auf 1.800 EUR beläuft, er rechtzeitig darauf hinweisen muss, falls voraussichtlich Kosten erwachsen, die den Vorschuss erheblich übersteigen und das Unterbleiben eines solchen Hinweises zu einer Kürzung der Sachverständigenvergütung führen kann. Bei der (ersten) Untersuchung stellte sich heraus, dass die Klägerin über keine mechanische Fußheberschiene verfügte. Der Antragsteller hielt für einen vergleichenden Test die leihweise Beschaffung und Anpassung eines solchen Hilfsmittels für erforderlich, er informierte den Berichterstatter hierüber und bat "um eingehende richterliche Prüfung und Genehmigung der durch Schienenanpassung, Leihkosten und sonstige Kosten beim Sanitätshaus C. entstehenden zusätzlichen Aufwendungen". Die "beschriebene Vorgehensweise" wurde mit Schreiben der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf die entsprechende richterliche Anordnung des Berichterstatters genehmigt.

Im Januar 2020 erstattete der Antragsteller sein neurologisches Gutachten, wofür er eine Vergütung in Höhe von insgesamt 3.653,57 EUR verlangt hat. Das von ihm beauftragte Sanitätshaus C. hat die im Rahmen der vom Antragsteller beschriebenen Vorgehensweise entstandenen Kosten für die mechanische Fußheberschiene in Höhe von 605 EUR direkt mit dem Gericht abgerechnet und diese als dem Antragsteller entstandene besondere Aufwendungen ersetzt bekommen.

Die Kostenbeamtin hat die Vergütung des Antragstellers mit 1.195 EUR festgestellt und ausgeführt, grundsätzlich bestünden keine Bedenken gegen die beantragte Vergütung. Allerdings werde der Kostenvorschuss erheblich überschritten und diese Überschreitung sei frühzeitig erkennbar gewesen. Deshalb sei die Vergütung auf den Vorschuss zu begrenzen und die aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität bereits an das Sanitätshaus bezahlten 605 EUR seien hiervon noch abzuziehen, weil es sich um Auslagen des Sachverständigen handle, die damit Teil der Sachverständigenvergütung seien.

Mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung wendet sich der Antragsteller gegen die Kürzung der Vergütung in Höhe von 605 EUR.

II.

Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen zuständige 10. Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG durch den Einzelrichter. Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen bemessen ist. Dementsprechend wird es gem. § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt. Medizinische Sachverständige erhalten nach § 9 Abs. 1 für jede dieser Stunden ein Honorar in Höhe von 65, 75 oder 100 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 JVEG zuzuordnen ist. Zusätzlich werden insbesondere Aufwendungen für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens (Schreibauslagen, allerdings pauschaliert, § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG), für die Anfertigung von Kopien oder Ausdrucken (ebenfalls pauschaliert, § 7 Abs. 2 JVEG) sowie die Umsatzsteuer (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG) ersetzt.

Nach § 8a Abs. 4 JVEG erhält der Sachverständige die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigt und der Sachverständige nicht rechtzeitig nach § 407a Absatz 4 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf diesen Umstand hingewiesen hat. § 407a Absatz 4 Satz 2 ZPO verpflichtet den Sachverständigen, rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn voraussichtlich Kosten erwachsen, die einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. § 8a Abs. 4 JVEG ist nicht anzuwenden, wenn der Sachverständige die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflichten nicht zu vertreten hat (§ 8a Abs. 5 JVEG).

Der Antragsteller wurde - wie § 407a Abs. 6 ZPO dies verlangt - auf diese Verpflichtung einschließlich der Höhe des Kostenvorschusses hingewiesen. Die eigentlich zu gewährende Vergütung - von der Kostenbeamtin zutreffend mit 3.653,57 EUR zuzüglich der Auslagen für das Sanitätshaus in Höhe von 605 EUR ermittelt - übersteigt diesen Vorschuss um mindestens 20 % und damit erheblich (Beschluss des Kostensenats vom 27.06.2017, L 12 SF 4975/15 E-B; auch der Gesetzgeber geht von einer Erheblichkeitsgrenze bei 20 % aus, BTDrs. 17/11471, S. 260).

Dem entsprechend hat die Kostenbeamtin die Vergütung des Antragstellers auf den Kostenvorschuss von 1.800 EUR begrenzt. Dies ist angesichts der dargestellten gesetzlichen Regelungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung wendet sich der Antragsteller auch nicht gegen diese Begrenzung als solche. Er widerspricht allein der Kürzung der Auslagen in Höhe von 605 EUR für das Sanitätshaus C. für die zur Verfügung gestellte Fußheberschiene.

Hinsichtlich dieser Auslagen in Höhe von 605 EUR für das Sanitätshaus C. für die zur Verfügung gestellte Fußheberschiene besteht jedoch ein Anspruch des Antragstellers auf Ersatz dieser Aufwendungen, ohne Begrenzung auf den eingeholten Vorschuss.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG sind mit der Vergütung nach den §§ 9 bis 11 auch die üblichen Gemeinkosten sowie der mit der Erstattung des Gutachtens üblicherweise verbundene Aufwand abgegolten. Nach Satz 2 Nr. 1 der Bestimmung werden jedoch die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten, einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen, sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge gesondert ersetzt. Damit handelt es sich bei den vom Sanitätshaus C. in Rechnung gestellten Kosten um derart ersatzfähige Aufwendungen (ähnlich Landgericht Tübingen, Beschluss vom 20.03.2018, 3 Qs 21/17 und diese Entscheidung bestätigend Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 13.07.2018, 4 Ws 158/18, jeweils in juris), die Teil des Vergütungsanspruches des Sachverständigen sind, wovon auch die Kostenbeamtin ausgeht.

Da derartige Aufwendungen Teil des Vergütungsanspruches des Sachverständigen sind, nehmen sie zwar grundsätzlich auch der Begrenzung des Honoraranspruches nach § 8a Abs. 4 JVEG teil. Auch hiervon ist die Kostenbeamtin zutreffend ausgegangen.

Im vorliegenden Fall wurden indessen die Kosten für die Leistung des Sanitätshauses vom Gericht genehmigt. Der Antragsteller bat den Berichterstatter ausdrücklich "um eingehende richterliche Prüfung und Genehmigung der durch Schienenanpassung, Leihkosten und sonstige Kosten beim Sanitätshaus C. entstehenden zusätzlichen Aufwendungen" und diese Genehmigung wurde auch erteilt, indem die "beschriebene Vorgehensweise" mit Schreiben der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auf die entsprechende richterliche Anordnung des Berichterstatters genehmigt wurde. Damit waren die "zusätzlichen Aufwendungen" für die Leistungen des Sanitätshauses C. (und damit die entsprechenden Kosten in Höhe von 605 EUR) bezogen auf den mitgeteilten Kostenvorschuss in Höhe von 1.800 EUR vom Gericht bewilligt und sinngemäß der verfügbare Kostenrahmen für die Erstellung des Gutachtens um diese Aufwendungen erweitert. Dem Antragsteller stand somit ein Kostenrahmen in Höhe des Vorschusses zuzüglich der Kosten für das Sanitätshaus C. zur Verfügung. Da er auch diesen Betrag von 2.405 EUR mit der geltend gemachten Vergütung (3.653,57 EUR + 605 EUR = 4.258,57) erheblich, weil zu mehr als 20% überschreitet (s.o.), ist sein eigentlicher Vergütungsanspruch auf diesen Betrag, also auf 2.405 EUR, zu begrenzen und damit in dieser Höhe festzusetzen.

Dem entsprechend wendet sich der Antragsteller zu Recht dagegen, dass diese Aufwendungen vom gezahlten Vorschuss in Höhe von 1.800 EUR abgezogen worden sind. Da die Aufwendungen für das Sanitätshaus C. bereits beglichen sind (der Antragsteller insoweit also von seiner eigenen Zahlungspflicht befreit worden ist, wogegen er keine Einwände erhebt), hat der Antragsteller Anspruch auf Zahlung einer Vergütung in Höhe des Kostenvorschusses und aktuell auf Nachzahlung eines Betrages in Höhe von 605 EUR. Der Senat hat dies aus Gründen der Klarheit in den Tenor der Entscheidung aufgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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