S 28 SO 229/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 SO 229/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.3014 verurteilt, den Klägern Bestattungskosten in Höhe von 1.258,- EUR zu erstatten Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Bestattungskosten.

Am 18.10.2013 erlitt die Klägerin zu 1) in der 21. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt. Damals standen die Kläger im Leistungsbezug nach Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Kläger ließen am 22.10.2013 die Bestattung durch das Bestattungshaus F in einem Reihengrab für muslimische Bestattung für Verstorbene bis zum 5. Lebensjahr vornehmen und beantragten am 29.10.2013 die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Dabei legten sie den Gebührenbescheid der Stadt S über 783,- EUR vor sowie die Rechnung des Bestattungsunternehmens in Höhe von weiteren 784,- EUR.

Mit Bescheid vom 15.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme von Bestattungskosten gem. § 74 SGB XII ab. Dazu führte sie aus, dass die Kläger zwar aus § 8 Abs 2 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen (BestG NRW) ein Bestattungsrecht haben, sie aber aufgrund der Wahlmöglichkeit keine Bestattungspflicht treffe, sondern das T-L S. Auch liege keine erbrechtliche Verpflichtung zur Kostentragung vor, ebenso wenig eine unterhaltsrechtliche. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2014 zurück gewiesen. Darin führte die Beklagte aus, dass im Fall einer Fehlgeburt die in § 8 BestG NRW geregelte Bestattungspflicht nicht notwendigerweise die Eltern eines Kindes betrifft, so dass die Kostentragungspflicht zu verneinen sei. Am 05.05.2014 haben die Kläger Klage erhoben. Sie führen aus, dass die Bestattung durch die T-L nicht einer muslimischen Bestattung entspricht.

Sie beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.3014 zu verurteilen, die Bestattungskosten für C1 C2 zu übernehmen, abzüglich der Kosten für den Kindersarg.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie betont, dass die T-L die Bestattungspflicht hatten, nicht aber die Kläger. Sie trägt vor, dass, dass die im T-L entbundenen Fehlgeburten, soweit sie nicht von den Eltern beigesetzt werden, im Rahmen einer vierteljährlichen Beisetzungsfeierlichkeit bestattet werden. Dabei würden auch auf muslimische Riten Rücksicht genommen, allerdings werde eine Sammelbestattung durchgeführt d.h. es werden mehrere Fehlgeburten in einen Sarg gelegt und bestattet. Die dargelegten Bestattungskosten seien mit Ausnahme des Kindersargs grundsätzlich angemessen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Erstattung der Bestattungskosten gem § 74 SGB XII, da sie zur Tragung der Kosten der Bestattung verpflichtet sind. Inhaber des Anspruchs aus § 74 SGB XII ist derjenige, der zur Tragung der Kosten der Bestattung verpflichtet ist.

Zwar sind die Kläger nicht nach erbrechtlichen Vorschriften zur Bestattung verpflichtet. Auch wenn § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt, dass der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers trägt. Die Tochter der Kläger ist jedoch in der 21. SSW mit einem Gewicht unter 500 Gramm als Fehlgeburt tot geboren worden. Sie ist kein Erblasser im Sinne der Vorschrift. Der Erbfall setzt nämlich den Tod einer Person voraus (§ 1922 BGB). Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt jedoch erst mit der Vollendung der Geburt als lebender Mensch. Damit ist die Fehlgeburt nicht rechtsfähig. Auch wenn der Nasciturus für den Fall der Geburt durch Sonderbestimmungen geschützt ist und somit als teilweise rechtsfähig angesehen wird, so ist jedoch jedenfalls die Geburt erforderlich.

Gleiches gilt für die unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Eine Pflicht zur Übernahme der Bestattungskosten kann sich zwar aus unterhaltsrechtlichen Vorschriften ergeben. Unterhaltsberechtigung setzt jedoch ebenfalls die Geburt eines lebenden Menschen voraus.

Die Kläger sind jedoch Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII, da sie nach § 8 BestG NRW zur Bestattung verpflichtet sind. Auch wenn das Landesrecht nicht die Kostenerstattung regelt, sondern nur die Pflicht zur Bestattung selbst, so ist dieser zur Bestattung Verpflichtete dennoch Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII, da es sich um eine öffentlich-rechtlich verursachte Kostenlast handelt.

Nach § 8 Abs 1 BestattungsG NRW sind zur Bestattung verpflichtet in der nachstehenden Rangfolge Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder (Hinterbliebene). Damit sind die Kläger als Eltern grundsätzlich zur Bestattung verpflichtet. Zwar haben nach Abs 2 die Inhaber des Gewahrsams - also die Klinik - zu veranlassen, dass ... Fehlgeburten ... , die nicht nach § 14 Abs 2 bestattet werden, ohne Gesundheitsgefährdung und ohne Verletzung des sittlichen Empfindens der Bevölkerung verbrannt werden. Sie haben dann auch die Kostenlast dafür zu tragen (§ 14 Abs 2 Satz 3 BestG NRW). Nach § 14 Abs 2 BestG NRW sind Fehlgeburten auf einem Friedhof zu bestatten, wenn ein Elternteil dies wünscht. Genau diesen Wunsch haben die Kläger geäußert und die Bestattung veranlasst. Daraus zu folgern, dass eine Verpflichtung der Kläger, ihre in der 21. Schwangerschaftswoche als Fehlgeburt zur Welt gekommene Tochter zu bestatten, nicht bestehe, weil die Klinik für den Fall, dass eine Erklärung der Eltern zur Bestattung von Fehlgeburten nicht vorliegt, eine Sammelbestattung unter eigener Kostenlast durchzuführen hat, ist nach Überzeugung der Kammer rechtswidrig. Vielmehr resultiert die Verpflichtung der Eltern zur Bestattung zumindest aus der Erklärung, die Bestattung durchführen zu wollen. Haben sie diese Erklärung, wie vorliegend abgegeben, so resultiert daraus auch ihre Verpflichtung, die Bestattung durchzuführen. Die Verpflichtung der Klinik, die Fehlgeburten zu bestatten, deren Eltern den Wunsch nach § 14 BestG NRW dazu nicht geäußert haben, verdrängt nach Überzeugung der Kammer nicht die Verpflichtung der Eltern aus § 8 Abs 1 Bestattungsgesetz, solange sie den Wunsch nach § 14 BestG NRW geäußert haben.

Das den Eltern eingeräumte Wahlrecht, die Bestattung einer Fehlgeburt durchführen zu wollen, kann im Übrigen nicht letztlich nur denjenigen zugestanden werden, die in der Lage sind, dafür die Kosten zu tragen. Zumal die Ausübung des Wahlrechtes des Kläger Ausdruck der eigenen Menschenwürde und Religionsfreiheit ist, da seitens des T-L bei der Sammelbestattung alle drei Monate eine christliche Trauerfeier abgehalten wird.

Die geltend gemachten Bestattungskosten, sind nach Überzeugung des Gerichts angemessen. Dies hat auch die Beklagte anerkannt, sie hat ausgeführt, dass die Rechnung der Höhe nach grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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