S 3 AS 431/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AS 431/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 01.03.2010 bis zum 21.09.2016 und eine Erstattungsforderung von rund 75.000,00 Euro.

Der am 1981 geborene Kläger ist deutscher Staatsbürger und bezieht langjährig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, nach dem Zuzug aus B1 seit Januar 2007 seitens des Beklagten. Mit Ausnahme einer kurzzeitigen geringfügigen Tätigkeit bis Oktober 2007 sind nach Aktenlage keine Erwerbseinkünfte des Klägers bekannt geworden. In den für die Leistungszeiträume ab März 2010 gestellten Anträgen hat der Kläger jeweils angegeben, weder über Vermögen noch über Einkünfte zu verfügen.

Nach vorhergehender durchgehender Leistungsbewilligung erlangte der Beklagte im Oktober 2016 Kenntnis von der Inhaftierung des Klägers ab dem 22.09.2016 und hob die Bewilligung ab diesem Datum mit Bescheid vom 03.01.2017 auf. Im Zuge einer Bitte der Staatsanwaltschaft um Gewährung von Akteneinsicht erlangte der Beklagte weiter Kenntnis vom Gegenstand der gegen den Kläger angestrengten Ermittlungen, namentlich auch von deren Ergebnis in einer Zusammenfassung der Fahndungsbehörde vom 06.12.2016, in der die Einnahmen des Klägers aus illegaler Herstellung und dem Vertrieb von Dopingmitteln ab März 2010 auf 211.500,00 EUR geschätzt worden waren.

Die Ermittlungen gegen den Kläger waren angestrengt worden, nachdem er und seine Mutter von österreichischen Ermittlungsbehörden als Kunden eines Unternehmens benannt worden waren, das Laborgeräte und Chemikalien für mindestens auch illegale Produktionen vertrieben hatte. Nach einer den deutschen Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellten Lieferungsaufstellung waren der Kläger und seine Mutter im Zeitraum ab Januar 2013 Adressaten von 17 jeweils über einen Account des Klägers bestellten Lieferungen von Laborgeräten und Chemikalien mit einem registrierten Gesamtgewicht von 193.97 kg. Vor diesem und dem Hintergrund des Ergebnisses weiterer Ermittlungen, namentlich von Kontenabrufverfahren, einer durchgeführten Telefonüberwachung und einer Durchsuchung von dem Kläger angemieteter Räumlichkeiten wurde der Kläger mit Anklageschrift vom 07.12.2016 angeklagt, durch vier selbstständige Handlungen in mehreren Fällen gewerbsmäßig Dopingmittel hergestellt und gehandelt sowie illegal eine Waffe besessen zu haben.

Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, namentlich der dort angestellten Einkommensschätzung gelangte der Beklagte nach einem Vermerk vom 12.12.2016 zu der Einschätzung, bei Einkünften von 211.500,00 EUR ab März 2010 habe der Kläger monatlich durchschnittliche Einkünfte von 2.680,00 EUR erzielt, weshalb zunächst mit 80.384,28 EUR bezifferte Leistungen in der Zeit vom 01.03.2010 bis zum 22.09.2016 überzahlt worden seien. Mit 13 auf die jeweiligen Bewilligungszeiträume bezogenen Anhörungsschreiben vom 03.01.2017 hörte der Beklagte den Kläger zur jeweils beabsichtigten vollständigen Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung der ausgezahlten Leistungen an.

Durch Urteil des Landgerichts Mönchengladbach – 21 KLs- 700 Js 210/16- 76/16- vom 16.03.2017 wurde der Kläger auf die an insgesamt drei Sitzungstagen durchgeführte Hauptverhandlung hin wegen versuchten gewerbsmäßigen Herstellens und Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen legte der Kläger Revision ein zum Bundesgerichtshof (BGH).

Mit acht Bescheiden vom 18.10.2017 hob der Beklagte die Leistungsbewilligungen für den Zeitraum März 2010 bis Juli 2010 gestützt auf § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), für die Folgezeit bis Januar 2014 gestützt auf § 45 SGB X sowie mit fünf weiteren auf § 45 SGB X gestützten Bescheiden vom 19.10.2017 für die Zeit von Februar 2014 bis zum 21.09.2016 auf und forderte die in den jeweiligen Bewilligungsabschnitten erbrachten Leistungen nach dem SGB II unter Einschluss der Sozialversicherungsbeiträge vom Kläger zurück.

Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2018 als unbegründet zurück.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger am 31.01.2018 Klage erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Diesen Antrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 06.08.2018 wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ist erfolglos geblieben (L 19 AS 1574/18 B).

Der Kläger trägt vor, er habe im Wesentlichen für den Eigenbedarf produziert, Verkäufe seien ihm nur in vereinzelten Fällen nachgewiesen worden, das strafrichterliche Urteil sei im Übrigen noch nicht rechtskräftig. Weder der Beklagte noch das Gericht hätten ausreichende Ermittlungen zu Umständen und Umfang sowie Ertrag seiner Produktion und seines Vertriebs angestellt. Die von dem Beklagten übernommene Schätzung der Ermittlungsbehörde sei nicht fundiert. Er habe in den Jahren 2012 bis 2014 ausschließlich von Darlehen seiner Eltern gelebt. Hiervon habe er Unterhaltsansprüche an seine Frau und Kinder leisten müssen.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 18.10.2017 und vom 19.10.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 41/15 R) der Auffassung, dass eine Umkehr der Beweislast eingetreten sei, da die in der Sphäre des Klägers wurzelnden Umstände nicht aufklärbar seien.

Auf die Revision des Klägers hat der BGH durch Beschluss vom 07.08.2019 – 3 StR 345/17 unter Verwerfung der Revision im Übrigen die Strafverfolgung in einem Fall der Urteilsgründe beschränkt und das Urteil in weiteren Fällen teilweise aufgehoben und in dem Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach zurückverwiesen.

Auf die erneute Hauptverhandlung vom 15.08.2019 hat das Landgericht mit Urteil gleichen Tages – 23 KLs- 210/16- 1/19- den Kläger wegen versuchten Besitzes eines Arzneimittels zu Dopingzwecken und des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Dopingmitteln in Tateinheit mit Besitz von Dopingmitteln, jeweils in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 19.08.2019 erneut Revision eingelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der beigezogenen Strafakten 700 Js 210/16 der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach, 23 Kls 1/19 des Landgerichts Mönchengladbach verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die für den Kläger zu 2) erhobene Klage ist bereits unzulässig. Insofern fehlt ein Rechtsschutzinteresse. Durch die angefochtenen Bescheide wird der Kläger zu 2) nicht beschwert.

Die für den Kläger zu 1) erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger zu 1) (im Folgenden: Kläger) ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGG). Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Zu Recht und in zutreffender Höhe hat der Beklagte die Gewährung von Leistungen im hier streitigen Zeitraum aufgehoben bzw. zurückgenommen und die Erstattung der überzahlten Leistungen verlangt. Denn im Falle des Klägers ist von Einkünften in einer seinen Bedarf übersteigenden Höhe im gesamten streitigen Zeitraum auszugehen.

Gemäß §§ 40 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Nach §§ 40 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X wird ein begünstigender Verwaltungsakt im Falle seiner Rechtswidrigkeit, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise zurückgenommen, soweit sich der Begünstigte nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann. Auf ein solches Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 14.01.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.04.2010 liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor. Dabei handelt es sich Dauerverwaltungsakte, da mit ihnen Leistungen für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.07.2010 bewilligt wurden. Nach Erlass dieser Bewilligungsbescheide ist ab März 2010 eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn ab diesem Zeitpunkt bezog der Kläger Einkünfte in einer monatlichen durchschnittlichen Höhe von 2.680,00 Euro. Damit war er vom 01.03.2010 bis zum 31.07.2010 nicht hilfebedürftig.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 SGB II). Als Einkommen sind dabei alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11 b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a genannten Einnahmen zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 SGB II). Gemäß § 11 Abs. 2 SGB II sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen.

Zur Erzielung als solcher und der Höhe der Einkünfte des Klägers hat das LSG NRW in seinem Beschluss vom 07.11.2019 folgendes ausgeführt:

"Die Einlassung des Klägers, er habe überwiegend für den Eigenbedarf produziert und wenn, dann nur im nachgewiesenen geringfügigen Umfang durch Vertrieb produzierter Mittel Einkommen erzielt, ist nach dem Ergebnis der dem Strafverfahren zu Grunde liegenden staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht glaubhaft. Nach den bestellten Produktionsmitteln und Grundstoffen, namentlich auch nach deren Menge ist ein Verbrauch ausschließlich oder überwiegend im Rahmen eigenen Bedarfes ausgeschlossen und hierauf bezogener Vortrag stellt sich als offensichtliche Schutzbehauptung dar.

Bereits aus den Bestellmengen der 14 Lieferungen des in Österreich ansässigen Unternehmens im Zeitraum ab Januar 2013 bis Juni 2014 folgt zum einen, dass bei einem Gesamtgewicht der Sendungen von 193,97 kg quantitativ ein Aufbrauchen im Rahmen des Eigenkonsums kaum vorstellbar erschiene, zum anderen belegt gerade die Vielzahl der bestellten Verpackungsmaterialien (z.B. 2000 Stück Injektionsstopfen nach der Rechnung vom 13.03.2013, erneut 2000 Stück Injektionsstopfen nach der nachfolgenden Rechnung vom 6. Juni 2013. 4.200 Stück Glasampullen aus Lieferungen alleine der Firma B2 GmbH, 8.462 Ampullen nach den Ermittlungen des Zollfahndungsamtes Essen, Tausende von Etiketten), dass auf keinen Fall nur für Eigenbedarf produziert wurde. Soweit danach noch Zweifel an kommerzieller Betätigung des Klägers hätten bestehen können, wären sie jedenfalls ausgeräumt worden durch das Ergebnis der Telefonüberwachung und den Umfang der bei der Durchsuchung am 22.05.2016 vorgefundenen Produktionsmittel und Materialien.

Weiter ergibt sich aus den Akten der Staatsanwaltschaft, dass der Kläger im streitigen Zeitraum mehrere, dem Beklagten nie offenbarte Konten unterhielt, auf denen Kontenbewegungen stattgefunden haben, die weder dem Umfang nach durch Einkünfte des Klägers alleine in Gestalt von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II noch der Anzahl nach aus alleine privater Veranlassung erklärlich sind. So wurden beispielsweise auf dem ausgewerteten Konto des Klägers bei der Postbank im Jahre 2012 neun Bareinzahlungen von insgesamt 4.130 EUR, im Jahr 2013 20 Bareinzahlungen in einer Gesamthöhe von 17.820 EUR, im Jahr 2014 neun Bareinzahlungen von insgesamt 9.500 EUR und sehr zahlreiche Geldabflüsse auf noch nicht ausgewertete Konten vorgefunden.

Hiernach ist der Schluss auf erhebliche, im Zweifel bedarfsausschließende Einkünfte des Klägers im streitigen Zeitraum nur allzu naheliegend, deren vom Hauptzollamt übernommene und ihrerseits auf die Anzahl erworbener Ampullen gestützte Schätzung des Umfangs dieser Einkünfte auf 211.500 EUR im streitigen Zeitraum nicht zu beanstanden. Dieses Einkommen entspricht einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 2.680,00 EUR im streitigen Zeitraum und schließt jeglichen grundsicherungsrechtlichen Bedarf des Klägers nach den Maßstäben des SGB II aus.

Entgegen der Beschwerdebegründung ist es gegenwärtig, bei unverändertem Prozessverhalten des Klägers auch künftig nicht, Aufgabe des Beklagten oder des Sozialgerichts, im Rahmen der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen, dem Kläger Umstand und Höhe seiner Einkünfte im streitigen Zeitraum nachzuweisen, denn dies ist ohne Offenlegung allesamt in der Sphäre des Klägers liegender Umstände nicht möglich.

Die Einkommenserzielung an sich samt der hochwahrscheinlichen Einkommensquelle, der erhebliche Umfang erzielter Einkünfte bzw. von Geldzuflüssen unbekannter Herkunft stehen fest, es steht ebenso fest, dass der Kläger jahrelang nun bekannte Konten verschwiegen und wahrscheinlich existierende weitere Konten auch weiterhin nicht offengelegt hat.

In dieser Situation sind die Einkünfte des Klägers weder exakt zu beziffern noch – was an sich geboten wäre, den monatlichen Bedarfen zeitlich zuzuordnen. Nach den allgemeinen Regeln für die Darlegungs- und Beweislast ginge diese Nichtaufklärbarkeit der Hilfebedürftigkeit zu Lasten des Beklagten. Denn die objektive Beweislast dafür, dass ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig i.S.d. § 45 Abs. 1 SGB X ist, trägt grundsätzlich der Leistungsträger, der sich auf die Rechtswidrigkeit beruft; regelmäßig geht die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der daraus eine günstige Rechtsfolge für sich ableitet (Schütze in von Wulffen/Schütze, 8. Aufl. 2014, SGB X § 45 Rn. 29 m.w.N.). Damit trägt der Beklagte im Grundsatz die objektive Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen der belastenden Rücknahmeentscheidung.

Hier allerdings hat der Kläger weder weitere als die im Strafverfahren bislang nachgewiesenen Konten, Einkünfte bzw. Verkäufe dem Grunde nach eingeräumt noch irgendwelche anderen Erklärungsansätze für die nachgewiesenen Bareinzahlungen geboten. Damit fehlt es an Ansätzen für weitere Ermittlungen von Amts wegen zu allesamt in der Sphäre des Klägers verwurzelten Umständen, die eine Bezifferung oder auch nur Verbesserung der Schätzungsgrundlagen hinsichtlich des Umfangs der erzielten Einkünfte erlauben könnten. Es liegen danach die Voraussetzungen einer Beweislastumkehr vor mit der Folge, dass die Unerweislichkeit des umstrittenen Tatbestandsmerkmales – seiner Hilfebedürftigkeit - zu einer Beweislastentscheidung zu Lasten des Klägers führt (BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B4 AS 41/15 R zur Beweislastumkehr zu L. Asten eines Leistungsempfängers, Urteil vom 11.07.2019 -B 14 AS 51/18 R m.w.N. zu Beweiserleichterungen zu Gunsten eines Leistungsempfängers bei Beweisvereitelung durch den Leistungsträger)."

Diesen Ausführungen des LSG NRW schließt sich die Kammer vollumfänglich an.

Bezogen auf die übrigen, im streitigen Zeitraum ergangenen Bewilligungs- und Änderungsbescheide sind die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X erfüllt. Die Bewilligungsentscheidungen waren von Anfang an rechtswidrig. Denn der Kläger hat ab dem März 2010 monatlich durchschnittliche Einkünfte von 2.680,00 Euro bezogen. Er war daher im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Auf Vertrauen kann sich der Kläger nicht berufen, denn die unrichtigen Bescheide beruhen auf Angaben, die er zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw. unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies tut der, wer schon einfachste Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (Schütze in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. Rdnr. 52). Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger Kenntnis davon hat, dass Einkünfte angezeigt werden müssen. Einkünfte sind unzweifelhaft ein wertmäßiger Zuwachs auf dem Konto. Das war dem Kläger auch klar. Indem er diese Einkünfte beim Beklagten nicht angezeigt hat, hat er unvollständige Angaben gemacht.

Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sind im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsaktes die erbrachten Leistungen zu erstatten. Gegen die Höhe der Erstattungsforderung bestehen keine Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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