L 1 KR 121/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 122 KR 1010/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 121/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 11. März 2016 bis 28. März 2016 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 29,90 EUR zu zahlen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 11. März 2016 bis 28. März 2016.

Die 1970 geborene Klägerin war bei der Beklagten versichert. Bis zum 16. August 2015 bezog sie Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit. Seit dem 6. Juli 2015 war sie arbeitsunfähig wegen einer Schienenbeinfraktur sowie einer Verstauchung und Zerrung des Knies. Die Beklagte gewährte ihr ab dem 17. August 2015 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 29,90 EUR.

Vom 2. März 2016 bis zum 10. März 2016 war die Klägerin stationär im St. M Krankenhaus B aufgenommen. Ihr wurde ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Vorher hatte die Beklagte Krankengeld zuletzt am 22. Februar 2016 für die Zeit vom 15. Januar 2016 bis 17. Februar 2016 ausgezahlt.

Am 15. März 2016 bescheinigte der behandelnde Arzt J Arbeitsunfähigkeit als Erstbescheinigung vom 11. März 2016 bis zum 28. März 2016. Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ging ebenso wie die Aufenthaltsbescheinigung aus dem Krankenhaus am 18. März 2016 bei der Beklagten ein.

Durch Bescheid vom 18. März 2016 stellte die Beklagte fest, dass die Mitgliedschaft der Klägerin und der Bezug von Krankengeld am 10. März 2016 endeten, da nicht rechtzeitig nach Ablauf der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert worden sei. Am 11. März 2016 habe eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nicht mehr bestanden. Die Beklagte zahlte am 18. März 2016 weiteres Krankengeld an die Klägerin für die Zeit vom 18. Februar 2016 bis 10. März 2016.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 18. März 2016 Widerspruch. Ihre Liegezeit im St. M Krankenhaus habe nach der ursprünglichen Planung bis zum 14. März 2016 andauern sollen. Auf dieses Datum sei der für den 15. März 2016 vorgesehene Vorstellungstermin in der unfallchirurgischen Praxis ihres Operateurs J ausgerichtet gewesen. Herr J habe am Morgen des 10. März 2016 nach ihr gesehen und den vorab festgelegten Termin zur Entfernung der Wundklammern noch einmal bestätigt. Am 11. März 2016 sei ihre Arbeitsfähigkeit noch nicht wieder hergestellt gewesen.

Vom 29. März 2016 bis zum 19. April 2016 gewährte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der B Klinik B.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2016 zurück. Die Voraussetzungen eines Krankengeldanspruchs müssten für jeden Bewilligungsabschnitt erneut vorliegen. Insbesondere sei der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme von Krankengeld die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen. Dazu müsse der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor Fristablauf feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden. Das sei eine Obliegenheit des Versicherten, der die Folgen von Versäumnissen zu tragen habe. Demnach komme es nicht darauf an, dass die Klägerin über den 10. März 2016 weiter arbeitsunfähig gewesen sei. Entscheidend sei, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit erst am 15. März 2016 festgestellt worden sei.

Dagegen richtet sich die am 9. Juni 2016 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Fortzahlung des Krankengeldes begehrt.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. Februar 2018 abgewiesen. Die Klägerin sei seit dem 11. März 2016 nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Die Mitgliedschaft sei durch die rückwirkende ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 15. März 2016 nicht wieder aufgelebt. Bis zum 10. März 2016 sei die Versicherung der Klägerin wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld durch die laufende Zahlung von Krankengeld aufrechterhalten geblieben. Die Klägerin sei auch in dem Zeitraum vom 11. März 2016 bis 28. März 2016 arbeitsunfähig krank gewesen. Jedoch sei die Arbeitsunfähigkeit nach der Entlassung aus der stationären Behandlung nicht lückenlos festgestellt worden. Der behandelnde Arzt J sei bei der vorzeitigen Entlassung der Klägerin aus dem Krankenhaus am 10. März 2016 zwar von weiterer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen, habe das aber nicht mit Außenwirkung festgestellt. Die dann am 15. März 2016 erfolgte Feststellung der Arbeitsunfähigkeit könne die entstandene Lücke nicht mehr schließen. Es liege auch kein Ausnahmefall vor, in dem nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis insbesondere auf Urteil v. 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R) eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit möglich sei. Die Klägerin habe nicht alles in ihrer Macht stehende getan, um ihre Ansprüche zu wahren. Sie habe ihren behandelnden Arzt am 10. März 2016 nicht auf die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angesprochen. Deswegen liege der vom BSG geforderte Arzt-Patienten-Kontakt mit dem Ziel der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vor. Ein anderer Ausnahmefall sei nicht anzuerkennen, obwohl der Beklagten sich hätte aufdrängen müssen, dass weiter Arbeitsunfähigkeit bestand. Die Klägerin habe sich weder bemüht, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten noch habe ein Kontakt zwischen ihr und der Beklagten stattgefunden.

Gegen das ihr am 23. März 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. April 2018 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene vom Sozialgericht ausdrücklich zugelassene Berufung der Klägerin. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei lediglich für die erstmalige Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld erforderlich, im Weiteren reiche das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit. Selbst unter der Voraussetzung der Notwendigkeit fortlaufender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe das BSG Ausnahmen für Fälle anerkannt, in denen das Fehlen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zugerechnet werden müsse. Auch nach allgemeinen Grundsätzen sei die Mitwirkungsobliegenheit auf das Zumutbare beschränkt. Sie - die Klägerin – habe nicht davon ausgehen müssen, dass eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erforderlich sei, nachdem sie das Krankenhaus früher als geplant verlassen habe. Insoweit liege eine untypische Gestaltung vor, welche einen besonderen Hinweis durch den behandelnden Arzt, das Krankenhaus oder die Krankenkasse erfordert hätte. Es könne keinen Unterschied machen, ob der behandelnde Arzt fehlerhaft Arbeitsfähigkeit annehme oder eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit schon nicht ermögliche. Das gehe zu Lasten der Beklagten. Zu Unrecht meine das Sozialgericht der von ihm zitierten Entscheidung des BSG entnehmen zu können, dass der Versicherte die Frage einer Krankschreibung ausdrücklich anspreche müsse. Es sei unverhältnismäßig, dass sie – die Klägerin - den Krankengeldanspruch verlieren solle, obwohl sie als einzige der handelnden Personen keine Kenntnisse über die Besonderheiten des Krankengeldbezugs bei vorzeitiger Entlassung aus dem Krankenhaus gehabt habe. Mittlerweile habe selbst der Gesetzgeber Anlass gesehen, in die restriktive Rechtsprechung zur Notwendigkeit fortlaufender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einzugreifen. Sie – die Klägerin – habe keinen Anlass gehabt, in dem Gespräch mit dem Vertragsarzt von sich aus die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie Krankengeld für die Zeit vom 11. März 2016 bis zum 28. März 2016 in Höhe von kalendertäglich 29,90 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts vollumfänglich für zutreffend. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei nicht durch Umstände verzögert worden, die ihr – der Beklagten – zuzurechnen seien. In dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt sei der Versicherte auf den Arzt zugegangen, habe die Bestätigung von Arbeitsunfähigkeit begehrt und sei vertröstet worden. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit sei eine Obliegenheit der Versicherten, so dass diese die Folgen von Versäumnissen tragen müssten. Die Dokumentation sei zwingend erforderlich, auch wenn in der Sache an dem Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit kein Zweifel bestehe.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die vom Sozialgericht ausdrücklich zugelassene Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat auch in der Zeit vom 11. März 2016 bis zum 28. März 2016 Anspruch auf Krankengeld: Nach § 44 Abs. 1 SGB V in der hier maßgeblichen, ab dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie wegen Krankheit arbeitsunfähig sind oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitierungseinrichtung behandelt werden. Die Klägerin war über den 11. März 2016 hinaus bis zum 28. März 2016 arbeitsunfähig erkrankt. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die von dem behandelnden Arzt J am 15. März 2016 für diesen Zeitraum ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Sache zutreffend war. Das stellt selbst die Beklagte ausdrücklich nicht in Frage. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und des Sozialgerichts scheitert der Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld auch nicht daran, dass die Klägerin ab dem 11. März 2016 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert war. Ursprünglich bestand eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Die durch den Bezug von Arbeitslosengeld begründete Versicherung der Klägerin mit einem Anspruch auf Krankengeld endete nach § 190 Abs. 12 SGB V am 16. August 2015 mit dem Auslaufen dieser Leistung. Während des anschließenden Bezugs von Krankengeld setzte sich die Mitgliedschaft bei der Beklagten jedoch nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V fort. Tatsächlich bezogen hat die Klägerin Krankengeld nur bis zum 10. März 2016. Es bestand aber weiter Anspruch auf Krankengeld ab dem 11. März 2016. Das reicht nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V für die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft aus.

Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der ab dem 23. Juli 2015 geltenden hier maßgeblichen Fassung der Vorschrift bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von dem Beginn der Behandlung an, im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsfähigkeit an. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist demnach Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld außerhalb eines stationären Aufenthalts. Das gilt auch für die Verlängerung einer bereits bestehenden und von der Krankenkasse bestätigten Arbeitsunfähigkeit, die von dem Arzt nur abschnittsweise (= bis zu einem konkreten Zeitpunkt) bescheinigt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG blieb die Versicherung durch einen bereits entstandenen Krankengeldanspruch ohne Unterbrechung aufrecht erhalten, solange die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts jeweils erneut ärztlich festgestellt wurde (BSG, Urt. v. 10. Mai.2012 – B 1 KR 19/11 R juris Rn. 18; Urt. v. 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R- juris Rn. 20). Mit Wirkung ab dem 23. Juli 2015 hat der Gesetzgeber durch die Einfügung der Regelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB V nunmehr ausdrücklich zur Voraussetzung für den Fortbestand des Krankengeldanspruches erklärt, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit jeweils abschnittsweise bestätigt wird, spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigtem Ende der Arbeitsunfähigkeit. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass nicht die Geltung der vom BSG entwickelten Grundsätze für die Verlängerung des Krankengeldanspruchs in Frage gestellt, sondern den Versicherten ein Tag mehr Zeit für die Einholung der Anschlussbescheinigung eingeräumt werden sollte. Demnach hätte an sich die weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägerin über den 10. März 2016 hinaus spätestens bis zum Ablauf des 11. März 2016 festgestellt werden müssen, um den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld zu sichern. Die durch den Aufenthalt im Krankenhaus begründete Dauer der Arbeitsunfähigkeit steht einer ärztlichen Bescheinigung über das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit insoweit gleich, als nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine erneute Bescheinigung einzuholen und der Krankenkasse vorzulegen ist. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Klägerin, wonach die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nur Voraussetzung für das erstmalige Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld ist, vermag der Senat sich nicht anzuschließen.

Die Klägerin ist nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus erst am 15. März 2016 arbeitsunfähig geschrieben worden, allerdings rückwirkend beginnend mit dem 11. März 2016. An sich erfolgte die Krankschreibung danach verspätet mit den von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochenen Rechtsfolgen. Ausnahmsweise unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG ist angesichts der besonderen Umstände des Sachverhalts hier jedoch von dem Erhalt des Krankengeldanspruchs auszugehen.

Bereits mit Urteil vom 11. Mai 2017 hatte das BSG (B 3 KR 22/15 R - juris Rn. 34) entschieden, dass dem Krankengeldanspruch eine erst nachträglich erfolgte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) nicht entgegensteht, wenn

1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um (a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und (b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeld-Anspruch erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z. B. eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und 3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.

Diese Rechtsprechung hat das BSG durch Urteil vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) dahingehend fortentwickelt, dass es einem rechtzeitigen Art-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. –erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, es dazu aber aus dem Arzt oder der Krankenkasse zurechenbaren Gründen nicht gekommen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts ist es also gerade nicht erforderlich, dass tatsächlich ein rechtzeitiger Arzt-Patienten-Kontakt mit dem Ziel einer Verlängerung der Krankschreibung stattgefunden hat. Ausreichend ist vielmehr, dass eine eingetretene Verspätung der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht dem Versicherten, sondern dem Arzt oder der Krankenkasse zuzurechnen ist. Dafür hat das BSG u.a. auf das Schutzbedürfnis der Versicherten hingewiesen, das insbesondere dann zum Tragen komme, wenn – wie hier – das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit außer Frage stehe. Den Versicherten dürfe kein Ärzte-Hopping abverlangt werden, zudem ergebe sich aus dem Rechtgedanken des § 162 Abs. 1 BGB, dass sich eine Krankenkasse auf einen nicht rechtzeitig zustande gekommenen Arzt-Patienten-Kontakt nicht berufen könne, wenn die Verspätung in der Sphäre des Vertragsarztes liege und auch der Krankenkasse zurechenbar sei.

Die Klägerin hatte zunächst alles getan, um rechtzeitig eine Verlängerung ihrer Arbeitsunfähigkeit zu erhalten. Denn nach ihrem glaubhaften Vortrag, der auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist, hatte sie ausgehend von einer geplanten Entlassung aus dem Krankenhaus am 14. März 2016 einen Termin zur Vorstellung bei ihrem behandelnden Arzt J u.a. zum Zweck der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 15. März 2016 vereinbart. Am 15. März 2016 ist dann auch tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden.

Dass der 15. März 2016 sich als eigentlich zu spät erweisen würde, ist durch die vorzeitige Entlassung der Klägerin aus dem Krankenhaus bedingt. Diese Entwicklung ist aber nicht dem Verantwortungsbereich der Klägerin zuzurechnen. Die Entlassungsentscheidung war in erster Linie eine ärztlich zu verantwortende Entscheidung. Dementsprechend wäre es Sache des behandelnden Vertragsarztes gewesen, der die Klägerin als Belegarzt im Krankenhaus behandelt hatte und demnach für die frühzeitige Entlassung verantwortlich war, die Situation auch im Hinblick auf den Erhalt des Krankengeldanspruchs zu bedenken und entsprechende Maßnahmen zu veranlassen. Der Klägerin ist nicht vorzuwerfen, dass sie nicht entgegen dem vereinbarten Termin bereits am 11. März 2016 in der Praxis ihres behandelnden Arztes vorstellig wurde. Sie musste nicht besser als ihr behandelnder Arzt wissen, dass es für die Dauer der durch einen Krankenhausaufenthalt bestätigten Arbeitsunfähigkeit allein auf die tatsächliche und nicht auf die zunächst geplante Dauer der Behandlung ankommt. Es kann in der rechtlichen Bewertung zudem keinen Unterschied machen, ob ein Vertragsarzt ohne Rücksicht auf krankengeldrechtliche Notwendigkeiten einen bereits vereinbarten Vorstellungstermin verschiebt, oder ob er es entgegen seiner Betreuungspflicht unterlässt, auf eine eingetretene Veränderung der Situation mit einer Vorverlegung eines bereits vereinbarten Vorstellungstermins zu reagieren.

Das Verhalten des behandelnden Vertragsarztes J ist nur durch die Formulierung des § 5 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses in der damaligen Fassung zu erklären, wonach eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise zulässig ist. Diese Regelung in den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien ist nach der Einschätzung des Senats der Anlass gewesen, dass der behandelnde Arzt der Auffassung war, auch eine erst am 15. März 2016 ausgestellte Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung reiche für den Erhalt des Krankengeldanspruchs aus. Dass der behandelnde Arzt im guten Glauben war, ergibt sich aus seiner Reaktion gegenüber der Klägerin, so etwas noch nicht erlebt zu haben, von der die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht berichtet hat. Demnach lag bei dem Arzt eine Fehlvorstellung vor, deren Verursachung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss als Urheber der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien sich die dort vertretene Krankenkassenseite und damit auch die Beklagte zurechnen lassen muss. Folglich reichte die am 15. März 2016 ausgestellte Bescheinigung des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit ab dem 11. März 2016 durch den behandelnden Vertragsarzt für den Erhalt des Anspruches auf Krankengeld ab dem 11. März 2016 hier angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls aus.

Entsprechend der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war das Krankengeld vom 11. März 2016 bis zum 28. März 2016 zu zahlen. Danach hatte die Klägerin wegen der Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme Anspruch auf Übergangsgeld, was nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ohnehin zum Ruhen des Anspruchs auf Krankiengeld führte. Die Höhe des Anspruchs auf Krankengeld ist mit 29,90 EUR kalendertäglich nicht streitig zwischen den Beteiligten.

Nach alledem waren das Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Leistung weiteren Krankengelds zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG. Zudem betrifft der Rechtsstreit abgelaufenes Recht, da die Vorschrift des § 46 Abs. 2 SGB V mit Wirkung vom 11. Mai 2019 erneut geändert worden ist.
Rechtskraft
Aus
Saved