L 8 BA 194/19 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 23 BA 54/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 194/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 2.8.2019 geändert. Die aufschiebende Wirkung der beim Sozialgericht Münster unter dem Aktenzeichen S 14 BA 102/19 anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 15.4.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2019 wird angeordnet, soweit Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie die Umlagen U2 und UI betreffend Herrn N V für den Zeitraum vom 1.1.2014 bis 28.7.2016 gefordert werden. Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Antragstellerin zu 36 % und die Antragsgegnerin zu 64 %. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 16.451,91 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Vollziehung einer Forderung von Beiträgen und Umlagen für die Tätigkeit des Herrn N V (NV) für die X GmbH und für die Antragstellerin in der Zeit vom 1.1.2014 bis 31.12.2017.

NV ist einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiter Geschäftsführer der früheren X GmbH (im Folgenden: X GmbH), die seit August 2016 unter MvU Beteiligungs GmbH (im Folgenden: MvU) firmiert (vgl. Eintragungen Nr. 1 Sp. 4 vom 21.3.2002 und Nr. 9 Sp. 2 vom 4.8.2016 HRB xxx AG G).

Das Stammkapital dieser Gesellschaft beträgt nach dem Gesellschaftsvertrag (GV-GmbH) vom 12.8.2004 70.000,00 Euro (Eintragung Nr. 3 Sp. 3 vom 25.10.2004 HRB xxx AG G). Im Streitzeitraum war NV nach der Gesellschafterliste vom 31.12.2011 hieran mit 15.450,00 Euro (= 22,07%) beteiligt. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz eine andere Mehrheit zwingend vorschreibt (§ 11 Nr. 1 S. 1 GV-GmbH). Beschlüsse über die Änderung der Geschäftsordnung für die Geschäftsführer bedürfen der Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen (§ 11 Nr. 1 S. 2 GV-GmbH). § 11 Nr. 2 GV GmbH nennt grundlegende Beschlussgegenstände, die der einstimmigen Beschlussfassung bedürfen. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen, je 50,00 Euro eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme (§ 11 Nr. 3 GV-GmbH).

NV wird für die X GmbH (jetzt MvU) auf der Grundlage eines am 2.1.2003 geschlossenen Geschäftsführervertrages (GFV) tätig. Hiernach ist u.a. vorgesehen, dass er die Gesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft, des GFV, der Bestimmungen der Gesellschafter und der gesetzlichen Vorschriften vertritt (§ 1 Nr. 1 GFV). Seine Arbeitskraft und all seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen sind ausschließlich der Gesellschaft zu widmen (§ 1 Nr. 4 S. 1 GFV). Hinsichtlich der Gestaltung seiner Tätigkeit besteht im Wesentlichen nach Zeit, Umfang und Ort Weisungsfreiheit (§ 1 Nr. 4 S. 2 GFV). NV erhält u.a. ein monatliches Grundgehalt und eine Tantieme (§ 3 GFV), eine Fortzahlung der Bezüge für sechs Wochen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit (§ 4 Nr. 1 GFV) und einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 5 Nr. 1 GFV), der unter Berücksichtigung der geschäftlichen Belange mit den Gesellschaftern und weiteren Geschäftsführern festzulegen ist (§ 5 Nr. 2 GFV).

Die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) stellte mit Bescheid vom 4.5.2005 gegenüber NV fest, dass ab dem 1.1.1999 keine Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestehe, weil er nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sei.

Mit Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 28.4.2016 (UR-Nr. xxx/2016 Notar G. S in G) übertrug die X GmbH bei eigenem Fortbestand sämtliche Rechtsverhältnisse und Aktiva im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf die Y Umwelt GmbH & Co. KG (im Folgenden: Y; HRA xx AG G). Verbindlichkeiten - außer solchen aus übergehenden Dienst- und sonstigen Dauerschuldverhältnissen - gingen nicht über (Nr. 2.1.5). Die Umwandlung wurde am 29.7.2016 in das Registerblatt eingetragen (Eintragung Nr. 8 Sp. 6 vom 29.7.2016 HRB xxx AG G und Nr. 3 Sp. 5b vom 29.7.2016 HRA xxx AG G) und die Firma anschließend in X GmbH & Co. KG (im Folgenden: X Co. KG) umbenannt (Eintragungen Nr. 4 Sp. 2a vom 9.8.2016 und Nr. 5 Sp. 2a vom 11.8.2016 HRA xxx AG G).

Die X GmbH informierte NV mit dem Betreff "Unterrichtung über einen Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB" darüber, dass ihr Geschäftsbetrieb mit Wirkung zum Zeitpunkt der Eintragung beim Handelsregister, dem Vollzugsstichtag, auf die Y übergehe. Kraft Gesetzes werde damit sein "Arbeitsverhältnis" gem. § 613a BGB auf die Y (die zukünftige X Co.KG), übergehen, wenn er diesem Übergang nicht form- und fristgerecht widerspreche (Schreiben vom 2.5.2016).

Komplementärin der X Co. KG mit nunmehr Sitz in G1 ist - ohne Beteiligung am Vermögen - die X Verwaltungs GmbH (Eintragung Nr. 1 Sp. 3b HRA xxx AG C = frühere Y Umwelt Verwaltungs GmbH HRB xxx AG G). Einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer ist auch hier u.a. NV (Eintragung Nr. 2 Sp. 4b vom 22.1.2016 HRB xxx AG G).

Alleinige Kommanditistin in dem Zeitraum seit dem 29.7.2016 ist die X GmbH / MvU mit einer Einlage von 10.000,00 Euro (Eintragungen Nr. 3 Sp. 5c vom 29.7.2016 und Nr. 4 Sp. 5c vom 9.8.2016 HRA xxx AG G; Eintragung Nr. 1 Sp. 5c vom 2.3.2017 HRA xxx AG C).

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Y (jetzt X Co. KG) vom 30.12.2015 (im Folgenden: GV-Co. KG) richten sich die Rechte der Gesellschafter, so vorallem u.a. das Stimmrecht, sofern nichts anderes bestimmt ist, nach deren Kapitaleinlagen (§ 4 Nr. 4 GV-Co. KG). Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht der GV-Co. KG oder das Gesetz eine andere Mehrheit vorschreibt (§ 7 Nr. 2 S. 1 GV-Co. KG).

Die Antragsgegnerin führte ab dem 29.10.2018 eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch. Nach deren Anhörung forderte sie mit Bescheid vom 15.4.2019 für die Tätigkeit des NV im Prüfzeitraum vom 1.1.2014 bis 31.12.2017 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie die Umlagen U2 und UI in Höhe von insgesamt 65.807,64 Euro nach. Aufgrund seines Anteils am Stammkapital der X GmbH / MvU in Höhe von 22,07% könne NV keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke dieser Gesellschaft und somit ab deren Übergang auf die X Co. KG am 28.4.2016 auch nicht durchgreifend auf diese geltend machen. Daher stehe er bis zum 28.4.2016 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur X GmbH und vom 29.4.2016 bis 31.12.2017 zur X Co. KG. Der Bescheid der BfA vom 4.5.2005 gewähre keinen subjektiven Vertrauensschutz, da dort Versicherungsfreiheit nur gem. § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit beschrieben werde, eine solche jedoch nach der Betriebsprüfung nicht vorliege. Forderungen, die wie hier aus einem Dienst- oder sonstigen Dauerschuldverhältnis vor dem 28.4.2016 gegenüber der X GmbH fällig geworden seien, könnten gegenüber der X Co. KG geltend gemacht werden. Punkt 2.1.5 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags schließe deren Übergang nicht aus.

Die Antragstellerin erhob am 1.5.2019 Widerspruch gegen den Betriebsprüfungsbescheid und beantragte gleichzeitig, dessen Vollziehung bis zu einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Es verbleibe bei der Einschätzung, dass der Bescheid vom 4.5.2005 der Beitragsforderung entgegenstehe. Eine Entscheidung über die Selbstständigkeit des NV sei zumindest konkludent getroffen worden, weil eine Befreiung gem. § 2 SGB VI diese zwingend voraussetze. Im Übrigen führe die Vollziehung des Bescheides zu einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte, da ihre Existenz gefährdet werde.

Mit Schreiben vom 24.5.2019 lehnte die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides ab. Weder im Rahmen des § 2 SGB VI noch im Verfahren zur Klärung des Rentenversicherungskontos gem. § 149 Abs. 5 SGB VI sei eine versicherungsrechtliche Beurteilung der Geschäftsführertätigkeit des NV erfolgt. Die Antragstellerin könne sich daher nicht auf Vertrauensschutz aus den (entsprechenden) Bescheiden vom 4.5.2005 sowie 4.9.2012 berufen. Ebenso bestehe kein Vertrauensschutz aus vorherigen Prüfbescheiden vom 24.8.2006, 21.12.2010 und 24.4.2014.

Am 10.7.2019 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Münster die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15.4.2019 hinsichtlich der Forderung von Beiträgen und Umlagen in Höhe von 65.807,64 Euro für die Tätigkeit des NV vom 1.1.2014 bis 31.12.2017 begehrt. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Antragsgegnerin hat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gesehen.

Das SG Münster hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit Beschluss vom 2.8.2019 abgelehnt. Zu seiner Überzeugung stehe fest, dass NV im streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die X GmbH und die X Co. KG tätig geworden sei und insoweit der Versicherungspflicht unterliege. Die Umwandlung habe keine relevanten Auswirkungen auf die Anteilsverhältnisse gehabt. Der GFV enthalte mit einer monatlichen Gehaltszahlung, einem Urlaubsanspruch und einer Fortzahlung im Krankheitsfall arbeitnehmertypische Regelungen. Aufgrund des Minderheitsgesellschaftsanteils von 22,07% ohne umfassende Sperrminorität habe NV dem Weisungsrecht der Antragstellerin unterlegen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ergäben sich auch nicht aus dem Bescheid der BfA vom 4.5.2005. Dieser treffe keine Regelung darüber, ob eine selbstständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliege, beziehe sich allein auf die Sparte der gesetzlichen Rentenversicherung und enthalte auch nicht die insoweit notwendige Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Die Vollziehung des Bescheides habe für die Antragstellerin keine durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.

Gegen den ihr am 2.8.2019 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 2.9.2019 unter erneuter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Beschwerde eingelegt.

Die Antragsgegnerin, die sich durch den angefochtenen Beschluss bestätigt sieht, beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Den Widerspruch der Antragstellerin hat sie mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2019, zugestellt am 6.11.2019, zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 4.12.2019 Klage zum SG Münster erhoben (Az. S 14 BA 102/19).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist im tenorierten Umfang begründet.

Ihr Begehren richtet sich nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2019 und Klageerhebung zum SG Münster (Az. S 14 BA 102/19) nunmehr auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.

Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).

1.) Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 12.2.2020 - L 8 BA 157/19 B ER - juris Rn. 5 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im tenorierten Umfang anzuordnen, da deren Erfolg insoweit wahrscheinlich ist. Es spricht mehr dafür als dagegen, dass sich der Bescheid vom 15.4.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2019 in Bezug auf die Forderung von Beiträgen und Umlagen für die Tätigkeit des NV für die X GmbH in der Zeit vom 1.1.2014 bis 28.7.2016 als rechtswidrig erweisen wird (hierzu unter a). Im Hinblick auf die Tätigkeit des NV für die Antragstellerin in der Zeit vom 29.7.2016 bis 31.12.2017 spricht hingegen nicht mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit der vorgenannten Bescheide (hierzu unter b).

a) Für die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin fehlt es bezogen auf den Zeitraum vom 1.1.2014 bis 28.7.2016 an einer Rechtsgrundlage.

Nach § 28p Abs. 1 S. 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) erlässt die Antragsgegnerin als prüfender Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.

Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen (in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung) sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Arbeitgeber insbesondere im Sinne der §§ 28e Abs. 1 S. 1, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV ist mithin derjenige, dem der Anspruch auf die von dem Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (vgl. zB BSG Urt. v. 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R - juris Rn. 17 f m.w.N.; Senatsurt. v. 27.11.2013 - L 8 R 253/13 - juris Rn. 39 m.w.N.).

aa) Nach diesen Kriterien ist in der Zeit vom 1.1.2014 bis zum 28.7.2016 nicht die Antragstellerin, sondern die X GmbH Arbeitgeberin des NV gewesen.

NV stand in diesem Zeitraum in keinem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Antragstellerin. Mangels Rechtsbeziehung hatte diese ihm gegenüber keinen Anspruch auf eine nach Maßgabe ihres Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung und war ihm umgekehrt nicht als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet. Derartige gegenseitigen Rechte und Pflichten bestanden vielmehr zwischen NV und der X GmbH. (Allein) zu letzterer stand NV als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Minderheits-Beteiligung am Stammkapital in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis. Die Tätigkeit des NV für die Antragstellerin hingegen begann erst mit Wirksamkeit der Umwandlung durch die am 29.7.2016 im Handelsregister eingetragene Ausgliederung.

bb) Die Antragstellerin ist auch nicht im Zuge der Umwandlung zur Rechtsnachfolgerin der X GmbH geworden. Erfolgt die Umwandlung wie vorliegend durch Spaltung in Form der Ausgliederung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG), bleibt (anders als bei einer Spaltung durch Aufspaltung) der übertragende Rechtsträger - hier die X GmbH (jetzt MvU) - bestehen (§ 131 UmwG) (vgl. auch Sickinger in: Kallmeyer, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 131 Rn. 22). Dies entspricht der in Nr. 1.1 des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags vom 28.4.2016 getroffenen Regelung.

cc) Die Antragsgegnerin konnte die Antragstellerin auch nicht als Gesamtschuldnerin zur Zahlung heranziehen. Soweit § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG den weiteren an der Spaltung beteiligten Rechtsträger - hier die Antragstellerin - für Altverbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers - hier der X GmbH (jetzt MvU) - in eine gesamtschuldnerische Haftung nimmt, konnte eine solche Forderung nicht von der Antragsgegnerin festgestellt werden. Die Heranziehung zu Sozialabgaben, die aufgrund ihrer belastenden Wirkung einer gesetzlichen Grundlage bedarf, obliegt nach der Vorschrift des § 28h Abs. 2 SGB IV grundsätzlich den Einzugsstellen, d.h. den zuständigen Krankenkassen (§ 28h Abs. 1 S. 1 SGB IV). Darüber hinaus erlassen nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber. Nur "insoweit" gilt § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht, wie § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ausdrücklich regelt. Eine die allgemeine Zuständigkeit der Krankenkassen verdrängende Kompetenz des prüfenden Rentenversicherungsträgers besteht mithin nur bei Entscheidungen, die kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie ergehen im Rahmen einer Prüfung beim Arbeitgeber und gegenüber diesem (vgl. Senatsurt. v. 27.11.2013 - L 8 R 253/13 - juris Rn. 37 ff m.w.N.). Die Antragstellerin aber war - wie dargelegt - im Zeitraum vom 1.1.2014 bis 28.7.2016 nicht die Arbeitgeberin des NV.

dd) Auf § 613a BGB kann die Antragsgegnerin die Geltendmachung der Forderung ebenfalls nicht stützen. Dies gilt bereits deshalb, weil der Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers aus Rechtsgründen nicht nach § 613a BGB auf einen Betriebserwerber - hier: die Antragstellerin - übergehen kann. Diese Vorschrift erfasst nur Arbeitsverhältnisse, nicht aber Dienstverhältnisse eines Organmitglieds wie des Geschäftsführers einer GmbH (vgl. BAG Urt. v. 13.2.2003 - 8 AZR 654/01 - juris Rn. 36 ff, Niedersächsisches FG Urt. v. 11.1.2007 - 6 K 476/02 - juris Rn. 61). § 613a BGB findet auf solche Fälle auch keine analoge Anwendung (vgl. BAG a.a.O.).

b) Bezogen auf den Zeitraum vom 29.7.2016 bis 31.12.2017, in dem die Antragstellerin (wie dargelegt) Arbeitgeberin des NV war, spricht hingegen nicht mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit der - hier zutreffend auf der Grundlage des § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erlassenen - Bescheide. Die Antragsgegnerin war auch zur Überwachung des Umlageverfahrens nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und zum Erlass eines entsprechenden Umlagebescheids berechtigt. § 10 AAG stellt die Beiträge zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleich (vgl. BSG Urt. v. 4.9.2018 - B 12 R 4/17 R - juris Rn. 10 m.w.N.).

aa) Der Bescheid vom 15.4.2019 ist formell rechtmäßig. Die Antragstellerin wurde insbesondere vor seinem Erlass mit Schreiben vom 8.1.2019 gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört.

bb) Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes in materiell-rechtlicher Hinsicht in einem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigenden Umfang hinsichtlich der Tätigkeit des NV für die Antragstellerin in der Zeit vom 29.7.2016 bis 31.12.2017 nicht gegeben. Es spricht derzeit mehr dafür als dagegen, dass NV bei der Antragstellerin in diesem Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und Beiträge in der von der Antragsgegnerin festgestellten Höhe zu entrichten sind.

(1) Gem. § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der - von der Antragsgegnerin festgestellten - Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Hieraus folgt die Beitragspflicht für das aus dem Beschäftigungsverhältnis erzielte Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III).

NV war in der Zeit vom 29.7.2016 bis zum 31.12.2017 bei der Antragstellerin gegen Entgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt.

Das Vorliegen einer Beschäftigung beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) behördliche Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status fehlen. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - insbesondere bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rn. 14 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - juris Rn. 6 ff).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu eruieren. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (st. Rspr., vgl. zuletzt BSG Urt. vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rn. 15 m.w.N.).

Diese Maßstäbe gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 14 f.). Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei Geschäftsführern einer GmbH aber in erster Linie danach, ob der Geschäftsführer nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen. Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus. Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist dagegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist hingegen nicht maßgeblich. Dies wäre mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (vgl. z.B. BSG a.a.O. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Maßstäben stand NV in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Antragstellerin im Zeitraum vom 29.7.2016 bis 31.12.2017 in einem die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis. Unter Berücksichtigung der bei der Antragstellerin geltenden Rechtsmachtsverhältnisse war er dieser gegenüber weisungsgebunden (hierzu unter (a)), was durch die vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und der Antragstellerin untermauert wird (hierzu unter (b)). Seine Tätigkeit fand eingegliedert in deren Betrieb statt (hierzu unter (c)). Wesentliche Indizien, die für eine Selbstständigkeit sprechen, liegen nicht vor (hierzu unter (d)). Auch fehlt es an einem die Versicherungspflicht ausschließenden Vertrauensschutz (hierzu unter (e)).

(a) Über Gesellschaftsanteile an der Antragstellerin selbst verfügte NV nicht. Auch seine Anteile an der MvU vermochten ihm keine relevante Rechtsmacht zu verschaffen, mit der er ihm nicht genehme Beschlüsse der Antragstellerin hätte verhindern können. Zwar war in deren Gesellschafterversammlung - allein - die MvU stimmberechtigt, da sich das Stimmrecht nach den Kapitaleinlagen der Gesellschafter (Festkapital) richtete (§ 4 Nr. 4 GV-Co. KG). Nur die MvU hatte eine (Kommandit-)Einlage, während die Komplementärin der Antragstellerin, die frühere Y Umwelt Verwaltungs GmbH (jetzt X Verwaltungs GmbH), ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen war (§ 4 Nr. 1 GV-Co. KG). Entsprechend verfügte die MvU unabhängig vom jeweils erforderlichen Mehrheitserfordernis (vgl. § 7 GV-Co. KG) stets über die Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung der Antragstellerin. Da NV mit 22,07% Gesellschaftsanteilen an der MvU jedoch nur über eine Minderheitsbeteiligung an dieser verfügte, konnte er ein ihm nicht genehmes Stimmverhalten in der Gesellschafterversammlung der Antragstellerin nicht verhindern.

Auch die Regelung des § 164 Handelsgesetzbuch (HGB) verschaffte NV nicht die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht. Nach § 164 S. 1 Hs. 1 HGB obliegt die Geschäftsführung bei der KG zwar grundsätzlich allein der Komplementärin, hier: der X Verwaltungs GmbH. Deren Aufgaben werden durch ihren Geschäftsführer, hier u.a. NV, wahrgenommen. Bei der Ausübung der Geschäftsführungsbefugnisse bedarf die Komplementär-GmbH - außer bei Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen - auch keiner Zustimmung der Kommanditistin. Diese (dispositive) Regelung des § 164 HGB wurde jedoch durch den GV-Co. KG abbedungen. So bestimmt § 5 Nr. 3 S. 1 GV-Co. KG einen Katalog von zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäften. Weitere Arten von Geschäften können gem. § 5 Nr. 3 S. 2 GV-Co. KG von der Gesellschafterversammlung für zustimmungsbedürftig erklärt und die Zustimmungsvorbehalte in einer Geschäftsordnung für die persönlich haftende Gesellschafterin ergänzt und konkretisiert werden (§ 5 Nr. 3 S. 3 GV-KG). Die entsprechenden Beschlüsse wiederum fasst die Kommanditistin, die MvU, in der Gesellschafterversammlung der Antragstellerin. Auf diese kann NV - wie bereits dargestellt - keinen relevanten Einfluss nehmen.

(b) Die gesellschaftsrechtlich bestehende Weisungsgebundenheit des NV gegenüber der Antragstellerin wird durch den zwischen ihnen geschlossenen Anstellungsvertrag untermauert.

Zwar liegt ein schriftlicher Vertrag für die Tätigkeit des NV ab dem 29.7.2016 nicht vor. Der im Jahr 2003 zwischen NV und der damaligen X GmbH geschlossene Geschäftsführervertrag ist (entgegen der Auffassung der Vertragsbeteiligten) nicht gem. § 613a BGB in Folge der vorgenommenen Umwandlung auf die Antragstellerin als übernehmende Rechtsträgerin übergegangen. Der Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers kann - wie bereits dargelegt - aus Rechtsgründen nicht nach § 613a BGB auf einen Betriebserwerber übergehen, da diese Vorschrift nur Arbeitsverhältnisse, nicht aber Dienstverhältnisse eines Organmitglieds erfasst.

Zwischen der Antragstellerin und NV ist aber zumindest mit Rechtsbindungswillen konkludent vereinbart worden, dass NV für sie auf der Grundlage der und entsprechend den Regelungen seines Geschäftsführervertrages mit der X GmbH tätig wird. Hierfür sprechen zunächst das Schreiben vom 2.5.2016, mit dem die X GmbH den NV über "einen Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB" informiert hat, dann der Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 28.4.2016 zwischen der X GmbH und der Antragstellerin, nach dessen Anlage 5 das Vertragsverhältnis mit NV auf die Antragstellerin als übernehmende Rechtsträgerin mit übergehen sollte und schließlich der Umstand, dass die Beteiligten den gesonderten Abschluss eines Vertrages zwischen NV und der Antragstellerin nicht für erforderlich gehalten haben.

Die danach gültigen vertraglichen Regelungen, die inhaltlich denen des Geschäftsführervertrages des NV mit der X GmbH (jetzt MvU) vom 2.1.2003 entsprechen, weisen - wie vom SG zutreffend dargelegt - überwiegend arbeitsvertragstypische Merkmale auf.

(c) Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage wurde NV vom 29.7.2016 bis 31.12.2017 in einem fremden Betrieb, dem der Antragstellerin, tätig. In diesen und folglich in eine ihm einseitig vorgegebene Organisation war er vollständig eingegliedert (vgl. BSG Urt. v. 4.6.2009 - B 12 KR 5/97 R).

(d) Indizien, die für eine Selbstständigkeit sprechen, liegen hingegen nicht in relevantem Maße vor. Weder verfügte NV über eine eigene Betriebsstätte, noch trug er insbesondere ein Unternehmerrisiko. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BSG Urt. v. 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - juris Rn. 27; Urt. v. 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - juris Rn. 24), denen sich der Senat in seiner ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. z.B. Senatsurt. v. 29.1.2020 - L 8 BA 153/19 - juris Rn. 64 m.w.N.), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 36).

Seine Arbeitskraft musste NV angesichts der anstellungsvertraglich vereinbarten Gegenleistung in Form einer Festvergütung nicht mit der Gefahr des Verlustes einsetzen (vgl. hierzu BSG Urt. v. 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - juris Rn. 26). Soweit er daneben Anspruch auf eine erfolgsabhängige Tantieme hatte (§ 3 Nr. 5. GFV), kommt diesem Umstand grundsätzlich schon deshalb kein wesentliches Gewicht im Rahmen der Gesamtabwägung zu, weil die Gewährung von Tantiemen auch an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl. BSG Urt. v. 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 26 m.w.N.). Das verbleibende Risiko der Insolvenz des Auftrag- bzw. Arbeitgebers trifft Arbeitnehmer in gleicher Weise (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 37).

(e) Ein der Feststellung der Versicherungspflicht entgegenstehender Vertrauensschutz der Antragstellerin nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz aufgrund anderweitiger behördlicher Feststellungen besteht nicht. Für den Zeitraum vom 29.7.2016 bis 31.12.2017 kann sich die Antragstellerin schon deshalb nicht auf Vertrauensschutz aufgrund des Bescheides der früheren BfA vom 4.5.2005 zu § 2 SGB VI berufen, da es zu jenem Zeitpunkt - wie ausgeführt - keine Tätigkeit des NV für die Antragstellerin gab, zu der der Bescheid eine Feststellung hätte treffen können. Dies gilt in derselben Weise für den Bescheid gem. § 149 Abs. 5 SGB VI vom 4.9.2012. Die an die X GmbH adressierten Prüfbescheide vom 24.8.2006, 21.12.2010 und 24.4.2014 betreffen ebenfalls nicht die Antragstellerin.

Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung überwiegen die Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung des NV sprechen. Die gesetzlichen Merkmale der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers liegen bei der Tätigkeit des NV für die Antragstellerin vor. An maßgeblich für Selbstständigkeit sprechenden Gesichtspunkten fehlt es hingegen.

(2) Tatbestände, die zur Versicherungsfreiheit des am 00.00.1963 geborenen NV in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung führen könnten (§§ 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB VI, 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), sind nicht ersichtlich.

(3) Hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderung sind Unrichtigkeiten nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden.

2.) Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Antragstellerin durch die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides ist nicht erkennbar.

Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (st. Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschl. v. 7.3.2019 - L 8 BA 75/18 B ER - juris Rn. 17).

Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 27). Dabei ist vom Beitragsschuldner auch darzulegen und glaubhaft zu machen, ob er bei Fortsetzung seines Geschäftsbetriebs bei Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen in der Lage ist, derart rentabel zu wirtschaften, dass die noch offene Beitragsforderung in überschaubarer Zeit beglichen werden kann (vgl. Senatsbeschl. v. 15.6.2020 - L 8 BA 139/19 B ER). Dafür ist hier indessen nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 155 Abs. 1 S. 1, 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge (65.807,64 Euro) als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.2.2012 - L 8 R 1047/11 B ER - juris Rn. 38 m.w.N.).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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