S 11 AS 3814/19 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 3814/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2109/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I) Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme rückständiger Mietkosten in Höhe von zuletzt noch 1104,52 EUR.

Die Antragsteller (Mutter und Sohn) bewohnen seit dem 01.11.2018 zusammen eine Wohnung, für die Mietkosten in Höhe von 1280,00 EUR monatlich (990,00 EUR Grundmiete + 160,00 EUR Betriebskosten + 130,00 EUR Heizkosten) anfallen. Die Antragsteller bilden eine Haushaltsgemeinschaft und jeder für sich eine Bedarfsgemeinschaft, beide beziehen laufend und auch laufend seit dem 01.11.2018 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für beide wird jeweils der hälftige Mietanteil in Höhe von 640,00 EUR bei der Berechnung der Leistungen berücksichtigt. Ausweislich des mehrfach vorliegenden Mietkontoauszugs bestehen aktuell Rückstände in Höhe von 1104,52 EUR, welche aus einer Nichtzahlung jeweils der hälftigen Miete für die Monate November 2018 und Dezember 2018 resultieren.

Für die Antragstellerin zu 1) wurden ausweislich der eingereichten Auszahlungsbelege des Antragsgegners seit dem Bezug der Wohnung und damit seit November 2018 monatlich 640,00 EUR von dem Antragsgegner gezahlt. Für die Monate November und Dezember 2018 wurde die Miete im Rahmen der SGB II – Leistungsbewilligung noch an die Antragstellerin zu 1) selbst gezahlt, diese hat ihren Mietanteil auch an den Vermieter weitergeleitet. Auf dem Mietkontoauszug ist ersichtlich, dass in den Monaten November und Dezember 2018 jeweils die hälftige Miete in Höhe von 640,00 EUR eingezahlt wurde.

Ab dem 01.01.2019 wurde dann die Miete von dem Antragsgegner regelmäßig monatlich in Höhe von 640,00 EUR an den Vermieter direkt überwiesen.

Auch dies findet eine Entsprechung in dem vorliegenden Mietkontoauszug. Für die Antragstellerin zu 1) wurden demnach durchgehend seit Bezug der neuen Wohnung Mietkosten in Höhe von 640,00 EUR monatlich gezahlt, was ihren tatsächlich entstandenen Mietkosten entsprach.

Für den Antragsteller zu 2) wurden zunächst in den Monaten November und Dezember 2018 keine Unterkunftskosten für die neue Wohnung gezahlt. Vielmehr wurden von dem Antragsgegner fälschlicherweise weiter die Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 308,25 EUR an den ehemaligen Vermieter gezahlt. Nachdem dies dem Antragsgegner aufgefallen war, informierte er den Antragsteller zu 2) über den Fehler und forderte diesen auf, sich an den ehemaligen Vermieter zu wenden und sich die an diesen zu Unrecht gezahlte Miete auszahlen zu lassen. Nach Auskunft des Antragstellers zu 2) im laufenden Gerichtsverfahren ist eine solche Auszahlung wohl auch erfolgt, da der Antragsteller zu 2) angibt, seine Mutter (also die Antragstellerin zu 1) habe das fälschlicherweise an den alten Vermieter gezahlte Geld "an den neuen Vermieter eingezahlt". Der Antragsgegner hat zudem im November 2018 eine Nachzahlung in Höhe von 827,90 EUR vorgenommen, in der die noch fehlenden Unterkunftskosten für die neue Wohnung für die Monate November und Dezember 2018 enthalten waren. Nach Angaben des Antragsgegners enthielt diese Nachzahlung jeweils 331,75 EUR Unterkunftskosten für die neue Wohnung für die Monate November und Dezember sowie noch einen Anteil Unterkunftskosten für die zuvor bewohnte Wohnung. Mit dieser Nachzahlung und dem von dem alten Vermieter an den Antragsteller ausgezahlten Betrag hat der Antragsteller zu 2) demnach für die Monate November 2018 und Dezember 2018 jeweils 640,00 EUR (308,25 EUR von dem alten Vermieter + 331,75 EUR Nachzahlung von dem Antragsgegner) an Unterkunftskosten erhalten.

Weitergeleitet hat er diese Kosten an den Vermieter nicht, so dass in den Monaten November und Dezember 2018 nur der Mietanteil der Antragstellerin zu 1) gezahlt worden ist und der Mietanteil des Antragstellers zu 2) noch rückständig ist.

In der Zeit vom 01.01.2019 – 30.06.2019 wurde dann von dem Antragsgegner ein monatlicher Betrag in Höhe von 640,00 EUR für den Antragsteller zu 2) direkt an den Vermieter überwiesen.

Für die Monate Juli – September 2019 erfolgte dann an den Antragsteller zu 2) erneut zunächst keine Zahlung von Unterkunftskosten durch den Antragsgegner. Erst mit Bescheid vom 20.09.2019 wurden dem Antragsteller zu 2) für diese Zeit Leistungen bewilligt. Für die Monate Juli und August 2019 wurden monatlich 640,00 EUR bewilligt, für den Monat September 2019 erfolgte eine Bewilligung in Höhe von 548,78 EUR, da nach Angaben des Antragsgegners ein Guthaben aus einer Betriebs- und Nebenkostenabrechnung in Höhe von 129,51 EUR verrechnet worden war. Die mit Bescheid vom 20.09.2019 bewilligten Unterkunftsleistungen für Juli – September in Höhe von insgesamt 1828,78 EUR wurden ausweislich des vorliegenden Mietkontoauszugs am 25.09.2019 dem Vermieterkonto gutgeschrieben.

Die Antragsteller sind nun der Ansicht, dass nicht alle ihnen zustehenden Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt und gezahlt wurden und dass daher der bestehende Rückstand von dem Antragsgegner zu übernehmen sei. Hinsichtlich der für die Monate November und Dezember 2018 erfolgten Nachzahlung erklärt der Antragsteller zu 2), er sei davon ausgegangen, diese Nachzahlung sei für fehlende Leistungen aus 2014 gewesen. Das Geld sei nicht als "Miete" gekennzeichnet gewesen, so dass er es für den Lebensunterhalt verbraucht habe. Die zunächst von beiden Antragstellern getrennt erhobenen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Antragsteller beantragen schriftsätzlich sinngemäß, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern die rückständigen Mietkosten in Höhe von 1104,52 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich, den Antrag abzulehnen.

Er weist unter Vorlage von Auszahlungsbelegen darauf hin, dass bereits kein Anordnungsanspruch bestehe, da für beide Antragsteller die vollen tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten bewilligt und ausgezahlt worden seien.

Im laufenden Verfahren hat das Gericht den Vermieter der Antragsteller angeschrieben und diesen zu bestehenden Rückständen befragt. Der Vermieter hat daraufhin lediglich den bereits bekannten Mietkontoauszug übersandt. Der Vermieter hat bisher weder eine Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen noch eine solche auch nur ernsthaft angedroht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

II) Der zulässige Antrag ist unbegründet, die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eine Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Maßgebliche Vorschrift ist hier § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, denn den Antragstellern geht es nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Zustandes, sondern um die Gewährung weiterer Leistungen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt dabei das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, also eines materiell rechtlichen Anspruchs auf die Leistung, und eines Anordnungsgrundes voraus. Der Anordnungsgrund ist immer dann gegeben, wenn besondere Eilbedürftigkeit besteht. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Vorliegend fehlt es sowohl an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes.

Nach den vorliegenden Unterlagen und Ausführungen ist davon auszugehen, dass die Antragsteller die ihnen nach § 22 Abs. 1 SGB II zustehenden Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit ab November 2018 vollständig von dem Antragsgegner erhalten haben. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die tatsächlichen Aufwendungen belaufen sich hier auf 1280,00 EUR, so dass jedem Antragsteller monatlich 640,00 EUR an Unterkunftskosten tatsächlich entstanden sind. Diese monatlichen Aufwendungen wurden auch von dem Antragsgegner vollständig gezahlt, so dass kein weitergehender Anspruch der Antragsteller besteht.

Für die Antragstellerin zu 1) wurden regelmäßig monatlich 640,00 EUR gezahlt und auch an den Vermieter weitergeleitet, so dass keine Rückstände entstanden und keine weiteren Kosten zu übernehmen sind. Für den Antragsteller zu 2) ist es zwar zu Verzögerungen der Unterkunftskosten einmal für die Monate November und Dezember 2018 und einmal für die Monate Juli – September 2019 gekommen, die Mieten wurden aber durch Nachzahlungen dann letztlich auch voll abgedeckt. Wie sich auch aus dem Mietkontoauszug ergibt, bestehen für die Monate ab Januar 2019 keine Rückstände, offen sind lediglich die zwei hälftigen Mieten für November und Dezember 2018. Unstreitig ist, dass diese Unterkunftskosten für den Antragsteller zu 2) nicht von dem Antragsgegner direkt an den Vermieter gezahlt wurden und unstreitig ist auch, dass ein Teil dieser Kosten fälschlicherweise an den alten Vermieter gezahlt wurde. Ob die Vorgehensweise des Antragsgegners, den Antragsteller zu 2) aufzufordern, sich das Geld von dem alten Vermieter auszahlen zu lassen, korrekt war oder ob nicht vielmehr der Antragsgegner selbst sich an den alten Vermieter hätten wenden und dem Antragsteller zu 2) die Miete auszahlen müssen, kann dahinstehen, da der Antragsteller zu 2) den zu Unrecht an den alten Vermieter gezahlten Mietanteil von diesem nach eigenen Angaben zurück erhalten hat. Dem Antragsteller zu 2) sind demnach die zu Unrecht an den alten Vermieter gezahlten Unterkunftskosten letztlich durch die Auszahlung des alten Vermieters zugeflossen. Zusammen mit der im November erfolgten Nachzahlung durch den Antragsgegner hat der Antragsteller zu 2) demnach die vollen tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten auch für diese Monate erhalten, er hat aber nicht hinreichend glaubhaft machen können, diese an ihn selbst ausgezahlten Leistungen an den Vermieter weitergeleitet zu haben.

Vielmehr ist es ausweislich des Mietkontoauszugs in den Monaten November und Dezember 2018 nicht zu einer Zahlung durch den Antragsteller zu 2) gekommen. Dies kann jedoch nicht zu Lasten des Antragsgegners gehen, der seine Leistungspflicht und den Anspruch des Antragstellers vollumfänglich erfüllt hat. Auch wenn der Antragsteller zu 2) davon ausging, die Nachzahlung sei für fehlende Leistungen in 2014 gewesen, ändert dies nichts daran, dass der Antragsgegner seine Leistungspflicht erfüllt hat.

Da der Antragsgegner die tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten für beide Antragsteller voll übernommen hat und nur die tatsächlich anfallenden Kosten nach § 22 SGB II auch zu übernehmen sind, besteht kein Anspruch auf die Übernahme der rückständigen Mieten, da bereits die vollen Mieten durch den Antragsgegner gezahlt wurden und die Rückstände allein durch das Verhalten des Antragstellers zu 2) und die Nichtweiterleitung der Leistungen an den Vermieter entstanden sind.

Es besteht demnach kein Anordnungsanspruch, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher allein aus diesem Grunde abzulehnen.

Aber auch ein Anordnungsgrund konnte von den Antragtellern nicht glaubhaft gemacht werden. Ein solcher liegt in Bezug auf die Unterkunftskosten nur dann vor, wenn die Aufrechterhaltung der Wohnung ernsthaft gefährdet und die Antragsteller von Obdachlosigkeit ernsthaft bedroht sind. Zwar ist weder eine bereits erfolgte Kündigung des Mietverhältnisses noch eine Räumungsklage notwendig, um eine besondere Eilbedürftigkeit und damit einen Anordnungsgrund annehmen zu können, es müssen aber doch objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Mietverhältnis ernsthaft gefährdet ist. Solche Anhaltspunkte gibt es hier nicht. Die Mieten für die Monate November und Dezember 2018 sind nun bereits seit einem Jahr rückständig, ohne dass der Vermieter Maßnahmen ergriffen hätte. Auch im laufenden Eilverfahren sind keine Anhaltspunkte zutage getreten, die dafürsprächen, dass der Vermieter den Antragstellern kündigen will. Da die Miete auch laufend gezahlt wird, ist auch nicht zu erwarten, dass der Vermieter eine Kündigung wegen langer zurück liegender geringfügiger Rückstände aussprechen wird. Das Mietverhältnis ist demnach zumindest nach derzeitigem Sachstand nicht gefährdet und es liegt kein Anordnungsgrund vor. Auch aus diesem Grund ist der Antrag demnach abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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