L 11 KA 35/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 1416/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 35/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. April 2017 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen, Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 538,51 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Regresses wegen der Verordnung von Aggrenox® im Jahr 2015.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in W niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verordnete der bei der Beigeladenen zu 1) versicherten N K (nachfolgend: Versicherte) im Jahr 2015 das Arzneimittel Aggrenox®. Dieses besteht aus einer Kombination der Wirkstoffe Dipyridamol und Acetylsalicylsäure (ASS). Der Wirkstoff Dipyridamol hemmt die Wiederaufnahme von Adenosin und wirkt somit u.a. dilatierend auf die Koronargefäße bzw. als Thrombozyten-aggregationshemmer. ASS zählt zu den nicht steroidalen Analgetika/Antiphlogistika. Die Substanz hemmt die Cyclooxygenasen und damit die Synthese der Prostaglandine, Thromboxan A2 und Prostacylin. Der Arzneistoff besitzt eine ausgeprägte thrombozytenaggregationshemmende Wirkung.

Die Verordnung von Aggrenox® zu Lasten der Beigeladenen zu 1) umfasste im Rahmen der Behandlung der Versicherten im Jahr 2015 folgenden Umfang:

Quartal - Verordnungsdatum - Brutto (EUR) - Rabatt (EUR) - Zuzahlung (EUR) - Netto (EUR)
I/2015 - 16.1.2015, 3.3.2015 - 92,57, 92,57 - 15.64, 15,64 - 0,00, 0,00 - 76,93, 76,93
Summe: 153,86
II/2015 - 27.4.2015, 16.6.2015 - 92,57, 92,57 - 15.64, 15,64 - 0,00, 0,00 - 76,93, 76,93
Summe: 153,86
III/2015 - 8.9.2015 - 92,57- 15.6, - 0,00 - 76,93
Summe: 76,93
IV/2015 - 5.10.2015, 6.11.2015 - 92,57, 92,57 - 15.64, 15,64 - 0,00, 0,00 - 76,93, 76,93
Summe: 153,86
Gesamtsumme: 538,51

Mit der Begründung, Kombinationen von Dipyridamol und ASS seien aufgrund des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 16. Mai 2013 seit dem 1. April 2014 von der Verordnung ausgeschlossen, beantragte die Beigeladene zu 1) am 31. März 2016 bei der beklagten Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein gemäß § 16 Abs. 1 der Prüfvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und den Krankenkassen (nachfolgend: PrüfV) die Festsetzung eines Regresses in Höhe ihrer infolge der Verordnung des Klägers entstandenen Aufwendungen von netto 538,51 EUR.

Der Kläger hielt der beabsichtigten Regressfestsetzung entgegen, die Versicherte habe unter der vorherigen Verordnung von ASS 100 einen Re-Apoplex erlitten. Im Zuge einer stationären Behandlung in dem Krankenhaus K sei die Notwendigkeit der Eskalation der Therapie auf ein Kombinationspräparat aus ASS und Dipyridamol festgestellt worden, die er erfolgreich fortgesetzt habe. Es sei seine ärztliche Pflicht, die von dem Krankenhaus verordnete Therapie nach Re-Apoplex fortzusetzen.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2016 setzte die Beklagte einen Regress in Höhe von 538,51 EUR wegen unzulässiger Verordnung von Aggrenox® in den Quartalen I/2015 bis IV/2015 fest. Nach § 4 der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) erstrecke sich der Anspruch eines Versicherten ausschließlich auf die Verordnung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder die AM-RL von der Versorgung ausgeschlossen seien. Gemäß der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe, Stand 15. Januar 2015) enthielten Aggrenox® Retardkapseln 200mg Dipyridamol und 25mg ASS. Dieses Arzneimittel sei zur Sekundärprävention von ischämischen Schlaganfällen und transitorischen Attacken (TIA) zugelassen. Laut Anlage III Nr. 53 AM-RL bestehe seit dem 1. April 2014 ein Verordnungsausschluss für Dipyridamol in Kombination mit ASS.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) könne der Vertragsarzt Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Verordnung ausgeschlossen seien, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Die Annahme eines Ausnahmefalls setze zumindest voraus, dass die jeweilige Indikation angegeben werde, die Ausnahmetatbestände und die Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen jeweils konkret benannt seien und die Therapieentscheidung des Arztes ordnungsgemäß dokumentiert werde (Verweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 2. Juli 2014 - B 6 KA 25/13 R -; Sozialgericht (SG), Urteil vom 25. November 2015 - S 18 KA 210/11 -). Zu dokumentieren seien die Umstände, die im Einzelfall eine relevante Abweichung von der dem Ausschlusstatbestand zugrunde liegenden typischen Konstellation belege und erkennen ließe, dass die maßgebenden Gründe für den Ausschluss des fraglichen Arzneimittels aus der Leistungspflicht im Einzelfall nicht griffen. Die Begründung müsse sich insbesondere auf die Auswahl des grundsätzlich ausgeschlossenen Arzneimittels unter den in Betracht kommenden Behandlungsalternativen erstrecken, wenn auch verordnungsfähige oder von vornherein nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Betracht kämen. Es müsse belegt werden, dass und aus welchen Gründen eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verordnungsausschluss im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V geboten sei (Verweis auf SG Dresden, Urteil vom 25. November 2015 - S 18 KA 210/11 -). Soweit der Kläger geltend mache, mit der Verordnung des Arzneimittels lediglich die im Krankenhaus begonnene Therapie fortgeführt zu haben, rechtfertige dies kein anderes Ergebnis. Dem Grundsatz der Therapiehoheit folgend unterliege der verordnende Vertragsarzt den Pflichten des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) und treffe nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä eine eigenverantwortliche Entscheidung, für die er einzustehen habe. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.

Gegen den ihm am 13. Juli 2016 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 10. August 2016 Klage zum SG Düsseldorf erhoben. Die Festsetzung des Regresses sei absurd, da er medizinisch korrekt gehandelt und ein medizinisch notwendiges Medikament verordnet habe. Er könne als niedergelassener Vertragsarzt nicht einerseits verpflichtet sein, ein medizinisch notwendiges Medikament zu verordnen und andererseits von der Prüfungsstelle mit einem Regress belegt werden.

Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V seien erfüllt. Bei der Versicherten sei während der regelmäßigen Einnahme von ASS 100 ein Re-Apoplex aufgetreten, so dass sich die Wirkung im konkreten Fall als wirkungslos herausgestellt gehabt habe. Eine fortwährende Verordnung von ASS 100 sei ihm im konkreten Fall nicht ausreichend erschienen, um eine hinreichende Prävention gegen eine erneute Wiederholung eines Schlaganfallgeschehens zu schaffen. Aggrenox® sei zugelassen zur Sekundärprävention von ischämischen Schlaganfällen und transitorischen ischämischen Attacken. Das Arzneimittel sei von der S Unit des Krankenhauses K GmbH mit dem ausdrücklichen Hinweis auf eine notwendige Therapieeskalation verordnet worden. Mit dieser Verordnung sei die Versicherte in die hausärztliche Behandlung entlassen worden. Dieses folge aus dem Entlassungsbericht vom 21. Mai 2014, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Die bloße Weiterverordnung von ASS 100 sei im Hinblick auf die Prädisposition der Versicherten zu gefährlich gewesen. Wäre es unter der Verordnung von lediglich ASS 100 zu einem erneuten Apoplex bzw. apoplexähnlichen Geschehen gekommen, hätte er sich eines schweren Behandlungsfehlers schuldig gemacht und gegen seine Berufspflicht verstoßen, jeden Patienten mit den notwendigen Medikamenten zur Prävention zu versorgen. Er hätte demnach in der konkreten Behandlungssituation nach seiner eigenen therapeutischen Erfahrung nur die Möglichkeit gehabt, das verordnete Kombinationspräparat weiter zu verordnen oder die Behandlung der Patientin mit Begründung abzulehnen. Eine schriftliche Genehmigung der gesetzlichen Krankenkasse einzuholen, sei ihm weder möglich noch zumutbar gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Regressbescheid der Beklagten vom 12. Juli 2016 ersatzlos aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Festsetzung des Regresses unter Bezugnahme auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides verteidigt. Allein die Fortsetzung der im Krankenhaus begonnenen Behandlung der Versicherten begründe den Ausnahmetatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V nicht. Dazu sei ein Verweis auf einen Entlassungsbericht allein nicht geeignet. Im Übrigen treffe der Vertragsarzt gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä stets eine eigenverantwortliche Therapieentscheidung. Soweit aus Sicht des Klägers keine taugliche Behandlungsalternative bestanden habe, sei die zum Verordnungszeitpunkt zu dokumentieren und der Beklagten im Verwaltungsverfahren vorzulegen gewesen (Verweis auf BSG, Urteil vom 15. November 1995 - 6 RKa 58/94 -).

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger den Entlassungsbericht des Krankenhauses K GmbH vom 21. Mai 2014 sowie die die Versicherte betreffenden Patientendokumentation vorgelegt.

Mit Urteil vom 26. April 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 4. Mai 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Mai 2017 die von dem SG zugelassene Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Der Bescheid greife unzulässig in seine Rechte ein, insbesondere in seine Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG)). Zur Begründung wiederholt er seinen erstinstanzlichen Vortrag. Aggrenox® sei "das" Medikament zur Vorbeugung gegen einen zweiten Apoplex. Da die Versicherte bereits einen solchen erlitten habe, habe das Krankenhaus K die zuvor erfolgte Medikation mit ASS 100 als unzureichend angesehen und zum Schutz der Versicherten eskaliert. Der Entlassungsbericht belege die Indikation für die Verordnung hinreichend; die Notwendigkeit einer Therapieumstellung sei medizinisch nicht zu bestreiten. Auch wenn die Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen in der patientenbezogenen Dokumentation nicht ausdrücklich dargelegt worden seien, ergäben sich diese aus der Dokumentation insgesamt, zu der auch die vorliegenden Fremdberichte genommen worden seien. Solche seien integraler Bestandteil der Patientendokumentation. Dass insbesondere Arztberichte integraler Bestandteil der Dokumentation des Befundes seien, folge auch aus § 630f Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach Arztbriefe in die Patientenakte aufzunehmen seien. Dieses gelte umso mehr, als der Behandler die ambulante Nachbehandlung bzw. Nachsorge des Versicherten nach einem stationären Krankenhausaufenthalt übernehme. Im Hinblick auf den konkreten Behandlungsfall folge hieraus, dass die in dem stationären Entlassungsbericht vom 21. Mai 2014 enthaltene Begründung für den Therapiewechsel auf das Medikament Aggrenox® unmittelbar zu Gunsten des Klägers als Behandler heranzuziehen seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. April 2017 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Vorliegend habe der Kläger lediglich die Diagnose unter Hinzunahme des Krankenhausberichtes dokumentiert, mehr jedoch nicht. Es bleibe unklar, weshalb aus seiner Sicht die Verordnung mit Aggrenox® "ultima ratio" gewesen sei. Es möge sein, dass das Medikament im Falle eines (wiederholten) Schlaganfalles als probates Mittel angesehen werden könne; hierauf komme es jedoch nicht an. Vielmehr sei der Kläger gehalten, seine Ansicht nachvollziehbar darzulegen, dass eine Verordnung trotz des Ausschlusses in diesem Einzelfall ausnahmsweise unabdingbar sei. Ohne eine solche Darstellung stünden Diagnose und Krankenhausbericht unverknüpft im Raum. Zur ausnahmsweisen Verordnungsfähigkeit bedürfe es einer intellektuellen Verzahnung durch den Vertragsarzt, die von einem Dritten durchdrungen werden könne. Wenngleich dem Kläger beizupflichten sei, dass angesichts der beruflichen Herausforderungen im Praxisalltag die Anforderungen an die Begründung des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V nicht überspannt werden dürften, sei gleichwohl zu berücksichtigen, dass eine kurze, aber prägnante Begründung zum Verordnungszeitpunkt ausgereicht hätte.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Sie treten der rechtlichen Beurteilung der Beklagten bei.

Der Senat hat die von dem Kläger geführte Patientendokumentation über die Versicherte beigezogen. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind Vertreter der Beigeladenen trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen in der Sache verhandeln und entscheiden können, da er sie in den ordnungsgemäßen Terminsmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

I. Die am 29. Mai 2017 schriftlich eingelegte Berufung des Klägers gegen das ihm am 4. Mai 2017 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf vom 26. April 2017 ist zulässig, insbesondere kraft Zulassung durch das SG statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Diese ist zulässig (hierzu 1.), aber nicht begründet (hierzu 2.).

1. Die auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12. Juli 2016 gerichtete Klage ist zulässig.

a) Für das Rechtsschutzbegehren des Klägers (vgl. § 123 SGG), die Aufhebung der mit Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2016 geregelten Regressfestsetzung von 538,51 EUR, ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Altern. 1 SGG) statthaft.

b) Die gerichtlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen sind gegeben, obgleich der Anfechtungsklage ein Vorverfahren durch den Beschwerdeausschuss nicht vorausgegangen ist. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dieses gilt im Grundsatz auch für Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung, wie sich auch aus § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V in seiner bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung ((a.F.); seit 1. Januar 2017 § 106c Abs. 3 Satz 4 SGB V n.F. (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG - vom 16. Juli 2015; BGBl. I 2015, 1211)) ergibt, wonach das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren gilt (hierzu eingehend BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 - B 6 KA 13/10 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 32, juris-Rn. 19 ff. m.w.N.).

Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG bedarf es eines Vorverfahrens ausnahmsweise nicht, wenn ein Gesetz dieses für besondere Fälle bestimmt. Eine solche Ausnahme ordnet § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V a.F. bzw. (inhaltlich übereinstimmend) § 106c Abs. 3 Satz 6 SGB V n.F. für Fälle der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen an, die durch das Gesetz oder durch Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind. Die Reichweite dieser Ausnahmeregelung ist eng auszulegen und betrifft nur Verordnungsregresse, denen ein Verordnungsausschluss zugrunde liegt, der sich unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz ergibt und Folge der spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ist (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 - B 6 KA 13/10 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 32, juris-Rn. 19 ff. m.w.N.; Senat, Urteil vom 17. April 2013 - L 11 KA 66/11 -). Zwar sind lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze - etwa durch das Arzneimittelgesetz (AMG) im Wege einer "Transformation" über die §§ 2, 12 SGB V - von dieser Norm nicht erfasst (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011, a.a.O., Rn. 23, 27 ff.); allerdings ist ein den Ausschluss eines Vorverfahrens rechtfertigender, "leicht überprüfbarer" Sachverhalt, der sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden kann (vgl. zu diesem Regelungsgedanken auch BSG, a.a.O., Rn. 20 unter Hinweis auf den Fraktionsentwurf zum GKV-WSG, BT-Drucks. 16/3100, S. 138 zu § 106 Abs. 5 SGB V) dann (noch) gegeben, wenn die nach § 92 SGB V erlassenen Richtlinien zwar einen Verordnungsausschluss anordnen, die Norm aber - unmittelbar oder durch eine spezielle Ermächtigung an den G-BA - Ausnahmen zulässt (BSG, Urteil vom 2. Juli 2014 - B 6 KA 25/13 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr. 45; BSG, Beschluss vom 10. Mai 2017 - B 6 KA 75/16 B - (LeuKoNorm); SG Marburg, Urteil vom 13. September 2017 - S 12 KA 810/06 - (Aggrenox®); SG Marburg, Urteil vom 3. April 2019 - S 12 KA 303/18 - (Actos® 30 mg)). Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Die beklagte Prüfungsstelle stützt die geregelte Regressfestsetzung auf einen Verordnungsausschluss nach § 16 Abs. 1 bis 3 AM-RL i.V.m. Nr. 53 der Anlage III der kraft § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Richtlinie (hierzu im Einzelnen s.u.).

c) Die zutreffend gegen die beklagte Prüfungsstelle gerichtete Anfechtungsklage ist fristgerecht binnen eines Monats nach der am 13. Juli 2016 bewirkten Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides erhoben worden (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, 90 SGG).

2. Die Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2016 beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Dieser ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat auf Grundlage einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage in formell und materiell nicht zu beanstandender Weise einen Regress wegen der Verordnung von Aggrenox® in Höhe von 538,51 EUR festgesetzt.

a) Ermächtigungsgrundlage der angefochtenen Festsetzung eines Arzneimittelregresses sind § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V a.F ... Nach diesen Regelungen können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Vereinbarungen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden; festzulegen ist ferner, dass die Prüfungsstelle auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkasse oder ihres Verbandes Einzelfallprüfungen durchführt (§ 106 Abs. 3 Satz 3 SGB V a.F.).

Von dieser Ermächtigung haben die Partner der Gesamtverträge in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden PrüfV Gebrauch gemacht. Nach § 16 Nr. 1 PrüfV prüft die Prüfungsstelle gemäß § 106 Abs. 3 Satz 3 Buchst. c) SGB V auch, ob der Vertragsarzt bei Verordnungen in ungerechtfertigter Weise Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: G-BA) unbeachtet gelassen bzw. unwirtschaftliche Arzneimittelanwendungen veranlasst hat.

b) Der Bescheid vom 12. Juli 2016 ist formell nicht zu beanstanden. Die Beigeladene zu 1) hat die Prüfung rechtzeitig bei der zuständigen Prüfungsstelle beantragt. Der Antrag kann innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Abschluss des Quartals gestellt werden, in dem der vom Antrag erfasste Sachverhalt angefallen ist bzw. die Krankenkassen von der Entstehung des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt haben bzw. hätten erlangen können (§ 16 Nr. 2 PrüfV). Das erste, dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Quartal I/2015 war am 31. März 2015 abgeschlossen; der Prüfantrag ist am 31. März 2016, mithin binnen zwölf Monaten eingegangen. Im Übrigen würde aber selbst eine Überschreitung dieser Antragsfrist die Prüfgremien nicht an der Festsetzung eines Regresses hindern, weil eine Vereinbarung der Vertragspartner über Antragsfristen für Prüfanträge keine Schutzwirkung zugunsten eines Vertragsarztes entfaltet (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 37/08 R -, BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 20/09 R - ; BSG, Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 14/09 R -; Senat, Urteil vom 18. Januar 2012 - L 11 KA 83/10 -).

Der verfahrenseröffnende Antrag erfüllt auch die besonderen Antragserfordernisse des § 16 Nr. 3 PrüfV (Mindestschadensbetrag von 150,00 EUR, Prüfungszeitraum von vier aufeinanderfolgenden Quartalen).

c) Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Kläger hat bei der Verordnung von Aggregnox® zugunsten der Versicherten die in § 16 Abs. 5 AM-RL - einer von § 16 Nr. 1 Buchst. c) erfassten Richtlinie des G-BA - geregelte Begründungspflicht in ungerechtfertigter Weise unbeachtet gelassen.

aa) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte können nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln beanspruchen, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen.

Der G-BA beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen u.a. über die Verordnung von Arzneimitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1 und 3; Satz 2 Nr. 6 SGB V).

Dieser Ermächtigung folgend hat der G-BA die AM-RL erlassen. Gemäß § 16 Abs. 1 AM-RL dürfen Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten nicht verordnet und von den Krankenkassen nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (1.) der diagnostische oder therapeutische Nutzen oder (2.) die medizinische Notwendigkeit oder (3.) die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist.

Nach § 16 Abs. 2 AM-RL treffen diese Voraussetzungen insbesondere zu, wenn (1.) ein Arzneimittel unzweckmäßig ist, (2.) eine andere wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischem oder therapeutischem Nutzen verfügbar ist, (3.) ein Arzneimittel nicht der Behandlung von Krankheiten dient oder die Anwendung aus medizinischen Gründen nicht notwendig ist, (4.) das angestrebte Behandlungsziel ebenso mit nichtmedikamentösen Maßnahmen medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger erreichbar ist oder (5.) an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist.

Die nach § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage III der Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL). Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 16 Abs. 5 AM-RL).

Auf dieser rechtlichen Grundlage hat der G-BA am 16. Mai 2013 wirksam zum 1. April 2014 eine Erweiterung der Verordnungsausschlüsse in der Arzneimittelversorgung um "Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure" (Nr. 53 Anlage III AM-RL) beschlossen (BAnz AT 25. Februar 2014 B 2).

(1) Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit fixer Wirkstoffkombinationen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden (hierzu nachfolgend (a))). Dieses gilt auch für den - hier maßgeblichen - Ausschluss von Dipyridamol mit ASS (hierzu nachfolgend (b)).

(a) Für den Regelfall darf der G-BA zu der Schlussfolgerung gelangen, dass Verordnungen fixer Kombinationen unwirtschaftlich bzw. unzweckmäßig sind und ihre Verordnungsfähigkeit beschränken (hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr. 13, juris Rn. 39 f. (Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien - Monopax®); SG Marburg, Urteil vom 13. September 2017 - S 12 KA 810/16 - (Aggrenox®); LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Mai 2013 - L 7 KA 113/10 KL - (Otobacid® N Ohrentropfen)).

Der Ausschluss fixer Wirkstoffkombinationen findet seine Rechtfertigung darin, dass die kombinierten Wirkstoffe sich u.U. gegenseitig behindern bzw. in ihrer Wirkung neutralisieren können, sodass kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen ist. Die "fixe" Kombination kann auch in Ausnahmefällen, in denen die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen einen gewissen Sinn macht, problematisch sein; denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Mengen der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststehen. Diesen Erwägungen folgend darf der G-BA im Allgemeinen zu der Einschätzung gelangen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (vgl. - inhaltsgleich - die allgemeinen Vorgaben des § 16 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 5 AM-RL, die gemäß § 16 Abs. 3 AM-RL durch die Anlage III AM-RL konkretisiert wird). Zwar ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen die Verabreichung einander entgegengesetzter Wirkstoffe medizinisch indiziert sein kann; solchen Fällen ist aber dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass der Vertragsarzt in medizinisch begründeten Einzelfällen derartige Arzneimittel ausnahmsweise mit Begründung verordnen darf (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V; § 16 Abs. 5 AM-RL, ebenso Präambel Abs. 3 der Anlage III AM-RL).

(b) Die am 16. Mai 2013 beschlossene und am 25. Februar 2014 veröffentlichte Änderung der AM-RL zugunsten eines Ausschlusses der Verordnungsfähigkeit von Dipyridamol in Kombination mit ASS ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

(aa) Der G-BA führt in den "Tragenden Gründen" zum Beschluss vom 16. Mai 2013 aus, der Unterausschuss Arzneimittel habe die Empfehlung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Nutzenbewertung von Dipyridamol plus ASS zur Sekundärprävention nach Schlaganfall oder TIA überprüft und die Plausibilität der Empfehlung festgestellt. Im Ergebnis ist der Unterausschuss Arzneimittel nach Würdigung des Abschlussberichts des IQWiG, der Beratungen der Arbeitsgruppe Nutzenbewertung und der Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen sowie der mündlichen Anhörung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für einen Verordnungsausschluss von Dipyridamol plus ASS gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbs. SGB V erfüllt sind.

Die Bewertung des IQWiG im Abschlussbericht A09-01 hat keinen Beleg dafür ergeben, dass die Kombinationsbehandlung mit Dipyridamol plus ASS einen Zusatznutzen gegenüber einer Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) hat. Dem fehlenden Zusatznutzen steht nach Auswertung der Studienlage (aktivkontrollierte Langzeitstudien, bei denen ein Vergleich von Dipyridamol plus ASS gegen eine ASS-Monotherapie durchgeführt wurde (JASAP und ESPS-2) bzw. gegen Clopidogrel als Komparator (ProFESS)) ein Beleg für einen größeren Schaden unter der Kombinationsbehandlung gegenüber. Dieser größere Schaden ergibt sich insbesondere aufgrund häufiger auftretender schwerwiegender Blutungen in der Langzeittherapie. In der Langzeittherapie gibt es darüber hinaus einen Beleg für häufigere Studienabbrüche wegen unerwünschter Ereignisse unter der Kombinationsbehandlung sowie für einen größeren Schaden bei der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse gegenüber ASS. Dies rechtfertigt zur Überzeugung des Senats die Schlussfolgerung des G-BA, dass Dipyridamol plus ASS gegenüber der Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) als therapierelevant unterlegen und damit als unzweckmäßig einzustufen ist (vgl. Tragende Gründe des GBA, https://www.g-ba.de, S. 3). Der G-BA hat in Auswertung des IQWiG-Abschlussberichts für den Senat auch überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen die Ergebnisse der ESPRIT-Studie bei der Nutzenbewertung ausgeschlossen wurde (vgl. Tragende Gründe des GBA, https://www.g-ba.de, S. 9 ff.).

Auf Basis dieser Erkenntnisgrundlagen durfte der G-BA unter kritischer Auswertung und Reflektion des Abschlussberichtes des IQWiG zu der Schlussfolgerung gelangen, dass bei einem vergleichbaren therapeutischen Nutzen hinsichtlich der untersuchten patientenrelevanten Eckpunkte das angestrebte Behandlungsziel aufgrund des Belegs für einen größeren Schaden unter der Kombinationsbehandlung mit Monopräparaten im Regelfall medizinisch zweckmäßiger zu erreichen ist. Da wegen des Vorhandenseins von Therapiealternativen mit einem im Vergleich geringeren Schadenspotenzial die Verordnung des Kombinationspräparates in einem medizinisch begründeten Einzelfall mit Begründung durch den Vertragsarzt nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V möglich ist, ist der Richtlinienausschluss des streitigen Arzneimittels als Ergebnis der vergleichenden Nutzenbewertung zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden (so für das streitige Arzneimittel Aggrenox® ausdrücklich auch SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 14. April 2016 - S 12 KA 474/15 -; Urteile vom 13. September 2018 - S 12 KA 810/16 - und S 12 KA 349/16 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2016 - L 7 KA 16/14 KL -).

(bb) Dem danach wirksamen Verordnungsausschluss nach Nr. 53 der Anlage III zur AM-RL unterfällt auch das von dem Kläger zu Lasten der Beigeladenen zu 1) im Streitzeitraum verordnete Arzneimittel Aggrenox®. Bei diesem handelt sich um eine Wirkstoffkombination aus Dipyridamol und Ass. Dieses folgt aus den von der Beklagten vorgelegten Lauer-Taxe, wonach die Eigenschaft des Arzneimittels Aggrenox® ausdrücklich als "Kombination aus Dipyridamol und Acetylsalicylsäure" beschrieben wird (zur Bedeutung der Lauer-Taxe vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2013 - B 1 KR 18/12 R -, SozR 4-2500 § 130a Nr. 9 Rn. 15 ff.) und ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.

bb) Die Voraussetzungen für einen "medizinisch begründeten Einzelfall" nach § 31 Abs.1 Satz 4 SGB V sind nicht dokumentiert.

(1) Soweit - wie im vorliegenden Fall - die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist, erfolgt die Begründung der Verordnung entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 3 AM-RL in der Patientenakte. Nähere Vorgabe ergeben sich aus § 10 Abs. 2 AM-RL (BSG, Urteil vom 2. Juli 2014 - B 6 KA 25/13 R - juris-Rn. 24): Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AM-RL erfolgt die Dokumentation im Sinne von § 10 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO), d.h. sie muss die für die getroffene Maßnahme "erforderlichen Aufzeichnungen" enthalten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 MBO). Im Regelfall genügt die Angabe der Indikation und ggf. die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen, soweit sich aus den Bestimmungen der Richtlinie nichts anderes ergibt (§ 10 Abs. 2 Satz 2 AM-RL). Erforderlich mit Blick auf § 16 Abs. 5 Satz 1 AM-RL ist dabei in jedem Fall eine einzelfallbezogene Begründung der ausnahmsweise erfolgten Verordnung. Hiernach ist zu verschriftlichen, welche Krankheit vorliegt und welche zusätzlichen Komplikationen und Risiken bestehen, die Anlass sind, nicht andere verfügbare Arzneimittel zu verordnen (Clemens, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 106, Rn. 124 f.).

Dem Senat ist dabei bewusst, dass die Anforderungen an die schriftliche Dokumentation des medizinisch begründeten Einzelfalles nicht überspannt werden dürfen, zumal textlich umfangreiche und damit vielfach auch zeitintensive schriftliche Erörterungen etwaiger Therapiealternativen nicht zuletzt wegen der (vertrags-)ärztlichen Herausforderungen zur patientengerechten Praxisorganisation kaum realisierbar sind. Insofern geht der Senat mit der Beklagten davon aus, dass auch stichwortartige ärztliche Eintragungen - je nach medizinischem Einzelfall - zur Dokumentation eines medizinisch begründeten Einzelfalles ausreichend sein können. Im Hinblick darauf schließt der Senat nicht aus, dass eine arzneimittelrichtlinienkonforme Dokumentation unter Bezugnahme auf dem Vertragsarzt vorliegende aktuelle ärztliche Fremdberichte bzw. Arztbriefe erfolgen kann, wenn und solange hinreichend dokumentiert ist, dass sich der Vertragsarzt die ärztliche Einschätzung eines anderen (Fach-)Arztes nach ärztlicher Würdigung zu eigen macht.

Die Dokumentationsanforderungen können sich allerdings verdichten, wenn das von einem Verordnungsausschluss erfasste Arzneimittel - wie hier - als Dauermedikation verordnet wird und die betroffene Versicherte zudem erhebliche Vorerkrankungen aufweist. Dieses gilt insbesondere in Fällen, in denen die für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen Stellen zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen hatten, dass die verfügbare Studienlage unter einer Kombinationsbehandlung einen Beleg für einen größeren Schaden erkennen lässt. So hatte im vorliegenden Fall die Beigeladene zu 2) ihre Mitglieder informiert, dass die Kombination von Dipyridamol plus ASS (Aggrenox und Generika) ab dem 1. April 2014 nicht mehr auf Kassenrezept verordnet werden darf und dargelegt, dass das IQWiG keinen Beleg dafür finden konnte, dass die Kombinationsbehandlung mit Dipyridamol plus ASS einen Zusatznutzen gegenüber einer Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) hat. Zudem wurde ausdrücklich vor einem größeren Schaden unter der Kombinationsbehandlung gewarnt, der sich besonders aufgrund häufiger auftretender schwerwiegender Blutungen in der Langzeittherapie ergibt (KVNO aktuell 3+4/2014, Verordnungsinfo, S. 19).

(2) Diesen Anforderungen entsprechen auch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Aufzeichnungen des Klägers nicht, sodass dahinstehen kann, ob er diese Aufzeichnungen im gerichtlichen Verfahren überhaupt noch vorlegen könnte oder bereits - wie die Beklagte erstinstanzlich gemeint hat - im Prüfverfahren hätte vorlegen müssen.

(a) Dem vorgelegten Ausdruck aus der Patientendatei lässt sich lediglich der knappe Hinweis "ASS abgesetzt neu Aggrenox" entnehmen (Eintrag vom 23. Mai 2014). Diesen Eintrag in die Patientendokumentation hat der Kläger erkennbar im Anschluss an die stationäre Behandlung der Versicherten in dem Krankenhaus K vom 15. Mai bis zum 22. Mai 2015 vorgenommen. Welche Komplikationen und Risiken im Fall der Verordnung eines nicht nach der Anlage III AM-RL ausgeschlossenen Monopräparats aus medizinischer Sicht zu erwarten waren, wird nicht im Ansatz skizziert und entzieht sich jedweder nachträglicher Prüfung durch die Prüfgremien. Entsprechendes gilt für etwaige medizinische Risiken und Komplikationen im Fall der Verordnung mit einem nicht ausgeschlossenen Monopräparat.

(b) Der Umstand, dass die Versicherte nach dem Inhalt des Entlassungsberichts vom 21. Mai 2014 im Zuge der stationären Behandlung vom 15. bis zum 22. Mai 2014 als "letzte Medikation" Aggrenox erhielt, reicht nach Überzeugung des Senats zur Dokumentation eines medizinisch begründeten Einzelfalles nicht aus. Der Entlassungsbericht selbst äußert nämlich eine solche Verordnungsempfehlung überhaupt nicht, sondern beschreibt allein die zuletzt verabreichte Medikation. So wird lediglich ausgeführt, dass therapeutisch die vorbestehende Therapie von ASS auf Aggrenox® eskaliert wurde.

§ 630f Abs. 2 Satz 2 BGB steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Danach sind Arztbriefe in die Patientenakte aufzunehmen. Der Kläger hätte daher, schon um seiner zivilrechtlich im Verhältnis zur Versicherten bestehenden Dokumentationspflicht zu genügen, den Arztbrief in ihre Patientenakte aufnehmen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass sich mit einer Erfüllung dieser Verpflichtung die Anforderungen an zusätzliche öffentlich-rechtliche Dokumentationspflichten reduzieren, wie sie in §§ 16 Abs. 5, 10 AM-RL statuiert werden, bestehen nicht, und zwar umso weniger, als § 630f Abs. 2 BGB den Behandler verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen. Ob § 630f BGB zur Bestimmung von Dokumentationspflichten nach den AM-RL überhaupt herangezogen werden kann, kann angesichts dessen offenbleiben.

cc) Dass der angefochtene Regress der Höhe nach fehlerhaft festgesetzt ist, ist weder vorgetragen, noch nach dem Inhalt der vorliegenden Kostenaufstellungen der Beigeladenen zu 1) ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beigeladenen im Berufungsverfahren keinen Sachantrag gestellt haben, entspricht es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Billigkeit, deren Kosten für nicht erstattungsfähig zu erachten (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Festsetzung des Streitwertes in Höhe des festgesetzten Arzneimittelregresses folgt § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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