L 14 R 847/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 44 R 306/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 847/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten - mangels Berufsschutz - ausschließlich darüber, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbminderung hat.

Der am 00.00.1959 geborene Kläger brach nach einem Hauptschulbesuch eine Ausbildung zum Maler und Lackierer in den Jahren 1975 bis 1977 aufgrund eines Autounfalls ab und arbeitete anschließend bis 2012 in ungelernten Tätigkeiten meist als Fabrikarbeiter. Anschließend verrichtete der Kläger dann ab 2013 Tätigkeiten im Garten- und Landschaftsbau, zuletzt bei der Firma E P. Hierzu gab der Kläger an, an 5 bis 6 Tage pro Woche täglich 8 bis 10 Stunden zu arbeiten. Außerdem gab der Kläger zu dieser Tätigkeit im persönlich verfassten Lebenslauf an, Lkw (7,5 to) gefahren zu sein.

Am 10.08.2016 stellte der Kläger dann einen Rentenantrag.

Der Kläger absolvierte in der Zeit vom 10.05.2016 bis zum 07.06.2016 eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme in der Klinik X in Bad X1; die Klinik teilte im Entlassungsbericht vom 11.06.2016 mit, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten 6 Stunden und mehr verrichten.

Die Beklagte holte darüber hinaus eine Arbeitgeberauskunft der Firma E P vom 05.12.2016 ein; hierin teilte der Arbeitgeber eine Beschäftigung seit dem 02.09.2013 als Gartenhelfer an 5 Tagen die Woche mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden mit. Es handele sich um Tätigkeiten wie Unkraut jäten, Heckenschnitt und Mäharbeiten. Die Tätigkeiten setzten keine Lehre voraus. Beim Kläger sei eine Anlernzeit von 6 Monaten notwendig gewesen; ungelernte Kräfte benötigten eine Anlernzeit von 8 bis 12 Monaten.

Mit Bescheid vom 03.02.2017 lehnte die Beklagte den Rentenantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, die medizinischen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Unter dem 16.02.2017 erhob der Kläger Widerspruch.

Der Kläger absolvierte dann eine weitere stationäre medizinische Reha-Maßnahme in der Zeit vom 30.03.2017 bis zum 20.04.2017 wiederum in der Klinik X in Bad X1. Im Entlassungsbericht vom 04.05.2017 diagnostizierte die Klinik beim Kläger ein lmpingement-Syndrom der linken Schulter mit Acromioclavikulargelenksarthrose links bei Zustand nach arthroskopischer subacromialer Dekompression mit Acromioplastik und Ausschluss einer Rotatorenmanschettenruptur; eine Gonarthrose beidseits; eine Rotatorenmanschettenruptur der rechten Schulter bei Zustand nach operativer Sanierung. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Schließlich holte die Beklagte ein Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. L vom 14.08.2017 ein. Dieser Arzt diagnostizierte postoperative Restbeschwerden sowie Belastungsbeschwerden im Bereich des linken Schultergelenkes bei lmpingementsyndrom und Arthroskopie; postoperative Belastungsbeschwerden im Bereich des rechten Schultergelenkes bei lmpingementsyndrom und Arthroskopie; Belastungsbeschwerden im Bereich des rechten Kniegelenkes bei Verschleiß und mehrfach durchgeführten Arthroskopien; Belastungsbeschwerden im Bereich beider Hüftgelenke; rezidivierende Lendenwirbelsäulenbeschwerden; Bluthochdruck; Diabetes mellitus Typ II; psychische Beschwerden; psychosomatische Beschwerden. Dr. L gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2017 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück.

Am 27.11.2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund erhoben und vorgetragen, aufgrund des lange bestehenden Krankheitsbildes leide er mittlerweile auch psychisch. Er sehe sich außerstande, die letzte Tätigkeit und auch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für täglich 3 Stunden und mehr zu verrichten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 03.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2017 zu verurteilen, ihm ab 01.09.2016 Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung zweier Sachverständigengutachten.

Der neurologisch-psychiatrische Zusatzgutachter Dr. I hat sein Gutachten vom 02.10.2018 aufgrund Untersuchung des Klägers am 10.09.2018 erstellt. Der Sachverständige hat beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und mitgeteilt, im Vordergrund stehe die orthopädische Beeinträchtigung. Der Kläger sei in der Lage, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht beeinträchtigt. Der Kläger sei Rechtshänder. Er könne die entsprechenden Tätigkeiten noch 6 Stunden täglich und länger verrichten; auch unter betriebsüblichen Bedingungen. Die Gehfähigkeit sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht beeinträchtigt. Der Kläger sei auch in der Lage, ein Kfz zu führen oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Die chirurgisch-sozialmedizinische Hauptgutachterin Dr. E hat ihr Gutachten vom 24.10.2018 aufgrund Untersuchung des Klägers am 11.07.2018 erstellt. Die Sachverständige hat beim Kläger ein chronifizierendes Schmerzsyndrom des Stütz- und Bewegungsapparates auf dem Boden wiederkehrender Wirbelsäulensyndrome diagnostiziert. Außerdem bestehe ein metabolisches Syndrom in Form von Übergewicht und Herz-Kreislaufstörungen. Der Kläger sei in der Lage, eine leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeit mit entsprechenden Einschränkungen wie zum Beispiel einem gewissen Wechsel der Körperpositionen durchzuführen. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht höherwertig eingeschränkt. Der Kläger sei in der Lage, die entsprechenden Tätigkeiten vollschichtig - also in einem zeitlichen Rahmen von 6 Stunden und mehr - zu verrichten; dies auch unter betriebsüblichen Bedingungen. Der Kläger sei auch in der Lage, ortsübliche Wegstrecken in einem Ausmaß von deutlich mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Er sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Das Sozialgericht hat anschließend auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein Sachverständigengutachten von Dr. H, Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie vom 02.04.2019 eingeholt.

Hierzu übersandte der Bevollmächtigte des Klägers noch die fachpsychologische Bescheinigung der Diplom-Psychologin B vom 15.03.2019. Frau B hat darin mitgeteilt, dass der Kläger seit Februar 2013 in fortlaufender ambulanter psychotherapeutischer Behandlung stehe und aktuell die Diagnose einer schweren Depression ohne psychotische Symptome bestehe. Der Kläger sei jetzt und absehbar nicht in der Lage, auch einer nur dreistündigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

Dr. H hat in ihrem Gutachten vom 02.04.2019 aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 25.02.2019 eine rezidivierende depressive Störung mit zurzeit mittelgradiger Episode sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Der Kläger sei in der Lage, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt. Der Kläger sei in der Lage, vollschichtig 6 Stunden und mehr regelmäßig tätig zu sein. Die psychische Störung sei nicht so ausgeprägt, als dass darüber hinaus noch eine Reduzierung der Arbeitszeit nötig sei. Der Kläger könne auch unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten. Die Gehfähigkeit sei aus psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkt. Der Kläger sei trotz seines Leidenszustandes auch in der Lage, eine Arbeitsstelle mittels öffentlicher Verkehrsmittel zu erreichen.

Anschließend hat der Bevollmächtigte die Kündigung des Arbeitgebers des Klägers - der Firma Garten- und Landschaftsbau E P - vom 29.03.2019 zur Akte überreicht, aus der eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2019 hervorgeht. Außerdem hat der Kläger noch den Schwerbehindertenausweis zur Gerichtsakte überreicht. Aus diesem ergibt sich seit dem 01.11.2012 ein unbefristeter GdB von 50.

Der Kläger hat das Gutachten von Dr. H dahingehend gerügt, die Sachverständige habe die somatoforme Schmerzstörung nicht angemessen gewürdigt; er verweise auf die Behandlung bei dem Schmerztherapeuten Dr. S. Auch werde auf die dauerhafte Behandlung bei der Psychotherapeutin B verwiesen.

Dr. H hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15.07.2019 mitgeteilt, es befinde sich lediglich das fachpsychologische Attest von Frau B vom 15.03.2019 in der Gerichtsakte. Für die Diagnose einer schweren Depression seien Befunde nicht genannt. Die Annahme einer schweren depressiven Episode sei nicht zu rechtfertigen. Auch die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung keine psychiatrische Behandlung erfolgt sei, lasse an der gestellten Diagnose zweifeln. Auch die Mitteilung des Klägers anlässlich der Untersuchung bei ihr, er suche Frau B nur noch alle 4 bis 6 Wochen auf, spreche für eine lediglich niederfrequente Behandlung.

Mit Urteil vom 03.09.2019 hat das Sozialgericht die Klage unter Hinweis auf die Beweislage abgewiesen.

Gegen das am 26.09.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.10.2019 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht seine Klage abgewiesen. Er leide unter anderem an postoperativen Restbeschwerden aufgrund des Eingriffes im linken Schultergelenk, an Funktionsstörungen im Bereich der Kniegelenke und an einer psychosomatischen Beschwerdesymptomatik. Die multiplen Funktionsstörungen seien leistungsmindernd. Zwar seien auch die weiteren Ermittlungen nach § 109 SGG durch die Sachverständige Dr. H erfolglos geblieben. Diese bestätige die Ausführungen und das Ergebnis von Dr. I. Dem vermöge er sich jedoch nicht anzuschließen. Er verweise auf das Attest der Diplom-Psychologin B vom 15.03.2019.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.09.2019 und den Bescheid vom 03.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.09.2016 Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Berufungsschrift enthalte keine neuen Tatsachen.

Mit Schreiben vom 08.05.2020 hat der Senat die Beteiligten zu einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG angehört. Die Beklagte hat sich mit einer Entscheidung im Beschlusswege mit Schreiben vom 19.05.2020 einverstanden erklärt. Auch der Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 16.06.2020 mitgeteilt, der Kläger begehre eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung konnte durch Beschluss zurückgewiesen werden, denn ein Fall des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG liegt nicht vor. Das Sozialgericht Dortmund hat aufgrund Verhandlungstermins am 03.09.2019 die Klage abgewiesen; zum Verhandlungstermin war der Kläger in Begleitung seines Bevollmächtigten persönlich erschienen. Zudem hält der erkennende Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Der Kläger ist über die Rechtslage durch gerichtliches Schreiben vom 08.05.2020 informiert worden. Die Beteiligten wurden mit diesem Schreiben zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 03.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI. Auch steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung einer (befristeten) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit i.S.d. § 240 SGB VI zu; der Kläger, der über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, genießt insoweit keinen relevanten Berufsschutz. Auf die im Verwaltungsverfahren eingeholte Arbeitgeberauskunft wird insoweit Bezug genommen.

Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.09.2019 an und macht diese auch zum Gegenstand dieser Entscheidung; § 153 Abs. 2 SGG. Selbst das Gutachten nach § 109 SGG, das auf Wunsch des Klägers von Dr. H eingeholt wurde, erbringt den vom Kläger zu führenden Nachweis nicht.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren scheidet eine Entscheidung zugunsten des Klägers aus. Auch Ansätze für weitere Amtsermittlungen ergeben sich hieraus nicht. Neue medizinische Unterlagen, die auf eine Verschlechterung hindeuten, sind nicht vorgelegt worden. Eine Auseinandersetzung mit den medizinischen Sachverständigengutachten findet in der Berufungsbegründung nicht statt. Das Attest der Diplom-Psychologin B vom 15.03.2019 lag zumindest bei Absetzung des Gutachtens der Sachverständigen Dr. H vom 02.04.2019 vor und ist im Ergebnis auch berücksichtigt worden. Dr. H hat sich insbesondere in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15.07.2019 mit diesem Attest hinreichend auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, dass die von Frau B gestellte Diagnose einer schweren Depression nicht nachvollziehbar ist.

Aufgrund der eindeutigen Gutachtenlage kann der Senat offenlassen, ob nicht bereits aus dem noch bis zum 31.05.2019 bestehenden Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Firma Garten- und Landschaftsbau E P bereits die Annahme der Erwerbsfähigkeit abzuleiten ist. Jedenfalls ist das Arbeitsverhältnis durch die zur Akte gereichte Kündigung vom 29.03.2019 erst zum 31.05.2019 beendet worden. Hierbei handelte es sich laut Arbeitgeberauskunft auch um eine vollschichtige Tätigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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