L 1 BA 98/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 815/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 98/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 59/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht der Sache nach der sozialversicherungsrechtliche Status der Tätigkeit des Klägers zu 2) als Therapeut im Bereich psychologische Beratung/Suchtakupunktur für den Kläger zu 1) in der Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2016.

Der Kläger zu 1) ist ein eingetragener Verein, der im Bereich der Suchtmittelberatung unter anderem ambulante Psychotherapien für Suchterkrankte anbietet. Bei ihm sind vier Therapeuten fest angestellt.

Der Kläger zu 2) ist Diplom-Sozialpädagoge und Sozialtherapeut/Sucht. Der Kontakt zum Kläger zu 1) kam durch eine Ausschreibung zustande. Mündlich vereinbarten die Kläger die Tätigkeit des Klägers zu 2) zu 33 EUR pro 50 Minuten Einzeltherapie und 61 EUR pro 100 Minuten Gruppentherapie. Der Kläger zu 1) bot dem Kläger zu 2) jeweils im Rahmen ambulanter Rehabilitationsmaßnahmen Behandlungsfälle an. Dieser führte Einzel- und Gruppentherapien durch. Auf Verschreibung von Ärzten erbrachte er zudem Akupunkturleistungen. Die Therapien fanden jeweils in Räumen des Klägers zu 1) statt. Der Kläger zu 2) war monatlich ca. 20 - 25 Stunden für den Kläger zu 1) tätig und rechnete monatlich ab. Der Kläger zu 2) meldete im März 2014 ein Gewerbe im Bereich "Psychosoziale Beratung/Coaching" an.

Die Kläger stellten am 21. September 2016 zusammen einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status mit dem Ziel der Feststellung einer nicht abhängigen Beschäftigung. Dem Antrag war eine "Aufgabenbeschreibung eines Auftragnehmers im Bereich Einzel- und Gruppentherapie der ambulanten Therapie Bstr B" beigefügt, auf die ergänzend verwiesen wird Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger zu 2) darüber hinaus mit, dass er die Räumlichkeiten des Klägers zu 1) ohne Kostenbeteiligung habe nutzen können. Er hätte die Einzel- und Gruppentherapie aber auch in einer eigenen Praxis durchführen können. Die Patienten hätten nur einen Therapievertrag mit dem Kläger zu 1) geschlossen und seien nicht seine Vertragspartner gewesen. Grundlage seiner Tätigkeit seien die Aufträge des Klägers zu 1) gewesen. Die von ihm behandelten Patienten seien ihm aber nicht zugewiesen worden, wie dies bei den angestellten Mitarbeitern des Klägers zu 1) der Fall gewesen sei. Er sei frei und unabhängig gewesen und habe sein Auftragspensum variabel nach seinem Bedarf verändern können. Des Öfteren habe er Übernahmeersuchen des Klägers zu 1) abgelehnt, zum Teil aus Kapazitätsgründen, zum Teil, weil er die Therapie angesichts der Schwere der Erkrankung und der Persönlichkeitsstruktur des Patienten nicht habe durchführen wollen. Die Arbeitszeiten habe er alleine bestimmt. Die Gruppentherapie habe nur zu den von ihm gewünschten Terminen stattgefunden. Organisierte Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Klägers zu 1) habe es nicht gegeben, jedoch gemeinsame Fallbesprechungen. Es habe das Angebot gegeben, an Supervisionen teilzunehmen. Dieses Angebot habe er zeitweise angenommen, um schwierige Therapieprozesse zu besprechen. Im Rahmen des Berichtswesens habe er psychotherapeutische Stellungnahmen und Anamnesen zu formulieren gehabt. Weitere Kontrollen seiner Arbeit habe es nicht gegeben.

Nach formeller Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2) im Bereich Psychotherapie/Suchtakupunktur bei dem Kläger zu 1) in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Januar 2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. In der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht.

Beide Kläger erhoben hiergegen Widerspruch. Zu dessen Begründung führte der Kläger zu 2) aus, er sei von bisherigen Klienten empfohlen worden. Auf diese Weise seien die Behandlungsverhältnisse zustande gekommen. Die Therapiesitzungen habe er selbst organisiert. Er sei nicht Teil einer fremden Betriebsorganisation gewesen. Auch sei er nicht verpflichtet gewesen, seine Vertragspflichten persönlich zu erbringen und hätte für eine Vertretung sorgen können. Allerdings sei es selbstverständlich von höchster Bedeutung, dass sich ein therapeutisches Verhältnis habe entwickeln können. Deshalb sei es notwendig gewesen, selbst präsent zu sein.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2017 zurück, abgesandt am selben Tag.

Hiergegen haben die Kläger jeweils am 2. Mai 2017 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Das SG hat die Klagen mit Beschluss vom 25. September 2017 verbunden. Zur Klagebegründung führt der Kläger zu 1) aus, die Kläger hätten ihre Zusammenarbeit als freies Dienstverhältnis gewollt und dieses entsprechend ausgestaltet. Dass die tatsächlichen Verhältnisse dem zuwidergelaufen seien, könne nicht festgestellt werden. Der Kläger zu 2) hat u. a. ergänzend vorgetragen, er habe sich bei dem Erstkontakt mit den Patienten als Honorartherapeut vorgestellt und erklärt, dass der Unterschied zu den Beschäftigten des Klägers zu 1) darin liege, dass er nur über sein Handy und nicht über den Kläger zu 1) erreichbar sei, auch anderen Tätigkeiten nachgehe und deshalb Termine eingehalten werden müssten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17. August 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, für eine Beschäftigung spreche die Eingebundenheit des Klägers zu 2) in die betriebliche Organisation des Klägers zu 1). Ausschließlich der Kläger zu 1) habe die Patientenakte geführt. Zudem habe der Kläger zu 2) kein relevantes Unternehmerrisiko getragen.

Gegen diese jeweils am 28. August 2018 zugestellte Entscheidung richten sich die Berufungen beider Kläger vom 25. September 2018.

Der Kläger zu 2) führt ergänzend aus, zu Unrecht habe das SG den Fokus darauf gelegt, dass er Zugang zu den Räumen des Klägers zu 1) gehabt habe und dessen Akten genutzt habe. Davon könne jedoch nicht ernsthaft der Status der Tätigkeit abhängen. Er habe es zweimal abgelehnt, als angestellter Therapeut zu arbeiten, weil er sich seine zeitliche und persönliche Unabhängigkeit habe bewahren wollen. Weil er oftmals abends therapiert habe, sei für die Patienten erkennbar gewesen, dass er frei über seine Zeit habe verfügen können. Bereits darauf hingewiesen worden sei, dass er nicht an Team- und Dienstplanbesprechungen, Maßnahmen der Arbeitsorganisation wie etwa Supervisionen und Fortbildungen habe teilnehmen müssen. Er habe auch keine internen Aufgaben wie Dienstplangestaltung übernommen und sei nach außen hin auf der Homepage des Klägers zu 1) oder in sonstigen Veröffentlichungen und Publikationen nicht wie ein Mitarbeiter geführt worden. Urlaubs- und Krankheitsvertretungen aufgrund einseitigen Direktionsrechts sei er nicht ausgesetzt gewesen. Er habe seine Sachen immer selbst organisieren müssen, wenn er erkrankt sei. Auch sei eine Vergütung (nur) nach den tatsächlich geleisteten Stunden untypisch für eine abhängige Beschäftigung (Bezugnahme auf Urteil des hiesigen Gerichts vom 13. April 2011 – L 9 KR 294/08).

Der Kläger zu 1) trägt vor, dass der Kläger zu 2) keine eigene Patientenkartei geführt habe, sei ein organisatorisches Detail ohne Aussagekraft. Nach Vermittlung der Patienten sei der Kläger in jeder Hinsicht weisungsfrei gewesen. Dass das Gespräch für die Aufnahme in der Suchtambulanz nicht dieser, sondern der Kläger zu 1) geführt habe, sei geradezu selbstverständlich.

Die Kläger beantragen jeweils,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2018 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2017 festzustellen, dass der Kläger zu 2) im Rahmen der Tätigkeit im Bereich Psychotherapie/Suchtakupunktur für den Kläger zu 1) in der Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2016 nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Den Berufungen bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Gleichzeitig besteht damit kein Anspruch auf Feststellung eines gegenteiligen Ergebnisses.

Der Kläger stand aufgrund seiner Tätigkeit als Therapeut für den Kläger zu 1) in der Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2016 in einem Beschäftigungsverhältnis, aus dem sich Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ergab.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach dieser Vorschrift hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Der Eintritt von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch. Der Eintritt von Versicherungspflicht setzt danach das Vorliegen einer Beschäftigung voraus. Der Begriff der Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

§ 7 SGB IV greift dabei nicht in die Berufsfreiheit des Art. 12 GG ein. Die Norm regelt keine Berufspflichten, sondern allgemein die Merkmale der Beschäftigung als Grundlage der Versicherungs- und Beitragspflicht. Selbst wenn nach den Umständen des Einzelfalls manche Dienstleistungen praktisch nur in Form einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden können, wird Art 12 GG dadurch nicht verletzt (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – Rdnr. 41 mit weiterem Nachweis). Die Normen zur Sozialversicherungspflicht haben nämlich keine Berufs-, sondern Beitragspflichten zum Gegenstand. Die gesetzliche Anordnung der Zwangsmitgliedschaft und damit verbundener Beitragspflichten ist zwar ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 2 Abs. 1 GG. Dieser ist aber gerechtfertigt. Die Sozialversicherungspflicht dient einem legitimen Zweck und ist geeignet, angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie schützt neben den Betroffenen selbst auch die Allgemeinheit vor einer übermäßigen Inanspruchnahme der staatlichen Gemeinschaft (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 Rdnr. 43 mit Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00). Der Gesetzgeber darf dabei einen generalisierenden Maßstab anlegen und davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher sozial schutzbedürftig sind.

Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R - Rdnr. 12 mit weit. Nachweisen). Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, gegebenenfalls den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, a. a. O. Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen). Ausgangspunkt der Prüfung sind demnach die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen.

Hier ist zwischen den Klägern kein schriftlicher Vertrag geschlossen worden. Es ist davon auszugehen, dass diese mündlich eine Tätigkeit auf selbständiger Basis vereinbaren wollten. Das Bekunden des Klägers zu 2), unabhängig bleiben zu wollen, und die Art und Weise der Vertragsausführung, insbesondere die Abrechnung der Leistungen durch vom Kläger zu 1) gestellte Rechnungen, legen nahe, dass die Beteiligten eine freie Mitarbeit und keine abhängige Beschäftigung vereinbarten wollten. Das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich indessen aus dem Gesetz und kann deswegen nicht Gegenstand einer einzelvertraglichen Abrede sein. Weil die Träger der Sozialversicherung Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind und das Rechtsinstitut der Pflichtversicherung auch der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme dient, kommt einer privatautonomen Gestaltung im Sozialversicherungsrecht nicht die gleiche Bedeutung zu wie etwa im Arbeitsrecht. Insbesondere kann eine sozialversicherungsrechtlich erhebliche Beschäftigung auch dann vorliegen, wenn kein Arbeitsvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne geschlossen worden ist (BSG v. 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rdnr. 19). Der tatsächlichen Ausgestaltung der Verhältnisse kann danach gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen (BSG Urt. v. 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris Rdnr. 17; Urt. v. 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris Rdnr. 17). § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nennt als Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung neben der Weisungsgebundenheit auch eine Eingliederung. Bei Diensten höherer Art kann die Bedeutung des Weisungsrechts völlig zurücktreten, so dass es nicht darauf ankommt, ob es eine vertragliche Grundlage hat oder nicht. Gleichwohl bleibt eine Dienstleistung fremdbestimmt und somit als funktionsgerecht dienende Teilhabe Gegenstand einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, wenn sie ihr Gepräge von der fremden Ordnung des Betriebs erhält, in dessen Dienst die Arbeit verrichtet wird (BSG v. 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rdnr. 29). Entscheidend für das Vorliegen von Selbständigkeit ist daher, ob eine Tätigkeit in ihrem Kernbereich selbstbestimmt ausgeübt wird, ohne Vorgaben des Auftraggebers, welche über die Arbeitsorganisation und die Arbeitsabläufe bestimmen, und mit dem Auftragnehmer überlassenen inhaltlichen Freiheiten, die er in eigener Verantwortung auszufüllen hat. Unter dieser Voraussetzung führt auch der Zwang, sich inhaltlich an gewissen Vorgaben auszurichten, nicht zur Annahme einer Abhängigkeit. Tätigkeiten bleiben nämlich frei, wenn zwar ihre Ziele vorgegeben werden, die Art und Weise der Ausführung aber dem Dienstleister überlassen bleibt.

Es ist dabei im vorliegenden Fall nicht auf die jeweiligen Einzeleinsätze abzustellen, auch wenn erst die Zusage des Klägers zu 2) dessen rechtliche Verpflichtung begründete. Grundsätzlich ist bei Vertragsgestaltungen die Frage der Versicherungspflicht nach den jeweiligen Verhältnissen zu klären, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestanden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 2/18 R – Rdnr. 17 mit weiteren Nachweisen). Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten sind die Details der Therapien hier jedoch nicht jeweils individuell neu vereinbart worden.

Die therapeutische Arbeit des Klägers zu 2), die dieser als solche weisungsfrei ausgeübt hat, ist in den Betrieb des Klägers integriert durchgeführt worden:

Der Kläger zu 2) hat keine eigenen Patienten betreut, auch wenn er von früheren Klienten empfohlen worden ist. Vielmehr fand der Erstkontakt zu den Patienten ausschließlich über den Kläger zu 1) statt. Das Aufnahmegespräch erfolgte zwischen deren Therapieleitung und dem Patienten. Für die rehabilitative Behandlung ist im Verhältnis zum Patienten (nur) der Kläger zu 1) verantwortlich gewesen. Der Kläger zu 2) stimmte sich nach seinen eigenen Angaben bei seinen Therapien in gemeinsamen Besprechungen mit den Mitarbeitern des Klägers zu 1) ab. Er nahm an dessen Supervisionen teil. Seine Arbeit ist auch partiell überwacht worden, weil er Stellungnahmen und Anamnesen anfertigen musste. Die Verantwortung nach außen lag beim Kläger zu 1) Eine Delegierung der Therapietätigkeit auf andere hat nicht stattgefunden, auch wenn dies vertraglich nicht ausgeschlossen gewesen sein sollte. Die Arbeit des Klägers zu 2) gestaltete sich insgesamt als Teil des therapeutischen Gesamtrahmens des Klägers zu 1). Nicht anders als bei anderen ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen hat eine dienende Teilhabe am Therapiebetrieb des Klägers zu 1) als Reha-Träger stattgefunden. Die Entscheidung des 9. Senates im Hause vom 13. April 2011 – L 9 KR 294/08 – betrifft die andersgeartete Tätigkeit als Lehrbeauftragter für eine Berliner Hochschule.

Für eine selbständige Tätigkeit sprechen als Indizien, dass der Kläger zu 1) naturgemäß nicht an Dienstbesprechungen und Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen musste und grundsätzlich frei entscheiden konnte, ob er Therapien übernehmen wolle. Einem unternehmerischen Risiko war er allenfalls in geringen Umfang ausgesetzt. Er trug insbesondere kein Ausfallrisiko für den Fall, dass die Bezahlung durch den Rehabilitationsträger ausgeblieben wäre, sondern erhält für geleistete Therapiestunden eine feste Vergütung. Die insgesamt geringer gewichtigen Indizien für Selbständigkeit sind nicht geeignet, die regelhaft gegebene Eingliederung in den Betrieb des Klägers zu 1) zu entkräften.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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