16 SB 184/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
16 SB 184/20
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Gegenstand dieses Verfahren ist der von dem ursprünglichen Verfahren S 16 SB /18 abgetrennte geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Sonderparkerlaubnis nach der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen (VWV Parkerleichterungen). Die Widerspruchsbehörde hatte den Widerspruch gegen einen u. a. die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Sonderparkerlaubnis ablehnenden Bescheid des Beklagten nach dem Schwerbehindertenrecht als unzulässig verworfen, weil die Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sei. Der Widerspruch wurde durch den Klägervertreter beim Jobcenter per Telefax eingelegt, von dort aber nicht weitergeleitet worden. Der hier streitbefangene Anspruch wurde durch Beschluss vom 18.12.2019 von dem Hauptsacheverfahren abgetrennt und mit Beschluss vom 15.01.2020 an das Verwaltungsgericht Chemnitz verwiesen, da der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für den hier streitigen Anspruch nicht gegeben sei. Bereits vorher hat das Gericht durch Beschluss vom 23.07.2018 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger eine Vorschlusszahlung von seiner Ehefrau verlangen könne. Auf die Beschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluss vom 15.01.2020 hob das Landesozialgericht den Verweisungsbeschluss durch Beschluss vom 23.03.2020 auf (L 9 SB 23/20 B). Es vertrat die Ansicht, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben sei, da es in der Sache um ein rechtliches Merkmal im Sinne der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts handele. Zwischenzeitlich hatte die Kammer die Klage im ursprünglichen (Hauptsache-) Verfahren S 16 SB /18 durch Gerichtsbescheid vom 18.12.2019 abgewiesen. Diese Sache wurde auf die Berufung des Klägers im Januar 2020 an das LSG übersandt und lag dem 9. Senat im Zeitpunkt der Beschlussfassung vor. Das Gericht stellte in dem Verfahren S 16 SB /18, beschränkt auf das für dieses Verfahren Wesentliche, u. a. folgendes fest: "Auf Antrag vom 08.06.2017, eingegangen am 14.06.2017, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2017 fest, dass bei dem Kläger wie bereits mit Bescheid vom 17.11.2016 festgestellt, weiterhin ein GdB von 60 festzustellen sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" seien gegeben, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "aG"; und "RF" lägen nicht vor, ebenso nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Sonderparkgenehmigung nach sächsischem Landesrecht. Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen die Entscheidung binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden könne und dass die Frist auch gewahrt sei, wenn der Widerspruch bei einer inländischen Behörde, einem Versicherungsträger oder einer Konsularbehörde eingegangen sei. Mit Schriftsatz vom 21.12.2017, eingegangen am 09.01.2018, zeigte sich der Vertreter des Klägers unter Vorlage einer Vollmacht vom 07.12.2017 als Bevollmächtigter an und legte ausdrücklich Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 08.02.2018 wurde der Widerspruch als verspätet und daher unzulässig zurückgewiesen, der Bescheid sei am 28.11.2017 zur Post gegeben, die Widerspruchsfrist am 01.12.2017 abgelaufen. Daraufhin erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 08.03.2018, eingegangen am gleichen Tage, Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz. Er trägt vor, er habe den Widerspruch per Telefax am 21.12.2017 an das Jobcenter B. übersandt und fügte eine entsprechende Sendebestätigung bei. Der Widerspruch sei somit rechtzeitig bei einer deutschen Behörde eingelegt worden." In den Gründen führte das Gericht, auch hier beschränkt auf das Wesentliche, u. a. aus: "Nach § 84 Abs.1 Satz 1 SGG ist ein Widerspruch binnen eines Monats nach Zugang eines Bescheides bei der Behörde einzulegen, die den Widerspruch erlassen hat. Der Kläger wurde entsprechend belehrt. Die Frist beginnt gem. § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post, war also am tage des Eingangs bei der Behörde am 09.01.2018 abgelaufen. Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass der Widerspruch nach § 84 Abs. 2 SGG als rechtzeitig eingegangen gilt, wenn er innerhalb der Frist u. a. bei einer anderen deutschen Behörde eingeht, wozu auch das Jobcenter B. gehört. Allerdings gilt dies nur dann, wenn die Behörde bei der der Widerspruch eingeht diesen auch an die richtige Empfängerbehörde weiterleitet, was hier nicht erfolgt ist, denn die Vorschrift des § 84 Abs. 2 SGG regelt nur die fristwahrende Wirkung (vergl. z. B.: LSG Brandenburg L 6 B 102/07 AL, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflg. § 84 Anm. 6, Roos/Warendorf SGG, § 84 Anm. 20 m. w. N.), setzt also eine erfolgte Weiterleitung und einen Eingang bei der richtigen Empfängerbehörde voraus, so dass die Klage abzuweisen ist." Mit Schriftsatz vom 22.04.2020 teilte der Beklagte in diesem Verfahren mit, dass der Kläger zwischenzeitlich, vertreten durch den VDK (Sozialverband VdK Sachsen) einen Neufeststellungsantrag gestellt habe. Dieser sei positiv beschieden worden. Es sei, unter Abänderung des Bescheides vom 17.11.2017 wegen einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes beim Kläger mit Wirkung ab dem 15.10.2019 ein GdB von 90 festgestellt worden. Weiterhin lägen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "aG" für außergewöhnliche Gehbehinderung und "B" Berechtigung für eine ständige Begleitung vor. Seitens des Klägervertreters wurde auf den Hinweis des Gerichts, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage damit möglicherweise entfallen sei, eingewandt, dass der Neufeststellungsantrag unzulässig gewesen sei, da das ursprüngliche Verfahren (S 16 SB /18) beim Landessozialgericht in der Berufung anhängig sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Beklagten, in Abänderung des Bescheides vom 17.11.2017, in Gestalt des Widerspruchsbescheides des kommunalen Sozialverbandes Sachsen vom 08.02.2018 zu verpflichten, einen GdB von mehr als 60, sowie das Vorleigen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Sonderparkerlaubnis nach sächsischem Landesrecht festzustellen.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, sowie auf die Akten des Ursprungsverfahrens verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1) Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nach erfolgter Anhörung der Parteien zulässig, da der Sachverhalt genügend geklärt ist und die Sach- und Rechtslage weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten bereitet (§ 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). 2) Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist als gegeben anzusehen, da das Gericht an die Entscheidung des Landessozialgerichts gebunden ist, auch wenn diese Entscheidung nicht überzeugt, denn das Landesozialgericht setzt sich nicht mit der im Grundgesetz geregelten Frage des gesetzlichen Richters und den Argumenten des Gericht in dem Verweisungsbeschluss auseinander. Die gerichtliche Zuständigkeit, damit auch der Rechtsweg, kann nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, also aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in der Regel durch Rechtsverordnung begründet werden, jedoch nicht durch einen ausschließlich verwaltungsinternen Akt, wie hier durch Verwaltungsvorschrift. Auch das BSG spricht in seiner vom LSG zitierten Entscheidung vom 03.02.1988 ausdrücklich von Vergünstigungen aufgrund anderer Gesetze (9/9a RVs 18/86, Orientierungssatz 1 Rd. Nr. 14 – nach JURIS). Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat ebenfalls den Verwaltungsrechtsweg (vergl. z. B.: 3 A 431/11, 3 E 11/14) für gegeben erachtet. Auch äußert sich die Entscheidung nicht zu dem widersprüchlichen Verhalten des Klägers, hat er doch mit Schriftsatz vom 17.07.2018 erklärt, dass er keine Einwände gegen die Abtrennung und Verweisung habe. Damit könnte ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde fehlen. Anzumerken ist, dass auch die mit Schwerbehindertenangelegenheiten befassten sächsischen Sozialämter leiten entsprechende Anträge nunmehr an die Straßenverkehrsbehörden weiter, wie sich aus dem Rundschreiben des Kommunalen Sozialverbandes vom 28.06.2018 (4-14/2018) ergibt. Die Klage ist demnach als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zunächst zulässig eingelegt worden, insbesondere wurde die Klagefrist eingehalten. Das Begehren des Klägers ergibt sich aus dem Antrag im Schriftsatz vom 15.06.2018 in dem die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehinderte Menschen neben dem Merkzeichen "aG" ausdrücklich genannte wurde. Wie dargelegt ist das Merkzeichen aG nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Abtrennung bezog sich, wie dargelegt, ausschließlich auf die Klage im Hinblick auf die Sonderparkerlaubnis. Die Problematik des Merkzeichens aG war bzw. ist also weiterhin Gegenstand des Hauptsachverfahrens, worauf der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 29.06.2020 zutreffend hinweist. Vorstehendes muss auch unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes gelten, wenn ein ausdrücklicher Antrag gestellt wird. Im Hinblick auf den Neufeststellungsantrag ist jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, soweit sie Gegenstand dieses Verfahrens ist, entfallen, mit der Folge, dass sie unzulässig geworden und daher abzuweisen ist. Wie dargelegt hat der Beklagte nämlich zwischenzeitlich auf den Neufeststellungsantrag die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festgestellt. Im Gegensatz zur Sonderparkerlaubnis, die ausschließlich und alleine für das Gebiet des Freistaats Sachsen die Nutzung von ausgewiesenen Behindertenparkplätzen gestattet, gewährt das Merkzeichen aG ein Mehr, da es die Nutzung der genannten Parkplätze bundesweit gestattet. Auch gestattet das Merkzeichen die unentgeltliche Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln im Nahverkehr und befreit von der Kfz-Steuer. Zudem sind die Kosten eines Kfz´s bis zu einem gewissen Grade als Sonderausgaben absetzbar. Die Argumentation des Klägervertreters, dass der Neufeststellungsantrag im Hinblick auf das beim LSG in der Berufung anhängige ursprüngliche Verfahren unzulässig sei, ist nicht nachvollziehbar. Die Klage ist außerdem aus mehreren Gründen unbegründet. Zunächst ist der Widerspruchsbescheid nicht zu beanstanden, denn die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig, da verspätet eingelegt, erfolgte zu Recht. Das Gericht folgt auch hier den oben dargestellten Gründen der Entscheidung im Ursprungsverfahren, die auch auf den hier zugrunde liegenden Sachverhalt Gültigkeit haben. Die Klage wäre auch aus andern Gründen unbegründet, denn für die Entscheidung wären ausschließlich die Straßenverkehrsbehörden zuständig, wie sich aus der vom Bund erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu § 46 Nr. 1. III. Nr. 1 ergibt. Die Schwerbehindertenbehörden haben lediglich eine verwaltungsinterne Zuarbeit zu leisten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung besteht kein einklagbarer Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung (vergl.: LSG Potsdam L 13 SB 11/12 Ziff. 16 – 18, L 13 SB 11/12, Ziff. 17 u. 18, wohl auch: LSG München L 3 SB 61/13, Ziff. 36 ff Ziffern jeweils nach Juris). Das Gericht schließt sich dieser, soweit feststellbar, gefestigten Rechtsprechung aufgrund des Textes, der Zuständigkeitsverteilung und dem Sinn der VWV Parkerleichterungen aufgrund eigener Entscheidungsfindung an, zumal die Straßenverkehrsbehörde weitere Gesichtspunkte als die persönlichen Voraussetzungen zu prüfen hat. Ein Anspruchsteller müsste, würde ein eigenständiger Anspruch bejaht, ggfls. mehrere Rechtsstreite über bis zu drei Instanzen führen.

3) Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen notwendigen Kosten folgt aus § 193 SGG. Die Entscheidung ergeht unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt der Entscheidung nach billigem Ermessen, ohne dass das Gericht an die Anträge der Parteien gebunden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflg., § 193 Anm. 13). Da der Kläger in der Sache unterlegen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine notwendigen außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren.
Rechtskraft
Aus
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