L 7 SB 71/19 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 12 BL 5/12-P
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 71/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (nachfolgend Beschwerdeführer) wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).

Mit Beschluss vom 16. September 2013 hat das Sozialgericht Halle (SG) dem Beschwerdeführer ratenfreie PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. bewilligt. Nach Überprüfung der für die Bewilligung der PKH maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 7. Juni 2019 die PKH gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgehoben. Dagegen hat der Beschwerdeführer am 13. Juni 2019 "Beschwerde bzw. den zulässigen Rechtsbehelf" eingelegt. Mit Beschluss vom 19. Juni 2019 hat das SG die dem Beschwerdeführer mit Beschluss vom 16. September 2013 bewilligte PKH (erneut) aufgehoben. In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG auf eine Beschwerdemöglichkeit hingewiesen.

Der Beschwerdeführer hat am 26. Juni 2019 Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens zum Aktenzeichen S 12 BL 5/12 und des PKH-Heftes, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Die Beschwerde ist zwar nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2a SGG ausgeschlossen. Denn im vorliegenden Fall geht es nicht um die Bewilligung von PKH, sondern um die nachträgliche Aufhebung einer bewilligenden PKH-Entscheidung.

Der Beschwerdeausschluss ergibt sich allerdings aus § 73a Abs. 8 SGG. Danach kann gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. § 73a Abs. 5 SGG erfasst ausdrücklich Entscheidungen des Urkundsbeamten über die Aufhebung der Bewilligung der PKH nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

Da zunächst die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 7. Juni 2019 entschieden hat (Aufhebung der Bewilligung), ist die anschließende Entscheidung des Gerichts durch Beschluss vom 19. Juni 2019 (erneute Aufhebung der Bewilligung) gemäß § 73a Abs. 8 SGG endgültig. Eine weitere Beschwerdemöglichkeit nach Erinnerungen gegen einen Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle sieht das Gesetz nicht vor (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Juli 2018 – L 11 KR 1800/18 B – , juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 28. März 2018 – L 11 AS 273/18 B –, juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 4. Februar 2015 – L 8 AS 78/15 B PKH –, juris; Karl, in: jurisPK-SGG, 1. Auflage 2017, § 172 Rn. 170; Reyels, in: jurisPR-SozR 10/2019 Anm. 6).

Zwar hat das SG seine Entscheidung nicht ausdrücklich als Beschluss über die Erinnerung gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin gefasst. Darauf kommt es nach dem Wortlaut von § 73a Abs. 8 SGG aber nicht an. Das SG hat eine Entscheidung getroffen, nachdem der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin am 13. Juni 2019 "Beschwerde bzw. den zulässigen Rechtsbehelf" eingelegt hat. Damit hat der Beschwerdeführer die zulässige Erinnerung eingelegt, über die das SG gemäß § 73a Abs. 8 SGG endgültig entschieden hat. Zwar hätte eine Zurückweisung der Erinnerung tenoriert werden müssen (und nicht nochmals die Aufhebung der Bewilligung der PKH). Inhaltlich ist aber eine Entscheidung des SG über die Erinnerung erfolgt, wie sich nicht nur aus dem zeitlichen Ablauf ergibt. Denn das SG hat seine Entscheidung nach dem vom Beschwerdeführer eingelegten Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle getroffen und keine davon unabhängige Erstentscheidung. Es hat die Entscheidung ausdrücklich auf § 73a Abs. 8 SGG gestützt und auf die vorherige Aufhebung durch die Urkundsbeamtin Bezug genommen.

Der Anwendung von § 73a Abs. 8 SGG steht hier auch nicht entgegen, dass die Bewilligung der PKH mit Beschluss vom 16. September 2013 und damit vor Inkrafttreten der Norm zum 1. Januar 2014 erfolgt ist. Zwar wird die Ansicht vertreten, dass die Regelung des § 73a Abs. 8 SGG nicht auf Altfälle anwendbar sei (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. August 2014 – L 2 AS 226/14 B –, juris). Diese Ansicht kann aber nicht überzeugen (so wie hier LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 3; Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 8; Reyels, a.a.O.; Karl, a.a.O.). Änderungen des Verfahrensrechts sind nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts grundsätzlich auch bei anhängigen Verfahren anzuwenden, sofern nicht etwas Abweichendes geregelt wird (vgl. nur BSG, Urteil vom 14. April 2011, B 8 SO 18/19 R, Rn. 13 –, juris). Für einen verfassungskonform abweichenden Geltungswillen des Gesetzgebers liegen in Bezug auf § 78a Abs. 8 SGG keine Anhaltspunkte vor (ausführlich Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 8; Reyels, a.a.O.; ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2016 – L 4 AS 52/16 B –, juris). Auch die Übergangsregelegung des § 40 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (ZPOEG) findet hier keine Anwendung, da der Gesetzgeber zwischen den materiell-rechtlichen, in den §§ 114 bis 127 ZPO verankerten Regelungen und den verfahrensrechtlichen Neuerungen (insbesondere der Übertragung bestimmter Entscheidungen auf den Urkundsbeamten nach § 73a Abs. 4 und 5 SGG) unterschieden hat (dazu ausführlich LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2016 – L 4 AS 52/16 B –, a.a.O., Rn. 15). Der Hinweis auf die Verweisungstechnik des Gesetzgebers und die Schlussfolgerung, dass auch die verfahrensrechtlichen Regelungen in § 73a SGG erst bei Neuverfahren Anwendung fänden (so LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. August 2014 – L 2 AS 226/14 B –, a.a.O.), überzeugt daher nicht.

§ 73 a Abs. 8 SGG ist auch nicht teleologisch zu reduzieren (wie hier Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 9 f.; Reyels, a.a.O.; a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2016 – L 4 AS 52/16 B, a.a.O.). Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung ist die Norm auch nicht zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen einschränkend so auszulegen, dass sie keine über § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG hinausgehende Regelung enthält. Insbesondere kann dafür nicht der gesetzgeberische Wille herangezogen werden (so aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. März 2016 – L 4 AS 52/16 B, a.a.O. unter Hinweis auf Straßfeld, SGb 2014, 236, 241). Zwar findet sich in der Gesetzbegründung der Hinweis auf den Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (BT-Drs. 17/12472, S. 48: "Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts ist im Falle des § 172 Abs. 3 Nr. 2 ausgeschlossen"). Doch bleibt dieser Hinweis ohne Bezug zum Wortlaut des § 73a Abs. 8 SGG. Das Wort "endgültig" in § 73a Abs. 8 SGG wird gerade nicht erläutert. Die Gesetzbegründung bleibt insoweit schlicht offen. Ein gesetzgeberischer Wille im Hinblick auf eine Beschwerdemöglichkeit kann daher aus den Materialien nicht abgeleitet werden (ebenso Reyels, a.a.O.), unabhängig davon, dass diese keinen Vorrang gegenüber dem Gesetzeswortlaut beanspruchen können.

Schließlich führt die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung des SG nicht dazu, dass ein ausgeschlossenes Rechtsmittel ermöglicht wird.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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