S 11 KA 555/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 555/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 23/20
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Ambulanzen, Instituten und Abteilungen der Hochschulkliniken zählt nicht eine selbständige, ärztlich geleitete Einrichtung in freier Trägerschaft, wenn sie zwar aufgrund eines Kooperationsvertrags Aufgaben des Universitätsklinikums übernimmt, aber letzteres keinen Einfluss auf die Tätigkeit nehmen kann.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Vergabe einer Betriebsstättennummer als Hochschulambulanz für das Institut für Transfusionsmedizin in A-Stadt.

Die Klägerin ist die Rechtsträgerin dieser ärztlich geleiteten Einrichtung. Bei der Klägerin handelt es sich um eine gemeinnützige Gesellschaft, deren satzungsmäßiger Zweck die Förderung von Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin beinhaltet. Zur Gründung des Instituts für Transfusionsmedizin schloss sie 2001 einen Kooperationsvertrag mit der C-Universität A-Stadt, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 16 ff. d.A.). Auf dieser Grundlage wurde eine Professur für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie geschaffen, deren Inhaber Mitglied des Fachbereichs Medizin der C-Universität A-Stadt ist. Seine Berufung ist nur im Einvernehmen der Vertragspartner möglich, weil er geschäftsführend für die Klägerin tätig ist und dadurch seine dienstlichen Verpflichtungen erfüllt. Die Kosten der Professur fallen der Klägerin zur Last.

Im Oktober 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zuteilung einer Betriebsnummer für die Hochschulambulanz zur ambulanten ärztlichen Behandlung im dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang. Das Institut für Transfusionsmedizin nehme ihm übertragene Aufgaben der C-Universität A-Stadt wahr. Es sei durch die Professur für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie auch organisatorisch mit dem Universitätsklinikum verbunden. Es sei sowohl räumlich als auch inhaltlich in die universitäre Lehrtätigkeit eingebunden.

Mit Bescheid vom 19.01.2017 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Das Institut für Transfusionsmedizin stelle rechtlich keine Hochschulambulanz dar. Es fehle an einem dementsprechenden Organisationsakt zur Eingliederung in das Universitätsklinikum. Die bloße Aufgabenübertragung durch dieses reiche dafür nicht aus. Sie ändere nichts an der Tatsache, dass das Institut eine eigenständige ärztlich geleitete Einrichtung sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Bevollmächtigten, fristgerecht Widerspruch. Die Ablehnung des Antrags sei zu Unrecht erfolgt. Sinn und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung von Hochschulambulanzen sei die Ausnutzung von deren Behandlungsmöglichkeiten für die ambulante vertragsärztliche Versorgung und die Einbeziehung dieses Bereichs in die universitäre Lehre. Der vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst genehmigte Kooperationsvertrag stelle einen ausreichenden Organisationsakt dar. Dadurch sei das Institut für Transfusionsmedizin als Teil der universitären Einrichtungen anzusehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2017 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Kooperationsvertrag führe nur zu einer Zusammenarbeit der Vertragspartner, aber nicht zur Errichtung einer neuen Ambulanz des Universitätsklinikums.

Dagegen hat die Klägerin am 24.08.2017 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben.

Sie ist der Ansicht, das von ihr betriebene Institut für Transfusionsmedizin in A-Stadt stelle eine Hochschulambulanz dar und sei daher von Gesetzes wegen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Die Beklagte sei daher zur Vergabe einer Betriebsstättennummer verpflichtet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für das Institut für Transfusionsmedizin in A-Stadt eine Betriebsstättennummer zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Widerspruchsbescheid für rechtmäßig. Das Institut für Transfusionsmedizin sei nicht als Hochschulambulanz zu qualifizieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Er war daher nicht wie beantragt aufzuheben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergabe einer Betriebsstättennummer als Hochschulambulanz für das Institut für Transfusionsmedizin in A-Stadt. Dieses nimmt nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil, weil es nicht zu den in § 95 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) abschließend aufgeführten Leistungserbringern gehört.

Das klägerische Institut für Transfusionsmedizin ist insbesondere keine ermächtigte Einrichtung i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei ihm nicht um eine Hochschulambulanz, die nach Maßgabe von § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur ambulanten ärztlichen Behandlung ermächtigt wäre. Dies betrifft nach der in jener Norm enthaltenen Legaldefinition ausschließlich Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken. Das Institut für Transfusionsmedizin stellt indes keine solche Einrichtung des Universitätsklinikums A-Stadt dar.

Der gesetzliche Rechtsbegriff der Hochschulambulanz geht auf das Fallpauschalengesetz vom 23.04.2002 (BGBl. I S. 1412) zurück. Er sollte weiter sein als der frühere Begriff der Poliklinik (siehe nur BT-Drucks. 14/7862 S. 4). Gleichwohl wurde vorausgesetzt, dass es sich um eine Einrichtung der Hochschulklinik handelt. Dementsprechend sollte auch der (damals noch erforderliche) Antrag auf Ermächtigung von der Hochschule oder Hochschulklinik gestellt werden. Diese Rechtsentwicklung spricht dafür, auch heute noch zu verlangen, dass Hochschulambulanzen organisatorischer Teil einer Hochschulklinik sind (ebenso Köhler-Hohmann in jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 117 Rn. 19, Stand: 01.01.2016). Nicht zu den Hochschulkliniken zählen dagegen nach allgemeiner Ansicht die Akademischen Lehrkrankenhäuser, die im Bereich von Forschung und Lehre mit den Hochschulkliniken kooperieren (BT-Drucks. 14/7862 S. 5). Auch bei dem klägerischen Institut für Transfusionsmedizin handelt es sich nur um einen Kooperationspartner des Universitätsklinikums A-Stadt und nicht um einen organisatorischen Teil.

Bei dieser Einschätzung verkennt die Kammer nicht die enge Zusammenarbeit zwischen dem klägerischen Institut einerseits und dem Fachbereich Medizin der C-Universität A Stadt andererseits. Vielmehr geht sie von einer vollständigen Aufgabenübertragung des Universitätsklinikums an die Klägerin auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin aus. Maßgebend für diese richterliche Überzeugung sind die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Kooperationsvertrag vom 15.03.2001 und die Bestätigung des Universitätsklinikums A-Stadt vom 27.09.2016.

Ein solches "outsourcing" von Behandlungsmaßnahmen führt indes nach rechtlicher Einschätzung der Kammer nicht dazu, dass der Vertragspartner als Ambulanz, Institut oder Abteilung der Hochschulklinik anzusehen wäre. Vielmehr wird in diesem (im Wirtschaftsleben nicht seltenen Fall) eine eigene Pflicht durch einen unabhängigen Dritten wahrgenommen. So liegt der Fall auch hier. Das klägerische Institut für Transfusionsmedizin arbeitet selbständig und eigenverantwortlich. Die von ihm geleistete ambulante Behandlung der Versicherten liegt zwar im Interesse des Universitätsklinikums A-Stadt (nicht nur an der transfusionsmedizinischen Behandlung seiner Patienten, sondern auch an der universitären Ausbildung der Studierenden, deren Prüfung etc.). Diese Tätigkeit liegt jedoch vollständig außerhalb des Einflussbereichs der Hochschulklinik. Die Kammer sieht es als entscheidend für die rechtliche Bewertung des vorliegenden Falls an, dass das Universitätsklinikum A-Stadt die Tätigkeit des Instituts für Transfusionsmedizin in keiner Weise steuern kann. Insoweit sieht der Kooperationsvertrag weder ein Weisungsrecht noch sonstige Möglichkeiten der Einflussnahme vor. Daher kann die ambulante ärztliche Behandlung der Versicherten auch nicht der Hochschulklinik zugerechnet werden.

Der rechtlichen Bewertung als Hochschulambulanz steht demnach nicht bereits der Umstand entgegen, dass die privatrechtlich verfasste Klägerin und nicht die Hochschule oder die Hochschulklinik formaler Träger des Instituts für Transfusionsmedizin ist. Es genügt aber auf der anderen Seite auch nicht, dass die Einrichtung Aufgaben der Hochschulklinik oder Hochschule im Bereich der Forschung und Lehre erfüllt (so aber Gerlach in Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Auflage 2018, § 117 Rn. 5). Hinzukommen muss vielmehr, dass die Trägerorganisation der ärztlich geleitete Einrichtung rechtlich von der Hochschule oder der Hochschulklinik beherrscht wird (so zutreffend Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Werkstand: 105. EL Januar 2020 § 117 SGB V Rn. 5). Daran fehlt es hier. Weder die C Universität A-Stadt noch deren Universitätsklinikum können gesellschaftsrechtlich Einfluss auf die Entscheidungen der Klägerin nehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
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