L 11 KR 4604/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3072/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4604/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die von einem Schuldner iR der Verbraucherinsolvenz nach § 287 Abs 2 InsO in der bis zum 30.06.2014 geltenden Fassung abgegebene Abtretungserklärung ist hinreichend
bestimmt und erfasst auch erst in Zukunft entstehende Ansprüche auf Krankengeld. Die für das Restschuldbefreiungsverfahren bestellte
Treuhänderin kann den vom Schuldner abgetretenen pfändbaren Teil des Krankengeldes mit der allgemeinen Leistungsklage gegen die Krankenkasse geltend machen. Soweit die Klage der Treuhänderin erfolgreich ist, stehen ihr auch Prozesszinsen zu. Die Treuhänderin, die den pfändbaren Teil des Krankengeldes einklagt, ist nicht nach § 183 SGG kostenrechtlich privilegiert.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 06.11.2018 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.757,70 EUR nebst Zinsen hieraus ab dem 24.07.2017 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt die Klägerin 11 vH und die Beklagte 89 vH.

Der Streitwert für das Klage- und das Berufungsverfahren wird auf je 1.975,05 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Treuhänderin die Auszahlung des pfändbaren Anteils des dem Beigeladenen gewährten Krankengeldes iHv von insgesamt 1.975,05 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 07.11.2015.

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Beigeladene J. K. beantragte am 18.12.2012 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Auf dieses Insolvenzverfahren sind gemäß Art 103h Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) – abgesehen von einigen Ausnahmen – die bis zum 30.06.2014 geltenden Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO aF) anzuwenden. Mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte der Beigeladene auch einen Antrag auf Restschuldbefreiung und war deshalb gemäß § 287 Abs 2 InsO aF verpflichtet, die als Anlage 3 zum Eröffnungsantrag vorformulierte Abtretungserklärung zu unterschreiben. Hierin ist unter "I. Erläuterungen zur Abtretungserklärung" ausgeführt:

Die nachfolgende Abtretung umfasst alle Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge, also: - Jede Art von Arbeitseinkommen, Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Arbeitsentgelt für Strafgefangene, [ ] - Renten und sonstige laufende Geldleistungen der Sozialversicherungsträger oder der Bundesanstalt für Arbeit im Falle des Ruhestands, der teilweisen oder vollständigen Erwerbsunfähigkeit oder der Arbeitslosigkeit, - Alle sonstigen, den genannten Bezügen rechtlich oder wirtschaftlich gleichstehenden Bezüge.

Unter "II. Abtretungserklärung" heißt es (auszugsweise):

Für den Fall der gerichtlichen Ankündigung der Restschuldbefreiung trete ich hiermit meine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab.

Mit Beschluss vom 03.01.2013 eröffnete das Amtsgericht G. - Insolvenzgericht - über das Vermögen des Beigeladenen das vereinfachte Insolvenzverfahren und bestellte die Klägerin zur Treuhänderin. In dem Beschluss werden Personen, die Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner (Beigeladener) haben, aufgefordert, nicht mehr an den Schuldner, sondern nur noch an die Treuhänderin zu leisten.

Aufgrund einer erstmals am 28.04.2014 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit bezog der Beigeladene ab dem 09.06.2014 von der Beklagten Krankengeld. Die Klägerin übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 18.06.2014 eine Kopie des Eröffnungsbeschlusses, wies dabei auf das Verfügungsverbot über das Vermögen des Beigeladenen hin und forderte die Beklagte auf, den pfändbaren Bestandteil des Einkommens zu ihren Händen anzuweisen. Für die Abgabe der Drittschuldnererklärung setzte sie eine Frist bis zum 26.06.2014. Unter dem 30.06.2014 bestätigte die Beklagte den Erhalt eines "Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 18.06.2014" und teilte mit, den pfändbaren Teil des Krankengeld iHv 9,22 EUR täglich an die Klägerin abzuführen.

Am 31.07.2014 erließ das Insolvenzgericht den Beschluss zur Ankündigung der Restschuldbefreiung und bestellte die Klägerin zur Treuhänderin über das Restschuldbefreiungsverfahren. Die Klägerin legte der Beklagten mit Schreiben vom 11.08.2014 eine Kopie der Bescheinigung über ihre Bestellung zur Treuhänderin vom 31.07.2014 vor und wies darauf hin, dass im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens der pfändbare Anteil des Einkommens des Beigeladenen weiterhin an die Treuhänderin abzuführen sei. Am 19.09.2014 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren eingestellt und das Restschuldbefreiungsverfahren eingeleitet.

Der Beigeladene bezog zunächst bis zum 19.08.2014 von der Beklagten Krankengeld. Dessen pfändbaren Teil iHv 9,22 EUR kalendertäglich zahlte die Beklagte an die Klägerin aus. Vom 20.08. bis 31.08.2014 arbeitete der Beigeladene wieder. Anschließend war er wieder arbeitsunfähig. Er erhielt von der Beklagten Krankengeld vom 01.09.2014 bis zur Aussteuerung am 07.11.2015. Der pfändbare Anteil des Krankengeldes belief sich in diesem Zeitraum auf kalendertäglich 9,45 EUR. Für die Zeit vom 01.09.2014 bis zum 28.02.2015 sowie vom 09.04. bis 14.04.2015 zahlte die Beklagten den pfändbaren Anteil des Krankengeldes nicht an die Klägerin aus.

Mit Schreiben vom 06.02.2015 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass der Beigeladene seit 01.09.2014 Krankengeld beziehe, der pfändbare Betrag belaufe sich auf 9,45 EUR. Die Beklagte führte den pfändbaren Betrag in Höhe von kalendertäglich 9,45 EUR ab dem 01.03.2015 – mit Ausnahme der Zeit vom 09.04. bis 14.04.2015 - wieder an die Klägerin ab.

Am 06.01.2016 teilte die Klägerin der Beklagten unter Hinweis auf eine Aufstellung der ab dem 01.09.2014 abgeführten pfändbaren Beträge mit, es fehle die Abführung der pfändbaren Beträge für den Zeitraum vom 01.09.2014 bis 24.03.2015. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Zahlung von 1.918,35 EUR auf. Eine schuldbefreiende Zahlung an den Insolvenzschuldner habe nicht erfolgen können.

Die Beklagte entgegnete hierauf, falls der Klägerin Unterlagen vorliegen sollten, die eine frühere Pfändung für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 01.09.2014 erkennen lassen, bitte sie um entsprechende Mitteilung. Die Klägerin erwiderte, sie habe die Beklagte am 18.06.2014 über das Verbraucherinsolvenzverfahren informiert und am 11.08.2014 die Ankündigung der Restschuldbefreiung und die Bestellung der Klägerin zur Treuhänderin in der Wohlverhaltensphase sowie die Abtretungserklärung überlassen. Der Beklagten sei daher zu jeder Zeit bekannt gewesen, dass die pfändbaren Beträge des Krankengelds nicht dem Beigeladenen, sondern der Insolvenzmasse zugestanden hätten. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, die Abtretungserklärung nach § 287 Abs 2 InsO aF sei am 18.12.2012 vom Beigeladenen unterschrieben worden und habe den Krankengeldanspruch nicht erfasst, denn Sozialleistungen gemäß § 53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien nur abtretbar, soweit sie nach § 54 SGB I, §§ 850 ff Zivilprozessordnung (ZPO) pfändbar seien. Unpfändbar seien jedoch Sozialleistungen, deren gesetzliche Anspruchsvoraussetzungen noch durch ein künftiges ungewisses Ereignis bedingt seien (reine Erwartung). Dies gelte auch für den Fall des Anspruchs auf Krankengeld vor arbeitsunfähiger Erkrankung. Der Beigeladene sei am 18.12.2012 nicht arbeitsunfähig erkrankt, der Anspruch auf künftiges Krankengeld sei eine reine Erwartung gewesen.

Mit Schreiben vom 26.01.2017 forderte die Klägerin unter Darlegung ihrer Ansicht einen Betrag iHv 1.975,05 EUR. Der Beigeladene habe für die Zeit vom 01.09.2014 bis einschließlich 07.11.2015 Krankengeld für insgesamt 433 Kalendertage erhalten. Davon seien nur für 224 Kalendertage pfändbare Beträge an die Klägerin abgeführt worden. Damit stehe noch ein pfändbarer Betrag für 209 Kalendertage aus. Bei einem kalendertäglichen pfändbaren Betrag von 9,45 EUR entspreche dies einem pfändbaren Gesamtbetrag iHv 1.975,05 EUR.

Am 27.04.2017 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht S. erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 03.08.2017 an das Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen hat. Die Klägerin hat zur Klagebegründung den bisherigen Vortrag wiederholt und ergänzend ausgeführt, die Beklagte sei zunächst im Verbraucherinsolvenzverfahren gemäß § 35 InsO und in der anschließenden Wohlverhaltensphase aufgrund der Abtretungserklärung in Verbindung mit § 313 InsO verpflichtet, die pfändbaren Beträge an die Klägerin abzuführen.

Mit Urteil vom 06.11.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Beigeladene bei Abgabe der Abtretungserklärung nicht erkrankt gewesen sei und nicht im Krankengeldbezug gestanden habe, habe es sich um eine Vorausabtretung künftiger Ansprüche gehandelt, die dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen müsse. Der zukünftige Krankengeldanspruch setze jedoch nicht nur eine Arbeitsunfähigkeit hervorrufende Erkrankung bzw einen entsprechenden Klinikaufenthalt voraus, sondern auch deren Dauer über mehr als sechs Wochen. Der zukünftige Krankengeldanspruch sei durch ein so ungewisses künftiges Ereignis bedingt, dass nur von einer ungewissen Erwartung gesprochen werden könne.

Gegen das ihr am 14.11.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.12.2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie den bisherigen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 06.11.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Treuhänderin 1.975,05 EUR zzgl 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat noch eine Aufstellung über das in der Zeit vom 09.06.2014 bis 07.11.2015 an den Beigeladenen und die Klägerin ausgezahlte Krankengeld vorgelegt. Hieraus ergibt sich, dass in der Zeit vom 09.06.2014 bis 19.08.2014 Krankengeld iHv 9,22 EUR kalendertäglich und vom 01.03.2015 bis 08.04.2015 sowie vom 15.04.2015 bis 07.11.2015 Krankengeld iHv 9,45 EUR kalendertäglich an die Klägerin ausgezahlt worden ist. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Schriftsatz der Beklagten vom 28.11.2019 beigefügte Aufstellung Bezug genommen.

Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 22.04.2020, die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.05.2020 und der Beigeladene mit Fax vom 22.06.2020 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die erst- und zweitinstanzlichen Prozessakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, sie ist in der Sache auch überwiegend begründet. Der Klägerin steht für die Zeit vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 und vom 09.04.2015 bis 14.04.2015 ein Anspruch auf Auszahlung von Krankengeld iHv kalendertäglich 9,45 EUR aus abgetretenem Recht als Treuhänderin über das Vermögen des Beigeladenen zu.

Streitgegenstand des Rechtsstreits ist der von der Klägerin als Treuhänderin in dem über das Vermögen des Beigeladenen eröffneten Restschuldbefreiungsverfahren geltend gemachte Anspruch auf den noch nicht an die Klägerin ausbezahlten pfändbaren Teil des dem Beigeladenen gegen die Beklagte zustehenden Anspruchs auf Krankengeld für die Zeit vom 01.09.2014 bis zum 07.11.2015.

Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch zu Recht mit der allgemeinen Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG. Im Falle einer Übertragung eines Anspruchs nach § 53 Abs 3 SGB I ist ein Verwaltungsakt des Leistungsträgers gegenüber dem Zessionar nicht erforderlich, da bei einer solchen Abtretung keine Entscheidung gegenüber dem Zessionar getroffen wird. Daher ist in solchen Fällen, in denen zwischen Abtretungs- bzw Pfändungsgläubigern einerseits und Sozialleistungsträgern andererseits über die Auszahlung von Sozialleistungen nach Abtretungen bzw Pfändungen gestritten wird, die Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG statthaft (LSG Nordrhein-Westfalen 08.05.2012, L 18 R 334/11, juris Rn 34 – 35; BSG 22.02.1990, 4 RA 19/89, juris Rn 16 - 18).

Die streitige Forderung steht der Klägerin zu. Der Beigeladene hatte unstreitig Anspruch auf Krankengeld auch für die Zeit vom 01.09.2014 bis 07.11.2015. Diesen Anspruch hat der Beigeladene, soweit er den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag überstieg, wirksam nach § 53 Abs 3 SGB I iVm § 398 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) an die Klägerin abgetreten. Eine solche Abtretung ist auch bezüglich der Ansprüche auf Krankengeld möglich (vgl bereits BSG 13.05.1992, 1 RK 26/91, BSGE 70, 280-285 = SozR 3-1200 § 53 Nr 5). Die Abtretungserklärung wurde mit der gerichtlichen Ankündigung der Restschuldbefreiung am 31.07.2014 wirksam.

Für eine wirksame Abtretung bedarf es einer hinreichenden Bestimmbarkeit der betreffenden Forderung. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Für die Abtretung, bei der der Rechtsübergang kraft Rechtsgeschäft vollzogen wird, gelten dieselben Maßstäbe wie bei der Pfändung und Überweisung einer Forderung zur Einziehung. Eine Pfändung ist nur dann hinreichend bestimmt und damit wirksam, wenn die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll, denn andernfalls bleibt das Objekt des Rechtsgeschäfts im Ungewissen. Erforderlich sind Mindestangaben über den Charakter, die Art der Forderung oder jedenfalls die Umrisse des ihr zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses (vgl BSG 19.03.1992, 7 RAr 26/91, BSGE 70, 186-197 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 = SozR 3-1300 § 104 Nr 5 = juris Rn 32). Werden erst künftig entstehende Forderungen im Voraus übertragen, ist besonders bedeutsam, dass Gegenstand und Rechtsgrund der Übertragung bestimmt oder jedenfalls individuell bestimmbar sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Übertragung sein soll (BSG 29.01.2014, B 5 R 36/12 R, BSGE 115, 110-121 = SozR 4-1200 § 53 Nr 4, juris Rn 24). Bei einer solchen Vorausabtretung ist jedoch nicht erforderlich, dass die Rechtsbeziehung, in der der künftige Anspruch wurzeln wird, schon besteht. Im Zeitpunkt der Abtretung ist lediglich die Möglichkeit erforderlich und ausreichend, dass der abgetretene künftige Anspruch entsteht (Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 53 SGB I, Rn 26; Krauskopf/Baier, 104. EL September 2019, SGB I § 53 Rn 5b).

Die von dem Beigeladenen im Zusammenhang mit der beantragten Restschuldbefreiung abgegebene Erklärung ist hinreichend bestimmt. Die Formulierung entspricht dem Wortlaut der von § 287 Abs 2 InsO aF geforderten Erklärung. Nach dieser Vorschrift ist dem Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung die Erklärung beizufügen, dass der Schuldner seine pfändbaren Forderungen aus Bezügen aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretenden laufenden Bezügen für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. In der Verbraucherinsolvenz besteht insoweit ein Formularzwang, so dass dem Eröffnungsantrag die in der Anlage 3 zum amtlichen Formular vorgeschriebene Abtretungserklärung beizufügen ist (Karsten Schmidt, Insolvenzordnung 19. Aufl 2016 § 305 Rn 29 sowie § 287 Rn 27). Die Abtretungserklärung erstreckt sich auf "Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge". Davon wird auch das als Ersatz für ausgefallenes Arbeitsentgelt gezahlte Krankengeld nach § 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfasst. Zum Zeitpunkt der Abtretung war auch bereits die Möglichkeit gegeben, dass künftig ein Anspruch auf Krankengeld entsteht. Auch ist die (vorformulierte) Abtretungserklärung auf pfändbare Forderungen begrenzt.

Offen ist noch die Zahlung des pfändbaren Betrages iHv 9,45 EUR kalendertäglich für die Zeit vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 und vom 09.04.2015 bis 14.04.2015. Für diese Tage hat die Klägerin noch einen Anspruch auf Auszahlung des die Pfändungsgrenzen übersteigenden Betrages. Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt (§ 47 Abs 1 Satz 6 SGB V). Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 47 Abs 1 Satz 7 SGB V). Für die Monate September 2014 bis Februar 2015 bestand demzufolge Anspruch auf Krankengeld für 180 Tage (6*30) und für die Zeit vom 09. bis 14.04.2015 für weitere 6 Tage, so dass der Klägerin als Treuhänderin noch der pfändbare Teil des Krankengeldes für 186 Tage zusteht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der pfändbare Betrag kalendertäglich 9,45 EUR beträgt. Damit steht der Klägerin noch ein Betrag in Höhe von 1.757,70 EUR zu.

Die Beklagte ist durch die Zahlung des Krankengeldes an den Beigeladenen auch in Höhe des abgetretenen Anspruchs für die Zeit vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 und vom 09.04.2015 bis 14.04.2015 nicht von ihrer Verpflichtung gegenüber der Klägerin frei geworden. Dies ergibt sich aus einer entsprechender Anwendung des § 407 BGB. Nach § 407 Abs 1 BGB muss der neue Gläubiger (hier: Klägerin) eine Leistung, die der Schuldner (hier: Beklagte) nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger (hier: Beigeladener) bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Die Beklagte hatte jedoch zum Zeitpunkt der Auszahlung des Krankengeldes in voller Höhe an den Beigeladenen von der Abtretung Kenntnis.

Soweit die Klägerin die Zahlung von Zinsen begehrt, hat die Berufung insofern Erfolg, als ihr Prozesszinsen zustehen. Sie hat aber keinen Anspruch auf Verzugszinsen. Im öffentlichen Recht können Verzugszinsen grundsätzlich nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden, weil es dort keinen allgemeinen Grundsatz gibt, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet. Rechtsgrundlage für die Verzinsung von Geldforderungen ist das im Einzelfall einschlägige Spezialrecht (BSG 27.06.2017, B 2 U 13/15 R, BSGE 123, 238-243 =SozR 4-7610 § 677 Nr 1). Das SGB I und das SGB V enthalten keine Rechtsgrundlage für die Zahlung von Verzugszinsen.

Allerdings hat die Klägerin Anspruch auf Prozesszinsen. Das BSG hat sich insoweit der Rechtsprechung des BVerwG angeschlossen, wonach zwar Verzugszinsen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden (BVerwG Urteil vom 4.7.2003 - 7 B 130/02 - mwN), für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen hingegen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (BSG 25.10.2018, B 7 AY 2/18 R, SozR 4-1200 § 44 Nr 8). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin den Zahlungsanspruch als Treuhänderin nach den Bestimmungen der InsO aF außerhalb des Systems sozialrechtlicher Ansprüche geltend. Darauf, dass ein Anspruch auf Prozesszinsen auf Forderungen aus dem Sozialrecht in ständiger Rechtsprechung des BSG nur dann bejaht wird, wenn ein solcher entweder im SGB selbst oder in einer spezialgesetzlichen Regelung ausdrücklich vorgesehen ist (vgl BSG SozR 3-7610 § 291 Nr 1 mwN) oder wenn einer der von der Rechtsprechung mittlerweile anerkannten Ausnahmefälle bei Ansprüchen im Gleichordnungsverhältnis vorliegt, kommt es deshalb nicht an (vgl BSG vom 25.10.2018, B 7 AY 2/18 R, SozR 4-1200 § 44 Nr 8). Da der Rechtsstreit mit Eingang der Klage beim SG am 27.04.2017 rechtshängig geworden ist (§ 94 Satz 1 iVm § 90 SGG), stehen der Klägerin ab diesem Zeitpunkt Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs 2 Satz 2 BGB zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 155 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt. Die Regelung des § 193 SGG ist entgegen der Meinung des SG nicht anwendbar. Weder die Klägerin noch die Beklagte sind in kostenrechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des § 183 SGG privilegiert. Insbesondere ist die Klägerin nicht in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfänger am Rechtsstreit beteiligt (§ 183 Satz 1 SGG). Denn die Klägerin hat die Krankengeldansprüche nicht selbst unmittelbar kraft Gesetzes erworben, sondern im Wege der Abtretung vom Beigeladenen (§ 398 BGB). Im Rechtsstreit geltend gemacht wird also der Anspruch des Rechtsnachfolgers eines Leistungsempfängers, ohne dass ein Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 56 SGB I) oder der Verfahrensaufnahme durch den Rechtsnachfolger (§ 183 Satz 2 SGG) eingetreten ist (vgl BSG 01.07.2010, B 11 AL 6/09 R; LSG Niedersachsen-Bremen 13.03.2018, L 7 AL 71/16).

Der Senat holt die vom SG unterlassene Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren nach (§ 63 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Gerichtskostengesetz - GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Der Streitwert errechnet sich hier aus der Höhe des von der Klägerin verfolgten Anspruchs.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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