L 8 BA 42/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 R 152/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 42/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Reiseleiter, der Teilnehmer einer Pauschalreise am Zielort betreut, in seiner Tätigkeit konkreten Vorgaben zur Reiseleitung unterliegt, zu umfangreichen Berichten an den Reiseveranstalter verpflichtet ist und für seine Tätigkeit ein festes Tageshonorar erhält, ist abhängig beschäftigt, auch wenn er mit dem Reiseveranstalter einen Vertrag über eine Tätigkeit als „selbständiger Reiseleiter“ geschlossen hat.

Zur Klagebefugnis des im Rechtsstreit beigeladenen Beschäftigten gegen einen Bescheid der DRV Bund, mit dem diese während des laufenden Berufungsverfahrens ihren ursprünglichen Statusfeststellungsbescheid mit der Begründung aufhebt, aufgrund des ausländischen Wohnsitzes des Beigeladenen zur Zeit der Beschäftigung habe nach Art. 16 VO (EG) 987/09 iVm Art. 13 VO (EG) 883/04 die Rechtszuweisung der Rechtsvorschriften über die Soziale Sicherheit für die Einsätze im Ausland vom zuständigen Wohnsitzträger zu erfolgen.

Zur Einbeziehung solcher Bescheide nach § 96 SGG in das Berufungsverfahren.

Zur Zuständigkeit der DRV Bund nach Maßgabe der Art. 11 bis 13 VO (EG) 883/2004 bei einer Statusfeststellung.

Zur Bindungswirkung einer nach Art. 13 VO (EG) 883/2004 iVm Art. 16 VO (EG) 987/2009 von dem Versicherungsträger des Wohnsitzstaates des Beschäftigten rückwirkend ausgestellten sog. A1-Bescheinigung, in der als Mitgliedsstaat, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, Deutschland eingetragen ist.

Zur Bestimmung des maßgeblichen Rechts nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EG) 883/2004 bei einer Person, die für einen Arbeitgeber gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt.
Auf die Klage des Beigeladenen zu 1) wird der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2019 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 2018 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2015 wird aufgehoben, soweit darin die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeiträume vom 28. Juni bis 30. Juni 2012, 25. Oktober 2012 bis 28. Januar 2013, 5. März 2013 bis 7. März 2013, 18. April 2013 bis 24. Mai 2013 und 7. Juni 2013 bis 21. Juni 2013 festgestellt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3. Die Beklagte hat dem Beigeladenen zu 1) die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zweiter Instanz zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000, - EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Statusfeststellung um die Frage, ob der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin als Reiseleiter abhängig beschäftigt oder selbständig tätig war.

Die Klägerin ist ein in A-Stadt ansässiges Online-Reiseunternehmen. Der Beigeladene zu 1) ist österreichischer Staatsbürger mit Wohnsitz in C-Stadt. In der Zeit vom 28. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 (mit Unterbrechungen) arbeitete er für die Klägerin auf der Grundlage mündlicher Vereinbarungen als Reiseleiter (Station Manager) im Rahmen von Pauschalreiseangeboten an verschiedenen Orten in der Europäischen Union.

Am 25. Februar 2014 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Er legte Rechnungskopien vor, aus denen sich Tätigkeiten wie folgt ergaben: 28. Juni 2012 – 18. September 2012 Prag; 19. September 2012 – 24. Oktober 2012 Hamburg/Altes Land/Insel Sylt; 29. Januar 2013 – 4. März 2013 Teneriffa; 8. März – 17. April 2013 Cinque Terre; 25. Mai – 6. Juni 2013 Hamburg; 22. Juni – 23. Juli 2013 Prag. Hierzu erläuterte der Beigeladene zu 1), er habe bei der Klägerin als selbständiger Reiseleiter gearbeitet, sei aber in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Seine Tätigkeit habe im Empfang und der Betreuung der Gäste der jeweiligen Reise am Zielort, der Erläuterung des Programms, der Verkauf der von der Klägerin zusätzlich angebotenen Ausflüge bzw. Programmpunkte, der genauen Dokumentation des Reisebusses, der Kontrolle der Voucher und dem Nachinkasso noch nicht bezahlter Reisekosten bestanden. Er habe täglich eine Sprechstunde abhalten und dokumentieren müssen. Gästebeschwerden seien zu dokumentieren und an die Klägerin weiterzugeben gewesen. Änderungen des Programms oder zusätzliche Angebote (Ausflüge, Organisation und Verkauf von Abendessen) seien ausdrücklich verboten gewesen. Es habe tägliche Anwesenheitspflicht bestanden, eine Vertretung sei nicht erwünscht und nicht möglich gewesen. Eigene Arbeitsmittel habe er nur in Form seines Laptops und seiner Kamera eingesetzt. Seitens der Klägerin seien ihm ein Internet-Stick, einzelne Kleidungsstücke mit Firmenlogo sowie ein EC-Cash-Gerät zur Verfügung gestellt worden. Es habe eine bis in das letzte Detail ausgearbeitete Berichtsorganisation gegeben. Neben den normalen Berichten über die Gäste, Hotelbelegung und Busqualität habe ein Tätigkeitsbericht für jeden Tag einmal die Woche auf einem vorgegebenen Formular abgegeben werden müssen. Der Beigeladene zu 1) legte hierzu Kopien umfangreicher schriftlicher Handlungsanleitungen der Klägerin für die von ihr beauftragten Reiseleiter vor. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit, außer für die Klägerin habe er im Zeitraum vom 28. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 keine weitere berufliche Tätigkeit ausgeübt. Es habe eine Pflicht zur täglichen Erreichbarkeit des Reiseleiters für 24 Stunden über Mobiltelefon und Hotelrezeption gegeben. Er habe sich als Mitarbeiter der Klägerin vorzustellen gehabt. Das Tragen von Dienstkleidung mit dem Logo der Klägerin sei erwünscht gewesen. Er habe verpflichtend im Hotel der Gäste wohnen müssen. Aus den vorgelegten Rechnungen ab Juni 2012 ergab sich, dass der Beigeladene zu 1) gegenüber der Klägerin auf der Basis eines Tagessatzes von entweder 83,33 EUR (2.500 EUR monatlich) oder 100 EUR abgerechnet hatte; hierzu erläuterte der Beigeladene zu 1), dies habe davon abgehangen, ob bei der Reise ein Verkauf von Ausflugstickets stattgefunden habe (dann 83,33 EUR Tagessatz) oder nicht (dann 100 EUR Tagessatz). Die Provision für optionale Leistungen habe die Klägerin für die Saison 2013 einseitig von 1 EUR auf 0,50 EUR gesenkt. Ferner legte er Spesenabrechnungen vor (Reise- und Fahrkosten, Handy-Wertkarte, Postgebühren).

Die hierzu gehörte Klägerin machte geltend, es habe dem ausdrücklichen Wunsch des Beigeladenen zu 1) entsprochen, ein freies Mitarbeiterverhältnis zu vereinbaren, welches auf seinem unbedingten Wunsch beruht habe, nach eigenem Gutdünken einzelne ihm angebotene Aufträge der Klägerin annehmen oder ablehnen zu können. So sei es dann für rund ein Jahr tatsächlich gelebt worden, in dem der Beigeladene zu 1) auch angenommene oder schon aufgenommene Aufträge kurzerhand ab- oder unterbrochen habe. Dementsprechend habe der Beigeladene zu 1) Rechnungen als selbständiger Unternehmer gestellt und in einem E-Mail vom 27. Juli 2013 darauf gepocht, selbständig und deshalb berechtigt zu sein, für einen Einsatz selber für eine gleichwertige Ersatzperson suchen zu dürfen. Nach der Annahme eines Einzelauftrags durch den Beigeladenen zu 1) sei er am Zielort frei gewesen, wie er die Gästebetreuung organisiert habe; eine Weisungsgebundenheit nach Ort und Art der Arbeitsleistung habe nicht vorgelegen.

Die Beklagte prüfte intern die Frage der Anwendbarkeit deutschen Rechts und sah laut einem Aktenvermerk vom 4. September 2014 ihre Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 12 VO (EG) 883/04 als gegeben an.

Mit Bescheid vom 5. November 2014 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit vom 28. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 fest. Die Tätigkeit als Reiseleiter sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden. Wesentliche Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) seien die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung, die erfolgsunabhängige Vergütung nach Tagessätzen, die Erstattung von zusätzlichen Kosten, der Nichteinsatz eigenen Kapitals, der ausschließliche Einsatz eigener Arbeitskraft und die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation, die Pflicht zur Abgabe schriftlicher Berichte und die regelmäßige Unterrichtung des Auftraggebers, ferner die Beachtung der Vorgaben des Auftraggebers und das äußere Auftreten als Mitarbeiter der Klägerin. Den Widerspruch der Klägerin vom 4. Dezember 2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2015 zurück.

Die Klägerin hat am 18. März 2015 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat vorgetragen, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im Rahmen der jeweils vereinbarten Aufträge habe sich auf die für einen Reiseleiter üblichen Dinge wie Empfang und Betreuung der Gäste vor Ort, Erläuterung des Programms, Vorstellen und Verkauf von Ausflügen vor Ort, Kontrolle/Überprüfung der Reisebusse/Hotels/Restaurants, ggf. Dokumentation besonderer Vorkommnisse, Prüfung der Reisegutscheine, Nachinkasso, Abhaltung turnusmäßiger Sprechstunden, Entgegennahme von Reklamationen usw. beschränkt. Bei ihren Handlungsanleitungen sei es darum gegangen, einen gewissen Standard der Reisen sicherzustellen und den Reiseleitern eine Hilfestellung zu geben. Dagegen habe weder eine tagtägliche Anwesenheitspflicht noch die Pflicht zur Abhaltung einer täglichen Sprechstunde bestanden und auch keine Pflicht zum Wohnen im Gästehotel. Zutreffend sei, dass der Beigeladene zu 1) gehalten gewesen sei, die ihm zur Verfügung gestellte Dienstkleidung zu tragen, um den Reisegästen das Erkennen zu ermöglichen, tatsächlich habe der Beigeladene zu 1) diese Dienstkleidung aber nur in Ausnahmefällen getragen. Auch sei eine Vertretung des Reiseleiters nur nach Rücksprache mit ihr – der Klägerin – statthaft gewesen, dies liege jedoch ebenfalls in der Natur der Sache und sei von dem Beigeladenen zu 1), wie sein E-Mail vom 27. Juli 2013 zeige, abgelehnt worden. Irgendeine Kontrolle des Beigeladenen zu 1) vor Ort habe nicht stattgefunden und telefonische Nachfragen der zuständigen Sachbearbeitung nur aus gegebenem Anlass. Dem Beigeladenen zu 1) sei es auch nicht verboten gewesen, außerhalb seines Dienstverhältnisses mit der Klägerin den Reisegästen zusätzliche Angebote zu machen, jedoch sei es ihm untersagt worden, als verantwortlicher Reiseleiter der Klägerin solche Zusatzleistungen auf eigene Rechnung anzubieten, da dies als Leistung der Klägerin wahrgenommen worden wäre und ihre Gewährleistungs- und Schadensersatzpflicht begründet hätte. Die fehlende Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in ihren Betrieb zeige sich auch daran, dass dieser kein einziges Mal in ihren Geschäftsräumen in A-Stadt gewesen sei, es habe lediglich ein Vorstellungsgespräch bei einem von ihr beauftragten Partnerunternehmen und ein 2tägiges Reiseleitermeeting Anfang Dezember 2012 in einem Hotel gegeben. Der Beigeladene zu 1) habe zudem bei einigen Aufträgen (Prag, Toskana) einen erheblichen Teil seiner Vergütung erfolgsabhängig verdient durch den sog. "Fakultativ-Verkauf" von Ausflügen und Halbpension; diesen Teil seiner Einnahmen habe er gegenüber der Beklagten verschwiegen.

Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. Maßgeblich sei, dass der Beigeladene zu 1) verpflichtet gewesen sei, den Reisegästen zur Verfügung zu stehen und ständiger Ansprechpartner gewesen sei.

Der Beigeladene zu 1) ist den Ausführungen der Klägerin entgegengetreten. Er habe im Juni 2012 ein Vorstellungsgespräch in D-Stadt geführt, bei dem der dreimonatige Auftrag für Prag (Ende Juni bis September 2012) mündlich bestätigt und die Modalitäten (Vergütung, Abrechnung, Unterkunft) abgeklärt worden seien. Ende Juni 2012 sei er direkt nach Prag gereist. Gegen Ende dieses Einsatzes habe ihm die Klägerin das Angebot gemacht, im Anschluss an Prag rund fünf Wochen in Hamburg (Projekt Hamburg-Sylt-Altes Land) zu arbeiten, was er akzeptiert und von Prag nach Hamburg gereist sei. Nach einer Zeit der Beschäftigungslosigkeit ab dem 25. Oktober 2012 habe er die Tätigkeit für die Klägerin ab dem 29. Januar 2013 an verschiedenen Destinationen (Teneriffa, Cinque Terre) fortgesetzt. Es sei absolut unrichtig, dass die Einsätze auf seinen Wunsch wochenlang unterbrochen gewesen seien. Ebenso wenig habe er Destinationen abgelehnt. Auch sei es unwahr, dass die Aufgaben vor Ort kurzfristig von anderen Ersatzreiseleitern hätten übernommen werden müssen. Richtig sei, dass er mit der Klägerin eine selbständige Tätigkeit vereinbart hatte, tatsächlich sei diese Form der Zusammenarbeit von der Klägerin aber nicht eingehalten worden. Das E-Mail vom 27. Juli 2013 sei aus dem Zusammenhang gerissen, denn die Klägerin habe ihm hier rückwirkend die Beistellung einer Ersatzkraft verweigert, wie sie von ihm gedacht gewesen sei, und damit zu erkennen gegeben, dass sie sich nicht an die Selbständigkeit ihrer Mitarbeiter gebunden sehe. Die Behauptung, es habe keine Kontrollen gegeben, entspreche nicht den Tatsachen. Während der Projekte sei er fast täglich durch eine Mitarbeiterin der Klägerin angerufen worden und in dem Wochenbericht habe fast minutiös angegeben werden müssen, wann, wo und welche Projekte wie lange ausgeübt worden seien. In Zusammenhang mit der Bereitstellung der Busse und der Organisation der Fakultativausflüge habe es Anweisungen der Klägerin gegeben.

Das Sozialgericht hat nach persönlicher Anhörung des Beigeladenen zu 1) mit Urteil vom 19. Dezember 2018 die Klage abgewiesen. Die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) sprächen, seien überwiegend. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) von der eines angestellten Reiseleiters unterschieden habe. Das Programm der Reise sei von der Klägerin vorgegeben gewesen und Aufgabe des Beigeladenen zu 1) sei es lediglich gewesen, die Durchführung sicherzustellen. Aufgrund des straffen Tagesablaufs sei auch nicht ersichtlich, dass der Beigeladene zu 1) seinen Einsatz zeitlich eigenbestimmt hätte planen können. Ein wesentliches Unternehmerrisiko habe er nicht getragen. Mit eigenen Angeboten des Beigeladenen zu 1) sei die Klägerin nicht einverstanden gewesen. Durch den Verkauf der Ausflüge, die auch nur bei einem Teil der Reisen möglich gewesen sei, habe der Beigeladene zu 1) sein Honorar nicht wesentlich steigern können.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 8. Januar 2019 zugestellte Urteil am 8. Februar 2019 Berufung eingelegt.

Die Klägerin trägt ergänzend vor, das Sozialgericht treffe eine fehlerhafte Gewichtung. Der Beigeladene zu 1) sei nicht in ihre Betriebsorganisation eingegliedert gewesen. Er habe im Wesentlichen die Aufgabe der Kundenbetreuung und der Leistungsträger vor Ort gehabt, sei aber an inhaltliche oder qualitative Vorgaben nicht gebunden gewesen. Eine Pflicht zur Leistung in Person habe nicht bestanden. Frequenz und Dauer der Sprechstunden habe der Beigeladene zu 1) nach eigenem Ermessen gestaltet. Die konkreten Vorgaben der Klägerin zur Reiseorganisation (Empfang der Gäste, Info-Veranstaltung, Berichtswesen) hätten die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nur in relativ geringem Umfang zeitlich bestimmt, in erheblichem Maße sei dieser in seiner Zeiteinteilung frei gewesen. Viele Vorgaben würden sich bei einer Pauschalreise, bei der die essentiellen Eckpunkte festgelegt seien, aus der Natur der Sache ergeben, seien aber nicht Ausdruck eines von ihr ausgeübten Weisungsrechts. Das Kriterium des "unternehmerischen Risikos" und des Kapitaleinsatzes sei bei einer Dienstleistungstätigkeit nicht aussagekräftig. Zudem habe der Beigeladene zu 1) durch den Verkauf von Zusatzangeboten sehr wohl ein erhebliches erfolgsabhängiges Honorar erzielt, welches bis zu 2/3 des Zeitentgelts ausgemacht habe.

Im Übrigen sei die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil deutsches Recht vorliegend nicht anwendbar sei. Der Beigeladene sei wohnhaft in der Republik Österreich und übe in mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Tätigkeit im Sinne von Art. 13 VO (EG) 883/04 aus. Die anzuwendenden Rechtsvorschriften seien daher vom zuständigen Träger des Wohnsitzstaates – also Österreich – verbindlich festzustellen, weshalb ein Statusfeststellungsverfahren nach deutschem Recht überhaupt nicht hätte durchgeführt werden dürfen.

Hierauf hat die Beklagte – ohne vorherige Anhörung der Beteiligten – mit an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) gerichteten Bescheid vom 7. November 2019 "den Bescheid vom 5.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2015 dahingehend geändert, dass dem Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für den Zeitraum vom 28.6.2012 bis 23.7.2013 nicht entsprochen" werden könne. Der Beigeladene zu 1) sei österreichischer Staatsbürger und wohnhaft in Österreich. Aufgrund seines Wohnsitzes habe nach Art. 16 VO (EG) 987/09 iVm Art. 13 VO (EG) 883/04 die Rechtszuweisung der Rechtsvorschriften über die Soziale Sicherheit für die Einsätze im Ausland vom zuständigen Wohnsitzträger (Österreich) zu erfolgen. Dieser Bescheid werde gem. § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 26. November 2019 den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Der Beigeladene zu 1) hat gegen den Bescheid vom 7. November 2019 mit bei Gericht am 21. November 2019 eingegangenen Schriftsatz "Einspruch" erhoben und eine Entscheidung des Gerichts in der Sache beantragt. Er hat eine A1-Bescheinigung der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 18. November 2019 für die Beschäftigungszeit vom 27. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 vorgelegt, in dem als "Mitgliedsstaat, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind", Deutschland eingetragen ist. Ferner hat er ein E Mail des Juristischen Fachreferenten der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 21. November 2019 vorgelegt, welcher ausführt, der Beigeladene zu 1) sei bei allen Tätigkeiten durchgehend für einen Dienstgeber mit Sitz in Deutschland tätig geworden, weshalb sich trotz des Wohnsitzes kein Anknüpfungspunkt nach Österreich ergebe. Angesichts dessen – so der Beigeladene zu 1) – sei die Rechtsauffassung der Beklagten rechtsirrig und in der Sache zu entscheiden.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2019 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 2018 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Klage des Beigeladenen zu 1) abzuweisen.

Sie verteidigt die nunmehr getroffene Entscheidung. Die fehlende Anhörung der Beteiligten vor Erlass des Bescheids vom 7. November 2019 schade nicht, da diese im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit der Äußerung hätten.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Klage des Beigeladenen zu 1) abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Zielortreiseleiter bei der Klägerin in der Zeit vom 28. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht bestanden hat.

Sie meint, das Verfahren habe sich mit dem Bescheid der Beklagten vom 7. November 2019, durch den ihre Beschwer weggefallen sei, erledigt. Dieser Bescheid sei nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, sondern müsse von dem Beigeladenen zu 1) in einem neuen Verwaltungsverfahren angefochten werden; insoweit sei nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Nur hilfsweise werde daher darauf hingewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2019 zutreffend sei. Der Beigeladene zu 1) als österreichischer Staatsangehöriger habe die Tätigkeit als Reiseleiter kontinuierlich alternierend in verschiedenen Mitgliedsstaaten ausgeübt und unterfalle damit dem Anwendungsbereich von Art. 13 VO (EG) 883/2004 mit der Folge, dass der Wohnsitzträger in Österreich in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) für die Rechtszuweisung zuständig sei. Die Beklagte hätte vor Erlass des Bescheids vom 5. November 2014 das Verfahren des österreichischen Wohnsitzträgers nach Art. 16 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 abwarten müssen, welches aber nicht durchgeführt worden sei, was zur Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 5. November 2014 führe.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge und haben sich zur Sache nicht weiter geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung des Senats war, Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage des Beigeladenen zu 1) gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2019 ist zulässig und begründet und führt zur Aufhebung dieses Bescheids; denn dieser ist rechtswidrig und verletzt den Beigeladenen zu 1) in seinen Rechten. Die Beklagte war nicht befugt, ihren Statusfeststellungsbescheid vom 5. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2015 aufzuheben und den Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 28. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 abzulehnen. Denn die Beklagte war für die Statusfeststellung in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) nach dem maßgeblichen Recht der EU zuständig und der Bescheid vom 5. November 2014, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in den jeweiligen Zweigen der deutschen Sozialversicherung aufgrund einer für die Klägerin ausgeübten abhängigen Beschäftigung festgestellt hat, ist - abgesehen von einzelnen kürzeren Unterbrechungszeiträumen, in denen der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin tatsächlich nicht beschäftigt war und die der Senat entsprechend korrigiert hat - rechtmäßig. Insoweit erweist sich die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts als im Wesentlichen unbegründet.

Der Beigeladene zu 1) verfolgt sein Begehren richtigerweise mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Denn mit der gerichtlichen Aufhebung dieses Bescheids lebt der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 mit der von dem Beigeladenen zu 1) als zutreffend angesehenen Feststellung einer abhängigen, Sozialversicherungspflicht auslösenden Beschäftigung wieder auf. Über dieses Begehren entscheidet der Senat, da der Bescheid vom 7. November 2019 erst im Berufungsverfahren ergangen ist, auf Klage (§ 96 SGG; hierzu B. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rn. 7).

Der Bescheid vom 7. November 2019 ist auch zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, über den der Senat zu entscheiden hat. Denn es handelt sich im Sinne von § 96 SGG um einen Bescheid, der den ursprünglichen Verwaltungsakt "ersetzt". Ein Ersetzen liegt vor, wenn der neue Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt, er also zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergeht (BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009, B 6 KA 56/08 B). So verhält es sich hier. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 7. November 2019 ihre ursprüngliche Entscheidung zur Statusfeststellung des Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 28. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 aufgehoben und lehnt nunmehr den Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status ab. Damit hat der Bescheid vom 7. November 2019 zwar die Beschwer der Klägerin beseitigt, gleichzeitig aber eine neue Beschwer – diesmal des Beigeladenen zu 1) – geschaffen. Insoweit ist die verfahrensrechtliche Situation nicht vergleichbar mit der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BSG vom 10. Oktober 1978 (7 RAr 65/77), in der das BSG die Anwendbarkeit von § 96 SGG bei einer Abhilfeentscheidung der Behörde verneint hat. Das folgt aus der besonderen verfahrensrechtlichen Situation des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV, in dem im Rahmen eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung (vgl. Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl., § 7a SGB IV) eine rechtsverbindliche Entscheidung im Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitgeber, Beschäftigtem und DRV Bund ergeht. In solchen Streitigkeiten über die Versicherungspflicht ist der jeweils andere Beteiligte im gerichtlichen Verfahren nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen, weil die Entscheidung auch ihm gegenüber notwendig nur einheitlich ergehen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 75 Rn. 10d). Hieraus resultiert gleichzeitig die Rechtsmittelbefugnis des notwendig Beigeladenen, wenn die ergangene Entscheidung ihn materiell beschwert, also der von ihm eingenommenen Rechtsposition zuwiderläuft (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, § 75 Rn. 19 mwN zur Rsprg. des BSG). Das ist der Fall, wenn die von der Beklagten getroffene und von dem Beigeladenen verteidigte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung auf Klage des angeblichen Arbeitgebers durch das Sozialgericht aufgehoben und stattdessen auf selbständige Tätigkeit erkannt wird. Hier findet ein prozessualer Rollentausch statt, in welcher der Beigeladene berechtigt ist, in die Rolle des Rechtsmittelklägers zu rücken, da anderenfalls das Urteil nach § 141 Abs. 1 SGG ihn bindet (Leitherer aaO). Gleiches hat in der hier vorliegenden Konstellation zu gelten, in der im laufenden Berufungsverfahren die Beklagte ihren ursprünglichen – den Beigeladenen zu 1) begünstigenden – Bescheid aufhebt und durch einen Bescheid ersetzt, mit dem sie ihre Zuständigkeit für die begehrte Statusfeststellung verneint. Ginge man dagegen mit der Klägerin davon aus, der Bescheid vom 7. November 2019 sei nicht Verfahrensgegenstand geworden, müsste der Beigeladene zu 1) diesen mit Widerspruch und Klage in einem neuen Verfahren anfechten, obwohl in dem hiesigen Verfahren der gesamte Streitgegenstand geklärt werden kann. Das widerspräche offensichtlich der Prozessökonomie.

Die Klage des Beigeladenen zu 1) gegen den Bescheid vom 7. November 2019 ist fristgerecht erhoben. Im Rahmen der nach § 123 SGG gebotenen Auslegung der Anträge des Beigeladenen zu 1) unterliegt es keinem Zweifel, dass bereits der "Einspruch" des Beigeladenen zu 1) vom 25. November 2019 als Klage anzusehen ist. Damit hat der Beigeladene zu 1) sogar die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 SGG gewahrt, weshalb es keiner weiteren Erörterung bedarf, welche Klagefrist bei einem Bescheid gilt, der nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens wird.

Soweit die Klägerin nach Ergehen des Bescheids vom 7. November 2019 den Rechtsstreit für erledigt erklärt, hat dies keine rechtliche Wirkung. Denn die Klägerin konnte, da der Bescheid vom 7. November 2019 einen Eingriff in die materiell-rechtliche Rechtsposition des Beigeladenen zu 1) darstellt, das gerichtliche Verfahren nicht durch einseitige Erklärung beenden (zur entsprechenden Unwirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vergleichs, der in Rechte Dritter eingreift, vgl. § 57 Abs. 1 SGB X). Die Prozesserklärung der Klägerin ging, da der Beigeladene zu 1) nunmehr Klage führt, vielmehr ins Leere mit der weiteren prozessualen Folge, dass auch die Berufung der Klägerin weiterhin anhängig und vom Senat zu entscheiden ist; denn die Klägerin wollte mit ihrer Erledigungserklärung erkennbar nicht auf ihre prozessualen Rechte als Berufungsführerin gegen den ursprünglichen Bescheid vom 5. November 2014 verzichten.

Die Klage des Beigeladenen zu 1) ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Beigeladenen zu 1) in seinen Rechten. Hierbei kann es dahinstehen, ob der Bescheid vom 7. November 2019 schon deshalb aufzuheben wäre, weil ihn die Beklagte unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Beigeladenen zu 1) erlassen hat (§ 24 SGB X). Denn die Beklagte war auch materiell-rechtlich nicht berechtigt, den Bescheid vom 5. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2015 aufzuheben und den Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für den Zeitraum vom 28. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 abzulehnen. Die Beklagte war für die Entscheidung über den Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zuständig.

Die Zuständigkeit der Beklagten folgt aus dem Kollisionsrecht der Art. 11 bis 13 VO (EG) 883/2004. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist eröffnet, weil der Beigeladene zu 1) als österreichischer Staatsbürger, der die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung in Deutschland begehrt, dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 unterfällt. Art. 11 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 legt sodann den Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften fest, wonach Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Mit diesem Grundsatz sollen die Komplikationen, die sich aus der gleichzeitigen Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten ergeben können, vermieden und die Ungleichbehandlungen ausgeschlossen werden, die für innerhalb der Union zu- und abwandernde Personen aus einer teilweisen oder vollständigen Kumulierung der anwendbaren Rechtsvorschriften folgen würden (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – C-89/16 –, juris Rn. 34 - 36).

Für die Frage des anzuwendenden Rechts kommt sodann dem in Art. 16 VO (EG) 987/2009 festgelegten Verfahren bei der Anwendung von Art. 13 VO (EG) 883/2004 maßgebliche Bedeutung zu. Dieses sieht zusammengefasst vor, dass eine Person, die in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten eine Tätigkeit ausübt, dies der zuständigen Behörde ihres Wohnsitzstaates mitteilt, welcher dann unverzüglich festlegt, welchen Rechtsvorschriften die betreffende Person unterfällt. Diese Festlegung trägt zunächst vorläufigen Charakter, wird jedoch unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 3 endgültig. Zum Nachweis, welches Recht Anwendung findet, erhält der Beschäftigte das Dokument A1. Dem Dokument A1 kommt eine umfassende Bindungswirkung in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht zu, die sich nicht nur auf die Behörden der Sozialverwaltung, sondern auch auf Gerichte erstreckt (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Februar 2000 – Rs. C-202/97, Slg. 2000, I 883, Tz. 46 ff. – Fitzwilliam; vom 26. Januar 2006 – Rs. C-2/05Slg. 2006, I-1079 – Herbosch Kiere). Die Bescheinigung kann ohne Einschränkung der Bindungswirkung auch rückwirkend ausgestellt werden (EuGH, Urteil vom 30. März 2000 – Rs. C-178/97, Slg. 2000, I-2005 – Banks; Urteil vom 6. September 2018 – Rs. C-527/16, NZA 2018, 1253 – Alpenrind). Dabei ist allerdings anhand des konkreten Inhalts des einzelnen Dokuments festzustellen, welche Feststellungen in Bezug auf Rechtsfolgensetzung oder einer Tatbestandswirkung zugänglich sind (vgl. Schlussantrag des Generalanwalts Lenz zur Rs. C- 425/93, Slg. 1995, 269 (271) – Calle Grenzshop; zum Vorstehenden insg. Schreiber in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Art. 12 VO (EG) 883/2004 Rn. 27).

Vorliegend hat die Tiroler Gebietskrankenkasse am 19. November 2019 eine A1-Bescheinigung für die Beschäftigungszeit vom 27. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 ausgestellt, in der als Arbeitgeber die Klägerin und als Mitgliedsstaat, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, Deutschland eingetragen ist. Damit ist nach den obigen Darlegungen auch für den erkennenden Senat verbindlich festgelegt, dass auf das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) im Streitzeitraum deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet. Diese Rechtsverbindlichkeit besteht fort, solange nicht im Verfahren nach Art. 5 Abs. 2 bis 4 VO (EG) 987/2009 der ausstellende Mitgliedsstaat das betreffende Dokument widerruft, was nicht geschehen ist.

Die A 1-Bescheinigung der Tiroler Gebietskrankenkasse ist auch inhaltlich zutreffend. Für den Beigeladenen zu 1) ist deutsches Recht aufgrund der Regelung des Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EG) 883/2004 anzuwenden. Danach gilt:

Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, unterliegt

a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt oder wenn sie bei mehreren Unternehmen oder Arbeitgebern beschäftigt ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, oder

b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen oder der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz hat, sofern sie keinen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeiten in dem Wohnmitgliedstaat ausübt.

Für den Beigeladenen zu 1) war im hier streitigen Zeitraum Buchstabe b) einschlägig. Denn der Beigeladene zu 1) übte eine Beschäftigung (für die Klägerin) "gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten" der Europäischen Union aus, nämlich Tschechien, Deutschland, Italien und Spanien. Dagegen übte er "keinen wesentlichen Teil" seiner Tätigkeit in seinem Wohnsitzland (Österreich) aus; nach seinen glaubhaften Angaben hat der Beigeladene zu 1) im Zeitraum zwischen Juni 2012 und Juli 2013 nur für die Klägerin gearbeitet. Der Beigeladene zu 1) war auch nicht im Sinne von Buchstabe a) "bei mehreren Unternehmen oder Arbeitgebern beschäftigt ( ...), die ihren Sitz oder Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben", sondern ausschließlich bei einem Arbeitgeber, nämlich der Klägerin. Folglich ist nach Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EG) 883/2004 der Sitz der Klägerin maßgebend. Hierbei ist keine Aufsplittung hinsichtlich der einzelnen Beschäftigungszeiten vorzunehmen, sondern die Zuordnung zu den Vorschriften eines Sozialsystems erfolgt einheitlich und so lange, wie das Beschäftigungsverhältnis fortbesteht (EuGH, Urteil vom 23. April 2015 – C-382/13 –, juris Rn. 50 f).

Mithin ist der den Beigeladenen zu 1) beschwerende Bescheid vom 7. November 2019 als rechtswidrig aufzuheben mit der Folge, dass auf die Berufung der Klägerin in der Sache über den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 zu entscheiden ist. Dieser ist im Kern weder verfahrensrechtlich noch materiell-rechtlich zu beanstanden.

Die Auffassung der Klägerin, der Bescheid vom 5. November 2014 sei rechtswidrig, weil die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen, bevor die Anwendbarkeit deutschen Rechts festgestanden habe, trifft nicht zu. Art. 16 VO (EG) enthält keinen Mechanismus dahingehend, dass vor einer Verwaltungsentscheidung (wie vorliegend der Statusfeststellung nach § 7a SGB IV) es zunächst einer rechtsverbindlichen Klärung des anzuwendenden Rechts zwischen den zuständigen Behörden der beteiligten Mitgliedsstaaten bedürfte. Das ergibt sich schon daraus, dass die VO (EG) 987/2004 überhaupt keinen Weg kennt, der im Fall eines Streits zwischen den Behörden der verschiedenen Mitgliedsstaaten eine Einigung sicherstellt (vgl. Art. 16 Abs. 4, Art. 5 Abs. 4 VO (EG) 987/2004). Die Vorschrift des Art. 16 VO (EG) 987/2009 hindert also weder die Beklagte im Rahmen einer Verwaltungsentscheidung noch nachfolgend das Gericht daran, selbst zu bewerten, ob nach Maßgabe von Art. 11 ff VO (EG) 883/2004 das nationale Recht zur Anwendung kommt (EuGH, Urteil vom 6. September 2018 – Rs. C-527/16, NZA 2018, 1253 –, juris Rn. 73). Anders ist dies lediglich dann, wenn sich eine solche Entscheidung in Widerspruch zu der tatsächlichen und rechtlichen Bindungswirkung der von dem zuständigen Träger des Wohnortmitgliedstaats - ggf. auch rückwirkend ausgestellten - A1-Bescheinigung setzt (vgl. hierzu EuGH, aaO Rn. 77), was hier – wie oben dargestellt – nicht der Fall ist, da die Tiroler Gebietskrankenkasse eine A1-Bescheinigung für die Beschäftigungszeit vom 27. Juni 2012 bis 23. Juli 2013 ausgestellt hat, in der als Arbeitgeber die Klägerin und als Mitgliedsstaat, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, Deutschland eingetragen ist.

Der Bescheid vom 5. November 2014 erweist sich auch inhaltlich als rechtmäßig, soweit die Beklagte das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin und daran anknüpfend die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung festgestellt. Allerdings hat die Beklagte hierbei nicht berücksichtigt, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit für die Klägerin im Streitzeitraum nicht durchgehend ausgeübt hat, sondern es einzelne Unterbrechungen gab; insoweit war der Bescheid durch den Senat zu korrigieren.

In den Jahren 2012/2013, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl. zum Ganzen z.B. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 21 Rn. 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rn. 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, also den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15, juris Rn. 25). Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl. BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, Rn. 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R, Rn. 16 – 17; stRsprg).

Die danach vorzunehmende Gesamtschau des zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin geschlossenen Vertrags und seiner tatsächlichen Durchführung führt zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung zu bewerten ist.

Dabei ist für die Beurteilung auf die jeweiligen Einzeleinsätze abzustellen. Zwar war zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) aufgrund des Vorstellungsgesprächs der allgemeinen Rahmen der Reiseleitertätigkeiten (z.B. hinsichtlich der Vergütung oder der organisatorischen Pflichten) bereits festgelegt. Die einzelnen Reiseeinsätze des Beigeladenen zu 1) wurden aber individuell vereinbart. Erst durch die Zusage des Beigeladenen zu 1) im Einzelfall entstand eine rechtliche Verpflichtung, den zugesagten Dienst auch tatsächlich zu leisten. Bei Vertragsgestaltungen dieser Art ist für die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 B 12 R 11/18 R –, juris Rn. 21 mwN).

Zwar sprechen gewisse Umstände für eine freiberufliche Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) hatten einen mündlichen Vertrag geschlossen, nach dessen Inhalt der Beigeladene zu 1) als selbständiger Reiseleiter (Station Manager) für die Klägerin tätig werden sollte. Der Vertrag beinhaltete die Betreuung von Reisegästen der Klägerin im Rahmen verschiedener Reiseangebote (Prag, Hamburg – Altes Land - Sylt, Teneriffa, Cinque Terre). Typische Arbeitnehmerrechte wie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaub waren nicht vorgesehen. Diese Vereinbarungen dokumentieren den Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen.

Diesem Parteiwillen kommt jedoch nur dann indizielle Bedeutung für eine selbständige Tätigkeit zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, juris Rn. 26). Andere Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden, sind demgegenüber bei der Gesamtabwägung ohne eigenständige Bedeutung, weil sie das Fehlen des Status des abhängig Beschäftigten voraussetzen und letztlich nichts weiter beinhalten als eine - bei Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung – unzulässige Abwälzung von Risiken auf den Arbeitnehmer (BSG, aaO. Rn. 27).

Hiervon ausgehend zeigen die tatsächlichen Verhältnisse, welche der Senat in Bezug auf das Auftragsverhältnis des Beigeladenen zu 1) festgestellt hat, ein deutliches Überwiegen solcher Aspekte, die für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in einen von der Klägerin bestimmten Arbeitsprozess sprechen.

Der Beigeladene zu 1) war zunächst in eine von anderer Seite vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert, auch wenn die Tätigkeit nicht in einer Betriebsstätte der Klägerin stattfand. Unter einem Betrieb wird im Arbeitsrecht die organisatorische Einheit verstanden, innerhalb der ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft von Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R –, SozR 3-2400 § 7 Nr 13, juris Rn. 19). Die Klägerin unterhält in diesem Sinne einen Betrieb, da sie Reisedienstleistungen am Markt anbietet und mit den von ihr eingesetzten Mitarbeitern - wie dem Beigeladenen - als eigenes Geschäft für eigene Rechnung ausübt (vgl. hierzu BSG, a.a.O.). Angesichts dessen scheidet eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die betriebliche Organisation der Klägerin nicht deswegen aus, weil dieser ausschließlich an den jeweiligen Reisedestinationen tätig wurde, an denen die Klägerin keine eigenen Standorte unterhielt; es handelt sich um die typische Situation eines Außendienstmitarbeiters.

Für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) spricht maßgeblich der bereits vom Sozialgericht angeführte Umstand, dass sich seine Tätigkeit von der eines angestellten Reiseleiters mit höchstpersönlicher Leistungsverpflichtung nicht erkennbar unterschied.

Die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ist ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Ist der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, so steht ihm ein eigener Gestaltungsspielraum zu, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht. Jedoch ist auch eine solche Gestaltung der vertraglichen Beziehungen zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer nicht in jedem Falle prägend im Sinne einer selbstständigen Tätigkeit, zumal wenn der Auftragnehmer von der Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, niemals Gebrauch macht (BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 38/02 R –, SozR 4-2700 § 2 Nr 1, SozR 4-2400 § 7 Nr 2, Rn. 33).

Den Beigeladenen zu 1) traf zur Überzeugung des Senats eine persönliche Dienstleistungspflicht gegenüber der Klägerin. Eine solche ergab sich aus den mündlich getroffenen Vereinbarungen über die Durchführung der jeweiligen Reisen. Der Beigeladene zu 1) übernahm als "Station Manager" am jeweiligen Zielort die persönliche Betreuung einer Reisegruppe. Er war das "Gesicht" der Klägerin, sicherte die permanente Ansprechbarkeit einer vertrauten Person, verfügte über die erforderlichen organisatorischen Kenntnisse hinsichtlich des konkreten Reiseverlaufs und war insoweit von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Reiseveranstaltung. Die Klägerin ist – wie sie erstinstanzlich selbst vorgetragen hat - davon ausgegangen, dass es dem Beigeladenen zu 1) nur nach vorheriger Gestattung durch die Klägerin erlaubt war, sich vertreten zu lassen. Dies war zur Überzeugung des Senats auch für den Beigeladenen zu 1) die Grundlage der Vertragsbeziehung, und zwar schon deshalb, weil die von ihm übernommene Dienstleistung – z.B. die Reiseleitung über mehrere Monate in Prag – wirtschaftlich nur Sinn machte, wenn er sie selbst ausübte. Vor dem Hintergrund dieses bei Vertragsschluss von beiden Seiten erkennbar vorausgesetzten Vertragsinhalt kann es daher dahinstehen, welche Bedeutung dem E-Mail des Beigeladenen zu 1) vom 27. Juli 2013 (also nach Beendigung des letzten Auftrags) beikommt, in dem dieser geltend machte, zur Stellung einer gleichwertigen Ersatzperson berechtigt zu sein. Tatsächlich war bis dahin die Leistung durch den Beigeladenen zu 1) stets persönlich erbracht worden und dies war Grundlage der Vertragsbeziehung.

Der Beigeladene zu 1) unterlag auch hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit in erheblichem Umfang einem Weisungsrecht der Klägerin. Zwar ergaben sich Arbeitsort und Art der Tätigkeit eines Reiseleiters bereits aus der Natur der Sache. Hinsichtlich der Zeit und der Dauer der Tätigkeit unterlag der Beigeladene zu 1) jedoch Bindungen, die sich aus Vorgaben der Klägerin ergaben. Zwar war er nicht an vorher festgelegte Dienstzeiten gebunden, jedoch war er in ein von der Klägerin vorgegebenes, seine Tätigkeit weitgehend durchstrukturierendes Konzept eingebunden, welche seinen Arbeitstag inhaltlich und zeitlich bestimmte. Das ergibt sich sowohl aus den Schilderungen des Beigeladenen zu 1) über seine Arbeitstage als auch aus den von ihm vorgelegten umfangreichen Handreichungen der Klägerin, in denen diese die Aufgaben und Pflichten des Reiseleiters im Einzelnen beschrieb. Die Aufgaben des Reiseleiters – vom Empfang der Gäste über den Transfer, die Durchführung eines ersten Begrüßungstreffens, den Verkauf weiterer Ausflüge, Beratung und Betreuung der Gäste einschließlich der Verpflichtung zur 24-Stunden-Erreichbarkeit über Mobiltelefon bis zur Abreise – waren darin auf vielen Seiten ebenso detailliert beschrieben (" ...seine Rollen im Detail: komplett und ständig ODER auf keinen Fall ...") wie die aufgelisteten umfassenden Dokumentations- und Berichtspflichten. Aus der Natur der Tätigkeit eines Reiseleiters folgt dabei, dass die Klägerin kein Interesse daran hatte, dass der Reiseleiter (nur) für eine bestimmte, zeitlich festgelegte Anzahl von Stunden am Tag zur Verfügung stand, sondern gefordert war dessen Anwesenheit immer dann, wenn die Betreuung der Reisegäste sicherzustellen war. Insoweit konkretisierte die Klägerin die Anwesenheitspflichten des Beigeladenen zu 1) durch ihre Handlungsanweisungen auf sämtliche Situationen, in denen ein Betreuungsbedarf bestand, und stellte die Erfüllung dieser Verpflichtungen durch ein umfassendes Berichtswesen sicher, aufgrund dessen sie stets über die Erledigung der dem Reiseleiter obliegenden Aufgaben unterrichtet war. Nach der vorgelegten Anleitung der Klägerin ("Was, wann, wohin") hatte der Reiseleiter Tourenberichte (Kontrolle und Dokumentation des Reisebusses), Hotelberichte, Ausflugslisten, Sprechstundenprotokolle, Reklamationsformulare, Sonder- und Zusatzberichte, Fotos und tägliche Tätigkeitsberichte anzufertigen und zu festgelegten Zeitpunkten an die Klägerin zu übersenden. Die so bestimmten Arbeitszeiten des Beigeladenen zu 1) nahmen diese nach seinen nachvollziehbaren Darlegungen in erheblichen zeitlichen Umfang in Anspruch. Auch wenn dies nach Auffassung der Klägerin im Wesentlichen der Qualitätskontrolle diente, war damit gleichzeitig auch eine Kontrolle der Arbeit des Reiseleiters verbunden (z.B. hinsichtlich der regelmäßigen Abhaltung der Sprechstunde, der tatsächlichen Durchführung der Buskontrolle, der aus den Kundenreklamationen erkennbare Erledigung der Kundenwünsche). Die Nichteinhaltung dieser Pflichten wäre zur Überzeugung des Senats von der Klägerin nicht geduldet worden. Von einer tatsächlich im Wesentlichen frei gestalteten Tätigkeit mit selbstbestimmter Arbeitszeit konnte bei dem Beigeladenen zu 1) daher nicht die Rede sein. Es ist nicht zu erkennen, dass einem angestellten Reiseleiter weitergehende Bindungen auferlegt werden müssten, die zur Erreichung der Ziele der Klägerin erforderlich gewesen wären.

Dies wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Beigeladene zu 1) vor Ort keiner unmittelbaren persönlichen Kontrolle durch die Klägerin unterlag. Für die Zwecke der Klägerin war das bestehende Berichtswesen und die daran anknüpfende telefonische Abstimmung mit dem Beigeladenen zu 1) zur Zweckerreichung ausreichend. Der Beigeladene zu 1) hatte den Mitarbeiter/innen der Klägerin in A-Stadt über den Reiseverlauf zu berichten, er erhielt von dort Informationen zu den anstehenden Reisegruppen und zu Details der Reisen und hatte sich für seine Tätigkeit – insb. bei Reklamationen – ihnen gegenüber zu verantworten. Hierbei ist es für den Senat nicht entscheidend, wie oft die Klägerin den Beigeladenen zu 1) kontaktierte. Denn wie oben bereits dargelegt, war die Klägerin über die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) durch das von der Klägerin vorgegebene Berichtswesen jederzeit im Bilde.

Bei seiner Tätigkeit ist der Beigeladene zu 1) auch nicht als selbständiger Reiseleiter, sondern als Mitarbeiter der Klägerin aufgetreten. Maßgeblich ist dabei sein Erscheinungsbild gegenüber den Gästen. Der Beigeladene zu 1) nahm die Gäste als Vertreter der Klägerin in Empfang und identifizierte sich dabei durch entsprechende Kleidungsstücke mit dem Logo der Klägerin. Er wurde im gesamten Reiseverlauf als Vertreter der Klägerin wahrgenommen, an den reisebezogene Fragen, Wünsche und Reklamationen heranzutragen waren.

Der Einwand der Klägerin, der Beigeladene zu 1) sei im Gegensatz zu angestellten Reiseleitern nicht verpflichtet gewesen, ihm angebotene Reisen zu übernehmen, sondern habe dies aus freien Stücken in jedem Einzelfall entschieden, beachtet nicht den bereits oben erwähnten Grundsatz, dass für die Frage, ob eine Dienstleistung als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit zu bewerten ist, die Verhältnisse nach der Übernahme des jeweiligen Auftrags zu beurteilen sind. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist das einzelne angenommene Auftragsverhältnis (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, Rn. 28). Im Fall des Beigeladenen zu 1) waren dies die einzelnen Projekte wie bspw. das Reiseziel Prag ab dem 28. Juni 2012 bis 24. September 2012 oder das nachfolgende Projekt Hamburg – Sylt – Altes Land, da diese Projekte jeweils auf einzelnen Absprachen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) beruhten.

Soweit die Klägerin anführt, der Beigeladene zu 1) habe angenommene oder schon aufgenommene Aufträge kurzerhand ab- oder unterbrochen, ist bereits nicht ersichtlich, welche Schlüsse die Klägerin hieraus in Hinblick auf eine vermeintlich selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) zieht; denn ein solches Verhalten wäre sowohl bei einem Arbeitnehmer als auch bei einem Selbständigen vertragswidrig. Im Übrigen hat die Klägerin diese Behauptung ohne jede Darlegung eines konkreten Sachverhalts in den Raum gestellt und, nachdem der Beigeladene zu 1) dieser Behauptung widersprochen hat, sich dazu nicht mehr geäußert, so dass es für den Senat keinen Anlass gab, dem weiter nachzugehen.

Der Beigeladene zu 1) trug auch kein unternehmerisches Risiko als typisches Zeichen einer selbständigen Tätigkeit. Zwar ist bei reinen Dienstleistungen, die - wie vorliegend - im Wesentlichen nur Know-how sowie Arbeitszeit- und Arbeitsaufwand voraussetzen, unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden und das Fehlen solcher Investitionen damit kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden. Auch die Vereinbarung eines festen Honorars spricht bei einer reinen Dienstleistung nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung. Umgekehrt kann eine Vereinbarung, welche dem Auftragnehmer eine garantierte "risikolose" Vergütung zusichert, nicht als Argument für eine selbständige Tätigkeit herangezogen werden.

Vorliegend erhielt der Beigeladene zu 1) eine leistungsunabhängige Vergütung auf der Basis eines Tagessatzes. Für ihn bestand auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten hätte entscheidend beeinflussen können. Im Kern erhielt er für seine Arbeit risikolos ein fest definiertes Honorar. Da es auch lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko des Beigeladenen zu 1), von der Klägerin keine weiteren Folgeaufträge zu bekommen, für die Frage seines Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant. Er setzte lediglich in geringem Umfang mit Computer und Telefon eigene Betriebsmittel ein. Soweit er daneben Anspruch auf eine Provision von 1 EUR bzw. später auf 0,50 EUR pro verkaufte Zusatzleistung hatte, beinhaltete auch dies kein unternehmerisches Risiko, also den Einsatz von Wagnis oder Kapital mit der Gefahr auch des Verlustes. Vielmehr handelte es sich dabei um eine durch die Klägerin eingeräumte Möglichkeit eines Zusatzverdienstes durch Provision, wie er auch bei vergleichbaren Arbeitnehmern (insbesondere im Vertrieb) zur Steigerung der Leistungsbereitschaft üblich ist. Zu beachten ist dabei, dass die Klägerin zwei unterschiedliche Vergütungssysteme verwandte: Bei Reisen, welche die Möglichkeit beinhalteten, für die Klägerin Zusatzleistungen (etwa in Form von fakultativen Ausflügen oder Halbpension) zu verkaufen, erhielt der Beigeladene zu 1) eine Grundvergütung von 2.500 EUR monatlich und hatte zusätzlich die Möglichkeit, seinen Verdienst durch Provisionen aufzubessern. Bei Reisen, bei denen solche Zusatzleistungen nicht verkauft wurden, zahlte die Klägerin stattdessen eine höhere Grundvergütung von 3.000 EUR monatlich. Die Einräumung einer zusätzlichen Verdienstmöglichkeit durch Provisionszahlungen kompensierte also die bei solchen Reisen niedrigere Grundvergütung und beinhaltete damit im Wesentlichen eine stärker leistungsbezogene Vergütung, die zugleich die Reiseleiter anspornte, nachhaltig für die Zusatzleistungen der Klägerin zu werben. Dieses Vergütungssystem beruhte auch nicht – wie bei einem selbständigen Auftragnehmer zu erwarten – auf freier Vereinbarung der Vertragsparteien, sondern war von der Klägerin vorgegeben, die dieses Vergütungssystem im hier streitgegenständlichen Zeitraum offensichtlich einheitlich bei ihren Reiseleitern anwandte (vgl. die beim Senat anhängigen weiteren Verfahren der Klägerin L 8 BA 41/19 und L 8 BA 43/19) und welches aus Sicht des Senats in erster Linie ihrem eigenen Interesse diente, möglichst viele Zusatzleistungen zu verkaufen. In diesem Rahmen ist auch zu sehen, dass nach dem – von der Klägerin nicht bestrittenen – Vortrag des Beigeladenen zu 1) die Klägerin die Provision während der laufenden Geschäftsbeziehung für die Saison 2013 durch einseitige Erklärung von 1 EUR pro verkaufter Zusatzleistung auf 0,50 EUR herabsetzte.

Angebote auf eigene Rechnung – etwa die Organisation eines weiteren Ausflugs – waren den Reiseleitern, wie sich aus den vorgelegten Handreichungen der Klägerin ergibt, dagegen untersagt. Soweit die Klägerin einwendet, es sei den Reiseleitern gestattet gewesen, außerhalb ihres Dienstverhältnisses mit der Klägerin den Reisegästen zusätzliche Angebote zu machen, verweist sie auf eine rein theoretische Option. Denn der Beigeladene zu 1) hatte die Gäste im Rahmen der bei der Klägerin gebuchten Pauschalreise von ihrer Ankunft bis zur Abreise im Auftrag der Klägerin zu betreuen; er war "rund um die Uhr" der Ansprechpartner der Gäste. Innerhalb dieses durch den Reiseverlauf vorgegebenen Rahmens, der für Zusatzangebote allein in Betracht kam, war es ihm jedoch untersagt, den Reiseteilnehmern Angebote auf eigene Rechnung zu machen.

In der Gesamtschau überwiegen damit die für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) sprechenden Umstände, so dass die Beklagte zu Recht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung im streitigen Zeitraum festgestellt hat.

Allerdings hat die Beklagte diese Feststellung auf den gesamten Zeitraum der von dem Beigeladenen zu 1) angegebene Beschäftigung (vom 28. Juni 2012 bis zum 23. Juli 2013) erstreckt. In den Zeiten zwischen den einzelnen Reiseveranstaltungen bestand zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) jedoch kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis, dieses beschränkte sich jeweils auf den einzelnen Auftrag. Der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2014 war daher aufzuheben, soweit darin Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) auch für die im Tenor aufgeführten festgestellt worden ist, in denen der Beigeladene zu 1) tatsächlich ohne Beschäftigung war. Zudem ergibt sich aus den von der Klägerin im Berufungsverfahren noch vorgelegten Originalrechnungen des Beigeladenen zu 1), dass dieser nicht bereits ab dem 28. Juni 2012, sondern erst ab dem 1. Juli 2012 für seine Tätigkeit als Reiseleiter in Prag abrechnete, so dass vorher kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 1 und 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt den Teilerfolg der Klägerin. Die Beklagte hat die Kosten des Beigeladenen im Berufungsverfahren zu tragen, da dieser mit seiner Klage gegen den Bescheid vom 9. November 2019 obsiegt. Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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