L 5 KR 123/15 ZVW

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 323/11 (SG Lübeck)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 123/15 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es bleibt offen, ob auch für den Kostenerstattungstatbestand der nicht rechtzeitigen Leistungsmöglichkeit der Krankenkasse bei medizinischer Unaufschiebbarkeit der Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) zwischen der nicht rechtzeitigen Leistungserbringung und der Entstehung der Kostenlast auf Seiten des Versicherten ein Kausalzusammenhang vorliegen muss, mit der Folge, dass ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch bei bereits im Zeitpunkt der Beantragung der Leistung gegebenen Vorfestlegung des Versicherten auf die Inanspruchnahme der begehrten Therapie entfiele.

2. Zum Begriff der Unaufschiebbarkeit der Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V.
Norm(en): SGB V § 13 Abs. 3
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. September 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für alle Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für eine Protonentherapie zur Behandlung der metastasierten Krebserkrankung ihres mittlerweile verstorbenen Ehemannes.

Die Klägerin war Ehefrau und ist Sonderrechtsnachfolgerin ihres als Mitglied der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Ehemannes M K , der am 2015 infolge seiner Krebserkrankung verstorben ist. Bei dem Ehemann der Klägerin wurde im Jahr 2003 ein Nierenzellkarzinom diagnostiziert, woraufhin die Niere operativ entfernt wurde. Im Jahr 2005 wurden bei dem Ehemann der Klägerin erneut Tumore festgestellt, woraufhin im Juni jenes Jahres die Resektion einer von Metastasen befallenen Rippe durchgeführt wurde. Im Mai 2008 unterzog sich der Ehemann mehreren Teilresektionen aufgrund von beidseitig aufgetretenen Lungenmetastasen, in deren Folge er sich auch Chemotherapien unterziehen musste. Im Oktober 2009 mussten das Zwerchfell und Teile des Herzbeutels aufgrund der metastasierenden Tumorerkrankung entfernt werden. Seit Juli 2010 zeigten sich bei dem Ehemann der Klägerin erneut Metastasen in dem rechten Lungenflügel, die ein erhebliches aggressives Wachstum aufwiesen, dazu traten Lymphknotenmetastasen. Ein Ansprechen auf chemotherapeutische Pharmazeutika war nicht mehr auszumachen.

Am 10. Januar 2011 fragte der Ehemann der Klägerin daraufhin bei dem Rinecker Proton Therapy Center (RPTC) die Möglichkeit nach, bei ihm eine Protonentherapie durchführen zu können, bei welcher Teilchenbeschleuniger Tumore mit aus Wasserstoff gewonnenen Protonen beschießen. Die Protonentherapie soll Tumore zielgenauer und mit einer höheren Wirkdosis bestrahlen können, dies bei geringerer Schädigung des umliegenden Gewebes als das bei herkömmlicher Röntgenbestrahlung im Rahmen der Photonentherapie der Fall wäre. Am 11. Januar 2011 setzte der Ehemann der Klägerin die Beklagte von seiner Kontaktaufnahme zum RPTC in Kenntnis und teilte mit, nach Behandlungszusage und Mitteilung der entstehenden Kosten werde er einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Am 2. Februar 2011 übersandte er der Beklagten einen Kostenvoranschlag der Chirurgischen Klinik Rinecker GmbH & Co. KG als Trägerin des RPTC (RPTC-Trägerin) über 18.978,45 EUR. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern, der in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 8. Februar 2011 ausführte, dass bislang nicht durch klinische Studien belegt sei, dass die Protonentherapie gegenüber der anerkannten Hochpräzisionsbestrahlung mit Photonen einen Behandlungsvorteil biete. Dem Ehemann der Klägerin sei daher zu empfehlen, im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz abklären zu lassen, ob – bei ggf. bestehender Inoperabilität – mit vertretbarer Toxizität eine Photonenbestrahlung durchgeführt werden könne. Daraufhin lehnte die Beklagte die von dem Kläger begehrte Kostenübernahme für die Protonentherapie am RPTC mit Bescheid vom 11. Februar 2011 ab.

Bereits am 4. Februar 2011 hatte der Kläger an die RPTC-Trägerin – wie von dieser gefordert – den Betrag von 18.978,45 EUR vorschussweise gezahlt und am 8. Februar 2011 einen Flug nach M gebucht, um sich dort im RPTC vorzustellen. Am 14. Februar 2011 legte der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 11. Februar 2011 Widerspruch ein, flog am 16. Februar 2011 nach M und ließ dort im RPTC am 17. Februar 2011 eine vorbereitende Computertomographie (CT) durchführen. Anschließend reiste der Kläger nach Schleswig-Holstein zurück und wurde vom 18. bis zum 21. Februar 2011 stationär in der Lungenklinik in G wegen blutigem Auswurf behandelt. Durch eine dort durchgeführte Bronchoskopie konnte eine Tumorinfiltration der Lunge, eine frische Blutungsquelle und endobronchiales Fremdgewebe ausgeschlossen werden. Das dort gefertigte Thoraxbild zeigte keinen therapiebedürftigen Befund. Die Protonenbehandlung im RPTC begann am 8. März 2011 und erstreckte sich bis zum 28. März 2011. Eine stationäre Aufnahme des Ehemannes der Klägerin im RPTC erfolgte nicht, der Ehemann der Klägerin wohnte vorübergehend im Gästehaus des RPTC und ansonsten in einer privat angemieteten Wohnung in M. Infolge der Protonenbehandlung zeigte sich anlässlich einer Nachuntersuchung im RPTC im Juni 2011 eine teilweise Rückbildung der Metastasen. In den folgenden zwei Jahren zeigte sich der Ehemann der Klägerin metastasenfrei, bis im April 2013 ein erneuter Progress der pleuralen Metastasen einsetzte.

Die Beklagte holte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ein erneutes Gutachten des MDK Bayern ein. In der vom 22. Februar 2011 datierenden Stellungnahme führte ein Dr. G S aus, dass er auch vor dem Hintergrund der im Widerspruchsverfahren von dem Kläger zahlreich vorgelegten Befundunterlagen eine medizinische Notwendigkeit der Protonenbehandlung nicht zu erkennen vermöge. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2011, der dem Ehemann der Klägerin am 5. Mai 2011 zuging, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Bereits unter dem 31. März 2011 hatte die RPTC-Trägerin dem Ehemann der Klägerin die durchgeführte Protonentherapie unter der Bezeichnung "FPGKV100" zu dem Betrag von 18.978,45 EUR in Rechnung gestellt, die der Kläger bereits mit seiner Vorschusszahlung vom 4. Februar 2011 beglichen hatte.

Die am 6. Juni 2011 von dem Kläger vor dem Sozialgericht Lübeck angestrengte Klage ist erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 18. September 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch des Ehemannes der Klägerin bestehe mangels Ursachenzusammenhang zwischen dessen Kostenbelastung auf der einen und einer rechtswidrigen Leistungsablehnung durch die Beklagte auf der anderen Seite nicht. Der Ehemann der Klägerin habe die Entscheidung der Beklagten vom 11. Februar 2011 nicht abgewartet, sondern sich davon unabhängig für die strittige Behandlung entschieden. Das folge daraus, dass der Ehemann der Klägerin bereits am 4. Februar 2011 den gesamten Rechnungsbetrag für die Behandlung überwiesen habe. Nicht der Beginn der Behandlung sei allein ausschlaggebend, sondern vielmehr die Möglichkeit der Krankenkasse, das weitere Geschehen noch beeinflussen zu können. Sei diese Möglichkeit nicht mehr gegeben, liege die notwendige Kausalität zwischen rechtswidriger Leistungsablehnung und der Kostenlast des Versicherten nicht vor. Der insoweit im Rahmen des Verfahrens vor dem Sozialgericht von dem Ehemann der Klägerin vorgebrachte Einwand, durch seine Vorauszahlung vom 4. Februar 2011 seien die weiteren Schritte nicht endgültig vorgezeichnet und festgelegt gewesen und er hätte seine Zahlung vor Beginn der Behandlung zurückfordern können, überzeuge nicht und erscheine als lediglich hypothetische Möglichkeit. Denn bereits aus dem vom 11. Januar 2011 datierenden, an die Beklagte gerichteten Schreiben des Ehemanns der Klägerin werde dessen Absicht deutlich, die Protonentherapie im RPTC jedenfalls durchführen zu lassen. Selbst wenn jedoch der gesetzliche Beschaffungsweg eingehalten worden wäre und der notwendige Kausalzusammenhang bestünde, könne der Ehemann der Klägerin mit einem Anspruch auf Kostenerstattung nicht durchdringen, weil die Rechnung der RPTC-Trägerin nicht spezifiziert sei. Schließlich würde die Kostenerstattung auch daran scheitern, dass nach den überzeugenden Gutachten des MDK kein Sachleistungsanspruch auf die Protonenbehandlung bestanden hätte.

Die gegen dieses, den Prozessbevollmächtigten des Ehemannes der Klägerin am 26. Oktober 2012 zugestellte Urteil am 23. November 2012 zum Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhobene Berufung ist zunächst erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 16. Januar 2014 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Ehemann der Klägerin die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erfüllt habe. Die Behandlung sei zum einen nicht unaufschiebbar gewesen, denn es habe, wie der Zeitablauf belege, kein Notfall vorgelegen. Dem Ehemann der Klägerin seien zum anderen auch keine Behandlungskosten wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten entstanden, weil er sich bereits zuvor auf die Behandlung durch das RPTC festgelegt habe. Außerdem habe die RPTC-Trägerin keinen rechtswirksamen Vergütungsanspruch gegen den Ehemann der Klägerin erlangt, weil diese keine mit der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) konforme Rechnung gestellt habe. Hiernach könne dahingestellt bleiben, ob die in Anspruch genommene Protonentherapie dem Qualitätsgebot entspreche. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das LSG in seinem Urteil vom 16. Januar 2014 die Revision zugelassen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Ehemannes der Klägerin am 17. Februar 2014 zugestellte Urteil des LSG hat dieser am 12. März 2014 Revision beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Auf die Revision hat das BSG das Urteil vom 16. Januar 2014 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Zur Begründung führte hat das BSG ausgeführt, dass das LSG zwar zu Recht festgestellt habe, dass dem Ehemann der Klägerin kein Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V zustehe, weil der verstorbene Ehemann bereits vor Erlass des Bescheides vom 11. Februar 2011 zur Durchführung der Protonentherapie im RPTC entschlossen gewesen sei. Das LSG habe es aber in rechtlich zu beanstandender Art und Weise unterlassen, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, um ersehen zu können, ob dem Ehemann der Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch wegen eines Unvermögens der Beklagten zur rechtzeitigen Leistungserbringung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V zugestanden habe. Soweit das LSG einen solchen Anspruch unter Verweis darauf verneint habe, dass ein medizinischer Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht vorgelegen habe, sei dies rechtsfehlerhaft. Denn an die Unaufschiebbarkeit der Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V seien geringere Anforderungen zu stellen als an die – extreme – Dringlichkeit im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Eine Unaufschiebbarkeit in vorgenanntem Sinne liege bereits vor, wenn dem Versicherten ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar sei, weil beispielsweise der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten könne oder weil die gegenwärtige Schmerzintensität ein weiteres Abwarten nicht zulasse. Unaufschiebbar könne daher auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange warte, bis die Leistung zwingend erbracht werden müsse, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass der Versicherte die benötigte Behandlung noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters erhalte. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedürfe und die Entscheidung der Krankenkasse nicht absehbar sei. Aufgrund der Komplexität der Protonentherapie einschließlich notwendiger Vorbereitungs- und Planungsmaßnahmen könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein weiteres Zuwarten im Zeitpunkt der Leistung der Vorauszahlung und der Buchung des Fluges nach M aufgrund des seinerzeitigen Gesundheitszustandes des Ehemanns der Klägerin nicht zumutbar war, weil sich die ärztliche Behandlung anderenfalls derart verzögert hätte, dass der erstrebte Erfolg der Protonentherapie nicht mehr erreichbar gewesen wäre. Sollte eine Unaufschiebbarkeit der Leistung in diesem Sinne zu bejahen sein, läge es dann besonders nahe, auch die Notwendigkeit der Protonentherapie im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts anzunehmen, wenn andere erfolgversprechende und kurative Behandlungsmöglichkeiten nicht (mehr) zur Verfügung gestanden haben sollten. Unzutreffend sei auch die Annahme des LSG, der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch scheitere wegen der nicht gegebenen GOÄ-Konformität der Rechnung vom 2. Februar bzw. 31. März 2011. Denn da Leistungserbringer vorliegend weder ein Arzt noch eine Mehrheit von Ärzten gewesen sei (sondern vielmehr die RPTC-Trägerin), finde die GOÄ keine Anwendung. Im Falle einer teilstationären Leistungserbringung sei die RPTC-Trägerin möglicherweise verpflichtet gewesen, eine Rechnung nach Maßgabe des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG), des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und der normenvertraglichen Regelungen zu stellen. Möglich sei insoweit aber auch, dass das RPTC vom Versorgungsauftrag für Strahlentherapie in Bayern ausgenommen gewesen sei. Diese Fragen seien mangels diesbezüglicher Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beantworten.

Der Senat hat nach Zurückverweisung des Rechtsstreits eine Reihe von Befund- und Behandlungsberichten der den Ehemann der Klägerin behandelt habenden Ärzte eingeholt, so insbesondere von dem Hämatologen und Onkologen Dr. med. K V aus H und von dem Chefarzt für Thoraxchirurgie der Lungenklinik in G Dr. med. C K , ferner ist auch versucht worden, einen Bericht von dem Internisten Dr. med. SA aus R einzuholen, dessen Praxisnachfolger Befundberichte der Medizinischen Klinik des Krankenhauses R vom 7. August 2015, des Ärztlichen Direktors des RPTC, Prof. Dr. M H , vom 11. April 2011 und des Onkologen Dr. med. E M aus R vom 18. Mai 2011 übersandt haben. Daneben hat sich der Senat mit Schreiben vom 9. März und 7. Juni 2018 an das RPTC gewandt, um zu erfragen, in welchem Zeitraum die Protonentherapie bei dem Ehemann der Klägerin habe erfolgen müssen, um den Behandlungserfolg zu gewährleisten, über welche Spanne sich der Zeitraum zwischen Terminvergabe und Therapiebeginn erstreckt habe und ob im Falle der Terminabsprache erst nach dem 11. Februar 2011 eine Verzögerung der Therapie im Vergleich zu den tatsächlichen Geschehensabläufen eingetreten wäre und ob eine etwaige Verzögerung Auswirkungen auf den Therapieerfolg gehabt hätte. Auf die Antwortschreiben des RPTC vom 26. März und 5. Juli 2018 wird wegen näherer Einzelheiten Bezug genommen. Des weiteren hat der Senat von Amts wegen zu dem bei dem Ehemann der Klägerin Anfang des Jahres 2011 gegebenen Krankheitsbild, zu dessen akutem Gesundheitszustand zwischen dem 4. und 8. Februar 2011, zu der Dringlichkeit der in Anspruch genommenen Protonentherapie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung, zu der medizinischen Zumutbarkeit eines Zuwartens über den 8. Februar 2011 hinaus sowie zu dem Grund für den Zeitablauf zwischen Eingangsuntersuchung des Ehemannes der Klägerin im RPTC am 17. Februar 2011 und dem Beginn der Protonentherapie am 8. März 2011 ein schriftliches medizinisches Sachverständigengutachten des Chefarztes der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Nephrologie des F -E -Krankenhauses N , des Dr. med. S MA , eingeholt. In seinem Gutachten vom 7. November 2018 gelangt der Sachverständige zusammenfassend zu der Einschätzung, dass sich der Ehemann der Klägerin im Zeitraum ab dem 16. Februar 2011 in einem guten Allgemeinzustand befunden habe, er insbesondere schmerzfrei gewesen sei und auch sonst keine Symptomatik der Krebserkrankung bestanden habe. Allerdings sei die Krankheit seinerzeit nicht mehr heilbar gewesen, weshalb auch die Protonentherapie allein einer Symptomkontrolle hätte dienen können. Weder am 8. Februar 2011 noch im Zeitpunkt der Durchführung der Protonentherapie am RPTC sei die Behandlung derart dringlich gewesen, dass nicht auch noch ein nennenswerter Aufschub zumutbar gewesen wäre. Eine Gefährdung des Behandlungserfolges hätte auch bei weiterem Zuwarten nicht bestanden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverständigengutachtens vom 7. November 2018 wird auf dieses Bezug genommen.

Die Klägerin ist den Ausführungen des Sachverständigen Dr. MA entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass ihrem Ehemann die Protonentherapie als letzte Hoffnung erschienen sei, nachdem er Ende des Jahres 2010 von seinem Onkologen die Nachricht erhalten habe, dass er austherapiert sei bzw. weitere Behandlungsansätze nicht zur Verfügung stünden, und auch der ihn behandelnde Strahlenfacharzt aufgrund der Schwere der Nebenwirkungen von einer Photonenbestrahlung Abstand genommen hätte. Zudem habe man von Seiten der Lungenfachklinik erklärt, dass die Ende 2010 diagnostizierten Tumore an Herz, Herzbeutel und Zwerchfell inoperabel seien. Dass der Sachverständige Dr. MA einen guten Allgemeinzustand ihres verstorbenen Ehemannes für Februar 2011 attestiere, lasse sich anhand der vorliegenden Befunde nicht objektivieren. Dass der Sachverständige ein weiteres Zuwarten als medizinisch unbedenklich einstufe, widerspreche den Ausführungen des Dr. H vom RPTC in seinem Schreiben vom 26. März 2018, wonach die Protonentherapie möglichst rasch habe begonnen werden müssen, um Gefäßinfiltrationen in das Mediastinum und in Thoraxwand zu vermeiden und möglichen tödlich verlaufenden Blutungen vorzubeugen. Schließlich enthalte das Sachverständigengutachten keine Ausführungen dazu, welche anderenfalls womöglich eingetretenen Komplikationen durch die Protonentherapie bzw. ihre Durchführung im März 2011 vermieden worden seien.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat zu denselben Fragen, die auch dem Sachverständigen Dr. MA gestellt worden sind – allerdings ergänzt um die Frage, ob es durch ein weiteres Abwarten der Entscheidung der Beklagten über den Leistungsantrag des Ehemannes der Klägerin vom 2. Februar 2011 und infolge einer mithin später durchgeführten Protonentherapie im RPTC zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ehemannes der Klägerin bzw. zu weiteren Symptomausbildungen bei diesem gekommen wäre –, ein schriftliches Sachverständigengutachten der Oberärztin in der Klinik für Partikeltherapie des am Universitätsklinikum E angesiedelten Westdeutschen Protonenzentrums Dr. med. F G eingeholt. In ihrem Gutachten vom 18. November 2019 gelangt die Sachverständige zusammenfassend zu der Einschätzung, dass das ab dem 18. Februar 2011 aufgetretene Blutspucken (Hämoptysen) seine Ursache in einer Metastase mit direktem Kontakt zum Unterlappenbronchus, die durch die am 17. Februar 2011 im RPTC durchgeführte CT sichtbar geworden war, gehabt haben dürfte. Da zudem progrediente thorakale Metastasen festgestellt worden seien, habe ab dem 18. Februar 2011 eine Indikation zur zeitnahen Protonenbestrahlung bestanden, um ggf. lebensbedrohliche weitere Hämoptysen auszuschließen. Ein weiterer Therapieaufschub sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als zumutbar anzusehen. Am 8. Februar 2011 aber sei dem Ehemann der Klägerin ein weiteres Abwarten für einen kurzen, begrenzten Zeitraum zumutbar gewesen, da zu jenem Zeitpunkt keine Symptomatik der Krebserkrankung bestanden habe.

Die Klägerin hat in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren im wesentlichen vorgetragen, dass ihrem Ehemann in dem Zeitpunkt, in dem er auf das RPTC und die dort angebotene Protonentherapie aufmerksam geworden sei, eine andere, herkömmliche Behandlungsmethode nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Dies bestätigten neben dem Befund- und Behandlungsbericht des Dr. med. V vom 9. August 2016 auch die bereits zuvor vorgelegen habenden Arztberichte des Dr. M vom 18. Mai 2011 und des Prof. Dr. med. HA aus der Strahlentherapiepraxis H vom 18. August 2010. Dass zudem der Beginn der Protonenbehandlung nach Durchführung der Eingangsuntersuchung im RPTC mit Anfertigung der CT am 17. Februar 2011 dringlich gewesen sei, ergebe sich aus den eingeholten Stellungnahmen des Prof. Dr. H vom RPTC. Der von ihr weiterverfolgte Kostenerstattungsanspruch scheitere auch nicht daran, dass sich ihr Ehemann keiner rechtswirksamen Forderung durch die RPTC-Trägerin ausgesetzt gesehen habe. Ein vom BSG für möglich erachteter Verstoß gegen öffentlich-rechtliches Preisrecht sei nicht auszumachen, da das KHEntgG schon deshalb nicht eingreife, weil ihr Ehemann im RPTC nicht stationär, sondern ambulant behandelt worden sei. Die von der RPTC-Trägerin geltend gemachte Vergütungsforderung entspreche dem Rahmenvertrag zur Versorgung mit Protonentherapie, den die RPTC-Trägerin am 4. Februar 2005 mit dem BKK Landesverband Bayern geschlossen habe, sowie der am selben Tag geschlossenen Vergütungsvereinbarung (Anlage 1 zu dem vorgenannten Rahmenvertrag). Diesem Vertrag sei seinerzeit auch die BKK Gesundheit beigetreten, die zum 1. Januar 2012 mit der Beklagten fusioniert worden sei. Damit sei die Beklagte umfassend in die Pflichten der BKK Gesundheit eingetreten. Zwar habe die Beklagte den Rahmenvertrag mit Schreiben vom 20. Juni 2012 gekündigt, diese Kündigung wirke jedoch erst zum 31. März 2013.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. September 2012 sowie den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin – 18.978,45 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens hat die Beklagte im wesentlichen vorgebracht, dass sich aus den eingeholten Befund- und Behandlungsunterlagen kein Hinweis darauf ergebe, dass der Ehemann der Klägerin Anfang Februar 2011 nicht noch die wenigen Tage bis zu ihrer, der Beklagten, Entscheidung über den Leistungsantrag vom 2. Februar 2011 hätte abwarten können, bevor er sich darauf festlegte, die Protonenbehandlung im RPTC jedenfalls durchzuführen. Dass sich dadurch die Durchführung der Protonentherapie um wenige Tage verzögert hätte, wäre angesichts der damaligen gesundheitlichen Situation des Ehemannes der Klägerin völlig bedeutungslos gewesen. Soweit die Ärzte des RPTC in ihrem Schreiben vom 26. März 2018 behaupten, dass sich die Durchführung der Protonentherapie für den Ehemann der Klägerin bei einem weiteren Zuwarten von wenigen Tagen um vier bis sechs Wochen verzögert hätte, sei dies nicht nachvollziehbar und widerspreche zudem den eigenen Angaben des RPTC auf dessen Homepage im Internet. Dort sei nämlich ausgeführt, dass sich die Reihenfolge der Behandlungen nach dem Eingang des Anfragebogens richte, den der Ehemann der Klägerin aber bereits im Januar 2011 dort eingesandt habe. Auf der Homepage des RPTC sei weiter ausgeführt, dass in der Regel eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Wochen vor Beginn der Behandlung vergehe. Daher hätte die Behandlung des Ehemannes der Klägerin auch dann ohne weiteres am 8. März 2011 begonnen werden können, wenn der Ehemann der Klägerin den Bescheid vom 11. Februar 2011 abgewartet hätte. Im übrigen lasse sich aus den eingeholten Befund- und Behandlungsunterlagen gerade nicht entnehmen, dass eine konventionelle Therapieoption für den Ehemann der Klägerin Anfang des Jahres 2011 nicht mehr bestanden habe. So habe Dr. med. V ausdrücklich ausgeführt, dass weitere medikamentöse Behandlungsoptionen bestanden hätten, so mit Interferon-Interleukin und mittels der 5 FU-Therapie. Auch hätte nach den dortigen Darlegungen noch weiter abgeklärt werden müssen, ob nicht eine konventionelle Strahlentherapie ebenso effektiv gewesen wäre wie die durchgeführte Protonenbestrahlung. Dies sei letztlich aber rechtlich nicht erheblich, da der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch bereits an den formalen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V scheitere. Schließlich könne die Klägerin aus der Fusion der Beklagten mit der BKK Gesundheit zum 1. Januar 2012 nichts für sich Positives herleiten, insbesondere könne die im März 2011 erfolgte Protonenbehandlung des Ehemannes der Klägerin nicht quasi rückwirkend dem Rahmenvertrag zur Versorgung mit Protonentherapie unterfallen.

Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. Mai 2020 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, die Beklagte hat mit Schreiben vom 22. Mai 2020 das gleichlautende Einverständnis erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von der Beklagten geführten Verwaltungsakte sowie der drei Bände Gerichtsakten, die dem Senat sämtlich vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil beide Beteiligte zuvor ihr diesbezügliches Einverständnis schriftlich erklärt hatten.

2. Die Berufung ist zulässig. Durch die Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Bundessozialgericht (BSG) an das Landessozialgericht nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG wird kein neues Berufungsverfahren eröffnet, sondern das ursprüngliche Berufungsverfahren – unter einem neuen Aktenzeichen – wiedereröffnet (Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 170 Rn. 9), so dass es hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen auf das ursprüngliche – am 23. November 2012 eingeleitete – Berufungsverfahren ankommt. Diese Berufung ist form- und fristgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt die maßgebliche Wertgrenze von 750,00 EUR nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG deutlich.

Dass während der Anhängigkeit des Rechtsstreits beim BSG ein Beteiligtenwechsel von dem verstorbenen Ehemann der Klägerin als ursprünglichem Kläger auf seine Ehefrau als aktuelle Klägerin stattgefunden hat, ist prozessual unproblematisch. Bei der Klägerin als Ehefrau des ursprünglichen Klägers handelt es sich um dessen Sonderrechtsnachfolgerin im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I); das BSG sieht gegen die Krankenkasse geltend gemachte Kostenerstattungsansprüche im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V als Ansprüche auf laufende Geldleistungen im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I an (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 1/06 R, BSGE 97, 112 ff.). In einem solchen Fall stellt der Beteiligtenwechsel keine subjektive Klagänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 und 2 SGG dar, sondern führt allein zu einer von Amts wegen durchzuführenden Berichtigung des Rubrums, das dann den Sonderrechtsnachfolger als Kläger auszuweisen hat (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juni 2013, B 13 R 19/10 R, Breith. 2014, 337 ff.).

3. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit dem Urteil vom 18. September 2012 – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG in seinem zurückverweisenden Urteil vom 8. September 2015 – zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Kostenerstattungsanspruch in Höhe der von dem Kläger für die vom 8. bis zum 28. März 2011 durchgeführte Protonentherapie im RPTC aufgewendeten Kosten von 18.978,45 EUR zu.

a) Mangels Abgabe einer auf grundsätzliche Kostenerstattung anstelle der Inanspruchnahme von Sach- oder Dienstleistungen bezogenen Wahlerklärung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB V durch den verstorbenen Ehemann der Klägerin kommt als Anspruchsgrundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V lautet: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Ein Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung durch die Krankenkasse (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V) steht der Klägerin gegen die Beklagte nicht zu. Das BSG hat in seinem zurückverweisenden Urteil vom 8. September 2015 festgestellt, dass der Senat in seinem aufgehobenen Urteil vom 16. Januar 2014 in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen solchen Erstattungsanspruch verneint hat, weil der Ehemann der Klägerin bereits vor der mit Bescheid vom 11. Februar 2011 erfolgten Ablehnung des Antrages vom 2. Februar 2011 unter allen Umständen entschlossen war, sich die vom RPTC angebotene Protonentherapie zu verschaffen. Dies hat der Senat nach den Ausführungen des BSG in dem zurückverweisenden Urteil rechtsfehlerfrei insbesondere aus der vollständigen Begleichung der Vorschussrechnung am 4. Februar 2011 sowie aus der Buchung des Fluges nach M am 8. Februar 2011 (und daneben noch aus telefonischen Aussagen der Klägerin am 2. Februar 2011 sowie ihres verstorbenen Ehemannes am 11. Februar 2011, jeweils gegenüber dem Sachbearbeiter der Beklagten) gefolgert. Diese rechtliche Bewertung hat der Senat seiner erneuten Entscheidung zugrundezulegen (§ 170 Abs. 5 SGG).

b) Aber auch ein Anspruch auf Kostenerstattung deshalb, weil die Beklagte die in Anspruch genommene Protonentherapie als unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB V), muss hier ausscheiden. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht darauf an, ob es dem Versicherten – aus medizinischen oder anderen Gründen – nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, im zurückverweisenden Urteil vom 8. September 2015, B 1 KR 14/14 R). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern ein medizinischer Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung im Sinne des § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V kann daher gerade auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (BSG, a.a.O.).

Dabei kann der Senat hier dahinstehen lassen, ob auch für die Tatbestandsalternative der nicht rechtzeitigen Leistungsmöglichkeit der Krankenkasse wegen Unaufschiebbarkeit der begehrten und erforderlichen Behandlung (§ 13 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB V) das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen der nicht rechtzeitigen Leistung und der auf Seiten des Versicherten entstehenden Kostenlast besteht, mit der Folge, dass eine Vorfestlegung des Versicherten auf Inanspruchnahme der konkreten Behandlung auch einem solchen Kostenerstattungsanspruch entgegenstünde. Würde man einen Kausalzusammenhang für erforderlich halten, wäre der entscheidende Zeitpunkt vorliegend spätestens der 8. Februar 2011, an dem der Ehemann der Klägerin den Flug nach M buchte und sich damit nach außen erkennbar auf die Durchführung der Protonentherapie am RPTC festlegte. Bereits vor diesem Zeitpunkt hätte eine Unaufschiebbarkeit der Behandlung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V vorgelegen haben müssen, um von einem Erstattungsanspruch ausgehen zu können. Würde man für den Fall der nicht rechtzeitigen Leistung der Krankenkasse hingegen keinen Kausalzusammenhang als erforderlich ansehen, liefe der maßgebliche Zeitraum, innerhalb dessen eine Unaufschiebbarkeit der Protonenbehandlung im RPTC eingetreten sein müsste, bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides vom 11. Februar 2011 gegenüber dem Ehemann der Klägerin (vgl. § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Denn nur bis zu diesem Zeitpunkt ist der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V überhaupt eröffnet. Die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides gegenüber dem Ehemann der Klägerin muss spätestens am 14. Februar 2011 erfolgt sein, denn an jenem Tag erhob der Ehemann der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid, woraus zu schließen ist, dass der Bescheid ihm an jenem Tag bereits bekannt war.

Zur Unaufschiebbarkeit der Protonenbehandlung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V hat der Senat nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens weitere Ermittlungen angestellt und insbesondere auch zwei Sachverständigengutachten eingeholt (wobei das zeitlich spätere Gutachten der Dr. med. G auf Antrag der Klägerin in Auftrag gegeben wurde). Der Sachverständige MA legt in seinem Gutachten vom 7. November 2018 dar, dass ein weiteres Zuwarten dem Ehemann der Klägerin auch über den 8. Februar 2011 hinaus ohne weiteres zumutbar gewesen sei, da Sinn und Zweck der Protonenbehandlung nicht mehr die Heilung der metastasierten Krebserkrankung gewesen sei bzw. habe sein können (seit dem Auftreten pulmonaler Metastasen im Mai 2008 habe keine Aussicht mehr auf Heilung bestanden), sondern lediglich noch eine Symptomkontrolle. Symptome hätten bei dem Ehemann der Klägerin am 16. Februar 2011 anlässlich einer Erstuntersuchung im RPTC aber nicht festgestellt werden können, zudem sei er schmerzfrei gewesen. Eine Veranlassung zur sofortigen Durchführung der Protonentherapie, wie sie die im RPTC tätige Prof. Dr. B in ihrer Stellungnahme vom 3. Mai 2016 beschrieben habe, habe daher tatsächlich nicht bestanden. Soweit der ebenfalls im RPTC tätige Prof. Dr. H in seiner Stellungnahme vom 23. März 2018 die Dringlichkeit eines zeitnahen Beginns der Protonentherapie mit dem Tumorprogress und der medizinischen Notwendigkeit begründet habe, weitere Gefäßinfiltrationen ins Mediastinum/Herz und Thoraxwand zu vermeiden und so evt. tödlich verlaufenden Blutungen vorzubeugen, so sei dies spekulativ. Ob dieser Einschätzung vor dem Hintergrund, dass es am Tag nach Durchführung der Eingangs-CT im RPTC und Rückkehr des Ehemannes der Klägerin nach R – am 18. Februar 2011 – tatsächlich zu Blutspucken bei dem Ehemann der Klägerin und daraufhin zu stationärer Aufnahme in der Lungenklinik in G kam, vollumfänglich gefolgt werden kann, bedarf keiner Vertiefung. Denn auch die Sachverständige G bewertet vor dem Hintergrund, dass sich durch die am 17. Februar 2011 im RPTC durchgeführte CT eine Metastase mit unmittelbarem Kontakt zum Unterlappenbronchus gezeigt habe und es sich – nach Ansicht der Sachverständigen – bei dem tags darauf aufgetretenen Blutspucken um ein dringend therapiebedürftiges Symptom der Lungenmetastasen gehandelt habe, die Durchführung der Protonentherapie erst ab dem 18. Februar 2011 als unaufschiebbar.

Demnach liegen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB V – selbst unter Vornahme einer zugunsten der Klägerin erfolgenden günstigsten Bewertungen des Sachverhalts – hier nicht vor. Die günstigste Bewertung hinsichtlich des für eine Unaufschiebbarkeit der Protonenbehandlung maßgeblichen Zeitpunkts stellt ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides der Beklagten gegenüber dem Ehemann der Klägerin dar, mithin ein Abstellen auf den 14. Februar 2011. Dies entspräche im übrigen auch der Zugangsfiktionsregelung in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, sollte der Bescheid noch am 11. Februar 2011 auf den Postweg an den Ehemann der Klägerin gelangt sein. Dabei bliebe die zuvor erfolgte Vorfestlegung auf die Durchführung der Protonentherapie im RPTC vollständig außer Betracht. Die günstigste medizinische Beurteilung hinsichtlich einer Unaufschiebbarkeit der Protonenbehandlung stellt die sachverständige Aussage der Dr. G dar, die von einer Unaufschiebbarkeit ab dem 18. Februar 2011 ausgeht. Dabei führt die Sachverständige indes auch ausdrücklich aus (Beantwortung der Beweisfrage zu 4. auf Seite 4 ihres Gutachtens), dass dem Ehemann der Klägerin bei am 8. Februar 2011 fehlender (Schmerz-) Symptomatik der Metastasen ein Abwarten für einen kurzen begrenzten Zeitraum über den 8. Februar 2011 hinaus zumutbar war. In jedem Fall aber bestand eine medizinische Unaufschiebbarkeit der Protonenbehandlung nicht vor dem Zeitpunkt, in dem dem Ehemann der Klägerin gegenüber der Ablehnungsbescheid vom 11. Februar 2011 wirksam wurde – und mithin auch nicht in dem von dem BSG in seinem zurückverweisenden Urteil vom 8. September 2015 (a.a.O.) insoweit als maßgeblich benannten Zeitpunkt, in dem der Ehemann der Klägerin die Vorauszahlung leistete und den Flug nach M buchte (also am 4. bzw. 8. Februar 2011). Der Tatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V ist daher vorliegend nicht erfüllt.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 8. September 2015 (a.a.O.), wonach eine Unaufschiebbarkeit im Sinne der Vorschrift auch aus organisatorischen Umständen folgen kann, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. Insoweit treffen die Darlegungen der Beklagten im Schriftsatz vom 13. April 2018 zu, in denen unter Verweis auf – im Ausdruck vorgelegte – Ausführungen auf der Homepage des RPTC vorgetragen worden ist, dass sich die Behandlungsreihenfolge im RPTC grundsätzlich nach dem Datum des Eingangs des Anfragebogens richtet, der von dem Ehemann der Klägerin bereits im Januar 2011 anlässlich seines Erstkontakts mit dem RPTC dorthin gesandt wurde. Weiter ist auf der Homepage des RPTC ausgeführt, dass regelmäßig eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Wochen bis zum Beginn der eigentlichen Protonenbestrahlung verstreicht, dass aber dringende Fälle vorgezogen werden, so dass in solchen Fällen in der Regel ein Behandlungsbeginn nach einer Woche vorgenommen werden könne. Angesichts dieser vom RPTC selbst veröffentlichten Aussagen kann unproblematisch davon ausgegangen werden, dass, auch wenn der Ehemann der Klägerin den Erhalt des Bescheides der Beklagten vom 11. Februar 2011 abgewartet hätte (also bei einem Zuwarten bis spätestens zum 14. Februar 2011), die Protonentherapie am 8. März 2011 hätte begonnen werden können – also zu dem Zeitpunkt, zu dem sie auch tatsächlich begonnen wurde. Dies gilt umso mehr, als die Ärzte des RPTC nach ihren Stellungnahmen im wiedereröffneten Berufungsverfahren selbst von einer dringlichen Indikation des Beginns der Protonenbestrahlung ausgingen. Demgegenüber ist die Aussage des Prof. Dr. H in seiner Stellungnahme vom 26. März 2018, wonach der Beginn des Therapiekonzepts erst nach dem 11. Februar 2011 zu einer um vier bis sechs Wochen verzögerten Durchführung der Protonenbehandlung geführt hätte, nicht im Ansatz nachzuvollziehen. Gerade wenn man berücksichtigt, dass in dringenden Fällen der Beginn der Protonenbestrahlung regelhaft innerhalb von einer Woche ab Beginn des Vollzugs des Therapiekonzepts (mithin ab Vornahme der Eingangs-CT im RPTC) gewährleistet werden soll, dürfte auf der Hand liegen, dass es tatsächlich zu keinem späteren als dem tatsächlichen Beginn der Bestrahlung gekommen wäre, wenn der Ehemann der Klägerin sich erst am 14. Februar 2011 oder zeitnah darauf dazu entschlossen hätte, die Protonentherapie am RPTC durchführen zu lassen. Denn zwischen dem Eintritt der medizinischen Unaufschiebbarkeit am 18. Februar 2011 und dem tatsächlichen Bestrahlungsbeginn lagen 18 Tage, mithin ein Zeitraum von zweieinhalb Wochen. Dies entspricht der vom RPTC angegeben durchschnittlichen Regelvorlaufzeit für Behandlungsfälle, in denen keine besondere Dringlichkeit ersichtlich ist. Auch aus therapieplanerischen Gründen kann eine Unaufschiebbarkeit der Protonenbehandlung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V in dem insoweit relevanten Zeitraum, der sich längstens bis zum 14. Februar 2011 erstreckt, daher nicht angenommen werden. Ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V muss damit insgesamt ausscheiden.

c) Weil mithin bereits wegen des Nichtvorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V als einziger für das klägerische Begehren in Betracht kommender Anspruchsgrundlage feststeht, dass das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat und die Berufung somit keinen Erfolg haben kann, sind Ausführungen zu den weiteren Fragestellungen, zu denen nach dem zurückverweisenden Urteil des BSG vom 8. September 2015 (a.a.O.) in dem Fall, dass ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V grundsätzlich in Betracht gekommen wäre, noch weitere Ermittlungen hätten angestellt und Feststellungen hätten getroffen werden müssen, nicht veranlasst. Das betrifft zum einen die Frage nach dem Bestehen eines auf Zurverfügungstellung der in Anspruch genommenen Protonentherapie gerichteten Sachleistungsanspruchs des Ehemannes der Klägerin, der allenfalls nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, NJW 2006, 891 ff.) und der nachgehenden Entscheidungen des BSG (insbesondere: Urteil vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R, NZS 2007, 534 ff.) hätte bestehen können. Zum anderen erübrigen sich Ausführungen dazu, ob dem Kostenerstattungsanspruch (auch) entgegensteht, dass der Ehemann der Klägerin keinem rechtswirksamen Vergütungsanspruch des RPTC ausgesetzt war (vgl. zu dieser Anforderung: BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 25/06 R, NZS 2008, 147 ff.; Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 2/08 R, a.a.O.).

4. Die auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beruhende Kostenentscheidung bezieht sich auf die der Klägerin bzw. ihrem Rechtsvorgänger während des gesamten Rechtsstreit entstandenen außergerichtlichen Kosten, mithin auch auf die im Zusammenhang mit der Durchführung des Revisionsverfahrens ausgelösten Kosten. Hier entspricht es der Billigkeit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin nicht – auch nicht teilweise – der Beklagten zu überbürden. Dies gilt trotz des Umstands, dass die Klägerin mit ihrer Revision im Sinne der Aufhebung des ersten Berufungsurteils vom 16. Januar 2014 und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an den Senat erfolgreich war. Denn es erschiene unbillig, den letztlich erfolgreichen beklagten Beteiligten mit Kosten des Revisionsverfahrens zu belasten, obgleich der Erfolg des klägerischen Revisionsantrags nicht der Beklagten zuzurechnen ist.

5. Gründe, die nach § 160 Abs. 2 SGG zur Zulassung der Revision berechtigen würden, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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