L 3 AL 67/18

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 8 AL 192/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 67/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 26/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze für die Ermittlung der Höhe eines Insolvenzgeldanspruches bestehen nicht (Bestätigung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 25. Juli 2019 - L 3 AL 72/18 -).
2. Die Festsetzung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung als Leistungsbemessungsgrenze durch den Bundesgesetzgeber verstößt nicht gegen Europarecht (Bestätigung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 25. Juli 2019 - L 3 AL 72/18 -).
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Februar 2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wehrt sich gegen ihre Verurteilung, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. September 2008 Insolvenzgeld zu bewilligen.

Der 1970 geborene Kläger war seit dem 1. November 2004 bei der Z ... Y ... GmbH & Co. OHG (Arbeitgeberin) mit einem Grundgehalt in Höhe von zuletzt monatlich 6.300,00 EUR brutto beschäftigt.

Mit Aufhebungsvertrag vom 25. August 2008 beendeten der Kläger und seine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. September 2008 gegen Zahlung einer Abfindung. In Nummer 9 des Vertrages wurde eine Regelung zur Zahlung des arbeitsvertraglich geschuldeten Bonus für das Geschäftsjahr 2007/2008 getroffen. Dort heißt es: "Der Bonus für das laufende Geschäftsjahr 2007/2008 wird zum Abrechnungstermin im Monat Januar 2009 ausbezahlt. Dafür wird die Zielerreichung für die individuellen Ziele zum Beschäftigungsende bewertet. Der Gesamtzielerreichungsgrad wird nach dem Ende des laufenden Geschäftsjahres bewertet."

Die Arbeitgeberin zahlte das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses. Zur Auszahlung des Bonus, der im Januar 2009 hätte abgerechnet werden müssen, kam es wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Arbeitgeberin nicht. Wegen der ausstehenden Bonuszahlung erhob der Kläger Klage zum Arbeitsgericht Y ... (Az ...).

Am 1. April 2009 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts X ... (Az ...) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet.

Am 18. Mai 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Insolvenzgeld und machte geltend, zwar die geschuldeten monatlichen Arbeitsentgelte, nicht aber die Bonuszahlung erhalten zu haben. Diese unterfalle zu 3/12 der Insolvenzgeldzahlung. Es ergebe sich ein Betrag von dreimal 1.587,40 EUR brutto.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Nach § 183 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) könne Insolvenzgeld lediglich in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet werden, das sich ergebe, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert werde. Nach Überprüfung durch den Insolvenzverwalter stehe dem Kläger jedoch infolge der bereits im Austrittsmonat voll ausgeschöpften Beitragsbemessungsgrenze kein Anspruch auf Insolvenzgeld zu.

Den Widerspruch vom 17. November 2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2010 zurück. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III bestehe ein Anspruch auf Insolvenzgeld, soweit für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt offen seien. Insolvenzereignis sei hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht X ... am 1. April 2009. Der Kläger sei bereits ab dem 1. Oktober 2008 nicht mehr bei dieser Arbeitgeberin beschäftigt; das Arbeitsverhältnis habe am 30. September 2008 geendet. Damit ende der Insolvenzgeldzeitraum auch am 30. September 2008. Zwar sei von einem formellen Anspruch aus dem Jahr 2008 auf eine zusätzliche Zahlung, von der Arbeitgeberin als Bonus bezeichnet, auszugehen. Soweit diese Zahlung als Grundlage für die Bewilligung von Insolvenzgeld in Betracht komme, müsse sie aber der Beitragsbemessungsgrenze zugeordnet werden. Nach den vorliegenden Unterlagen und Mitteilungen des Insolvenzverwalters habe der Kläger ein Arbeitsentgelt erhalten, mit dem bereits die Beitragsbemessungsgrenze erreicht worden sei. Zusätzliche Entgeltansprüche könnten damit nicht zur Bewilligung von Insolvenzgeld führen.

Auf die Klage vom 23. Februar 2010 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 28. Februar 2018 den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. September 2008 Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe mit Verzinsung zu zahlen. Der Insolvenzgeldzeitraum erstrecke sich vom 1. Juli 2008 bis zum 30. September 2008. Für diesen Zeitraum habe der Kläger das geschuldete monatliche Arbeitsentgelt (Grundgehalt) ausschließlich der geschuldeten Bonuszahlung erhalten. Die jährliche Bonuszahlung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 betrage 19.048,80 EUR. Sie vergüte in besonderer Weise die Arbeitsleistung und sei dementsprechend als anteiliges Arbeitsentgelt, das zu einem einmaligen Zeitpunkt ausgezahlt werde, anzusehen. Sie sei daher, auf die einzelnen Monate verteilt, zu gleichen Bruchteilen bei der Insolvenzgeldzahlung zu berücksichtigen. Unerheblich sei, dass das von der Arbeitgeberin gezahlte Grundgehalt bereits die Beitragsbemessungsgrenze erreiche. Als Insolvenzgeld versichert sei nach der gesetzgeberischen Zielsetzung das ausgefallene Arbeitsentgelt, um das es dem Kläger hier auch gehe. Dem Kläger stehe Insolvenzgeld vom 1. Juli 2008 bis zum 30. September 2008 in Höhe des monatlichen Nettoarbeitsentgeltes aus der Bonuszahlung von 1.587,40 EUR brutto monatlich zu. Dass der Kläger zwischenzeitlich eine Abschlagszahlung aus dem Insolvenzverfahren in Höhe von 4.966,03 EUR erhalten und eine Forderung von insgesamt 19.253,64 EUR angemeldet habe, stehe dem nicht entgegen. Gemäß § 169 SGB III gehe der Arbeitsentgeltanspruch mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über, die im Insolvenzverfahren ihre Forderung anmelden oder durchsetzen könne. Eine Erfüllungswirkung habe die Abschlagszahlung nicht.

Gegen das ihr am 29. März 2018 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 23. April 2018. Wenn, wie im Falle des Klägers, das vollständig abgerechnete und ausgezahlte monatliche Arbeitsentgelt bereits die Beitragsbemessungsgrenze überschreite, bestehe kein Anspruch auf Insolvenzgeld. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 4. März 2004 in der Sache Castellani (Az. C-19/01, C-50/01, C-84/01). Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Berufungsvorbringen der Beklagten insbesondere den Schriftsatz vom 18. Juni 2018 verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die von der Beklagten geäußerte Auffassung zur Tragweite des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 4. März 2004 für unzutreffend. Die für das Insolvenzgeld maßgebende Beitragsbemessungsgrenze sei gerade nicht dahin auszulegen, dass sie das insgesamt an den Arbeitnehmer im Insolvenzgeldzeitraum zu zahlende Arbeitsentgelt erfasse und – soweit die Beitragsmessungsgrenze damit erreicht oder überschritten worden sei – jeglicher Insolvenzgeldanspruch entfalle. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 10. Juli 2018 Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2010 sind rechtmäßig. Der Kläger hat gemäß § 183 Abs. 1 SGB III (in der hier maßgebenden, vom 12. Dezember 2006 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung von Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 [BGBl. I S. 2742]; im Folgenden a. F.) keinen Anspruch auf Insolvenzgeld.

1. Nach § 183 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a. F. hatten Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hatten.

Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers dem Grunde nach vor. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen seiner damaligen Arbeitgeberin wurde am 1. April 2009 eröffnet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete am 30. September 2008 und er hatte für die vorausgehenden drei Monate, das heißt für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 30. September 2008 (Insolvenzgeldzeitraum) gegenüber seiner Arbeitgeberin noch offene Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Der Kläger hatte die mit seiner Arbeitgeberin vereinbarte Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2007/2008, auf die er zeitanteilig einen Anspruch in Höhe von 19.048,00 EUR (brutto) abzüglich bereits im Rahmen der Abschlagsverteilung erhaltener 4966,03 EUR, mithin 14.052,77 EUR, hatte, nicht erhalten. Nach der weiten Begriffsbestimmung des § 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III a. F. gehören zum Arbeitsentgelt alle Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 8. September 2010 – B 11 AL 34/09 RBSGE 106, 290 ff. – SozR 4-4300 § 183 Nr. 13 = juris, jeweils Rdnr. 14 m. w. N.; BSG, Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 21/12 RBSGE 115, 190 ff. – SozR 4-4300 § 185 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 15) und somit auch die Bonuszahlung.

Wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, ist diese grundsätzlich zeitanteilig, das heißt mit einem Betrag von 1.587,00 EUR je Monat, dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es für die Zuordnung nicht auf die Fälligkeit des Entgeltanspruchs an, sondern darauf, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 1976 – 7 RAr 136/75BSGE 43, 49 ff. = SozR 4100 § 141b Nr.2 = juris Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 25. Juni 2002 – B 11 AL 90/01 RBSGE 89, 289 ff. = SozR 3-4100 § 141b Nr. 24 = juris Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 12/08 RBSGE 103, 142 ff. = SozR 4-4300 § 184 Nr. 1 = juris Rdnr 13; BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O., Rdnr. 16). Maßgebend ist hiernach, ob es sich um eine Gegenleistung für im Insolvenzgeldzeitraum geleistete Dienste handelt. Dafür ist auf den arbeitsrechtlichen Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 2009 – B 11 AL 8/08 RBSGE 102, 303 ff. = SozR 4-4300 § 183 Nr. 10 = juris Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O.). Bei Einmalzahlungen wie Jahressonderzahlungen ist zu differenzieren. Wenn es sich um eine Vergütung für die in der Vergangenheit erbrachte Arbeitsleistung (sog. "aufgestautes Arbeitsentgelt") handelt, begründet dies einen Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe des auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallenden Anteils (also in der Regel 3/12 des Jahresbetrags), und zwar auch dann, wenn die Insolvenz schon vor der Fälligkeit des Gesamtanspruchs eingetreten ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10. September 1987 – 10 RAr 10/86BSGE 62, 131 ff. = SozR 4100 § 141b Nr. 40 = juris Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O. = juris Rdnr. 17).

Ausgehend von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, insbesondere der Regelung in Nummer 9 des Aufhebungsvertrages, ergibt sich hiernach ein zeitanteiliger Anspruch des Klägers auf den Bonus für das Geschäftsjahr 2007/2008 in Höhe von 1/12 für jeden vollen Monat des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses.

2. Allerdings kann die Frage, ob und in welcher Höhe die zuletzt noch offene Bonuszahlung auf den Insolvenzgeldzeitraum zu verteilen ist, offen bleiben. Denn entgegen der Auffassung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil hat der Kläger keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, da er von seiner Arbeitgeberin für den Insolvenzgeldzeitraum bereits Arbeitsentgelt erhalten hat, welches das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt übersteigt.

a) Nach § 185 Abs. 1 SGB III (in der hier maßgebenden, vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung von Artikel 1 Nr. 99 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]; im Folgenden a. F.) wurde Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes geleistet, das sich ergab, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge vermindert wurde. Beitragsmessungsgrenze ist nach § 341 Abs. 4 SGB III die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. Dieses wird gemäß § 160 Nr. 2 i. V. m. § 159 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) jährlich von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung für die Zeit ab dem 1. Januar des folgenden Jahres festgesetzt. Für das Beitrittsgebiet gilt hierbei gemäß § 228a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in Verbindung mit der Tabelle in Anlage 2a eine besondere Beitragsbemessungsgrenze. Im Jahr 2008 betrug die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) monatlich 4.500,00 EUR.

b) Ausgehend von dieser Beitragsbemessungsgrenze war das Bruttoarbeitsentgelt hierauf zu begrenzen und um die gesetzlichen Abzüge zu mindern. Der von der Insolvenz betroffene Arbeitnehmer kann nur die Zahlung der Nettoarbeitsentgelte verlangen, die sich aus dem Bruttoarbeitsentgelt, das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist, ergeben.

Vorliegend lag das erhaltene Arbeitsentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, so dass sich kein weiterer Anspruch auf Insolvenzgeld ergibt. Insoweit hat auch der Insolvenzverwalter zu Recht unter Verweis auf das ausgezahlte Einkommen von der Ausstellung einer Insolvenzgeldbescheinigung nach § 314 Abs. 1 Abs. 1 SGB III (in der hier maßgebenden, vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung von Artikel 1 Nr. 179 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) abgesehen und lediglich eine Insolvenzgeldbescheinigung in der Form einer "Negativbescheinigung" erstellt. Aufgrund der Begrenzung des in die Berechnung einzustellenden ersatzfähigen Arbeitsentgelts auf die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 341 Abs. 4 SGB III reicht es entgegen der Auffassung des Klägers für einen Anspruch auf Insolvenzgeld nicht aus, dass lediglich das ausgefallene Arbeitsentgelt unterhalb der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze liegt und die bereits für den Insolvenzgeldzeitraum von Seiten der Arbeitgeberin erfolgte Zahlungen von Arbeitsentgelt, die hier bereits die Beitragsbemessungsgrenze überschritten hatten, unbeachtlich bleiben.

3. Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze bestehen, wie der Senat bereits im Urteil vom 25. Juli 2019 (Az. L 3 AL 72/18, ZInsO 2019, 2539 ff. = InsbürO 2020, 137 = juris Rdnr. 29 f.) ausgeführt hat, nicht. Die umlagefinanzierte Insolvenzversicherung dient dem Schutz des Arbeitsentgeltanspruchs der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und ersetzt als Sozialleistung im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers den Anspruch des Arbeitnehmers auf im Insolvenzzeitraum tatsächlich erarbeitetes Arbeitsentgelt grundsätzlich in Höhe des Nettoarbeitsentgelts, so wie es auch der Arbeitgeber hätte zahlen müssen (vgl. Kühl, Brand/Düe/Hassel/Karmanski/Kühl, SGB III [8. Aufl., 2018], § 165 Rdnr. 3). Das Bruttoarbeitsentgelt ist mit Wirkung vom 1. Januar 2004 im Rahmen des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) wie andere Lohnersatzleistungen auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung (vgl. § 341 Abs. 4 SGB III i. V. m. § 275c SGB VI) als Leistungsbemessungsgrenze begrenzt worden (vgl. E. Schneider, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2. Aufl., 2019], § 167 Rdnr. 2). Zur Begründung der Änderung des § 185 SGB III führte der Gesetzgeber im Gesetzesentwurf vom 5. September 2003 (vgl. BT-Drs. 15/1515, S. 89 [zu Nr. 99]) aus, dass nach geltendem Recht Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes ohne beitragsmäßige Begrenzung, das heißt auch für sehr hohe Nettoarbeitsentgelte, gezahlt werde. Das erscheine auch im Hinblick auf das starke Ansteigen der Ausgaben für das Insolvenzgeld nicht mehr vertretbar. Das Recht der Europäischen Union ermächtige die Mitgliedsstaaten, die Leistungen bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu begrenzen. Von dieser Möglichkeit solle Gebrauch gemacht und das der Berechnung des Insolvenzgeldes zugrunde zu legende Arbeitsentgelt (Bruttoarbeitsentgelt) auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze begrenzt werden (vgl. auch Hess. LSG, Urteil vom 29. Oktober 2012 – L 9 AL 196/10NZS 2013, 275 = juris Rdnr. 28).

Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und der Ausgestaltung von Sozialleistungen ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Sächs. LSG, Urteil vom 24. Mai 2012 – L 3 AS 208/11 – juris Rdnr. 40 und Sächs. LSG, Urteil vom 15. Januar 2015 – L 3 AL 30/13 – juris Rdnr. 35; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 21. September 2017 – L 3 AL 211/15 – juris Rdnr. 39, m. w. N.). Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten zu entscheiden, in welcher Weise er die Ausgestaltung von Sozialleistungen regelt, und diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an denen er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Willkürlich handelt er nicht bereits dann, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählt. Dem Gesetzgeber steht mithin ein Spielraum zu, zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er bei welchen steuerfinanzierten Sozialleistungen eine Selbsthilfeobliegenheit sowie eine sie ergänzende Handlungsbefugnis des Sozialleistungsträgers schaffen will (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019 – L 3 AS 476/17 –juris Rdnr. 83). Insoweit verstößt die Begrenzung der Höhe des Insolvenzgeldes nach § 185 Abs. 1 SGB III a. F. auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 Abs. 1 GG.

4. Weiter hat der erkennende Senat im Urteil vom 25. Juli 2019 (a. a. O., Rdnr. 31 f.) ausgeführt, dass die Festsetzung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung als Leistungsbemessungsgrenze durch den Bundesgesetzgeber auch nicht gegen Europarecht verstößt (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 25. Juli 2019, a. a. O., Rdnr. 31 f.; so auch BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O., Rdnr. 31; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: 08/18], § 167 Rdnr. 8; E. Schneider, a. a. O. Rdnr. 9, Kühl, a. a. O., § 165 Rdnr. 3). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch Artikel 4 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283 S. 36) eine Begrenzung der Leistungen bei Zahlungsunfähigkeit auf einen Höchstbetrag ausdrücklich vorsieht (so auch Schmidt, jurisPR-SozR 25/2004 Anm. 2 Buchst. D). Nach Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94/EG können die Mitgliedstaaten die in Artikel 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen. Nach Artikel 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/94/EG können sie Höchstgrenzen für die von der Garantieeinrichtung zu leistenden Zahlungen festsetzen. Diese Höchstgrenzen dürfen eine mit der sozialen Zielsetzung dieser Richtlinie zu vereinbarende soziale Schwelle nicht unterschreiten.

Abweichendes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 4. März 2004 – C-19/01 [Castellani] – SozR 4-6084 Art. 3 Nr. 2 = juris) zur Begrenzung der Zahlungspflichten der Garantieeinrichtung und zum Abzug geleisteter Abschlagszahlungen. Nach nochmaliger Prüfung hält der Senat an seiner Rechtsprechung im Urteil vom 25. Juli 2019 (a. a. O., Rdnr. 32) fest.

Ausgangspunkt für das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. März 2004 waren Vorlagebeschlüsse von drei italienischen Gerichten. Der Gerichtshof legte die Vorlagefragen dahingehend aus, "dass mit ihnen im Kern danach gefragt wird, ob die Artikel 3 Absatz 1 und 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Richtlinie [80/987/EWG] dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat erlauben, die Zahlungsverpflichtung der Garantieeinrichtungen auf einen Betrag zu begrenzen, der den notwendigen Lebensunterhalt der betroffenen Arbeitnehmer deckt und von dem die Zahlungen abgezogen werden, die der Arbeitgeber während des von der Garantie erfassten Zeitraums geleistet hat." (Anm. 32). Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283 vom 28.10.1980, S. 23-27) trafen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 der Richtlinie Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betrafen, sicherstellten. Diese Regelung entspricht wörtlich derjenigen in Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94/EG. Nach Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Richtlinie 80/987/EWG konnten die Mitgliedstaaten, um die Zahlung von Beträgen zu vermeiden, die über die soziale Zweckbestimmung dieser Richtlinie hinausgingen, für die Garantie der Erfüllung unbefriedigter Ansprüche der Arbeitnehmer eine Höchstgrenze festsetzen. Dem entsprechen – nur sprachlich anderes gefasst – die Regelungen in Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 der der Richtlinie 2008/94/EG.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass es einem Mitgliedsstaat nicht erlaubt sei, die Zahlungspflichten der Garantieeinrichtungen auf einen Betrag zu begrenzen, der den notwendigen Lebensunterhalt der Betroffenen deckt und von dem die Zahlungen abgezogen werden, die der Arbeitgeber während von der Garantie erfassten Zeitraums geleistet hat (vgl. EuGH, a. a. O., Leitsatz Ziffer 1). Zur Begründung führte er aus, dass die Mitgliedstaaten zwar für die Garantie nicht erfüllter Ansprüche eine Höchstgrenze festsetzen dürften, jedoch bis zu dieser Höchstgrenze die Befriedigung aller in Rede stehenden nicht erfüllten Ansprüche gewährleisten müssten (Anm. 36). Vorauszahlungen, die die betreffenden Arbeitnehmer auf ihre den Garantiezeitraum betreffenden Ansprüche erhalten hätten, seien von diesen abzuziehen, um zu bestimmen, inwieweit die Ansprüche unerfüllt geblieben sind (Anm. 37).

Soweit sich die Klägerbevollmächtigte für ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des Bundessozialgericht vom 11. März 2014 bezieht, ist einerseits festzustellen, dass nach der Sachverhaltsdarstellung im dortigen Fall zwar ein Monatsgehalt bei 6.000,00 EUR lag und damit die Beitragsbemessungsgrenze von 5.250,00 EUR überstieg (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O., Rdnr. 2 und 19), dass Gegenstand der Entscheidung und der Rechtsauführungen aber die Frage war, ob Grundlage für die Berechnung eines Insolvenzgeldanspruches die Höhe der monatlichen Betragsbemessungsgrenze oder ein einheitlicher Begrenzungsbetrag für den gesamten Insolvenzgeldzeitraum in Höhe der Summe der monatlichen Betragsbemessungsgrenzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O., Rdnr. 19 ff.). Das Bundessozialgericht hat auf eine monatsweise Berechnung des Insolvenzgeldanspruchs abgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O., Rdnr. 20) und diese Rechtsauslegung als europarechtskonform erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O., Rdnr. 31). Diesbezüglich hat es ausgeführt, dass die Richtlinie 2008/94/EG sowohl eine zeitliche als auch eine summenmäßige Begrenzung des garantierten Arbeitsentgelts zulasse (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O.). Hinsichtlich der Höhe des einem Arbeitnehmer maximal pro Monat zustehenden Insolvenzgeldanspruchs bestehe der europarechtlich vorgegebene Maßstab in der Einhaltung der sozialen Zweckbestimmung der Richtlinie. Diese liege nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darin, den betroffenen Arbeitnehmern durch die Befriedigung nicht erfüllter Ansprüche auf Arbeitsentgelt für einen bestimmten Zeitraum einen gemeinschaftsrechtlichen Mindestschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu garantieren. Durch eine Begrenzung der Garantieleistung auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze werde der gesetzgeberische Gestaltungsrahmen ersichtlich nicht überschritten. Die Beitragsbemessungsgrenze betrage immerhin mehr als das Doppelte des Durchschnittsverdienstes. Die soziale Zweckbestimmung der Richtlinie zwinge nicht, noch stärker überdurchschnittliche Einkommen in voller Höhe abzusichern erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2014, a. a. O., Rdnr. 32).

Sowohl aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch der des Bundessozialgerichtes geht mithin hervor, dass europarechtlich über einen Insolvenzgeldanspruch nur Mindestschutz zu gewährleisten ist.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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