L 9 BL 1/18

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
9
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 16 BL 8/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 BL 1/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 BL 1/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Anspruch auf sächsisches Landesblindengeld für eine in Österreich lebende deutsche Staatsbürgerin besteht auch unter Berücksichtigung der VO(EG) 883/2004 nicht, wenn diese in Sachsen nicht wirtschaftlich aktiv ist.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 1. August 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Blindengeld nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz (LBlindG) streitig.

Die 1942 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz seit über 20 Jahren in Österreich. Zuvor war sie in Z ..., im Landkreis Y ..., dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten, wohnhaft. Sie bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung, darüber ist sie auch krankenversichert (AOK X ...). Sie ist im Besitz eines Behindertenpasses der Republik Österreich mit einem GdB von 100 seit dem 27.07.2016 (zuvor GdB von 80).

Nach dem Sachverständigengutachten vom 30.06.2016 von Dr. W ..., Augenheilkunde und Optometrie, leidet die Klägerin an einer Maculadegeneration, um 2012 habe sich eine deutliche Visusverschlechterung ergeben. Seit 2013 bestehe eine deutliche Visusminderung vor allem rechts. Der Visus auf dem rechten Auge betrage 0,02, auf dem linken Auge 0,025, binokulär 0,02. Zusätzlich liege beidseits ein grauer Star vor, dessen Operabilität an der Einstufung aber keine Änderung bewirke. Es liege eine hochgradige Sehbehinderung nach § 4a des Österreichischen Bundespflegegeldgesetzes vor.

Den Antrag der Klägerin an die Österreichische Pensionsversicherungsanstalt auf Pflegegeld nach dem Österreichischen Bundespflegegeldgesetz – BPGG – hat diese mit Bescheid vom 26.08.2016 abgelehnt, weil die Klägerin nicht der Krankenversicherung in Österreich zugehörig sei (§ 3a BPGG). Deutschland sei demzufolge für pflegebedingte Leistungen bei der Klägerin zuständig. Das Landesgericht V ... hat der Klägerin mit Urteil vom 23.05.2017 die begehrte Leistung zugesprochen, das Oberlandesgericht U ... hat mit Urteil vom 13.09.2017 das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Nach § 3a Abs. 1 BPGG bestehe kein Anspruch auf österreichisches Pflegegeld, weil die Klägerin aufgrund des ausschließlichen Bezugs einer deutschen Rente und damit verbunden einer deutschen Krankenversicherung dem deutschen Krankenversicherungsrecht zuzuordnen sei, dieses sei für Geldleistungen bei Pflegebedürftigkeit zuständig. Diese Regelung verstoße nicht gegen die EG-Verordnung 883/2004.

Mit weiterem Gutachten vom 01.04.2017, erstellt für das Landesgericht V ..., hat Dr. W ... festgestellt, dass die Klägerin zumindest seit dem 17.03.2017 einen Visus von nunmehr 2 % auf beiden Augen, auch binokulär, habe.

Den Antrag der Klägerin auf Leistungen nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz vom 17.11.2016 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.01.2017 ab. Da die Klägerin weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen habe, könnten ihr die entsprechenden Leistungen nicht gewährt werden. Den (Überprüfungs-)Antrag vom 01.12.2017, den Bescheid vom 06.01.2017 nach § 44 SGB X aufzuheben und eine neue Feststellung zu treffen, lehnte der Beklagte mit Überprüfungsbescheid vom 23.01.2018 ab. In Ergänzung zum vorigen Bescheid wurde im Hinblick auf die VO (EG) 883/2004 ausgeführt, dass kein Anspruch bestehe, weil die Klägerin keine Beschäftigung in Sachsen ausübe und hier auch keinen Wohnsitz habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Kommunale Sozialverband Sachsen mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 mit gleichlautender Begründung zurück.

Mit der am 06.04.2018 zum Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass ihr unter Anwendung der VO (EG) 883/2004 ein Anspruch auf Landesblindengeld zustehe, Niedersachsen habe dies explizit in seinem Landesblindengeldgesetz geregelt. Deutsches Pflegegeld erhalte sie nicht, die Pflegekasse habe dies mangels Feststellung einer Pflegestufe (unterhalb Pflegestufe 1) mit Bescheid vom 09.08.2013 abgelehnt.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2018 hat das Sozialgericht Chemnitz die Klage abgewiesen. Die Klägerin erfülle nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 LBlindG. Sie habe weder einen Wohnsitz noch Aufenthalt in Sachsen noch gehe sie im Freistaat einer abhängigen oder selbstständigen Beschäftigung nach. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus der VO (EG) 883/2004. Nach Artikel 11 Abs. 1 dieser Verordnung unterliege die Klägerin nur den Vorschriften eines einzigen Mitgliedstaates. Ausnahmeregelungen gemäß Art. 12 bis 16 der Verordnung griffen nicht, da die Klägerin nicht zum Personenkreis des Abs. 3 Buchst. a bis d gehöre, unterliege sie den Rechtsvorschriften ihres Wohnmitgliedstaates. Deshalb sei das LBlindG nicht auf sie anwendbar.

Mit der am 05.09.2018 nach Zustellung des Gerichtsbescheides am 07.08.2018 zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Bezugnahme in § 1 LBlindG auf die VO (EG) 883/2004 sei dahingehend zu interpretieren, dass ihr der Anspruch auf Landesblindengeld zustehe, sie sei deutsche Staatsbürgerin und beziehe eine deutsche Rente und sei somit in Deutschland kranken- und pflegeversichert, ihr letzter Wohnsitz in Deutschland sei in Sachsen, im Gebiet des Beklagen gewesen. Bei dem Blindengeld handele es sich um eine Geldleistung bei Krankheit, die an ihren Wohnsitzstaat zu exportieren sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 01.08.2018 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 06.01.2017 und 23.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen vom 21.03.2018 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf seine bisherigen Ausführungen und Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Chemnitz (SG) den Anspruch auf Leistungen nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz gegenüber dem Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2018 abgelehnt. Der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 23.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der zugrunde liegende Bescheid vom 06.01.2017 war nicht aufzuheben und der Beklagte nicht zur Zahlung des Landesblindengeldes zu verurteilen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf sächsisches Landesblindengeld hat, da sie weder in Sachsen wohnt noch hier arbeitet oder sonst wirtschaftlich aktiv ist. Anspruchsgrundlage zur Gewährung von Blindengeld ist § 1 Abs. 1 Landesblindengeldgesetz vom 14. Dezember 2001 (SächsGVBl. S. 714), das zuletzt durch Artikel 45 des Gesetzes vom 26. April 2018 (SächsGVBl. S. 198) geändert worden ist – LBlindGG –. Danach erhalten Blinde, hochgradig Sehbehinderte, Gehörlose und schwerstbehinderte Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben und im Freistaat Sachsen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben oder nach der Verordnung VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30. April 2004, S. 1, L 200 S. 1, L 204 vom 4. August 2007, S. 30), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 (ABl. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 43), in der jeweils geltenden Fassung, anspruchsberechtigt sind, zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen Leistungen nach diesem Gesetz.

Zwar liegt bei der Klägerin aufgrund des binokulären Visus von 0,02 Blindheit im Sinne des LBlindG vor, damit ist die eine Voraussetzung von § 1 Abs. 1 LBlindG erfüllt. Allerdings fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen der Norm, weil die Klägerin weder im Freistaat Sachsen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, noch nach der Verordnung VO (EG) Nr. 883/2004 anspruchsberechtigt ist. Nach § 30 Abs. 3 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Nach der in dieser Vorschrift enthaltenen Definition ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen. Danach ist entscheidend, ob die Klägerin den örtlichen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft in Sachsen oder außerhalb Sachsens hat. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Hierbei ist ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen Umständen nicht übereinstimmt, rechtlich unerheblich (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 27.01.1994, Az 5 RJ 16/93, Rn. 30, juris). Nach eigenem Vortrag lebt die Klägerin seit über 20 Jahren in Österreich, ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Sachsen ist damit nicht gegeben.

Auch bei Anwendung der Verordnung VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 S. 1, ber. ABl L 200 S. 1, 2007 ABl L 204 S. 30) in der derzeit geltenden Fassung ergibt sich kein Anspruch auf Blindengeld. Die Bezugnahme auf die VO (EG) Nr. 883/2004 in § 1 Abs. 1 SächsLBlindGG ist mit Wirkung ab dem 01.01.2011 in das SächsLBlindGG aufgenommen worden (Artikel 7 Haushaltsbegleitgesetz 2011/2012 vom 15. Dezember 2010 (SächsGVBl. S. 387). Unabhängig davon gilt sie ohnehin seit ihrem Inkrafttreten am 01.05.2010 unmittelbar, sodass die Aufnahme in das SächsLBlindGG keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit der VO (EG) Nr. 883/2004 darstellt.

Art. 11 VO (EG) 883/2004 bestimmt das auf den Antragsteller anwendbare Recht. Die Vorschrift lautet wie folgt:

(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;

c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis d) fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.

Die Klägerin ist in Deutschland und insbesondere in Sachsen weder beschäftigt noch selbstständig tätig. Der Bezug einer Altersrente gilt gem. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift nicht als Beschäftigung. Nach Abs. 1 unterliegt die Klägerin aufgrund der Koordinierungsvorschriften nur den Vorschriften eines einzigen Mitgliedstaates. Ausnahmeregelungen gemäß Art. 12 bis 16 der Verordnung liegen ersichtlich nicht vor. Da sie nicht zum Personenkreis des Abs. 3 Buchstaben a bis d gehört, unterliegt sie den Rechtsvorschriften ihres Wohnmitgliedstaats, also Österreich. Sie kann deshalb keine Ansprüche aus dem SächsLBlindGG für sich herleiten, auch aus der unmittelbaren Anwendung der VO (EG) 883/2004 ergibt sich für die Klägerin nichts anderes.

Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der VO (EG) 883/2004 regelt, für den Fall der Klägerin als Altersrentenbezieherin, dass aus ihrem Bezug von Altersrente nicht davon ausgegangen wird, dass sie eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausübt. Zwar bezieht sie die Altersrente aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung, sie ist jedoch als Altersrentnerin wirtschaftlich inaktiv. Die VO (EG) 883/2004 richtet sich jedoch im Wesentlichen an wirtschaftlich aktive Personen (Wanderarbeitnehmer), die durch einen Wohnsitzwechsel nicht diskriminiert werden sollen. Lit.e regelt das Wohnsitzstaatsprinzip insbesondere für alle nicht erwerbstätigen Personen als Auffangskollisionsnorm (Schreiber in Schreiber/Wunder/Dern, VO (EG) Nr. 883/2004 - Kommentar 2012). Dementsprechend wird in Art. 11 Abs. 3 in den Abs. a bis d jeweils an die Beschäftigung, selbstständige Erwerbstätigkeit oder anderweitige Tätigkeit angeknüpft, um die Zuständigkeit festzustellen. Die Klägerin fällt, wie bereits ausgeführt, nicht unter die Abs. a bis d und ist deshalb gemäß Abs. e (jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d fällt) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates unterworfen. Ihr Wohnmitgliedstaat ist Österreich.

Eine anderweitige Zuständigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Bezug von Rentenleistungen und der daran anknüpfenden Krankenversicherung. Die entsprechende Bezugnahme in den Art. 22, 24 und 29 der VO (EG) 883/2004 befinden sich im Titel 3 der Verordnung (besondere Bestimmungen über die verschiedene Arten von Leistungen) diese Artikel regeln nicht die Zuständigkeit, welche ausschließlich im Titel 2 (Bestimmung des anwendbaren Rechts) der Verordnung geregelt wird. Deshalb verbleibt es bei dem Grundsatz des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegen. Diese Zuständigkeitsprüfung ergibt, wie dargelegt, eine Zuständigkeit des Wohnmitgliedstaates Österreich.

Ein Verstoß gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, insbesondere im Hinblick auf seine Entscheidung vom 05.05.2011, C-206/10, liegt nicht vor. In diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen hat, dass sie die Gewährung von Leistungen an Blinde, Gehörlose und Behinderte nach landesrechtlichen Vorschriften an Personen, für die die Bundesrepublik Deutschland der zuständige Mitgliedsstaat ist, von der Voraussetzung abhängig gemacht hat, dass die Begünstigten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Land haben. Diese Entscheidung betraf EU-Bürger, die in Deutschland arbeiten, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, einen Anspruch auf die streitigen Leistungen haben und eine Wohnsitzklausel gegen Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 verstößt. Die deutschen Landesgesetzgeber, auch vorliegend der sächsische Landesgesetzgeber, haben auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs reagiert und in ihre Landesblindengeldgesetze die Bezugnahme auf die VO (EG) 883/2004 aufgenommen, so dass mithin Arbeitnehmer und entsprechende Personen gemäß Art. 11 der Verordnung anspruchsberechtigt sind. Wie oben dargelegt, scheitert die Anspruchsberechtigung der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht am fehlenden Wohnsitz in Deutschland, sondern daran, dass sie nicht im Gebiet des Beklagten wirtschaftlich aktiv ist.

Auch aus dem Niedersächsischen Landesblindengeldgesetz ergibt sich kein Anspruch auf Blindengeld für die Klägerin. Weder ist dies in Sachsen anwendbar noch erfüllt die Klägerin die dort normierten Voraussetzungen, sie ist ihrer letzten Beschäftigung nicht in Niedersachsen nachgegangen und hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht in Niedersachsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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