L 3 U 150/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 123/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 150/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Mai 2019 wird zurückgewiesen, soweit diese über den (Teilabhilfe)Bescheid der Beklagten vom 26. September 2019 hinausgeht. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2019 wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Autohaus A. GmbH versicherungspflichtig oder versicherungsfrei in der gesetzlichen Unfallversicherung ist.

Mit Schreiben vom 30. Juni 1951 zeigte Herr C. A. bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft, an, dass er in C-Stadt eine Fahrzeugreparaturwerkstätte eröffnet habe. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten nahm daraufhin das Unternehmen in ihr Unternehmerverzeichnis auf, seitdem ist die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger für diese Firma. Im Jahr 1980 wurde die damals noch bestehende Kommanditgesellschaft in eine GmbH, die Autohaus A. GmbH, umgewandelt. Das Stammkapital betrug zunächst 60.000,00 DM und war mit einem Anteil von 30.000,00 DM oder 50% zugunsten des ursprünglichen Firmengründers, C. A., sowie zu je 10.000,00 DM auf den 1945 geborenen D. A., den 1948 geborenen E. A. sowie die 1955 geborene F. F. aufgeteilt. Alle genannten Gesellschafter waren gleichzeitig Geschäftsführer der Firma. Aufgrund dieser Aufteilung der GmbH-Anteile wurde Herr C. A. von der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht als versicherungspflichtig beurteilt und beantragte nach dieser Feststellung eine freiwillige Unternehmerversicherung. Die übrigen drei Gesellschafter wurden versicherungspflichtig beurteilt. Die Feststellungen der Beklagten hierzu sind bestandskräftig.

Am 25. März 1986 wurde der Rechtsvorgängerin der Beklagten mitgeteilt, dass das Stammkapital der GmbH auf 120.000,00 DM aufgestockt worden sei. Die Gesellschaftsanteile waren zu diesem Zeitpunkt zu je einem Viertel auf die ursprünglichen Gesellschafter C. A., D. A., E. A. und F. F. aufgeteilt. Unverändert waren alle vier genannten Personen weiterhin zu Geschäftsführern bestellt. Auf Nachfrage teilte die Gesellschaft mit, dass alle Personen ohne Arbeitsverträge tätig seien. C. A. habe die Geschäftsleitung inne, D. A. sei als Kfz-Meister für den technischen Bereich zuständig, E. A. und F. F. würden zu gleichen Teilen den kaufmännischen Teil verwalten. Mit Bescheid vom 28. November 1988 wurden daraufhin alle Gesellschafter als versicherungspflichtig beurteilt, die freiwillige Unternehmerversicherung des C. A. wurde gleichzeitig aufgehoben.

Im Jahr 1999 führte die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Lohnbuchprüfung durch und stellte fest, dass der 1918 geborene C. A. aus dem Unternehmen ausgeschieden war; dieser verstarb am xx. xxx 2008. Nach der 2008 beigezogenen Gesellschafterliste wurden seine Gesellschafteranteile in Höhe von 30.000,00 DM von der Erbengemeinschaft der 1917 geborenen G. A., dem D. A., dem E. A. und der F. F. übernommen. Nach ihren Anteilen aus der Erbengemeinschaft hielten damit Frau F. F. und Herr E. A. als Geschäftsführer jeweils 2 Anteile in Höhe von 15.000,00 DM und 30.000,00 DM und damit jeweils rund 38% der Gesellschafteranteile. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. August 2010 wurden beide Personen ab dem Zeitpunkt der letzten Änderung (5. August 2008) nicht mehr als versicherungspflichtig beurteilt.

Am 15. April 2016 erlitt der Bruder des Klägers, H. A., der ebenfalls für das Unternehmen tätig ist, während seiner Tätigkeit einen Unfall, der der Leistungsabteilung der Beklagten angezeigt wurde. Hierzu wurde zunächst geprüft, ob H. A. versicherungspflichtiger Arbeitnehmer oder versicherungsfreier Unternehmer ist. Die Leistungsabteilung der Beklagten beauftragte deshalb die Mitgliedschafts- und Beitragsabteilung der Beklagten mit weiteren Ermittlungen. Aus dem Fragebogen zur Feststellung der Gesellschaftsverhältnisse des E. A. vom 24. April 2016 sowie den Eintragungen beim Amtsgericht Wetzlar vom 16. September 2015 und vom 28. Dezember 2010 ergibt sich, dass F. F. als Geschäftsführerin abberufen ist (Eintragung vom 16. September 2015) und der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten und von § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten Geschäftsführer bestellt ist (Eintragung vom 28. Dezember 2010). Die Gesellschaft besteht nur noch aus den beiden Gesellschaftern E. A., Vater des Klägers, geb. 1948, sowie dem Kläger selbst. Dabei hat der Kläger einen Anteil von 40% des Stammkapitals (insgesamt 120.000), sein Vater E. A. einen Anteil von 60%.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 stellte die Beklagte fest, der Kläger sei mit Wirkung vom 28. Dezember 2010 kraft Gesetzes pflichtversichert in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für das Unternehmen Autohaus A. GmbH.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, nach seiner Auffassung sei er schon seit 28. September 2010 gleichberechtigter Geschäftsführer neben seinem Vater. Durch Notarvertrag von diesem Tag habe er ab dem 1. Oktober 2010 einen Anteil am Stammkapital gehalten (zunächst 15%, 2010 aufgestockt auf 40%), sei von diesem Zeitpunkt an einzelvertretungsberechtig und von den Bestimmungen des § 181 BGB befreit, d. h. gleichberechtigt. Der Vater, der sich zwischenzeitlich im 69. Lebensjahr befinde, habe dadurch damals schon seine Nachfolge in die Wege leiten wollen. Er sei gleichberechtigter Gesellschafter-Geschäftsführer neben seinem Vater.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und bezog sich zur Begründung auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur sogenannten "Schönwetter-Selbständigkeit" bei Familiengesellschaften. Der Kläger halte nur 40% der Anteile an der GmbH und könne ihm nicht genehme Beschlüsse daher nicht verhindern. Auch eine Sperrminorität besitze er nicht. Somit sei er weiterhin als abhängig Beschäftigter zu beurteilen.

Der Kläger hat am 26. September 2016 Klage beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) erhoben und vorgetragen, sein Vater sei zwischenzeitlich schwerbehindert (GdB 90) und könne die Geschäfte eigentlich nicht mehr wie ein Unternehmer wahrnehmen. Diese Funktion ersetze er. Er hat dazu den seinerzeit aktuellen Gesellschaftsvertrag der Autohaus A. GmbH vorgelegt sowie den Geschäftsführer-Dienstvertrag vom 19. Oktober 2010. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrags des Unternehmens werden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wobei nach Geschäftsanteilen abgestimmt wird und je 1.000,00 Euro Geschäftsanteil eine Stimme gewähren. Beschlüsse über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern oder die etwaige Auflösung der Gesellschaft oder Änderungen der Satzung bedürfen der ¾ Mehrheit. Nach § 1 des Geschäftsführer-Dienstvertrages sind die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zu beachten und gehen vor.

Mit Urteil vom 17. Mai 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Autohaus A. GmbH versicherungspflichtig gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seiner Kapitalbeteiligung nur dann selbständig tätig, wenn diese mindestens 50 v. H. der Anteile am Stammkapital betrage. Bei geringerer Kapitalbeteiligung gelte das nur dann, wenn eine echte/qualifizierte Sperrminorität eingeräumt sei. Eine solche qualifizierte Sperrminorität setze voraus, dass sie nicht auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft begrenzt sei, sondern uneingeschränkt die gesamte Unternehmenstätigkeit umfasse. Das BSG habe betont, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) zustande gekommene, das Stimmverhalten regelnde Vereinbarungen nicht bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse zu berücksichtigen seien. Der Kläger habe nicht einen Kapitalanteil von mindestens 50%. Nach den schriftlichen Vereinbarungen sei ihm keine Sperrminorität eingeräumt. Ob der weitere Gesellschafter und Vater des Klägers insbesondere wegen der bei ihm bestehenden Schwerbehinderung faktisch seine Gesellschaftsmacht auf den Kläger übertragen habe, spiele keine Rolle. Der Vater könne nach dem Gesellschaftsvertrag jederzeit faktisch wieder allein über die Geschicke der Gesellschaft bestimmen. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers habe dazu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ihr seien keine Änderungen des Gesellschaftsvertrages bekannt. Solange aber keine vertragliche Änderung vorgenommen sei, sei der Kläger abhängig Beschäftigter und in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

Gegen das ihm am 19. August 2019 vorgelegte Urteil hat der Kläger am 10. September 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Er trägt vor, er sei seit seiner Mitwirkung in dem Unternehmen Autohaus A. GmbH als Gesellschafter-Geschäftsführer selbständig. Das Unternehmen führe seit langen Jahren das tägliche Geschäft als Betriebsgesellschaft aus. Seit der "vor-vorigen" Generation befänden sich die Anlage-Vermögenswerte wie das Miteigentum an der Betriebsimmobilie (s. Grundbuch) sowie die Anteile an der Betriebsgesellschaft-GmbH (s. Handelsregister) im Gesamthandeigentum der BGB-Besitzgesellschaft. Im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die bisher stets in der direkten Abstammung der Familie erfolgte, seien die vorgenannten Vermögenswerte stets im gleichen Beteiligungsverhältnis an der Besitzgesellschaft und der Immobilie gehalten. Die positive Mitwirkung jedes Beteiligten sei unabhängig von der Höhe seines Anteils zur Fassung eines gemeinsamen Beschlusses erforderlich, was in der Vergangenheit den Zusammenhalt gestärkt habe. Hierbei befänden sich die Anteile der einzelnen Gesellschafter an der Betriebsgesellschaft und an der Betriebsimmobilie als notwendigem Betriebsvermögen im Anlagevermögen der Besitzgesellschaft. Dies entspreche den steuerlichen Vorschriften. Die BGB-Gesellschaft könne nach dem Gesetz nur einstimmige Beschlüsse fassen. Die nicht nur positiven Folgen dieser Gestaltung (Haftung mit Anteilen und Privatvermögen, Beschlussbeschränkung etc.) akzeptierten alle Gesellschafter. Der Kläger hat dazu eine "gutachtliche Stellungnahme zur Betriebsaufspaltung" vorgelegt.

Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 10. September 2019 eine Neufassung des Gesellschaftsvertrages, beurkundet am 4. September 2018, bekannt gemacht am 6. November 2018 (Amtsgericht Wetzlar xxx1) vorgelegt. Nach § 8 des Vertrages werden Gesellschafterbeschlüsse nunmehr mit Zweidrittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfasst. Dem Kläger wird unwiderruflich eine Sperrminorität gegen alle Beschlüsse der Gesellschaft eingeräumt. Nach II. Nr. 2. der Urkundenrolle Nr. xxx2 sollte die Neufassung bereits zum 31. Mai 2015 wirksam sein.

Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 26. September 2019 ihren früheren Bescheid vom 2. Mai 2016 insoweit aufgehoben, als der Kläger für die Zeit ab dem 6. November 2018 als versicherungspflichtig beurteilt worden ist. Für die Zeit vom 28. Dezember 2010 bis zum 5. November 2018 verbleibe es bei der mit Bescheid vom 2. Mai 2016 getroffenen Entscheidung, da die gesellschaftliche Änderung im Handelsregister erst am 6. November 2018, 22.00 Uhr, bekannt gemacht worden sei. Denn gemäß § 54 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) wirkten Satzungsänderungen wie die Regelungen, die die Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Rechter der Gesellschafter zum Gegenstand hätten, grundsätzlich erst mit ihrer Eintragung ins Handelsregister. Wegen des konstitutiven Charakters der Eintragung entfalteten Satzungsänderungen im Außenverhältnis keine Rückwirkung.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Mai 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2016 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2019 zu ändern und festzustellen, dass der Kläger auch in der Zeit vom 28. Dezember 2010 bis zum 5. November 2018 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung unterlegen hat.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung, die sich auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG stützt, für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende anstelle des Senats einverstanden erklärt. Zum Sach- und Streitstand und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten (Originalakten Band I - III; Behördenakten Band I - III) verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung und durch die Vorsitzende anstelle des Senats entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil und seine Klage gegen den im Berufungsverfahren ergangenen Bescheid vom 26. September 2019 haben keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zutreffend, soweit festgestellt worden ist, dass der Kläger in dem noch streitigen Zeitraum vom 28. Dezember 2010 bis zum 5. November 2018 nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen ist.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2019 ist nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens. Er ändert den ursprünglichen Verwaltungsakt, indem er diesen teilweise aufhebt und eine Neuregelung trifft (Versicherungsfreiheit des Klägers ab dem 6. November 2019).

In dem noch streitigen Zeitraum liegt Versicherungspflicht des Klägers als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor. Bis zum 6. November 2018 hatte der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag nicht mindestens 50% des Stammkapitals und besaß – alternativ – auch keine qualifizierte Sperrminorität. Nur unter diesen (alternativ vorliegenden) Voraussetzungen wäre aber die Beurteilung seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als selbständige Tätigkeit in Betracht gekommen. Zutreffend hat dies das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 14. März 2018 (B 12 KR 13/17 R – juris) festgestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren (Schriftsätze vom 5. Mai 2020 und vom 13. Mai 2020), die Beteiligten hätten sich unabhängig von dem Gesellschaftsvertrag bezüglich der Autohaus A. GmbH im Rahmen einer BBG-Gesellschaft anders gebunden und zur Einheitlichkeit und Einstimmigkeit verpflichtet sowie sein Hinweis auf eine steuerliche Betriebsaufspaltung, kann für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer keine Berücksichtigung finden. Das BSG hat in seiner aktuellen Rechtsprechung für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht des betreffenden Personenkreises einen klaren Maßstab gesetzt, wonach dafür ausschließlich auf die Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag der GmbH (Satzung) abzustellen ist (BSG, Urteile vom 14. März 2018, a. a. O., und vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R – juris; s. auch GmbHR 2020, 147 – 154 und GmbHR 2018, 903 – 908; Lau "Sozialversicherungsplicht von GmbH-Geschäftsführern – Aktuelle Entscheidung des BSG zu Treuhandabreden" in: DStR 2020, 347 und "Rückwirkende Feststellung der Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführen – Aktuelle Entscheidungen zum Vertrauensschutz in die "Kopf-und Seele"-Rechtsprechung des BSG in: DStR 2019, 2207; MükoGmbHG/Jaeger/Steinbrück GmbHG § 35 Rn. 300, 300a). Die Rechtsmacht, Anweisungen der Gesellschafter der GmbH zu verhindern, muss also im Gesellschaftsvertrag der GmbH ihre Grundlage finden; dort muss die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht eingeräumt sein. Dieser Maßstab gilt für alle Sozialversicherungszweige, denn die Beurteilung, ob jemand Beschäftigter ist und damit sozialversicherungspflichtig ist, richtet sich nach § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV.

Dies bedeutet hier, dass sich der Kläger an der rechtswirksamen Konstruktion des Gesellschaftsvertrages der GmbH festhalten lassen muss, die ihm - bis zur wirksamen Änderung des Vertrages am 6. November 2018 - über die Gesellschafterstellung hinaus nicht die Rechtsmacht einräumte, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen und ihm nicht genehme Weisungen verhindern zu können. Nach dem klaren Maßstab der Rechtsprechung des BSG spielen außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) der GmbH bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, familiäre und vertragliche Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH keine Rolle für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht. Diese Absprachen vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Denn diese das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen genügen nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände sowie deren Erkennbarkeit nach außen und darauf kommt es nach dem BSG bei der Beurteilung des sozialversicherungspflichtigen Status des (Gesellschafter-)Geschäftsführers alleine an (BSG, Urteile vom 14. März 2018 und vom 19. September 2019 jeweils a. a. O.). Die Abreden der Gesellschafter im Rahmen der nach dem Vortrag des Klägers gegründeten BGB-Besitzgesellschaft, die keine juristische Person ist (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00- juris) und nicht im Handelsregister eingetragen werden kann, bleiben für die streitgegenständliche Frage ebenso außer Acht wie die Tatsache einer steuerlich wirksamen Betriebsaufspaltung. Die nach außen erkennbare gesellschaftsrechtliche Gestaltung der Autohaus A. GmbH ist maßgeblich für die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Versicherungspflicht ihres Geschäftsführers, des Klägers.

Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers auch durch die nach dem Geschäftsführervertrag vorgesehene Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit bestätigt wird. Dieser Vertrag enthält typische Regelungen eines Arbeitsvertrages wie die monatliche Festvergütung (§ 4), Urlaubsanspruch sowie Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen (§ 5). Die in dem Vertrag in Aussicht gestellte Zahlung einer Tantieme spricht dabei nicht gegen eine Beschäftigung. Denn die Gewährung von Tantiemen an Arbeitnehmer sind nicht ungewöhnlich, und hier nur "ggf. aufgrund einer gesonderten Zusage" in Aussicht gestellt.

Zutreffend hat die Beklagte in ihrem Teilabhilfebescheid im Berufungsverfahren von 26. September 2019 eine Änderung ihres früheren Bescheides erst für die Zeit ab dem 6. November 2018 vorgenommen. Die Änderung des Gesellschaftsvertrages der Autohaus A. GmbH (u. a. die Einräumung einer unwiderruflichen Sperrminorität gegen alle Beschlüsse der Gesellschaft) ist erst zu diesem Zeitpunkt im Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden und nach § 54 Abs. 3 GmbHG erst ab diesem Zeitpunkt wirksam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beklagte umgehend nach Vorlage der Unterlagen zur Änderung des Gesellschaftsvertrages die Sach- und Rechtslage geprüft und den (Teilabhilfe)Bescheid erlassen hat, waren ihr nach billigem Ermessen keine Kosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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