L 15 U 533/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 72/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 533/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 110/20 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 12.09.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte bewilligte dem 1960 geborenen Kläger aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 15.04.2009 mit Bescheiden vom 25.05.2011 und 12.12.2011 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. Ein auf die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 40 v.H. gerichtetes sozialgerichtliches Verfahren wurde rechtskräftig abgeschlossen und blieb für den Kläger ohne Erfolg (Urteil des Senats vom 15.08.2017 - L 15 U 259/14 Beschluss des BSG vom 22.03.2018 - B 2 U 228/17 B -). Gleiches gilt für einen Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Berufungsverfahrens (Urteil des Senats vom 11.12.2018-L 15 U 555/18 WA; Beschluss des BSG vom 20.02.2019 - B 2 U 16/19 B -). Ein weiterer Antrag auf Wiederaufnahme ist bei dem Senat unter dem Aktenzeichen L 15 U 10/19 WA anhängig.

Der Kläger hat am 14.02.2018 beim Sozialgericht Köln unter Bezugnahme auf den Arbeitsunfall vom 15.04.2009 eine "Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG" erhoben. Er hat behauptet, die Beklagte habe die Heilbehandlung sowohl auf orthopädischem-chirurgischem als auch auf dem psychologischen Fachgebiet zu früh beendet, wodurch eine Chronifizierung der Erkrankungen eingetreten sei. Die Beklagte habe zu spät erkannt, dass bei dem Arbeitsunfall das SL-Band teilweise gerissen sei. Deshalb sei das SL-Band nicht mehr operationsfähig gewesen. Zudem sei eine psychologische Therapie indiziert gewesen. In rechtlicher Hinsicht hat der Kläger die Auffassung vertreten, er könne sich auf den sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Die eingereichte Feststellungsklage sei notwendig, um anschließend einen Amtshaftungsprozess gegen die Beklagte vor den zuständigen ordentlichen Gerichten zu führen. Mit der Klage werde deshalb die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zur Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen begehrt.

Der Kläger hat schriftsätzlich ausdrücklich beantragt,

festzustellen, dass (1) die Beklagte "pflichtwidrig in vorgenannter Angelegenheit, durch die Leistungen nach § 27 Abs. 1 Nr. 6 und 7 SGB VII vorzeitig eingestellt hat und dass (2) hierdurch eine Chronifizierung der Erkrankungen eingetreten sei."

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage für nicht gegeben gehalten.

Nach Anhörung der Beteiligten (mit Postzustellungsurkunde vom 27.03.2019 dem Kläger zugestellter Richterbrief vom 25.03.2019) hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.09.2019 als unzulässig abgewiesen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Gegen den ihm am 14.09.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.10.2019 Berufung eingelegt, die er trotz Erinnerung nicht begründet hat. Einen ausdrücklichen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte die Streitsache mündlich verhandeln und durch Urteil entscheiden, obwohl die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2020 nicht erschienen sind, weil die Beteiligten in der ihnen ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die vom Kläger ausdrücklich erhobene Feststellungsklage zu Recht abgewiesen, weil sie unzulässig ist.

Unabhängig davon, ob es sich bei der vom Kläger geltend gemachten pflichtwidrigen vorzeitigen Einstellung von "Leistungen nach § 27 Abs. 1 Nr. 6 und 7 SGB VII" um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG oder vielmehr um ein nicht gesondert feststellungsfähiges Element des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Rechtsverhältnisses handelt, fehlt das nach § 55 Abs. 1 SGG erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers.

Der Kläger macht eine ausschließlich in der Vergangenheit liegende angebliche Pflichtverletzung der Beklagten sowie einen dadurch angeblich entstandenen, auch nach dem Vorbringen des Klägers selbst nicht mehr korrigierbaren Zustand, nämlich eine angebliche Chronifizierung von Leiden, geltend. Es geht ihm damit erkennbar nicht darum, dass die Beklagte zukünftig weitere Heilbehandlungsmaßnahmen zu seinen Gunsten durchführt. Er erhebt nach seinem eigenen Vorbringen die Feststellungsklage ausschließlich deshalb, weil er zukünftig Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte geltend machen möchte. Ein Feststellungsinteresse zur Vorbereitung von Amtshaftungsansprüchen besteht jedoch nur dann, wenn sich nach Erhebung einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage das Rechtsschutzbegehren erledigt hat. In diesem Fall sollen dem betroffenen Kläger die Vorteile der bisherigen Prozessführung erhalten bleiben. Wenn sich jedoch das Rechtsschutzbegehren vor Erhebung der sozialgerichtlichen Klage erledigt hat oder weggefallen ist, besteht für die Erhebung einer sozialgerichtlichen Feststellungsklage zur Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruchs kein Bedürfnis. Vielmehr kann die Frage eines etwaigen rechtswidrigen Verwaltungshandelns voll umfänglich im Amtshaftungsprozess vor den zuständigen ordentlichen Gerichten geprüft werden (vgl. zum Ganzen Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2018, § 131 Rn. 10h). So liegt der Fall auch hier. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf unfallversicherungsrechtliche Heilbehandlung hat sich nach dem eigenen Vorbringen des Klägers weit vor Erhebung der Klage im vorliegenden Verfahren erledigt, weil die aus Sicht des Klägers angeblich erforderlich gewesenen medizinischen Maßnahmen nicht mehr rückwirkend erbracht werden und die nach Auffassung des Klägers bereits eingetretene Chronifizierung seiner Leiden nicht mehr verhindern können. Von einer gesonderten Feststellung eines etwaigen pflichtwidrigen Handelns der Beklagten durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hätte der Kläger deshalb im Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Amtshaftungsklage gegen die Beklagte keinen nennenswerten Vorteile. Vielmehr steht dem Kläger ein effektiverer Weg zur Verfügung, indem er direkt Amtshaftungsklage gegen die Beklagte vor dem sachlich zuständigen Landgericht erhebt. Dass dieses Verfahren Gerichts kostenpflichtig ist, vermag ein Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage vor dem Sozialgericht nicht zu begründen.

Die Klage ist darüber hinaus auch unbegründet. Für etwaige Rechtsverstöße der Beklagten bei der Durchführung und im Hinblick auf die Dauer der unfallversicherungsrechtlichen Heilbehandlung ist nichts ersichtlich. Der Senat hat im Urteil vom 15.08.2017 - L 15 U 259/14 - entschieden, dass auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet andere als die von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen nicht vorliegen. Die vom Kläger geltend gemachte Teilruptur des SL-Bandes war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 15.04.2009. Ebenso wenig lagen nach den Feststellungen des Senats auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet weitere Unfallfolgen als die von der Beklagten anerkannte vorübergehende Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik vor. Vielmehr beruhte nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme die vom Kläger beklagten psychischen Beschwerden wesentlich auf unfallfremden Ursachen. Dass und warum diese Feststellungen des Senats unzutreffend sein sollten, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht dargelegt. Vielmehr hat sich der Senat in dem genannten Urteil ausführlich mit den Einwänden des Klägers befasst. Neue Gesichtspunkte trägt der Kläger nicht vor. Der Senat ist deshalb nach wie vor von der Richtigkeit seiner Feststellungen in dem genannten Urteil überzeugt. Es bestehen deshalb keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte notwendige Heilbehandlungsmaßnahmen, die zur Behandlung von Unfallfolgen bei dem Kläger erforderlich gewesen sind, nicht durchgeführt oder zu früh beendet hat. Eine etwaige Chronifizierung von Leiden des Klägers, deren Eintritt der Senat ausdrücklich dahinstehen lässt, ist deshalb auf keinen Fall durch etwaige Handlungen oder Unterlassungen der Beklagten verursacht worden.

Soweit sich der Kläger auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch beruft, ist sein Vorbringen unverständlich und abwegig. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist von seinen Rechtsfolgen her auf eine Amtshandlung der Beklagten gerichtet, durch die derjenige Rechtszustand hergestellt werden soll, wie er bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln bestünde. Eine solche Amtshandlung begehrt der Kläger erkennbar nicht. Zudem macht er gerade geltend, dass bei ihm ein Gesundheitszustand eingetreten sei, der chronifiziert sei und dementsprechend auch nicht mehr günstig beeinflusst werden kann. Gerade deshalb meint er ja auch, dass ihm ein Schaden entstanden sei, aufgrund dessen ihm ein Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte zustehe. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hat dies alles nichts zu tun.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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