L 8 R 847/17 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 R 1230/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 847/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.09.2017 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 4.040,62 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die am 10.10.2017 schriftlich eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 2.10.2017 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 21.9.2017 ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegt worden.

II. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.11.2016 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2017 zu Recht nicht angeordnet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER, Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER m.w.N.; jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; juris, jeweils m.w.N.).

1. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich die fristgerecht erhobene Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.11.2016 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2017 im Wesentlichen als begründet erweisen wird.

a) Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.

b) Der Bescheid vom 22.11.2016 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2017 ist formell rechtmäßig, insbesondere ist die Antragstellerin vor dessen Erlass unter dem 21.7.2016 ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]).

c) Derzeit ist davon auszugehen, dass sich die auf die Aufhebung des Betriebsprüfungsbescheides gerichtete Anfechtungsklage der Antragstellerin als weitgehend unbegründet erweisen wird. Nach summarischer Betrachtung ist die Nacherhebung von Pflichtbeiträgen zu sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung wegen Beschäftigung des Herrn O E im Wesentlichen nicht zu beanstanden.

Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten.

aa) Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).

(1) Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wird im gerichtlichen Hauptsacheverfahren festgestellt werden, dass Herr O E vom 1.8.2012 bis zu seiner wirksamen Bestellung zu deren Geschäftsführer bei der Antragstellerin beschäftigt war.

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25; Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 28; Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 26; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 24).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit ist regelmäßig vom - wahren und wirksamen - Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. hierzu im Einzelnen Bundessozialgericht [BSG], Urteil v. 24.3.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29; Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; Urteil v. 29.7.2015, a.a.O.).

(a) Derzeit spricht Überwiegendes für die Annahme, dass Herr E im wesentlichen Streitzeitraum auf arbeitsvertraglicher Grundlage in einem für ihn fremden Betrieb und folglich in eine ihm einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert war (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Alleinige Unternehmensträgerin war die als juristische Person des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestaltete GmbH selbst. Diese ist von den als Gesellschaftern dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen unabhängig (vgl. hierzu nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr. 7, Rdnr. 21 m.w.N.) und von den verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen getrennt zu betrachten (vgl. BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17 Rdnr. 18).

Soweit die Antragstellerin das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit der Begründung in Zweifel zu ziehen versucht, der ausdrücklich so bezeichnete "unbefristete Arbeitsvertrag" vom 22.7.2012 sei nach dessen § 8 Abs. 1 bis zum 31.1.2013 befristet gewesen, hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass ausweislich der im Betriebsprüfungsverfahren beigezogenen Verdienstbescheinigungen an der Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit des Herrn E auch über diesen Zeitpunkt hinaus derzeit keine ernstlichen Zweifel bestehen. Ob der ursprünglich zwischen den an der Rechtsbeziehung beteiligten Personen geschlossene Arbeitsvertrag vom 22.7.2012 "stillschweigend" verlängert oder durch eine bisher nicht aktenkundige schriftliche Vereinbarung ersetzt worden ist, bedarf im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zwar einer weiteren Aufklärung; dieser Umstand begründet indes vor dem Hintergrund der aktenkundigen Verdienstbescheinigungen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigendem Umfang. Für eine Außervollzugsetzung des Bescheides reicht es nämlich nicht bereits aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; juris, jeweils m.w.N.).

(b) Es ist auch überwiegend wahrscheinlich, dass Herr E seine Tätigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nach Weisungen der Antragstellerin ausgeübt hat. Er unterlag in dem Zeitraum vom 1.8.2012 bis zu seiner wirksamen Bestellung zum Geschäftsführer der Antragstellerin deren Weisungsrecht bzgl. Ort, Zeit und Art und Weise seiner Tätigkeit.

Bei einem Gesellschafter ohne Bestellung zum Geschäftsführer schließt ein maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund einer Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis aus (BSG, Urteil v. 23.6.1994, 12 Rk 72/92, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, Urteil v. 17.5.2001 - B 12 KR 34/00 R; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.5.2013, L 11 KR 257/12). Da vorbehaltlich - hier nicht vorliegender - anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der Gesellschaft Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (BSG, Urteil v. 17.5.2001, B 12 KR 34/00 R; BSG, Urteil v. 23.6.194, 12 RK 72/92, USK 9448 S. 253 = NJW 1994, 2974, 2975) ist, erfordert eine gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht eines mitarbeitenden Gesellschafters ohne wirksame Bestellung zum Geschäftsführer regelmäßig eine Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft von mehr als 50%. Nur so kann der nicht mit Geschäftsführungsbefugnissen ausgestattete Gesellschafter etwaige an ihn gerichtete Weisungen des hierfür zuständigen Geschäftsführers jederzeit wirksam abwehren, indem er seinerseits innerhalb der Gesellschafterversammlung verbindliche Anordnungen gegenüber dem insoweit weisungsgebundenen Geschäftsführer erwirkt. Letzteres erfordert indessen, dass der ohne Geschäftsführerbefugnisse ausgestattete Gesellschafter innerhalb der Gesellschafterversammlung eine - vorliegend nach § 14 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der Antragstellerin - einfache Mehrheit zu einer entsprechenden Anordnung gegenüber dem Geschäftsführer auf sich vereint.

(aa) Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlte Herrn O E bis zur wirksamen Bestellung zum Geschäftsführer der Antragstellerin der maßgebliche Einfluss innerhalb der Gesellschafterversammlung, ihn betreffende Weisungen jederzeit wirksam zu verhindern. Er verfügte im Streitzeitraum nämlich gerade nicht über mehr als 50% der Stimmanteile innerhalb der Gesellschafterversammlung der Antragstellerin und konnte daher etwaige Anordnungen des seinerzeitigen Geschäftsführers der Antragstellerin, Herrn T T1, nicht jederzeit wirksam abwehren. Dem entsprechend hat auch die Antragstellerin selbst im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich darauf bekundet, dass Herr O E über "insgesamt" 50% des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (Antragsschrift v. 13.8.2017).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid ist eine maßgebliche Rechtsmachtverschiebung zugunsten des Herrn O E indessen nicht erst ab dem 28.8.2014, dem Zeitpunkt der Eintragung der Geschäftsführerbestellung in das Handelsregister des Amtsgerichts C (HRB 00), bewirkt worden, sondern bereits mit der wirksamen Bestellung kraft Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung. Diese ist nach dem Inhalt eines von dem Senat beigezogenen Auszugs aus dem Register mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Antragstellerin vom 22.8.2014 erfolgt. Die Eintragung in das Handelsregister hat nämlich nur deklaratorische und keine konstitutive Wirkung, sofern die Bestellung - wie im vorliegenden Fall - nicht mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrages selbst verbunden ist, zu dessen Wirksamkeit gemäß § 54 Abs. 3 des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Eintragung in das Handelsregister erforderlich ist (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil v. 9.5.1960, II ZB 3/60; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 39 Rdnr. 25). Der Senat hat ungeachtet dieses Umstandes in Ausübung seines Ermessens von einer teilweisen Außervollzugsetzung des angefochtenen Bescheides abgesehen, da die insoweit im Hauptsacheverfahren erforderliche Abänderung des Bescheides nur einen geringfügigen Teil der streitbefangenen Beitragsforderung betrifft.

(bb) Eine statusrechtlich relevante Rechtsmachtverschiebung zugunsten des Herrn O E ist hinsichtlich des Zeitraums vor seiner wirksamen Bestellung zum Geschäftsführer auch durch die zu dessen Gunsten erteilte "Vollmacht zur Regelung gesellschaftlicher Verhältnisse" vom 30.5.2011 (UR.-Nr. 00/2011 des Notars M, C) der Frau M1 B nicht bewirkt worden, zumal sich die Vollmachtgeberin in der Vollmachtsurkunde ausdrücklich ein jederzeitiges Widerrufsrecht vorbehalten hat (vgl. zur fehlenden Relevanz einer Stimmrechtsvollmacht auch BSG, Urteil v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R).

(cc) Wie das SG zutreffend dargelegt hat, folgt auch aus dem privatschriftlichen Treuhandvertrag zwischen Herrn O E und Frau M1 B vom 27.8.2012 schon deshalb keine andere Statusbeurteilung, da diese Vereinbarung mangels gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG erforderlicher notarieller Beurkundung eine rechtlich relevante Rechtsmachtverschiebung nicht bewirkt hat (vgl. BSG, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R).

(dd) Soweit die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, Herr E sei - bezeichnenderweise - "faktischer" Mehrheitsgesellschafter, bedarf dieser Aspekt nach gegenwärtiger Erkenntnislage keine vertieften Ermittlungen im gerichtlichen Hauptsacheverfahren. Die ohnehin nur behaupteten herausragenden Einflussmöglichkeiten des Herrn E (etwa wegen mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache der Gesellschafterin und deren ständigen Aufenthalts im Ausland) sind statusrechtlich nämlich nicht von Belang. Diese Umstände sind nicht geeignet, die gesellschaftsrechtlich verankerte Weisungsgebundenheit des Herrn E zu beseitigen. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleineren Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen (ständige Rechtsprechung: BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 24 [ausdrückliche "Aufgabe" der sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für das Versicherungs- und Beitragsrecht]; Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R, USK 2015-62; Urteil v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 27 [zu Familiengesellschaften]; jeweils m.w.N.).

bb) Tatbestände, die eine Versicherungsfreiheit des Herrn E in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung begründen könnten, sind weder ersichtlich, noch glaubhaft gemacht worden.

cc) Gegen die Höhe der Beitragsforderung der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin keine Einwendungen erhoben.

II. Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollziehung des Betriebsprüfungsbescheides eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht hinreichend dargelegt. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 287/11 B ER, juris).

Hinsichtlich etwaiger mit dem Forderungseinzug verbundener wirtschaftlicher Härten hat sich der Antragsteller an die zuständige Einzugsstelle zu wenden. Diese hat als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV) über Fragen des Forderungseinzugs zu befinden und insoweit über eine etwaige Stundung, einen Erlass oder die Niederschlagung der Beitragsforderung (§ 76 Abs. 3 SGB IV) sowie die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 257 Abgabenordnung) zu entscheiden (vgl. zur Zuständigkeit der Einzugsstelle im Rahmen des Beitragseinzugs auch BSG, Urteil v. 28.5.2015, B 12 R 16/13 R, juris, Rdnr. 23).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 52, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist (Senat, Beschluss v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 ER [juris]). Nach dieser Maßgabe war der von dem SG für das erstinstanzliche Verfahren zugrunde gelegte Streitwert zu reduzieren.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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