L 4 AS 291/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 AS 1686/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 291/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017. Ferner rügt er das Vorgehen des Beklagten unter verschiedenen Gesichtspunkten.

Der 1961 geborene, im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger ist schwerbehindert, bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 60 sowie das Merkzeichen "G" festgestellt. Er bezieht seit Juli 2015 laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 stellte der Beklagte eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 10 Prozent des Regelbedarfs, d.h. um 40,40 Euro, für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 31. Januar 2017 fest. Zur Begründung hieß es, der Kläger sei trotz Kenntnis der Rechtsfolgen zu einem Meldetermin am 2. September 2016 ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Mit Bescheid vom 1. November 2016 stellte der Beklagte wiederum eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 10 Prozent des Regelbedarfs, d.h. um 40,40 Euro, für den Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bis zum 28. Februar 2017 fest, weil der Kläger trotz Kenntnis der Rechtsfolgen zu einem Meldetermin am 4. Oktober 2016 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei. Der Kläger erhob weder gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2016 noch gegen den Bescheid vom 1. November 2016 Widerspruch.

Mit Bescheid vom 22. November 2016 stellte der Beklagte eine weitere Minderung des Arbeitslosengeldes II um 10 Prozent des Regelbedarfs, d.h. um 40,40 Euro, wegen eines weiteren Meldeversäumnisses fest, wiederum für den Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bis zum 28. Februar 2017 fest. Gegen diesen Sanktionsbescheid erhob der Kläger Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2017 zurückwies. Der Kläger erhob am 21. Januar 2017 Klage zum Sozialgericht, die unter dem Aktenzeichen S 24 AS 231/17 geführt wird und noch anhängig ist.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017. Dabei berücksichtigte er für die Monate Januar und Februar 2017 die Minderungen aufgrund der Sanktionsbescheide vom 7. Oktober 2016, 1. November 2016 und 22. November 2016. Am 1. Januar 2017 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2016. Zur Begründung führt er aus, der Bewilligungszeitraum müsse ein Jahr betragen und nicht nur sechs Monate. Die Minderungen aufgrund der Sanktionsbescheide würden gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verstoßen. Zudem stünden ihm aufgrund seiner Behinderung gemäß § 21 Abs. 4 SGB II zusätzliche monatliche Leistungen in Höhe von 35 Prozent des Regelbedarfs (vom Kläger mit 139,65 Euro beziffert) zu.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2017 zurück. Hinsichtlich der Länge des Bewilligungszeitraums stehe dem Kläger kein subjektives Recht zu, daher fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Sanktionsbescheide vom 7. Oktober 2016 und vom 1. November 2016 seien bestandskräftig geworden. Hinsichtlich des Sanktionsbescheids vom 22. November 2016 sei ein Klageverfahren beim Sozialgericht Hamburg anhängig; der Bescheid sei rechtmäßig. Der Kläger habe ferner keinen Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung, da er die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfülle.

Am 15. Mai 2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Beklagte habe unzulässigerweise wiederholt Paraphen als Unterschrift sowie Unterschriften mit dem Zusatz "im Auftrag" verwendet. Zudem verstoße der Beklagte ständig gegen das Grundgesetz.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2017 hat der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2017 bewilligt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2019 abgewiesen. Soweit der Kläger eine Verlängerung des Bewilligungszeitraums geltend mache, bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn inzwischen seien ihm mit Bescheid vom 31. Juli 2017 Leistungen auch für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 bewilligt worden. Er könne auch keine höheren Leistungen für Januar und Februar 2017 verlangen. Die Minderung sei durch insgesamt drei Sanktionsbescheide festgesetzt worden. Die ersten beiden Sanktionsbescheide seien bereits bestandskräftig geworden und schon deshalb nicht im hiesigen Verfahren zu überprüfen. Der Sanktionsbescheid vom 22. November 2016 sei Gegenstand eines weiteren, noch rechtshängigen Klageverfahrens (S 24 AS 231/17) und könne deshalb im hiesigen Verfahren nicht überprüft werden. Schließlich habe der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte, da die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen. Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II könne nur beansprucht werden, wenn der Leistungsberechtigte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfe erhalte, was bei dem Kläger nicht der Fall sei. Ein Anspruch auf Mehrbedarf für Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" stünde lediglich Sozialgeldbeziehern nach § 23 Nr. 4 SGB II und Leistungsberechtigten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gem. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII zu. Der Kläger gehöre nicht zu diesen Personenkreisen.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 28. September 2019 zugestellt worden. Am 5. Oktober 2019 hat er Berufung eingelegt.

Der Kläger stellt wörtlich folgende Anträge, von ihm jeweils als "Beweisantrag" bezeichnet: 1. "Der Beklagte muss die Zustellung an den Kläger aller angeblichen Schreiben zu Meldeterminen, usw. schriftlich nachweisen, andernfalls gelten sie Rechtlich als nicht existent und sind irrelevant für den Kläger." 2. "Der Beklagte und das LSG muss schriftlich beweisen, warum Nachfolgende BGH Urteile in diesem Verfahren nicht zutreffen. Laut 3 BGH Urteilen ist die Unterzeichnung mit (i.a.) = "im Auftrag" unzulässig." 3. "Das LSG Hamburg muss beweisen, warum Das Urteil des Sozialgericht Hamburg vom: 27.09.2019 mit Paraphe Unterzeichnet AZ: S 24 AS 1686/17; trotzdem gültig sein soll. obwohl diese Gesetzeslage vollkommen anders ist" 4. gleichlautend mit 3. 5. "Das LSG Hamburg muss beweisen warum der Beklagte & das Urteil des Sozialgericht Hamburg vom: 27.09.2019 AZ: S 24 AS 1686/17; gültig sein soll, obwohl eindeutig gegen das Völkerrecht verstoßen wird." 6. "Das LSG Hamburg muss beweisen, warum Die Gelderzeugung aus dem NICHTS von Banken nicht zutrifft." 7. "Das LSG Hamburg muss beweisen, warum der Beklagte so handelt als ob er Hoheitliche Befugnisse hätte, denn ein besetztes Land hat keine Souveränität."

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids sowie die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Beschluss vom 7. Januar 2020 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheidet der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter.

Gegenstand der Berufung ist der Bescheid vom 22. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2017.

Der Senat war nicht gehalten, über die vom Kläger als "Beweisanträge" formulierten Anträge vorab durch gesonderte Beschlüsse zu entscheiden. Bei dem Vorbringen handelt es sich nicht um Beweisanträge im eigentlichen Sinne. Der Kläger begehrt mit diesen Anträgen nicht die Aufklärung des Sachverhalts bzw. die Ermittlung von Tatsachen mit Hilfe bestimmter Beweismittel, sondern trägt seine Rechtsansicht vor. Vor diesem Hintergrund war sein Vortrag trotz der Bezeichnung als "Beweisanträge" als Berufungsbegründung zu werten und entsprechend zu behandeln.

II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Soweit der Kläger die Dauer des Bewilligungszeitraums rügt, fehlt es – wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat – am Rechtsschutzbedürfnis, da ihm zwischenzeitlich mit Bescheid vom 31. Juli 2017 auch für den Rest des Jahres Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden sind.

2. Mit seinem Begehren nach höheren Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017 kann der Kläger keinen Erfolg haben.

Die Berücksichtigung der mit Bescheiden vom 7. Oktober 2016 und 1. November 2016 festgestellten Leistungsminderungen für die Monate Januar und Februar 2017 begegnet keinen Bedenken. Der Bescheid vom 22. Dezember 2016 stellt die Minderungen nicht selbst fest, sondern setzt diese um. Fehler bei der Umsetzung sind nicht erkennbar. Die Bescheide vom 7. Oktober 2016 und 1. November 2016 sind mangels Einlegung eines Widerspruchs bestandskräftig, die durch sie verhängten Sanktionen schon deshalb im hiesigen Verfahren nicht überprüfbar. Der Bescheid vom 22. November 2016 ist Gegenstand des vor der hiesigen Klage anhängig gemachten und beim Sozialgericht noch nicht abgeschlossenen Klageverfahrens zum Aktenzeichen S 24 AS 231/17 und in diesem zu überprüfen (zur Zulässigkeit der gesonderten Anfechtung von Sanktionsbescheiden, wenn zwischen diesen und den Umsetzungsbescheiden ein zeitlicher Abstand liegt vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 28.6.2018 – L 4 AS 285/16 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 29.4.2015 – B 14 AS 19/14 juris Rn. 17, 19 a.E.). Eine Überprüfung des Bescheids vom 22. November 2016 (und damit auch seiner Umsetzung durch den Bescheid vom 22. Dezember 2016) im hiesigen Verfahren ist wegen des Verbots der doppelten Rechtshängigkeit (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 94 Rn. 7) nicht zulässig. Sind die Sanktionsbescheide im hiesigen Verfahren aus den genannten Gründen nicht zu überprüfen, so kommt es auf den Nachweis des Zugangs der Einladungsschreiben – wie ihn der Kläger mit seinem ersten "Beweisantrag" fordert – nicht an.

Hinsichtlich des geltend gemachten Mehrbedarfs besteht keine Anspruchsgrundlage, auf die der Kläger sich berufen kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids, denen er sich vollumfänglich anschließt.

Dass der Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2016 aus sonstigen Gründen dem Kläger niedrigere Leistungen gewährt, als dieser beanspruchen könnte, ist vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar.

3. Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass die Bescheide des Beklagten mit dem Zusatz "im Auftrag" unterzeichnet sind, dürfte es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da nicht erkennbar ist, wie dies den Kläger in seinen Rechten verletzen sollte. Im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte nicht zu diesem Vorgehen berechtigt sein sollte. Die vom Kläger für seine Auffassung zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs befassen sich mit der Frage, wie ein Anwalt seine Schriftsätze in einem zivilgerichtlichen Verfahren zu unterzeichnen hat. Diese Rechtsprechung ist auf die Unterzeichnung von Verwaltungsakten bzw. sonstiger Schreiben einer Behörde nicht übertragbar.

4. Auch mit seiner Rüge, der erstinstanzliche Gerichtsbescheid sei nicht vom zuständigen Richter unterschrieben, kann der Kläger nicht durchdringen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gerichtsbescheid im Original, welches sich in der Prozessakte befindet, sehr wohl – wie von § 134 Abs. 1 SGG angeordnet – mit der vollen handschriftlichen Unterschrift des zuständigen Kammervorsitzenden des Sozialgerichts unterzeichnet ist. Dem Kläger ist eine beglaubigte Abschrift (vgl. dazu § 202 SGG i.V.m. § 317 Zivilprozessordnung) des Gerichtsbescheids zugestellt worden, diese enthält korrekterweise den Vermerk "gez. [Name des Vorsitzenden]" sowie einen Beglaubigungsvermerk mit der Unterschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.

5. Verstöße des Beklagten oder des Sozialgerichts gegen das Völkerrecht oder das Grundgesetz sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat auch nicht näher spezifiziert, worin diese liegen sollen.

6. Die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der "Gelderzeugung aus dem Nichts" hat keinen erkennbaren Zusammenhang mit dem hiesigen Verfahrensgegenstand, nämlich der Frage, welche Leistungen der Kläger vom Beklagten beanspruchen kann. Isoliert, d.h. ohne einen solchen Zusammenhang, kann diese Thematik aber nicht zulässig zum Gegenstand eines Klage- bzw. Berufungsverfahrens gemacht werden. Zudem ist auch nicht erkennbar, worin diesbezüglich eine Rechtsverletzung des Klägers liegen sollte.

7. Soweit der Kläger geltend macht, dem Beklagten fehle es an hoheitlichen Befugnissen, gilt ebenfalls, dass ein Zusammenhang mit dem Leistungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nicht erkennbar ist und eine isolierte Geltendmachung dieser Frage mit einer Klage bzw. Berufung nicht zulässig ist.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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