Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 8/19 EK AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 ÜG 3/20 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Beginn der Klagefrist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG beginnt auch, wenn ein Verfahren durch Verbindung als selbständiges Verfahren schon zuvor seinen Abschluss gefunden hat, erst mit der rechtskräftigen Entscheidung über das entsprechende prozessuale Begehren.
2. Eine Verzögerungsrüge ist regelmäßig unwirksam, weil zweckwidrig und daher rechtsmissbräuchlich erhoben, wenn der Entschädigungskläger mit ihr zuwartet, bis ein baldiger Verfahrensabschluss - auch ohne Verzögerungsrüge - sich abzeichnet, und also davon auszugehen ist, dass er sein Verhalten an dem Ziel orientiert hat, eine möglichst hohe Entschädigungssumme zu erhalten.
3. Zu der bei der Beurteilung einer unangemessenen Verfahrensdauer anzustellenden Gesamtabwägung und den dabei zu berücksichtigenden Umständen.
4. Eine Feststellung der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens ist trotz Ausnahmecharakters jedenfalls dann ausreichend, wenn der mit dem Verfahren erstrebte Vorteil erkennbar geringfügig oder gar nicht (mehr) erreichbar und/oder die Rechtsverfolgung erkennbar aussichtslos ist und/oder der Entschädigungskläger auf Grund seines Gesamtverhaltens wesentlich zur Verzögerung beigetragen hat.
2. Eine Verzögerungsrüge ist regelmäßig unwirksam, weil zweckwidrig und daher rechtsmissbräuchlich erhoben, wenn der Entschädigungskläger mit ihr zuwartet, bis ein baldiger Verfahrensabschluss - auch ohne Verzögerungsrüge - sich abzeichnet, und also davon auszugehen ist, dass er sein Verhalten an dem Ziel orientiert hat, eine möglichst hohe Entschädigungssumme zu erhalten.
3. Zu der bei der Beurteilung einer unangemessenen Verfahrensdauer anzustellenden Gesamtabwägung und den dabei zu berücksichtigenden Umständen.
4. Eine Feststellung der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens ist trotz Ausnahmecharakters jedenfalls dann ausreichend, wenn der mit dem Verfahren erstrebte Vorteil erkennbar geringfügig oder gar nicht (mehr) erreichbar und/oder die Rechtsverfolgung erkennbar aussichtslos ist und/oder der Entschädigungskläger auf Grund seines Gesamtverhaltens wesentlich zur Verzögerung beigetragen hat.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 1.200,- Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Entschädigung in Geld wegen der nach seiner Auffassung unangemessenen Dauer zweier vor dem Sozialgericht Marburg unter den Aktenzeichen S 8/5 AS 120/12 und S 8/5 AS 121/12 geführter Verfahren geltend.
Das Ausgangsverfahren S 8/5 AS 120/12 betraf Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung und hatte folgenden Hintergrund: Der im Oktober 1970 geborene Kläger, der seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von dem Beigeladenen erhält, befand sich 2011 auf Wohnungssuche. In diesem Zusammenhang beantragte er im November 2011 Leistungen für die Erstausstattung einer "D-Straße" in A Stadt gelegenen Wohnung, von deren alsbaldigem Bezug durch den Kläger er selbst und der Beigeladene zu diesem Zeitpunkt ausgingen. Der Beigeladene bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 8. November 2011 einen Betrag von 372,- Euro für die Wohnungserstausstattung. In dem Bescheid wies er darauf hin, dass die Leistung zweckgebunden sei.
Der Kläger zog jedoch zum 1. Dezember 2011 in eine andere, von ihm noch heute bewohnte Wohnung um, hinsichtlich derer der Beigeladene die anfallenden Aufwendungen in tatsächlicher Höhe übernahm. Nach Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8. November 2011, insbesondere wegen der Höhe der bewilligten Leistungen, widerrief der Beigeladene vor diesem Hintergrund – im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2012 – den Bewilligungsbescheid, der Kläger die Wohnung, für welche die Erstausstattung bewilligt worden war, tatsächlich nicht bezogen hatte, und stellte das Widerspruchsverfahren ein.
Der Kläger erhob daraufhin am 30. April 2012 Klage zum Sozialgericht Marburg unter Bezeichnung des Klagegegenstandes als "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gemeinschaft" und mit dem Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 8. November 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2012 aufzuheben und diesen zu verpflichten, "die notwendigen Sozialleistungen zukünftig zu erbringen, und festzustellen, dass der Bescheid in die Rechte des Klägers eingreift". Die Begründung beschränkte sich auf folgende Ausführungen: "Die Klage ist zulässig und begründet. Mit dem angegriffenen Widerspruchsbescheid ist das Vorverfahren beendet. Der Kläger ist, wie es bei dem Beklagten üblich ist, nicht vor Erlass der Bescheide gehört worden. Bei dem Widerspruchsbescheid verhält es sich gleich. Weiterer Vortrag folgt."
Das Verfahren, welches das Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 5 AS 120/12, nach Kammerwechsel unter dem Aktenzeichen S 8 AS 120/12 führte, entwickelte sich wie folgt: Der Beigeladene beantragte mit Eingang bei Gericht am 3. Juli 2012 die Abweisung der Klage. Unter dem 23. Juli 2013 fragte das Sozialgericht sodann bei den Beteiligten an, ob sie mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid einverstanden seien. Unter dem 4. September 2013 vermerkte die Kammervorsitzende, dass der Kläger in anderen Verfahren wegen des Todes seines Vaters um Verlängerung dort laufender Fristen gebeten habe; deswegen werde von einer Erinnerung an die Beantwortung des Schreibens vom 23. Juli 2013 zunächst abgesehen. Mit Schreiben vom 5. September 2013 übermittelte das Gericht sodann die zwischenzeitlich eingegangene Erklärung des Beigeladenen, er sei mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden, an den Kläger und erinnerte diesen am 22. Oktober 2013 an die seinerseits weiterhin ausstehende Äußerung.
Nach dem Kammerwechsel – der Kläger hatte sich weiterhin nicht gemeldet – wies der neue Vorsitzende mit Schreiben vom 25. Juli 2014 auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage wegen des nicht zustande gekommenen Mietverhältnisses hin und hörte die Beteiligten gleichzeitig zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 15. August 2014 gegen diese Absicht und erhob gleichzeitig Verzögerungsrüge; zudem stellte er einen Antrag auf Einsicht in die Gerichts- und Verwaltungsakten, die durch Schreiben des Gerichts vom 22. September 2014 bewilligt, allerdings dann von dem Kläger, soweit ersichtlich, nicht wahrgenommen wurde.
Auch das Ausgangsverfahren S 8/5 AS 121/12 hatte die Wohnungssuche zum Hintergrund; konkret ging es um die Erteilung einer Zusicherung hinsichtlich der Übernahme der anfallenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für eine neu anzumietende Wohnung (heute § 22 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende – [SGB II], damals § 22 Abs. 2 SGB II): Der Kläger fragte mit E-Mail vom 26. Juli 2011 unter Beifügung eines entsprechenden Angebots bei dem Beigeladenen an, ob die Anmietung einer konkreten in A-Stadt gelegenen Wohnung zustimmungsfähig sei. Dies verneinte der Beigeladene mit E-Mail vom gleichen Tag, da die Aufwendungen für die Wohnung die Angemessenheitsgrenze überstiegen. Einen daraufhin am 31. Juli 2011 gestellten förmlichen Antrag auf Zusicherung lehnte der Beigeladene durch Bescheid vom 18. August 2011 ab. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid unter dem 30. August 2011 Widerspruch ein, den der Beigeladene durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 2012 zurückwies.
Der Kläger erhob am 30. April 2012 mit identischer Begründung wie im Verfahren S 8/5 AS 120/12 Klage. Auch im Folgenden entwickelte sich das Verfahren wie das andere Verfahren: Der Beigeladene beantragte mit Eingang am 3. Juli 2012 die Abweisung der Klage. Unter dem 23. Juli 2013 fragte das Sozialgericht bei den Beteiligten an, ob sie mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid einverstanden seien, und vermerkte auch hier unter dem 4. September 2013, dass der Kläger in anderen Verfahren wegen des Todes seines Vaters um Verlängerung dort laufender Fristen gebeten habe; deswegen werde von einer Erinnerung an die Beantwortung des Schreibens vom 23. Juli 2013 zunächst abgesehen. Am 5. September 2013 übermittelte das Sozialgericht die zwischenzeitlich eingegangene Erklärung des Beigeladenen, er sei mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden, an den Kläger und erinnerte diesen mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 an die von seiner Seite ausstehende Äußerung.
Nach Übernahme auch dieses Verfahrens durch die 8. Kammer des Sozialgerichts wies der neue Vorsitzende mit Schreiben vom 25. Juli 2014 – der Kläger hatte sich auch hier weiterhin nicht gemeldet – auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage wegen des Zeitablaufs und des nicht mehr verfügbaren Wohnraums hin und hörte gleichzeitig auch in diesem Verfahren zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Allerdings ist im Verfahren S 8 AS 121/12 keine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben – und also auch keine Verzögerungsrüge – zu verzeichnen.
Das Sozialgericht verband sodann beide Verfahren durch Beschluss vom 22. September 2014 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und wies durch Gerichtsbescheid vom 4. April 2016 die Klage(n) ab. Die Klage im Verfahren S 8 AS 120/12 sei bereits verfristet. Der Feststellungsantrag des Klägers sei unzulässig, da der Kläger sein Begehren mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreichen könne. Die Klage im Verfahren S 8 AS 121/12 sei unzulässig, weil davon auszugehen sei, dass die fragliche Wohnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehe.
Die – nach Zustellung des Gerichtsbescheids am 8. April 2016 – vom Kläger am Montag, den 9. Mai 2016, eingelegte und trotz entsprechender Ankündigung nicht begründete Berufung wies das Landessozialgericht – nach Ablehnung eines am Terminstag angebrachten Befangenheitsgesuchs – durch Urteil vom 17. Februar 2017 zurück. Zur Begründung führte es insbesondere aus, die Klage sei entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts nicht verspätet, der Verpflichtungsantrag sei jedoch nicht hinreichend bestimmt. Der Feststellungsantrag sei wegen des fehlenden Feststellungsinteresses beziehungsweise Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Soweit das Klagebegehren so auszulegen sei, dass es auf die Erteilung von Zusicherungen für die Übernahme der Unterkunftskosten respektive höherer Aufwendungen für die Wohnungserstausstattung gerichtet sei, habe es sich wegen des Umzugs des Klägers in die andere Wohnung erledigt. Soweit er sich gegen den Widerruf der Bewilligung der Leistungen für die Erstausstattung wende, sei die Klage als reine Anfechtungsklage zulässig, jedoch unbegründet, denn der Beklagte sei wegen des Wegfalls des Verwendungszwecks berechtigt gewesen, die Bewilligung zu widerrufen. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 7. April 2016. Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens wegen der Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts blieb erfolglos (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 23. Oktober 2017 – B 4 AS 49/17 BH u.a. –, juris).
Der Kläger hat am 7. November 2017 einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Entschädigungsklage wegen der nach seiner Auffassung überlangen Dauer der Ausgangsverfahren gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 5. April 2019 – L 6 SF 59/17 EK AS – entsprochen hat. Der Antragsteller hat daraufhin – nach Zustellung des Beschlusses am 13. April 2019 – am 26. April 2019 die angekündigte Entschädigungsklage erhoben und beantragt, ihm wegen der versäumten Klagefrist aus § 198 Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, die Dauer der beiden vor dem Sozialgericht Marburg geführten Verfahren habe jeweils knapp vier Jahre betragen. Da es sich um einfach gelagerte Sachverhalte gehandelt habe, sei eine maximale Verfahrensdauer von einem Jahr angemessen gewesen. Auch der mehrfache Dezernatswechsel beim Sozialgericht könne die Verfahrensverzögerungen nicht rechtfertigen. Daher sei eine Verzögerung von 35 Monaten festzustellen. Dies sei der in das Ermessen des Gerichts gestellten Bemessung der Entschädigungssumme zugrunde zu legen, auch wenn er seinen Antrag auf einen Mindestbetrag von 1.200,- Euro beschränke.
Dem Vorbringen des Beklagten ist er entgegengetreten: Die Errechnung einer durchschnittlichen Verfahrensdauer über mehrere Instanzen hinweg sei nicht zulässig. Weiter unterscheide § 198 GVG als Ausprägung des Rechtsstaatsgebotes nicht zwischen "guten" und "schlechten" Klägern. Wenn er eine Vielzahl von Klagen erhebe, so sei dies sein gutes Recht. Außerdem sei die die Durchführung der Ausgangsverfahren trotz des Umzugs in eine andere Wohnung notwendig gewesen, um durch entsprechende Feststellungen zu klären, welche Rechte ihm bei der Wohnungssuche zuständen, umso mehr als er wegen der fortdauernden Verweigerungshaltung des Beigeladenen nunmehr seit Jahren in einer unrenovierten Wohnung leben müsse. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge unmittelbar nach der Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat er insbesondere ausgeführt, ihm sei zu diesem Zeitpunkt klargeworden, dass das Ausgangsverfahren überlang geworden sei. Auch habe sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Entschädigungsklagen erst entwickelt und im Jahr 2014 seien wichtige Entscheidungen des Bundessozialgerichts ergangen, die er abgewartet habe. Zudem sei ihm vor dem Hintergrund, dass im Jahre 2014 die Übergangsregelungen bei Inkrafttreten des Gesetzes für die Entschädigung überlanger Verfahren keine Relevanz mehr gehabt hätten, die Erhebung einer Verzögerungsrüge vorher auch nicht besonders eilbedürftig erschienen.
Er beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der unangemessenen Dauer der Verfahren vor dem Sozialgericht Marburg zu den Aktenzeichen S 8/5 AS 120/12 und S 8/5 AS 121/12 eine Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,- Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des Verfahrens S 8 AS 121/12 übersehe der Kläger, dass dieses schon durch den Verbindungsbeschluss vom 22. September 2014 abgeschlossen gewesen sei. Die Entschädigungsklage wahre daher die Sechsmonatsfrist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG selbst dann nicht, wenn insoweit an den isolierten Prozesskostenhilfeantrag vom 7. November 2018 anzuknüpfen sein sollte.
Hinsichtlich des Verfahrens S 8 AS 120/12 verweist der Beklagte darauf, dass nach seiner Auffassung das Ausgangsverfahren nicht unangemessen lange gedauert habe. Hierfür müsse das gesamte Verfahren von der Klageerhebung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG) in den Blick genommen werden. Dies habe zwar knapp 5 ½ Jahre gedauert, was jedoch, verteilt auf drei Instanzen, nicht per se als außergewöhnlich lang angesehen werden könne. Zum anderen lasse der Kläger außer Acht, dass er selbst das Ausgangsverfahren nicht einmal ansatzweise vorangebracht habe: Weder habe er trotz entsprechender Ankündigung die Klage weiter begründet noch die ihm gewährte Akteneinsicht genommen, sondern er habe auf beinahe jede prozessleitende Verfügung mit Untätigkeit reagiert. Das Verhalten des Klägers lasse objektiv betrachtet den Schluss zu, dass er selbst kein großes Interesse am Verfahrensfortgang gehabt habe, so dass das Sozialgericht durchaus berechtigt gewesen sei, die Bearbeitung des Ausgangsverfahrens – auch im Interesse anderer Rechtsschutzsuchender – zurückzustellen. Das gelte nur umso mehr, als es sich bei dem Entschädigungskläger um einen Vielkläger handele, der die hessische Sozialgerichtsbarkeit seit Jahren mit einer Vielzahl von – zum Teil unnötigen – Klagen und Verfahren überhäufe. Letztlich gehe es ihm vornehmlich darum, sozialgerichtliche Verfahren um ihrer selbst willen beziehungsweise deshalb zu führen, um anschließend eine Entschädigung wegen vermeintlich überlanger Verfahrensdauer zu erstreiten. Nicht anders sei es zu erklären, dass der Kläger – nachdem er mehr als zwei Jahre auf keines der richterlichen Schreiben reagiert gehabt habe – auf die Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid sogleich Verzögerungsrüge erhoben habe. Die Verzögerungsrüge habe zu diesem Zeitpunkt ihrer Warn- und Beschleunigungsfunktion nicht gerecht werden können und sei als missbräuchlich anzusehen. Dabei müssten das hiesige Verfahren und die vom Senat am gleichen Tag verhandelten weiteren Entschädigungsklageverfahren zusammen betrachtet werden.
Der Senat hat durch Beschluss vom 19. September 2019 den Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Beklagten des Ausgangsverfahrens auf der Grundlage von § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Dieser hat darauf hingewiesen, dass der Kläger wegen der mit der bis heute bewohnten Wohnung zusammenhängenden Bedarfe eigenständige Verfahren geführt habe, so dass es für die Durchführung der Ausgangsverfahren keinen Grund gegeben habe. Einen Antrag zum Entschädigungsklageverfahren hat der Beigeladene nicht gestellt.
Der Senat hat weiter eine Auskunft des Direktors des Sozialgerichts Marburg wegen der dort vom Kläger geführten Verfahren eingeholt. Wegen der Antwort wird auf dessen Schreiben vom 12. November 2019 (Bl. 40 ff. der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten – auch zu den Parallelverfahren L 6 SF 6/19 EK AS, L 6 SF 7/19 EK AS und L 6 SF 9/19 EK AS – sowie der beigezogenen Akten, insbesondere der Ausgangsverfahren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Entschädigungsklage ist unbegründet. Dem Kläger steht der allein geltend gemachte Entschädigungsanspruch in Geld wegen der von ihm behaupteten unangemessenen Dauer der Ausgangsverfahren nicht zu.
I. Gegenstand des Verfahrens ist nur der Entschädigungsanspruch in Geld aus § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, nicht dagegen der sogenannte "kleine" Entschädigungsanspruch, also die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG). Dieser muss zwar nicht separat beantragt werden (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 Abs. 4 Satz 2 GVG); das Gesetz geht vielmehr (auch in der besonderen Kostenvorschrift des § 201 Abs. 4 GVG) davon aus, dass es sich um ein wesensgleiches Minus zu dem mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungsanspruch handelt (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a). Der Kläger hat jedoch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass die Feststellung der Überlänge des Verfahrens nicht geltend gemacht werde. Dies steht ihm im Rahmen des auch das sozialgerichtliche Verfahren beherrschenden Dispositionsgrundsatzes frei, so dass der Senat hierüber nicht zu entscheiden hat.
II. Die Klage ist zulässig. Die auf Entschädigung in Geld gerichtete Klage ist als reine Leistungsklage statthaft. Der Kläger hat zudem die Wartefrist aus (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG eingehalten. Das Landessozialgericht ist erstinstanzlich für die Entscheidung zuständig (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG).
III. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Das folgt allerdingt nicht bereits aus der Fristenregelung aus (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG, die eine Erhebung der Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach Abschluss des Ausgangsverfahrens vorsieht. Der Kläger hat zwar diese Frist nicht eingehalten; wegen des von ihm rechtzeitig gestellten Antrags auf Prozesskostenhilfe und der unverzüglichen Klageerhebung nach deren Bewilligung ist die mit dem Verstreichen der Frist in der Regel verbundene Verwirkung jedoch nicht eingetreten; über den Wiedereinsetzungsantrag muss der Senat daher nicht entscheiden, weil der Kläger der Wiedereinsetzung nicht bedarf.
Gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG muss eine Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das als überlang gerügte Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Es handelt sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf eine Verwirkung des Entschädigungsanspruchs eintritt (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 17/3802 sowie S. 22, BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 ÜG 1/17 R –, SozR 4-1710 Art. 23 Nr. 5, Rn. 22; Senat, Urteil vom 29. Juni 2016 – L 6 SF 5/14 EK AL –, juris, Rn. 18; Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 1. Auflage 2012, § 198 GVG Rn. 159 ff.; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 30b; Lückemann, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 198 GVG Rn. 11; für ein prozessuales Verständnis der Vorschrift dagegen z.B. Röhl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 198 GVG [Stand: 26.11.2019] Rn. 255; Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 9. Auflage 2018, § 198 Rn. 43).
Vorliegend ist das Ausgangsverfahren durch das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Februar 2017 beendet worden, das dem Antragsteller ausweislich der zugehörigen Postzustellungsurkunde am 7. April 2017 zugestellt worden ist. Die nach § 160a Abs. 1 Satz 2 SGG einmonatige Frist zur Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde endete mithin am Montag, dem 8. Mai 2017 (vgl. § 64 Abs. 3 SGG). Mit deren Ablauf wurde das Urteil rechtskräftig, so dass die sechsmonatige Frist für die Erhebung der Entschädigungsklage am 8. November 2017 endete (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Der vom Kläger beim Bundessozialgericht gestellte isolierte Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts veränderte den Fristenlauf dabei nicht (Senat, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 6 SF 5/16 EK U –, juris; ebs. BSG, Beschluss vom 18. Mai 2017 – B 10 ÜG 2/17 BH –, juris, in dem nachfolgenden Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des Senats; vgl. außerdem B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 30b). Gemäß § 160a Abs. 3 SGG vermag nur die tatsächliche Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtskraft des Urteils zu hemmen, nicht aber ein (erfolgloser) Prozesskostenhilfeantrag für eine beabsichtige Beschwerde, wenn diese danach nicht (trotzdem noch) erhoben wird.
Hiervon ausgehend kann dem Kläger die Versäumung der Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) nicht entgegengehalten werden, obwohl er die Entschädigungsklage erst am 26. April 2019 erhoben hat. Er hat nämlich innerhalb der Sechs-Monats-Frist am 7. November 2017 Prozesskostenhilfe beantragt und nach deren Bewilligung innerhalb von weniger als zwei Wochen und damit unverzüglich die angekündigte Entschädigungsklage erhoben (vgl. zu diesem Zusammenhang, der Notwendigkeit einer unverzüglichen Klageerhebung nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag und der zeitlichen Konkretisierung dieses Maßstabs BFH, Urteil vom 20. März 2019 – X K 4/18 –, BFHE 263, 498 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rn. 12; BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 ÜG 1/17 R –, SozR 4-1710 Art. 23 Nr. 5, Rn. 12, 23 ff., 27; BSG, Beschluss vom 2. August 2018 – B 10 ÜG 2/18 B –, juris, Rn. 7). Somit kommt zwar die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) nicht in Betracht, da die Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG als materielle Ausschlussfrist einer Wiedereinsetzung nicht zugänglich ist (vgl. die oben zitierten Nachweise zum Charakter der Frist); der Fristablauf ist jedoch mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben und das Recht auf effektiven Rechtsschutz wegen des rechtzeitig gestellten Antrags auf Prozesskostenhilfe und der nach deren Bewilligung unverzüglich erhobenen Klage unbeachtlich. Insoweit lässt sich der Rechtsgedanke des § 204 Abs. 1 Nr. 14 Bürgerliches Gesetzbuch fruchtbar machen, wonach die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gehemmt wird (vgl. zu diesen Zusammenhängen grdl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rn. 12).
Das gilt im Ergebnis auch für die Entschädigungsklage wegen des Ausgangsverfahrens S 8/5 AS 121/12; entgegen der Auffassung des Beklagten ist für den Fristbeginn nicht an den Verbindungsbeschluss des Sozialgerichts anzuknüpfen. Insoweit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Umstand, dass auch über die dort streitgegenständlichen Klagebegehren rechtskräftig erst durch das Urteil des Landessozialgerichts entschieden wurde, das Verfahren andererseits schon im September 2014 zu dem anderen Ausgangsverfahren hinzuverbunden wurde, damit als selbständiges Verfahren seinen Abschluss fand und nurmehr ein einheitliches Verfahren fortgeführt wurde (vgl. hierzu z.B. Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 147 Rn. 7; Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 113 Rn. 4). Das scheint – wie vom Beklagten geltend gemacht – nahezulegen, für die Bemessung der Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 SGG an den Verbindungsbeschluss anzuknüpfen. Dem steht gegenüber, dass für das Entschädigungsrecht regelmäßig die Dauer des Gesamtverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss maßgeblich ist (vgl. namentlich § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG), so dass namentlich auch eine Kompensation der Dauer eines Verfahrensabschnitts, der als solches als überlang zu qualifizieren wäre, durch eine schnelle Bearbeitung in anderen Verfahrensabschnitten möglich ist. Sinnvollerweise knüpft daher auch die Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG für den Regelfall an den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits an. Dies legt nahe, auch für das Entschädigungsrecht die fortdauernde prozessrechtliche Selbständigkeit mehrerer Klagebegehren trotz ihrer Verbindung zu betonen (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 113 Rn. 4; Leopold, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, § 113 Rn. 28). Andernfalls wäre der Betroffene gezwungen, Entschädigungsklage bereits zu einem Zeitpunkt zu erheben, zu dem noch nicht absehbar ist, ob es zu der angesprochenen Kompensation im weiteren Verlauf kommen wird: Das wäre für ihn mit nicht kalkulierbaren und daher letztlich kaum zumutbaren Prozessrisiken und für alle Beteiligten mit unter Umständen unnötigem Aufwand verbunden. Auch im Fall der Verbindung ist daher – sofern es, wenn auch nach Verbindung, zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das entsprechende prozessuale Begehren kommt – für den Beginn der Klagefrist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 SGG an diese anzuknüpfen.
2. Es fehlt jedoch an der wirksamen Erhebung einer Verzögerungsrüge.
a) Im Verfahren S 8/5 AS 121/12 hat der Kläger nach Aktenlage eine Verzögerungsrüge gar nicht erhoben. Die vor der Verbindung im Parallelverfahren S 8/5 AS 120/12 erhobene Verzögerungsrüge lässt sich – trotz der Verbindung beider Verfahren – nicht auf das andere Verfahren beziehen.
b) Aber auch im Verfahren S 8/5 AS 120/12 hat der Kläger nicht wirksam Verzögerungsrüge erhoben.
Entschädigung in Geld erhält ein Verfahrensbeteiligter nach (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Dieser kommt Warn- und Beschleunigungsfunktion zu (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 20; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 28). Sie dient damit dem Primärrechtsschutz, soll dem Betroffenen also helfen, sein – vom Gesetzgeber unterstelltes – Ziel, ihm Rechtsschutz in angemessener Zeit zu verschaffen, als solches zu realisieren. Zugleich soll ein sogenanntes "Dulde und liquidiere" ausgeschlossen werden; dahinter steht die Erwägung, dass es einem Verfahrensbeteiligten nicht ermöglicht werden soll, einem Prozess seinen Lauf zu lassen und im Nachhinein Entschädigung zu verlangen, ohne zuvor dem Gericht gegenüber kenntlich zu machen, dass nach seiner Auffassung eine überlange Verfahrensdauer droht (vgl. ähnl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Dezember 2013 – L 11 SF 398/13 EK AS –, juris, Rn. 22).
Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass die Verzögerungsrüge im hiesigen Ausgangsverfahren zweckwidrig erhoben worden und daher als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist. Das dürfte zwar nicht bereits dann der Fall sein, wenn der Beteiligte über längere Zeit passiv den fehlenden Fortgang des Verfahrens hinnimmt und dann "plötzlich" Verzögerungsrüge erhebt, regelmäßig aber dann, wenn er die Verzögerungsrüge gar nicht ihrem Zweck entsprechend nutzt, sondern mit ihr zuwartet, bis ein baldiger Verfahrensabschluss – auch ohne Verzögerungsrüge – sich abzeichnet, und also davon auszugehen ist, dass er sein Verhalten an dem Ziel orientiert, eine möglichst hohe Entschädigungssumme zu erhalten (vgl. ähnl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. April 2017 – L 15 SF 18/16 EK AS –, juris, Rn. 15).
Davon ist vorliegend auszugehen: Der Kläger hat, nachdem er sich zuvor monatelang nicht zu dem Verfahren geäußert hatte, Verzögerungsrüge unmittelbar als Reaktion auf eine ihm vom Sozialgericht übermittelte Anhörung zum Gerichtsbescheid erhoben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er "befürchten" musste, dass das Gericht alsbald eine Entscheidung treffen würde. Schon dies legt eine zweckwidrige Erhebung nahe. Zusätzliche Hinweise in diese Richtung ergeben sich aus dem Umstand, dass der Kläger (erst) die Verzögerungsrüge mit einem Antrag auf Akteneinsicht verbunden hat. Das ist allein zwar sicherlich kein belastbarer Hinweis auf eine rechtsmissbräuchliche Rüge, wohl aber dann, wenn der Beteiligte die – ihm vom Gericht umstandslos gewährte – Akteneinsicht anschließend gar nicht wahrnimmt. Zur Überzeugung des Senats von einer allein mit Blick auf die Realisierung eines möglichst hohen Entschädigungsanspruchs erhobenen Verzögerungsrüge verdichten sich diese Hinweise dadurch, dass der Kläger das Verfahren selbst nicht ansatzweise gefördert hat: So hat er sich auf Anfragen des Gerichts und Erinnerungen hierzu ganz überwiegend verschwiegen, im konkreten Fall namentlich auf die Anfrage aus dem Jahr 2013, ob er mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid einverstanden sei. In dieses Bild ordnet sich weiter der Umstand ein, dass der Kläger sowohl die Klage wie die Berufung gar nicht (so im Fall der Berufung) beziehungsweise offensichtlich unzureichend (so im Fall der Klage durch die Rüge fehlender Anhörung, nachdem die Klage nicht nur auf die Aufhebung des Widerrufs der bereits bewilligten Leistung, sondern auch auf die Gewährung höherer Leistungen beziehungsweise die Erteilung einer Zusicherung gerichtet war) begründet und weiteren Vortrag jeweils angekündigt, dann aber nicht gehalten hat. Ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass der Kläger an einem zügigen Abschluss des Verfahrens gar nicht interessiert war, ergibt sich schließlich aus dem Umstand, dass er vor dem Landessozialgericht erst am Terminstag im Februar 2017 einen Befangenheitsantrag vorgelegt hat, obwohl die als Grund für die Besorgnis der Befangenheit angeführten Umstände längst bekannt waren: Der Kläger stützte sein Befangenheitsgesuch auf die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in zwei Parallelverfahren durch Beschlüsse aus dem Juni beziehungsweise Juli 2016, weil das Landessozialgericht darin zu Unrecht davon ausgegangen sei, die den dortigen Verfahren zugrunde liegenden Klagen seien verfristet gewesen. Er hätte daher ein auf diese Zusammenhänge gestütztes Befangenheitsgesuch längst vorher anbringen können. Im Ergebnis lässt sich der Zeitpunkt, zu dem der Kläger den Ablehnungsantrag gestellt hat, kaum anders denn als Versuch werten, eine Durchführung der mündlichen Verhandlung am vorgesehenen Terminstag zu verhindern und damit den Abschluss des Verfahrens weiter zu verzögern. Zudem stellt sich das Verhalten des Klägers im hiesigen Ausgangsverfahren als Ausprägung eines Musters dar, das sich in ganz ähnlicher Weise auch in den Ausgangsverfahren zu den parallel erhobenen Entschädigungsklagen L 6 SF 7/19 und L 6 SF 9/19 finden lässt: Auch dort hat der Kläger das jeweilige Verfahren über lange Zeit selbst nicht betrieben, vielmehr die jeweilige Klage und die jeweilige Berufung nicht oder erkennbar unzureichend begründet und weiteren Vortrag angekündigt, dann aber nicht gehalten, gerichtliche Anfragen trotz Erinnerung hieran unbeantwortet gelassen und erst auf die Ankündigung einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit einer Verzögerungsrüge reagiert – auch dort verbunden mit einem Antrag auf Akteneinsicht, wobei er die bewilligte Möglichkeit zur Akteneinsicht ebenfalls nicht wahrgenommen hat. Insgesamt ergibt sich damit ein kohärentes Bild, wonach es dem Kläger gerade nicht um den schnellen Abschluss der Verfahren ging, sondern er die Verzögerungsrüge just zu dem Zeitpunkt angebracht hat, zu dem dies notwendig erscheinen musste, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch realisieren zu können. Das aber widerspricht dem Zweck der Verzögerungsrüge, so dass ihre Erhebung als rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam anzusehen ist.
Auch die Erläuterungen, die der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, bestätigen dies letztlich, namentlich wenn er darauf verweist, dass ihm vor dem Hintergrund, dass im Jahre 2014 die Übergangsregelungen aus der Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren keine Relevanz mehr gehabt hätten, die Erhebung einer Verzögerungsrüge nicht besonders eilbedürftig erschienen sei. Auch dies zeigt, dass es ihm – entgegen dem vom Gesetzgeber mit der Verzögerungsrüge verfolgten Zweck – nicht unmittelbar um die Beschleunigung des Ausgangsverfahrens ging, sondern um die Sicherung eines Entschädigungsanspruchs.
Eine aus diesen Gründen rechtsmissbräuchlich erhobene Verzögerungsrüge ist einer verfrüht erhobenen (vgl. hierzu § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG) vergleichbar und sperrt ebenso wie diese die Erhebung späterer Rügen nicht für immer; vielmehr kann der Betroffene, wenn sich das Verfahren im Anschluss (weiter) verzögert, namentlich weil die absehbare Entscheidung doch nicht alsbald ergeht, erneut und dann wirksam die Verzögerung des Verfahrens rügen. Wie eine verfrüht erhobene bleibt eine rechtsmissbräuchliche Verzögerungsrüge selbst jedoch unwirksam (vgl. für die verfrüht erhobene Rüge BFH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – X K 2/15 –, BFHE 255, 407, Rn. 46).
Weitere Verzögerungsrügen – die möglicherweise anders zu bewerten wären, nachdem das Sozialgericht den 2014 angekündigten Gerichtsbescheid nicht alsbald erlassen hat – hat der Kläger nicht erhoben.
3. Zudem wäre – eine Überlänge der Ausgangsverfahren zu Gunsten des Klägers unterstellt – eine Wiedergutmachung durch die von ihm nicht geltend gemachte Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) als Entschädigung – ausnahmsweise – ausreichend; ein Entschädigungsanspruch in Geld besteht dagegen nicht.
a) Es spricht allerdings zunächst einiges dafür, die Dauer der Ausgangsverfahren auch unter Berücksichtigung der in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehenden Gesichtspunkte, die eine über das Übliche hinausgehende Verfahrensdauer als dem Kläger zumutbar erscheinen lassen, als unangemessen lang zu bewerten.
aa) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (vgl. am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –: BVerfG, Beschluss vom 30. August 2016 – 2 BvC 26/14 – Vz 1/16 , juris; BVerfG, Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 –, juris), zumal Zügigkeit und Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen zu sehen darstellen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht. Wegen der Einzelheiten kann auf das Urteil des Senats vom 27. November 2019 – L 6 SF 24/17 EK KR –, juris, Bezug genommen werden.
bb) Hinsichtlich der Bedeutung und der Schwierigkeit der Ausgangsverfahren zunächst ist festzuhalten, dass die streitige Erstausstattung einer Wohnung beziehungsweise die eingeforderte Zusicherung der Übernahme von Unterkunftsaufwendungen für zwei Wohnungen, deren Anmietung der Kläger im Herbst 2011 beabsichtigte, schon bei Einleitung der (später verbundenen) Verfahren im April 2012 für ihn keine erkennbare Relevanz mehr hatte: Zu diesem Zeitpunkt war er bereits in eine andere, nämlich die bis heute von ihm bewohnte und kostenangemessene Wohnung umgezogen; trotz seines Hinweises auf den Zustand dieser Wohnung sind Gründe dafür, dass dennoch Anlass für die Klärung der im Ausgangsverfahren streitigen und auf eine andere Wohnung bezogenen Fragen hätte bestehen können, nicht ersichtlich; dies gilt nur umso mehr angesichts der Mitteilung des Beigeladenen, der Kläger habe wegen der mit der tatsächlich bezogenen Wohnung verbundenen Bedarfe eigenständige Verfahren geführt. Nachvollziehbare Bedeutung besaß danach allein der Widerruf der bereits bewilligten Leistungen für die Erstausstattung.
Das auf Grund dieser Zusammenhänge allerdings auch als rechtlich wenig schwierig zu qualifizierende erstinstanzliche Verfahren S 8/5 AS 120/12 dauerte rund vier Jahre (vom Klageeingang im April 2012 bis zur Zustellung des Gerichtsbescheides im April 2016). In diesem Zeitraum kann von 36 Monaten ausgegangenen werden, in denen es – dem Sozialgericht zurechenbar – zu keiner Verfahrensförderung gekommen ist.
Zwischen dem Klageeingang und Juli 2012 zunächst ist keine relevante Verfahrensverzögerung festzustellen. Das Sozialgericht durfte vielmehr bis dahin auf die Klageerwiderung warten; dies gilt nur umso mehr, als der vom Kläger angekündigte weitere Vortrag ausstand. Anschließend allerdings ist das Gericht, welches die Klageerwiderung an den Kläger ohne Erinnerung an den angekündigten, aber ausstehenden weiteren Vortrag seinerseits "z.K." übermittelt hatte, erst nach elf Monaten ohne erkennbare Verfahrensförderung im Juli 2013 auf das Verfahren zurückgekommen, und zwar durch die Anfrage, ob die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien. Die danach bis einschließlich November 2013 eingetretene Verfahrensdauer ist dem Kläger zuzurechnen, weil er auf die Anfragen des Sozialgerichts vom 23. Juli 2013 sowie vom 22. Oktober 2013 nicht reagiert hat.
Anschließend folgte erst nach einer weiteren Zeit von sieben Monaten ohne erkennbare Verfahrensförderung im Juli 2014 ein – mit einer Anfrage zum Gerichtsbescheid verbundener – gerichtlicher Hinweis zu den Erfolgsaussichten des Verfahrens und die Reaktion des Klägers hierauf im August 2014 sowie die Bewilligung von Akteneinsicht im September 2014, die der Kläger dann allerdings nicht genommen hat. Angesichts der hierfür gesetzten Frist von vier Wochen folgte nach deren Ablauf und damit ab November 2014 wieder ein Zeitraum von 18 Monaten ohne erkennbaren Verfahrensfortgang bis zum Erlass des Gerichtsbescheides im April 2016.
Damit kann von einer unzureichenden Verfahrensförderung in einem Umfang von (höchstens) 36 Monaten ausgegangen werden und auch dies nur, wenn man alle Zeiträume, in denen das Gericht beispielsweise nicht an die angekündigte, aber nicht vorgelegte Klagebegründung oder andere Äußerungen des Klägers erinnert hat, obwohl dafür möglicherweise Anlass bestand, voll dem Gericht zurechnet, obwohl der Kläger, wäre er an einer Beschleunigung des Verfahrens interessiert gewesen, seinerseits die ausstehende Klagebegründung oder sonstige Äußerung hätte abgeben können.
cc) Diesem Zeitraum steht zunächst die übliche Bearbeitungs- und Überlegungsfrist des Gerichts von zwölf Monaten gegenüber (vgl. zu dieser BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, juris, Rn. 53; Senat, Urteil vom 27. November 2019 – L 6 SF 24/17 EK KR –). Es gibt im vorliegenden Verfahren keinen Anlass, diese zu verkürzen, namentlich von einer angemessenen Verfahrensdauer von insgesamt nur zwölf Monaten auszugehen, wie der Kläger dies geltend gemacht hat. Zwar war das Ausgangsverfahren, wie erwähnt, vergleichsweise einfach gelagert. Andererseits ist bereits in diesem Zusammenhang die Vielzahl der vom Kläger angestrengten Verfahren zu berücksichtigen, die dem Sozialgericht die Übersicht notwendig erschwerten, die aber von ihm doch im Blick zu behalten waren – auch im Hinblick auf mögliche Gründe der Unzulässigkeit wie einer doppelten Rechtshängigkeit – und es sinnvoll erscheinen lassen mussten, die Verfahren beispielsweise gruppenweise zu bearbeiten.
Das Gewicht des danach verbleibenden Zeitraums von (höchstens) 24 Monaten, in denen über die Bearbeitungs- und Überlegensfrist hinaus eine konkrete Verfahrensförderung nicht zu erkennen ist, ist auf Grund der in einem weiteren Schritt anzustellenden Gesamtabwägung zumindest weiter gemildert.
Insoweit ist zunächst von Bedeutung, dass das zweitinstanzliche Verfahren sehr schnell bearbeitet worden ist, so dass schon dies geeignet ist, die lange Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens teilweise auszugleichen. Dagegen wird man das Verfahren vor dem Bundessozialgericht – entgegen der vom Beklagten aufgestellten Berechnung – nicht in die Beurteilung einbeziehen können, da es sich – wie zur Einhaltung der Klagefrist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG bereits ausgeführt – um ein isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren zu einer beabsichtigten und dann nicht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde handelte, das den Eintritt der Rechtskraft nicht hinausschieben konnte (vgl. zur fehlenden Berücksichtigung von – erfolglos eingelegten – Rechtsbehelfen, die als solche den Eintritt der Rechtskraft nicht hindern, wie beispielsweise die Anhörungsrüge: Engel-Boland, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 2014, § 202 Rn. 44).
Vor allem aber ist auch und gerade im Rahmen der Gesamtabwägung das beschriebene Prozessverhalten des Klägers von erheblicher Bedeutung. Da die von einem Beteiligten hinzunehmende Dauer des Verfahrens sich letztlich daran bemisst, welche Wartezeit ihm im Einzelfall zugemutet werden kann (vgl. so auch BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/13 R –, juris, Rn. 44), ist es sachgerecht, insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers und dessen Bemühungen um eine Prozessförderung beziehungsweise umgekehrt dessen Mitwirkung an einer Verfahrensverzögerung in die Wertung mit einzustellen (Senat, Urteil vom 27. November 2019 – L 6 SF 24/17 EK KR –). Gibt er durch sein Prozessverhalten begründeten Anlass zu der Einschätzung, dass er selbst das Verfahren nicht als dringlich betrachtet, verlängert sich die noch als angemessen zu qualifizierende Verfahrensdauer. Angesichts des schon im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit der Verzögerungsrüge im Einzelnen dargestellten Prozessverhaltens des Klägers im Ausgangsverfahren ist dies vorliegend von erheblichem Gewicht.
Weiter kann – auch losgelöst von der unmittelbaren Rückwirkung auf die Verfahrensführung im konkreten Fall – nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger in dem Zeitraum, in dem er auch das hiesige Verfahren geführt hat, eine große Zahl von Verfahren bei dem Sozialgericht Marburg anhängig gemacht hat: Konkret ergibt sich aus der von dem Direktor des Sozialgerichts Marburg übermittelten Aufstellung, dass der Kläger in den Jahren 2012 bis 2016 rund 20 Verfahren anhängig gemacht hat; hinzu kamen weitere bei Klageeingang noch anhängige Verfahren aus früheren Jahren. Unter diesen Umständen muss ein Kläger damit rechnen, dass es bei seinen Verfahren zu Verzögerungen kommen kann, und zwar auch unabhängig von konkret beschreibbaren Hindernissen wie der Aktenübersendung an andere Gerichte.
Wenn das Sozialgericht vor diesem Hintergrund das hiesige und damit eines der vielen vom Kläger geführten Verfahren nur mit Verzögerungen betrieb, so ist eine deutlich über das Übliche hinausgehende Verfahrensdauer nicht als unangemessen zu qualifizieren; das gilt jedenfalls, wenn es sich – wie hier – um ein Verfahren handelt, das hinsichtlich eines erheblichen Teiles der streitigen Anträge auf seine konkrete Lebenssituation erkennbar keine Auswirkungen mehr haben konnte.
Damit liegen mehrere Umstände vor, die eine deutlich über das Übliche hinausgehende Verfahrensdauer als dem Kläger zumutbar und damit nicht unangemessen erscheinen lassen. Trotz alledem spricht allerdings im Ergebnis einiges dafür, eine jedenfalls auch dem Gericht zurechenbare und über die übliche Bearbeitungs- und Bedenkzeit hinausgehende fehlende Verfahrensförderung in einem zeitlichen Umfang, wie er hier vorliegt, nicht mehr als angemessen anzusehen.
Auch wenn das Ausgangsverfahren S 8 AS 121/12 bereits durch den Verbindungsbeschluss vom 22. September 2014 formal beendet war, wird man für die Beurteilung einer Überlänge insofern die gleichen Überlegungen anzustellen haben, nachdem das Klagebegehren in der Sache weiter offen war.
b) Dennoch kann der auf eine Entschädigung in Geld gerichtete Antrag auch unabhängig von der nicht wirksam erhobenen Verzögerungsrüge keinen Erfolg haben; die vom Kläger nicht beantragte Feststellung der Überlänge wäre als Wiedergutmachung ausreichend.
Allerdings kann – namentlich angesichts der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Wahrung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) – auch die Führung einer Vielzahl von Verfahren durch einen Kläger nicht zur Konsequenz, dass die §§ 198 ff. GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) schlicht unangewendet bleiben könnten. Das gilt selbst dann, wenn eines oder mehrere dieser Verfahren – wie hier – erkennbar nicht (mehr) zu einer Verbesserung der Lebenssituation des Betroffenen führen kann oder eine Klage sich als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt; letztlich gilt dies sogar, sofern Grund für die Annahme besteht, dass die (weitere) Durchführung des Verfahrens verfahrensfremden Zwecken dient oder als missbräuchlich qualifiziert werden könnte (vgl. hierzu auch § 192 SGG). Nachdem die sozialgerichtliche Verfahrensordnung auch in diesen Fällen keinen Spielraum dafür lässt, ein entsprechendes Verfahren nicht weiter zu bearbeiten, ist auch ein solches in angemessener Zeit abzuschließen; allerdings kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass das Ausgangsgericht davon abgesehen hat, zu seinen Lasten Maßnahmen wie die Verhängung einer Missbrauchsgebühr nach § 192 SGG zu ergreifen. Jedoch reicht in entsprechenden Fällen in aller Regel eine Wiedergutmachung auf andere Weise als durch die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs, namentlich durch die Feststellung der Überlänge, aus.
Zwar erlaubt diese in (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 GVG ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit auf Grund der europarechtlichen Vorgaben nur in Ausnahmefällen das Absehen von einem Entschädigungsanspruch (vgl. hierzu B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a – dort auch zur Regel-Ausnahme-Struktur des Gesetzeswortlauts, die auf den ersten Blick ein anderes Verständnis nahezulegen scheint). Eine Feststellung der Überlänge ist aber trotz ihres Ausnahmecharakters jedenfalls dann ausreichend, wenn der mit dem Verfahren erstrebte finanzielle, ideelle oder sonstige Vorteil – wie hier mit Blick auf die zuvor und parallel geführten Verfahren mit gleichem Ziel – erkennbar geringfügig oder gar nicht (mehr) erkennbar ist oder/und die Rechtsverfolgung erkennbar aussichtslos ist oder/und der Beteiligte auf Grund seines (Gesamt-)Verhaltens wesentlich zur Verzögerung beigetragen hat (vgl. in diesem Sinne die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks. 17/3802, S. 20; außerdem BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL –, BSGE 113, 75, Rn. 45; BFH, Urteil vom 17. April 2013 – X K 3/12 –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Oktober 2017 – L 2 SF 248/17 EK AS –, juris, Rn. 44; Engel-Boland, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 2014, § 202 Rn. 53; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass andernfalls ein Anreiz geschaffen würde, Klagen, deren (weitere) Durchführung im Grunde sinnlos (geworden) ist oder deren Misserfolg zum Beispiel wegen der wiederholten Geltendmachung weitgehend identischer Ansprüche ohne zwischenzeitliche Änderung der Sach- und Rechtslage letztlich feststeht, nur deswegen (weiter) aufrecht zu erhalten, um auf diese Weise einen finanziellen Vorteil – nämlich eine Geldentschädigung nach § 198 GVG – zu erlangen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen wäre ausnahmsweise die Feststellung der Überlänge als Wiedergutmachung ausreichend. Maßgeblich ist insofern wiederum insbesondere das Prozessverhalten des Klägers, der zur Verfahrensförderung seinerseits nichts beigetragen hat. So entspricht schon die Klageschrift ersichtlich einem auf die Ausgangsverfahren nicht passenden Muster; besonders deutlich wird dies in der Bezeichnung des Streitgegenstandes mit "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gemeinschaft", die nichts mit dem tatsächlichen Inhalt der angegriffenen Bescheide zu tun hat. Der auf die "notwendigen Sozialleistungen" und die Feststellung eines Eingriffs in die Rechte des Klägers gerichtete Klageantrag ist ebenso schablonenhaft wie die sehr kurze Klagebegründung. Diese war für sein Klagebegehren – soweit es sich nicht trotz seiner Schablonenhaftigkeit jedenfalls auch auf den Widerruf des Bewilligungsbescheides vom 8. November 2011 beziehen ließ – erkennbar unzureichend, nachdem der Kläger im Wege der (Anfechtungs- und) Verpflichtungs- beziehungsweise Leistungsklage eine Erweiterung seiner Rechtsposition zu erlangen suchte, die er ersichtlich allein mit dem Hinweis auf einen vermeintlichen Anhörungsmangel nicht erreichen konnte. Auf weitere Schreiben des Gerichts hat der Kläger, wie bereits ausgeführt, – abgesehen von der Anhörung zum Gerichtsbescheid – nicht mehr reagiert. Im Berufungsverfahren fehlte es dann trotz entsprechender Ankündigung vollständig an einer Begründung. Die zeitliche Gestaltung des Ablehnungsantrags legt überdies nahe, dass der Kläger nach Möglichkeit die Durchführung der mündlichen Verhandlung am vorgesehenen Terminstag verhindern wollte. Ein Bemühen, seinerseits zu einer schnellen oder auch nur nicht verzögerten Erledigung des Rechtsstreits beizutragen, ist nicht ersichtlich. All dies findet sich im Übrigen (nahezu) identisch in den Ausgangsverfahren zu den vom Senat am gleichen Tag entschiedenen Verfahren L 6 AS 7/19 EK AS und L 6 AS 9/19 EK AS.
Anders als in dem zwischen den hiesigen Hauptbeteiligten geführten Verfahren L 6 SF 6/12 EK U, in welchem der Senat dem Kläger mit Blick auf die Bedeutung des dortigen Verfahrens und seinen nicht überwiegenden Verursachungsanteil an der Verzögerung einen Entschädigungsanspruch in Geld zugesprochen hat, wäre nach allem im hiesigen Verfahren die Feststellung der unangemessenen Dauer des Verfahrens ausreichend. Eine Entschädigung in Geld dagegen ist mit Blick insbesondere auf das Prozessverhalten des Klägers nicht veranlasst. Nachdem er ein auf die bloße Feststellung der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens gerichtetes Begehren ausdrücklich nicht geltend gemacht hat, muss die Klage insgesamt ohne Erfolg bleiben.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1, § 183 Satz 5 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.
V. Die Revision ist nicht zuzulassen, nachdem keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe hierfür vorliegt. Namentlich ist das Verfahren nicht von grundsätzlicher Bedeutung: Die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass eine Verzögerungsrüge wie andere Prozesshandlungen unwirksam sein kann, wenn sie zweckwidrig und in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich erhoben wird, steht nach Ansicht des Senats als solche außer Zweifel. Ihre tatsächliche Ausfüllung im Einzelfall und die Überzeugungsbildung des Senats hierzu sind nicht revisibel. Ähnliches gilt für die Fragen, die mit den Kriterien für eine – ausnahmsweise – ausreichende Wiedergutmachung durch die Feststellung der Überlänge verbunden sind.
VI. Der Streitwert ist endgültig auf 1.200,- Euro festzusetzen: Zwar hat der Kläger eine höhere Entschädigung angeregt und in das Ermessen des Gerichts gestellt, bei dem von ihm formulierten Antrag aber doch an dieser Summe festgehalten.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 1.200,- Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Entschädigung in Geld wegen der nach seiner Auffassung unangemessenen Dauer zweier vor dem Sozialgericht Marburg unter den Aktenzeichen S 8/5 AS 120/12 und S 8/5 AS 121/12 geführter Verfahren geltend.
Das Ausgangsverfahren S 8/5 AS 120/12 betraf Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung und hatte folgenden Hintergrund: Der im Oktober 1970 geborene Kläger, der seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von dem Beigeladenen erhält, befand sich 2011 auf Wohnungssuche. In diesem Zusammenhang beantragte er im November 2011 Leistungen für die Erstausstattung einer "D-Straße" in A Stadt gelegenen Wohnung, von deren alsbaldigem Bezug durch den Kläger er selbst und der Beigeladene zu diesem Zeitpunkt ausgingen. Der Beigeladene bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 8. November 2011 einen Betrag von 372,- Euro für die Wohnungserstausstattung. In dem Bescheid wies er darauf hin, dass die Leistung zweckgebunden sei.
Der Kläger zog jedoch zum 1. Dezember 2011 in eine andere, von ihm noch heute bewohnte Wohnung um, hinsichtlich derer der Beigeladene die anfallenden Aufwendungen in tatsächlicher Höhe übernahm. Nach Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8. November 2011, insbesondere wegen der Höhe der bewilligten Leistungen, widerrief der Beigeladene vor diesem Hintergrund – im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2012 – den Bewilligungsbescheid, der Kläger die Wohnung, für welche die Erstausstattung bewilligt worden war, tatsächlich nicht bezogen hatte, und stellte das Widerspruchsverfahren ein.
Der Kläger erhob daraufhin am 30. April 2012 Klage zum Sozialgericht Marburg unter Bezeichnung des Klagegegenstandes als "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gemeinschaft" und mit dem Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 8. November 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2012 aufzuheben und diesen zu verpflichten, "die notwendigen Sozialleistungen zukünftig zu erbringen, und festzustellen, dass der Bescheid in die Rechte des Klägers eingreift". Die Begründung beschränkte sich auf folgende Ausführungen: "Die Klage ist zulässig und begründet. Mit dem angegriffenen Widerspruchsbescheid ist das Vorverfahren beendet. Der Kläger ist, wie es bei dem Beklagten üblich ist, nicht vor Erlass der Bescheide gehört worden. Bei dem Widerspruchsbescheid verhält es sich gleich. Weiterer Vortrag folgt."
Das Verfahren, welches das Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 5 AS 120/12, nach Kammerwechsel unter dem Aktenzeichen S 8 AS 120/12 führte, entwickelte sich wie folgt: Der Beigeladene beantragte mit Eingang bei Gericht am 3. Juli 2012 die Abweisung der Klage. Unter dem 23. Juli 2013 fragte das Sozialgericht sodann bei den Beteiligten an, ob sie mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid einverstanden seien. Unter dem 4. September 2013 vermerkte die Kammervorsitzende, dass der Kläger in anderen Verfahren wegen des Todes seines Vaters um Verlängerung dort laufender Fristen gebeten habe; deswegen werde von einer Erinnerung an die Beantwortung des Schreibens vom 23. Juli 2013 zunächst abgesehen. Mit Schreiben vom 5. September 2013 übermittelte das Gericht sodann die zwischenzeitlich eingegangene Erklärung des Beigeladenen, er sei mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden, an den Kläger und erinnerte diesen am 22. Oktober 2013 an die seinerseits weiterhin ausstehende Äußerung.
Nach dem Kammerwechsel – der Kläger hatte sich weiterhin nicht gemeldet – wies der neue Vorsitzende mit Schreiben vom 25. Juli 2014 auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage wegen des nicht zustande gekommenen Mietverhältnisses hin und hörte die Beteiligten gleichzeitig zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 15. August 2014 gegen diese Absicht und erhob gleichzeitig Verzögerungsrüge; zudem stellte er einen Antrag auf Einsicht in die Gerichts- und Verwaltungsakten, die durch Schreiben des Gerichts vom 22. September 2014 bewilligt, allerdings dann von dem Kläger, soweit ersichtlich, nicht wahrgenommen wurde.
Auch das Ausgangsverfahren S 8/5 AS 121/12 hatte die Wohnungssuche zum Hintergrund; konkret ging es um die Erteilung einer Zusicherung hinsichtlich der Übernahme der anfallenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für eine neu anzumietende Wohnung (heute § 22 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende – [SGB II], damals § 22 Abs. 2 SGB II): Der Kläger fragte mit E-Mail vom 26. Juli 2011 unter Beifügung eines entsprechenden Angebots bei dem Beigeladenen an, ob die Anmietung einer konkreten in A-Stadt gelegenen Wohnung zustimmungsfähig sei. Dies verneinte der Beigeladene mit E-Mail vom gleichen Tag, da die Aufwendungen für die Wohnung die Angemessenheitsgrenze überstiegen. Einen daraufhin am 31. Juli 2011 gestellten förmlichen Antrag auf Zusicherung lehnte der Beigeladene durch Bescheid vom 18. August 2011 ab. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid unter dem 30. August 2011 Widerspruch ein, den der Beigeladene durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 2012 zurückwies.
Der Kläger erhob am 30. April 2012 mit identischer Begründung wie im Verfahren S 8/5 AS 120/12 Klage. Auch im Folgenden entwickelte sich das Verfahren wie das andere Verfahren: Der Beigeladene beantragte mit Eingang am 3. Juli 2012 die Abweisung der Klage. Unter dem 23. Juli 2013 fragte das Sozialgericht bei den Beteiligten an, ob sie mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid einverstanden seien, und vermerkte auch hier unter dem 4. September 2013, dass der Kläger in anderen Verfahren wegen des Todes seines Vaters um Verlängerung dort laufender Fristen gebeten habe; deswegen werde von einer Erinnerung an die Beantwortung des Schreibens vom 23. Juli 2013 zunächst abgesehen. Am 5. September 2013 übermittelte das Sozialgericht die zwischenzeitlich eingegangene Erklärung des Beigeladenen, er sei mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden, an den Kläger und erinnerte diesen mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 an die von seiner Seite ausstehende Äußerung.
Nach Übernahme auch dieses Verfahrens durch die 8. Kammer des Sozialgerichts wies der neue Vorsitzende mit Schreiben vom 25. Juli 2014 – der Kläger hatte sich auch hier weiterhin nicht gemeldet – auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage wegen des Zeitablaufs und des nicht mehr verfügbaren Wohnraums hin und hörte gleichzeitig auch in diesem Verfahren zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Allerdings ist im Verfahren S 8 AS 121/12 keine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben – und also auch keine Verzögerungsrüge – zu verzeichnen.
Das Sozialgericht verband sodann beide Verfahren durch Beschluss vom 22. September 2014 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und wies durch Gerichtsbescheid vom 4. April 2016 die Klage(n) ab. Die Klage im Verfahren S 8 AS 120/12 sei bereits verfristet. Der Feststellungsantrag des Klägers sei unzulässig, da der Kläger sein Begehren mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erreichen könne. Die Klage im Verfahren S 8 AS 121/12 sei unzulässig, weil davon auszugehen sei, dass die fragliche Wohnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehe.
Die – nach Zustellung des Gerichtsbescheids am 8. April 2016 – vom Kläger am Montag, den 9. Mai 2016, eingelegte und trotz entsprechender Ankündigung nicht begründete Berufung wies das Landessozialgericht – nach Ablehnung eines am Terminstag angebrachten Befangenheitsgesuchs – durch Urteil vom 17. Februar 2017 zurück. Zur Begründung führte es insbesondere aus, die Klage sei entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts nicht verspätet, der Verpflichtungsantrag sei jedoch nicht hinreichend bestimmt. Der Feststellungsantrag sei wegen des fehlenden Feststellungsinteresses beziehungsweise Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Soweit das Klagebegehren so auszulegen sei, dass es auf die Erteilung von Zusicherungen für die Übernahme der Unterkunftskosten respektive höherer Aufwendungen für die Wohnungserstausstattung gerichtet sei, habe es sich wegen des Umzugs des Klägers in die andere Wohnung erledigt. Soweit er sich gegen den Widerruf der Bewilligung der Leistungen für die Erstausstattung wende, sei die Klage als reine Anfechtungsklage zulässig, jedoch unbegründet, denn der Beklagte sei wegen des Wegfalls des Verwendungszwecks berechtigt gewesen, die Bewilligung zu widerrufen. Die Zustellung des Urteils erfolgte am 7. April 2016. Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens wegen der Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts blieb erfolglos (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 23. Oktober 2017 – B 4 AS 49/17 BH u.a. –, juris).
Der Kläger hat am 7. November 2017 einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Entschädigungsklage wegen der nach seiner Auffassung überlangen Dauer der Ausgangsverfahren gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 5. April 2019 – L 6 SF 59/17 EK AS – entsprochen hat. Der Antragsteller hat daraufhin – nach Zustellung des Beschlusses am 13. April 2019 – am 26. April 2019 die angekündigte Entschädigungsklage erhoben und beantragt, ihm wegen der versäumten Klagefrist aus § 198 Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, die Dauer der beiden vor dem Sozialgericht Marburg geführten Verfahren habe jeweils knapp vier Jahre betragen. Da es sich um einfach gelagerte Sachverhalte gehandelt habe, sei eine maximale Verfahrensdauer von einem Jahr angemessen gewesen. Auch der mehrfache Dezernatswechsel beim Sozialgericht könne die Verfahrensverzögerungen nicht rechtfertigen. Daher sei eine Verzögerung von 35 Monaten festzustellen. Dies sei der in das Ermessen des Gerichts gestellten Bemessung der Entschädigungssumme zugrunde zu legen, auch wenn er seinen Antrag auf einen Mindestbetrag von 1.200,- Euro beschränke.
Dem Vorbringen des Beklagten ist er entgegengetreten: Die Errechnung einer durchschnittlichen Verfahrensdauer über mehrere Instanzen hinweg sei nicht zulässig. Weiter unterscheide § 198 GVG als Ausprägung des Rechtsstaatsgebotes nicht zwischen "guten" und "schlechten" Klägern. Wenn er eine Vielzahl von Klagen erhebe, so sei dies sein gutes Recht. Außerdem sei die die Durchführung der Ausgangsverfahren trotz des Umzugs in eine andere Wohnung notwendig gewesen, um durch entsprechende Feststellungen zu klären, welche Rechte ihm bei der Wohnungssuche zuständen, umso mehr als er wegen der fortdauernden Verweigerungshaltung des Beigeladenen nunmehr seit Jahren in einer unrenovierten Wohnung leben müsse. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Verzögerungsrüge unmittelbar nach der Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat er insbesondere ausgeführt, ihm sei zu diesem Zeitpunkt klargeworden, dass das Ausgangsverfahren überlang geworden sei. Auch habe sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Entschädigungsklagen erst entwickelt und im Jahr 2014 seien wichtige Entscheidungen des Bundessozialgerichts ergangen, die er abgewartet habe. Zudem sei ihm vor dem Hintergrund, dass im Jahre 2014 die Übergangsregelungen bei Inkrafttreten des Gesetzes für die Entschädigung überlanger Verfahren keine Relevanz mehr gehabt hätten, die Erhebung einer Verzögerungsrüge vorher auch nicht besonders eilbedürftig erschienen.
Er beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der unangemessenen Dauer der Verfahren vor dem Sozialgericht Marburg zu den Aktenzeichen S 8/5 AS 120/12 und S 8/5 AS 121/12 eine Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,- Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des Verfahrens S 8 AS 121/12 übersehe der Kläger, dass dieses schon durch den Verbindungsbeschluss vom 22. September 2014 abgeschlossen gewesen sei. Die Entschädigungsklage wahre daher die Sechsmonatsfrist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG selbst dann nicht, wenn insoweit an den isolierten Prozesskostenhilfeantrag vom 7. November 2018 anzuknüpfen sein sollte.
Hinsichtlich des Verfahrens S 8 AS 120/12 verweist der Beklagte darauf, dass nach seiner Auffassung das Ausgangsverfahren nicht unangemessen lange gedauert habe. Hierfür müsse das gesamte Verfahren von der Klageerhebung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG) in den Blick genommen werden. Dies habe zwar knapp 5 ½ Jahre gedauert, was jedoch, verteilt auf drei Instanzen, nicht per se als außergewöhnlich lang angesehen werden könne. Zum anderen lasse der Kläger außer Acht, dass er selbst das Ausgangsverfahren nicht einmal ansatzweise vorangebracht habe: Weder habe er trotz entsprechender Ankündigung die Klage weiter begründet noch die ihm gewährte Akteneinsicht genommen, sondern er habe auf beinahe jede prozessleitende Verfügung mit Untätigkeit reagiert. Das Verhalten des Klägers lasse objektiv betrachtet den Schluss zu, dass er selbst kein großes Interesse am Verfahrensfortgang gehabt habe, so dass das Sozialgericht durchaus berechtigt gewesen sei, die Bearbeitung des Ausgangsverfahrens – auch im Interesse anderer Rechtsschutzsuchender – zurückzustellen. Das gelte nur umso mehr, als es sich bei dem Entschädigungskläger um einen Vielkläger handele, der die hessische Sozialgerichtsbarkeit seit Jahren mit einer Vielzahl von – zum Teil unnötigen – Klagen und Verfahren überhäufe. Letztlich gehe es ihm vornehmlich darum, sozialgerichtliche Verfahren um ihrer selbst willen beziehungsweise deshalb zu führen, um anschließend eine Entschädigung wegen vermeintlich überlanger Verfahrensdauer zu erstreiten. Nicht anders sei es zu erklären, dass der Kläger – nachdem er mehr als zwei Jahre auf keines der richterlichen Schreiben reagiert gehabt habe – auf die Anhörung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid sogleich Verzögerungsrüge erhoben habe. Die Verzögerungsrüge habe zu diesem Zeitpunkt ihrer Warn- und Beschleunigungsfunktion nicht gerecht werden können und sei als missbräuchlich anzusehen. Dabei müssten das hiesige Verfahren und die vom Senat am gleichen Tag verhandelten weiteren Entschädigungsklageverfahren zusammen betrachtet werden.
Der Senat hat durch Beschluss vom 19. September 2019 den Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Beklagten des Ausgangsverfahrens auf der Grundlage von § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Dieser hat darauf hingewiesen, dass der Kläger wegen der mit der bis heute bewohnten Wohnung zusammenhängenden Bedarfe eigenständige Verfahren geführt habe, so dass es für die Durchführung der Ausgangsverfahren keinen Grund gegeben habe. Einen Antrag zum Entschädigungsklageverfahren hat der Beigeladene nicht gestellt.
Der Senat hat weiter eine Auskunft des Direktors des Sozialgerichts Marburg wegen der dort vom Kläger geführten Verfahren eingeholt. Wegen der Antwort wird auf dessen Schreiben vom 12. November 2019 (Bl. 40 ff. der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten – auch zu den Parallelverfahren L 6 SF 6/19 EK AS, L 6 SF 7/19 EK AS und L 6 SF 9/19 EK AS – sowie der beigezogenen Akten, insbesondere der Ausgangsverfahren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Entschädigungsklage ist unbegründet. Dem Kläger steht der allein geltend gemachte Entschädigungsanspruch in Geld wegen der von ihm behaupteten unangemessenen Dauer der Ausgangsverfahren nicht zu.
I. Gegenstand des Verfahrens ist nur der Entschädigungsanspruch in Geld aus § 202 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, nicht dagegen der sogenannte "kleine" Entschädigungsanspruch, also die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG). Dieser muss zwar nicht separat beantragt werden (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 Abs. 4 Satz 2 GVG); das Gesetz geht vielmehr (auch in der besonderen Kostenvorschrift des § 201 Abs. 4 GVG) davon aus, dass es sich um ein wesensgleiches Minus zu dem mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungsanspruch handelt (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a). Der Kläger hat jedoch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass die Feststellung der Überlänge des Verfahrens nicht geltend gemacht werde. Dies steht ihm im Rahmen des auch das sozialgerichtliche Verfahren beherrschenden Dispositionsgrundsatzes frei, so dass der Senat hierüber nicht zu entscheiden hat.
II. Die Klage ist zulässig. Die auf Entschädigung in Geld gerichtete Klage ist als reine Leistungsklage statthaft. Der Kläger hat zudem die Wartefrist aus (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG eingehalten. Das Landessozialgericht ist erstinstanzlich für die Entscheidung zuständig (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG).
III. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Das folgt allerdingt nicht bereits aus der Fristenregelung aus (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG, die eine Erhebung der Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach Abschluss des Ausgangsverfahrens vorsieht. Der Kläger hat zwar diese Frist nicht eingehalten; wegen des von ihm rechtzeitig gestellten Antrags auf Prozesskostenhilfe und der unverzüglichen Klageerhebung nach deren Bewilligung ist die mit dem Verstreichen der Frist in der Regel verbundene Verwirkung jedoch nicht eingetreten; über den Wiedereinsetzungsantrag muss der Senat daher nicht entscheiden, weil der Kläger der Wiedereinsetzung nicht bedarf.
Gemäß § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG muss eine Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das als überlang gerügte Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Es handelt sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf eine Verwirkung des Entschädigungsanspruchs eintritt (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 17/3802 sowie S. 22, BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 ÜG 1/17 R –, SozR 4-1710 Art. 23 Nr. 5, Rn. 22; Senat, Urteil vom 29. Juni 2016 – L 6 SF 5/14 EK AL –, juris, Rn. 18; Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 1. Auflage 2012, § 198 GVG Rn. 159 ff.; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 30b; Lückemann, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 198 GVG Rn. 11; für ein prozessuales Verständnis der Vorschrift dagegen z.B. Röhl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 198 GVG [Stand: 26.11.2019] Rn. 255; Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 9. Auflage 2018, § 198 Rn. 43).
Vorliegend ist das Ausgangsverfahren durch das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Februar 2017 beendet worden, das dem Antragsteller ausweislich der zugehörigen Postzustellungsurkunde am 7. April 2017 zugestellt worden ist. Die nach § 160a Abs. 1 Satz 2 SGG einmonatige Frist zur Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde endete mithin am Montag, dem 8. Mai 2017 (vgl. § 64 Abs. 3 SGG). Mit deren Ablauf wurde das Urteil rechtskräftig, so dass die sechsmonatige Frist für die Erhebung der Entschädigungsklage am 8. November 2017 endete (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Der vom Kläger beim Bundessozialgericht gestellte isolierte Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts veränderte den Fristenlauf dabei nicht (Senat, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 6 SF 5/16 EK U –, juris; ebs. BSG, Beschluss vom 18. Mai 2017 – B 10 ÜG 2/17 BH –, juris, in dem nachfolgenden Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erhebung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des Senats; vgl. außerdem B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 30b). Gemäß § 160a Abs. 3 SGG vermag nur die tatsächliche Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtskraft des Urteils zu hemmen, nicht aber ein (erfolgloser) Prozesskostenhilfeantrag für eine beabsichtige Beschwerde, wenn diese danach nicht (trotzdem noch) erhoben wird.
Hiervon ausgehend kann dem Kläger die Versäumung der Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) nicht entgegengehalten werden, obwohl er die Entschädigungsklage erst am 26. April 2019 erhoben hat. Er hat nämlich innerhalb der Sechs-Monats-Frist am 7. November 2017 Prozesskostenhilfe beantragt und nach deren Bewilligung innerhalb von weniger als zwei Wochen und damit unverzüglich die angekündigte Entschädigungsklage erhoben (vgl. zu diesem Zusammenhang, der Notwendigkeit einer unverzüglichen Klageerhebung nach der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag und der zeitlichen Konkretisierung dieses Maßstabs BFH, Urteil vom 20. März 2019 – X K 4/18 –, BFHE 263, 498 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rn. 12; BSG, Urteil vom 7. September 2017 – B 10 ÜG 1/17 R –, SozR 4-1710 Art. 23 Nr. 5, Rn. 12, 23 ff., 27; BSG, Beschluss vom 2. August 2018 – B 10 ÜG 2/18 B –, juris, Rn. 7). Somit kommt zwar die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) nicht in Betracht, da die Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG als materielle Ausschlussfrist einer Wiedereinsetzung nicht zugänglich ist (vgl. die oben zitierten Nachweise zum Charakter der Frist); der Fristablauf ist jedoch mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben und das Recht auf effektiven Rechtsschutz wegen des rechtzeitig gestellten Antrags auf Prozesskostenhilfe und der nach deren Bewilligung unverzüglich erhobenen Klage unbeachtlich. Insoweit lässt sich der Rechtsgedanke des § 204 Abs. 1 Nr. 14 Bürgerliches Gesetzbuch fruchtbar machen, wonach die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gehemmt wird (vgl. zu diesen Zusammenhängen grdl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rn. 12).
Das gilt im Ergebnis auch für die Entschädigungsklage wegen des Ausgangsverfahrens S 8/5 AS 121/12; entgegen der Auffassung des Beklagten ist für den Fristbeginn nicht an den Verbindungsbeschluss des Sozialgerichts anzuknüpfen. Insoweit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Umstand, dass auch über die dort streitgegenständlichen Klagebegehren rechtskräftig erst durch das Urteil des Landessozialgerichts entschieden wurde, das Verfahren andererseits schon im September 2014 zu dem anderen Ausgangsverfahren hinzuverbunden wurde, damit als selbständiges Verfahren seinen Abschluss fand und nurmehr ein einheitliches Verfahren fortgeführt wurde (vgl. hierzu z.B. Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 147 Rn. 7; Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 113 Rn. 4). Das scheint – wie vom Beklagten geltend gemacht – nahezulegen, für die Bemessung der Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 SGG an den Verbindungsbeschluss anzuknüpfen. Dem steht gegenüber, dass für das Entschädigungsrecht regelmäßig die Dauer des Gesamtverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss maßgeblich ist (vgl. namentlich § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG), so dass namentlich auch eine Kompensation der Dauer eines Verfahrensabschnitts, der als solches als überlang zu qualifizieren wäre, durch eine schnelle Bearbeitung in anderen Verfahrensabschnitten möglich ist. Sinnvollerweise knüpft daher auch die Frist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG für den Regelfall an den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits an. Dies legt nahe, auch für das Entschädigungsrecht die fortdauernde prozessrechtliche Selbständigkeit mehrerer Klagebegehren trotz ihrer Verbindung zu betonen (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 113 Rn. 4; Leopold, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, § 113 Rn. 28). Andernfalls wäre der Betroffene gezwungen, Entschädigungsklage bereits zu einem Zeitpunkt zu erheben, zu dem noch nicht absehbar ist, ob es zu der angesprochenen Kompensation im weiteren Verlauf kommen wird: Das wäre für ihn mit nicht kalkulierbaren und daher letztlich kaum zumutbaren Prozessrisiken und für alle Beteiligten mit unter Umständen unnötigem Aufwand verbunden. Auch im Fall der Verbindung ist daher – sofern es, wenn auch nach Verbindung, zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das entsprechende prozessuale Begehren kommt – für den Beginn der Klagefrist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 SGG an diese anzuknüpfen.
2. Es fehlt jedoch an der wirksamen Erhebung einer Verzögerungsrüge.
a) Im Verfahren S 8/5 AS 121/12 hat der Kläger nach Aktenlage eine Verzögerungsrüge gar nicht erhoben. Die vor der Verbindung im Parallelverfahren S 8/5 AS 120/12 erhobene Verzögerungsrüge lässt sich – trotz der Verbindung beider Verfahren – nicht auf das andere Verfahren beziehen.
b) Aber auch im Verfahren S 8/5 AS 120/12 hat der Kläger nicht wirksam Verzögerungsrüge erhoben.
Entschädigung in Geld erhält ein Verfahrensbeteiligter nach (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Dieser kommt Warn- und Beschleunigungsfunktion zu (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 20; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 28). Sie dient damit dem Primärrechtsschutz, soll dem Betroffenen also helfen, sein – vom Gesetzgeber unterstelltes – Ziel, ihm Rechtsschutz in angemessener Zeit zu verschaffen, als solches zu realisieren. Zugleich soll ein sogenanntes "Dulde und liquidiere" ausgeschlossen werden; dahinter steht die Erwägung, dass es einem Verfahrensbeteiligten nicht ermöglicht werden soll, einem Prozess seinen Lauf zu lassen und im Nachhinein Entschädigung zu verlangen, ohne zuvor dem Gericht gegenüber kenntlich zu machen, dass nach seiner Auffassung eine überlange Verfahrensdauer droht (vgl. ähnl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Dezember 2013 – L 11 SF 398/13 EK AS –, juris, Rn. 22).
Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass die Verzögerungsrüge im hiesigen Ausgangsverfahren zweckwidrig erhoben worden und daher als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist. Das dürfte zwar nicht bereits dann der Fall sein, wenn der Beteiligte über längere Zeit passiv den fehlenden Fortgang des Verfahrens hinnimmt und dann "plötzlich" Verzögerungsrüge erhebt, regelmäßig aber dann, wenn er die Verzögerungsrüge gar nicht ihrem Zweck entsprechend nutzt, sondern mit ihr zuwartet, bis ein baldiger Verfahrensabschluss – auch ohne Verzögerungsrüge – sich abzeichnet, und also davon auszugehen ist, dass er sein Verhalten an dem Ziel orientiert, eine möglichst hohe Entschädigungssumme zu erhalten (vgl. ähnl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. April 2017 – L 15 SF 18/16 EK AS –, juris, Rn. 15).
Davon ist vorliegend auszugehen: Der Kläger hat, nachdem er sich zuvor monatelang nicht zu dem Verfahren geäußert hatte, Verzögerungsrüge unmittelbar als Reaktion auf eine ihm vom Sozialgericht übermittelte Anhörung zum Gerichtsbescheid erhoben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er "befürchten" musste, dass das Gericht alsbald eine Entscheidung treffen würde. Schon dies legt eine zweckwidrige Erhebung nahe. Zusätzliche Hinweise in diese Richtung ergeben sich aus dem Umstand, dass der Kläger (erst) die Verzögerungsrüge mit einem Antrag auf Akteneinsicht verbunden hat. Das ist allein zwar sicherlich kein belastbarer Hinweis auf eine rechtsmissbräuchliche Rüge, wohl aber dann, wenn der Beteiligte die – ihm vom Gericht umstandslos gewährte – Akteneinsicht anschließend gar nicht wahrnimmt. Zur Überzeugung des Senats von einer allein mit Blick auf die Realisierung eines möglichst hohen Entschädigungsanspruchs erhobenen Verzögerungsrüge verdichten sich diese Hinweise dadurch, dass der Kläger das Verfahren selbst nicht ansatzweise gefördert hat: So hat er sich auf Anfragen des Gerichts und Erinnerungen hierzu ganz überwiegend verschwiegen, im konkreten Fall namentlich auf die Anfrage aus dem Jahr 2013, ob er mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid einverstanden sei. In dieses Bild ordnet sich weiter der Umstand ein, dass der Kläger sowohl die Klage wie die Berufung gar nicht (so im Fall der Berufung) beziehungsweise offensichtlich unzureichend (so im Fall der Klage durch die Rüge fehlender Anhörung, nachdem die Klage nicht nur auf die Aufhebung des Widerrufs der bereits bewilligten Leistung, sondern auch auf die Gewährung höherer Leistungen beziehungsweise die Erteilung einer Zusicherung gerichtet war) begründet und weiteren Vortrag jeweils angekündigt, dann aber nicht gehalten hat. Ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass der Kläger an einem zügigen Abschluss des Verfahrens gar nicht interessiert war, ergibt sich schließlich aus dem Umstand, dass er vor dem Landessozialgericht erst am Terminstag im Februar 2017 einen Befangenheitsantrag vorgelegt hat, obwohl die als Grund für die Besorgnis der Befangenheit angeführten Umstände längst bekannt waren: Der Kläger stützte sein Befangenheitsgesuch auf die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in zwei Parallelverfahren durch Beschlüsse aus dem Juni beziehungsweise Juli 2016, weil das Landessozialgericht darin zu Unrecht davon ausgegangen sei, die den dortigen Verfahren zugrunde liegenden Klagen seien verfristet gewesen. Er hätte daher ein auf diese Zusammenhänge gestütztes Befangenheitsgesuch längst vorher anbringen können. Im Ergebnis lässt sich der Zeitpunkt, zu dem der Kläger den Ablehnungsantrag gestellt hat, kaum anders denn als Versuch werten, eine Durchführung der mündlichen Verhandlung am vorgesehenen Terminstag zu verhindern und damit den Abschluss des Verfahrens weiter zu verzögern. Zudem stellt sich das Verhalten des Klägers im hiesigen Ausgangsverfahren als Ausprägung eines Musters dar, das sich in ganz ähnlicher Weise auch in den Ausgangsverfahren zu den parallel erhobenen Entschädigungsklagen L 6 SF 7/19 und L 6 SF 9/19 finden lässt: Auch dort hat der Kläger das jeweilige Verfahren über lange Zeit selbst nicht betrieben, vielmehr die jeweilige Klage und die jeweilige Berufung nicht oder erkennbar unzureichend begründet und weiteren Vortrag angekündigt, dann aber nicht gehalten, gerichtliche Anfragen trotz Erinnerung hieran unbeantwortet gelassen und erst auf die Ankündigung einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit einer Verzögerungsrüge reagiert – auch dort verbunden mit einem Antrag auf Akteneinsicht, wobei er die bewilligte Möglichkeit zur Akteneinsicht ebenfalls nicht wahrgenommen hat. Insgesamt ergibt sich damit ein kohärentes Bild, wonach es dem Kläger gerade nicht um den schnellen Abschluss der Verfahren ging, sondern er die Verzögerungsrüge just zu dem Zeitpunkt angebracht hat, zu dem dies notwendig erscheinen musste, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch realisieren zu können. Das aber widerspricht dem Zweck der Verzögerungsrüge, so dass ihre Erhebung als rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam anzusehen ist.
Auch die Erläuterungen, die der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, bestätigen dies letztlich, namentlich wenn er darauf verweist, dass ihm vor dem Hintergrund, dass im Jahre 2014 die Übergangsregelungen aus der Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren keine Relevanz mehr gehabt hätten, die Erhebung einer Verzögerungsrüge nicht besonders eilbedürftig erschienen sei. Auch dies zeigt, dass es ihm – entgegen dem vom Gesetzgeber mit der Verzögerungsrüge verfolgten Zweck – nicht unmittelbar um die Beschleunigung des Ausgangsverfahrens ging, sondern um die Sicherung eines Entschädigungsanspruchs.
Eine aus diesen Gründen rechtsmissbräuchlich erhobene Verzögerungsrüge ist einer verfrüht erhobenen (vgl. hierzu § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG) vergleichbar und sperrt ebenso wie diese die Erhebung späterer Rügen nicht für immer; vielmehr kann der Betroffene, wenn sich das Verfahren im Anschluss (weiter) verzögert, namentlich weil die absehbare Entscheidung doch nicht alsbald ergeht, erneut und dann wirksam die Verzögerung des Verfahrens rügen. Wie eine verfrüht erhobene bleibt eine rechtsmissbräuchliche Verzögerungsrüge selbst jedoch unwirksam (vgl. für die verfrüht erhobene Rüge BFH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – X K 2/15 –, BFHE 255, 407, Rn. 46).
Weitere Verzögerungsrügen – die möglicherweise anders zu bewerten wären, nachdem das Sozialgericht den 2014 angekündigten Gerichtsbescheid nicht alsbald erlassen hat – hat der Kläger nicht erhoben.
3. Zudem wäre – eine Überlänge der Ausgangsverfahren zu Gunsten des Klägers unterstellt – eine Wiedergutmachung durch die von ihm nicht geltend gemachte Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer (§ 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) als Entschädigung – ausnahmsweise – ausreichend; ein Entschädigungsanspruch in Geld besteht dagegen nicht.
a) Es spricht allerdings zunächst einiges dafür, die Dauer der Ausgangsverfahren auch unter Berücksichtigung der in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehenden Gesichtspunkte, die eine über das Übliche hinausgehende Verfahrensdauer als dem Kläger zumutbar erscheinen lassen, als unangemessen lang zu bewerten.
aa) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (vgl. am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –: BVerfG, Beschluss vom 30. August 2016 – 2 BvC 26/14 – Vz 1/16 , juris; BVerfG, Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 –, juris), zumal Zügigkeit und Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen zu sehen darstellen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht. Wegen der Einzelheiten kann auf das Urteil des Senats vom 27. November 2019 – L 6 SF 24/17 EK KR –, juris, Bezug genommen werden.
bb) Hinsichtlich der Bedeutung und der Schwierigkeit der Ausgangsverfahren zunächst ist festzuhalten, dass die streitige Erstausstattung einer Wohnung beziehungsweise die eingeforderte Zusicherung der Übernahme von Unterkunftsaufwendungen für zwei Wohnungen, deren Anmietung der Kläger im Herbst 2011 beabsichtigte, schon bei Einleitung der (später verbundenen) Verfahren im April 2012 für ihn keine erkennbare Relevanz mehr hatte: Zu diesem Zeitpunkt war er bereits in eine andere, nämlich die bis heute von ihm bewohnte und kostenangemessene Wohnung umgezogen; trotz seines Hinweises auf den Zustand dieser Wohnung sind Gründe dafür, dass dennoch Anlass für die Klärung der im Ausgangsverfahren streitigen und auf eine andere Wohnung bezogenen Fragen hätte bestehen können, nicht ersichtlich; dies gilt nur umso mehr angesichts der Mitteilung des Beigeladenen, der Kläger habe wegen der mit der tatsächlich bezogenen Wohnung verbundenen Bedarfe eigenständige Verfahren geführt. Nachvollziehbare Bedeutung besaß danach allein der Widerruf der bereits bewilligten Leistungen für die Erstausstattung.
Das auf Grund dieser Zusammenhänge allerdings auch als rechtlich wenig schwierig zu qualifizierende erstinstanzliche Verfahren S 8/5 AS 120/12 dauerte rund vier Jahre (vom Klageeingang im April 2012 bis zur Zustellung des Gerichtsbescheides im April 2016). In diesem Zeitraum kann von 36 Monaten ausgegangenen werden, in denen es – dem Sozialgericht zurechenbar – zu keiner Verfahrensförderung gekommen ist.
Zwischen dem Klageeingang und Juli 2012 zunächst ist keine relevante Verfahrensverzögerung festzustellen. Das Sozialgericht durfte vielmehr bis dahin auf die Klageerwiderung warten; dies gilt nur umso mehr, als der vom Kläger angekündigte weitere Vortrag ausstand. Anschließend allerdings ist das Gericht, welches die Klageerwiderung an den Kläger ohne Erinnerung an den angekündigten, aber ausstehenden weiteren Vortrag seinerseits "z.K." übermittelt hatte, erst nach elf Monaten ohne erkennbare Verfahrensförderung im Juli 2013 auf das Verfahren zurückgekommen, und zwar durch die Anfrage, ob die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien. Die danach bis einschließlich November 2013 eingetretene Verfahrensdauer ist dem Kläger zuzurechnen, weil er auf die Anfragen des Sozialgerichts vom 23. Juli 2013 sowie vom 22. Oktober 2013 nicht reagiert hat.
Anschließend folgte erst nach einer weiteren Zeit von sieben Monaten ohne erkennbare Verfahrensförderung im Juli 2014 ein – mit einer Anfrage zum Gerichtsbescheid verbundener – gerichtlicher Hinweis zu den Erfolgsaussichten des Verfahrens und die Reaktion des Klägers hierauf im August 2014 sowie die Bewilligung von Akteneinsicht im September 2014, die der Kläger dann allerdings nicht genommen hat. Angesichts der hierfür gesetzten Frist von vier Wochen folgte nach deren Ablauf und damit ab November 2014 wieder ein Zeitraum von 18 Monaten ohne erkennbaren Verfahrensfortgang bis zum Erlass des Gerichtsbescheides im April 2016.
Damit kann von einer unzureichenden Verfahrensförderung in einem Umfang von (höchstens) 36 Monaten ausgegangen werden und auch dies nur, wenn man alle Zeiträume, in denen das Gericht beispielsweise nicht an die angekündigte, aber nicht vorgelegte Klagebegründung oder andere Äußerungen des Klägers erinnert hat, obwohl dafür möglicherweise Anlass bestand, voll dem Gericht zurechnet, obwohl der Kläger, wäre er an einer Beschleunigung des Verfahrens interessiert gewesen, seinerseits die ausstehende Klagebegründung oder sonstige Äußerung hätte abgeben können.
cc) Diesem Zeitraum steht zunächst die übliche Bearbeitungs- und Überlegungsfrist des Gerichts von zwölf Monaten gegenüber (vgl. zu dieser BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, juris, Rn. 53; Senat, Urteil vom 27. November 2019 – L 6 SF 24/17 EK KR –). Es gibt im vorliegenden Verfahren keinen Anlass, diese zu verkürzen, namentlich von einer angemessenen Verfahrensdauer von insgesamt nur zwölf Monaten auszugehen, wie der Kläger dies geltend gemacht hat. Zwar war das Ausgangsverfahren, wie erwähnt, vergleichsweise einfach gelagert. Andererseits ist bereits in diesem Zusammenhang die Vielzahl der vom Kläger angestrengten Verfahren zu berücksichtigen, die dem Sozialgericht die Übersicht notwendig erschwerten, die aber von ihm doch im Blick zu behalten waren – auch im Hinblick auf mögliche Gründe der Unzulässigkeit wie einer doppelten Rechtshängigkeit – und es sinnvoll erscheinen lassen mussten, die Verfahren beispielsweise gruppenweise zu bearbeiten.
Das Gewicht des danach verbleibenden Zeitraums von (höchstens) 24 Monaten, in denen über die Bearbeitungs- und Überlegensfrist hinaus eine konkrete Verfahrensförderung nicht zu erkennen ist, ist auf Grund der in einem weiteren Schritt anzustellenden Gesamtabwägung zumindest weiter gemildert.
Insoweit ist zunächst von Bedeutung, dass das zweitinstanzliche Verfahren sehr schnell bearbeitet worden ist, so dass schon dies geeignet ist, die lange Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens teilweise auszugleichen. Dagegen wird man das Verfahren vor dem Bundessozialgericht – entgegen der vom Beklagten aufgestellten Berechnung – nicht in die Beurteilung einbeziehen können, da es sich – wie zur Einhaltung der Klagefrist aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG bereits ausgeführt – um ein isoliertes Prozesskostenhilfeverfahren zu einer beabsichtigten und dann nicht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde handelte, das den Eintritt der Rechtskraft nicht hinausschieben konnte (vgl. zur fehlenden Berücksichtigung von – erfolglos eingelegten – Rechtsbehelfen, die als solche den Eintritt der Rechtskraft nicht hindern, wie beispielsweise die Anhörungsrüge: Engel-Boland, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 2014, § 202 Rn. 44).
Vor allem aber ist auch und gerade im Rahmen der Gesamtabwägung das beschriebene Prozessverhalten des Klägers von erheblicher Bedeutung. Da die von einem Beteiligten hinzunehmende Dauer des Verfahrens sich letztlich daran bemisst, welche Wartezeit ihm im Einzelfall zugemutet werden kann (vgl. so auch BSG, Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/13 R –, juris, Rn. 44), ist es sachgerecht, insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers und dessen Bemühungen um eine Prozessförderung beziehungsweise umgekehrt dessen Mitwirkung an einer Verfahrensverzögerung in die Wertung mit einzustellen (Senat, Urteil vom 27. November 2019 – L 6 SF 24/17 EK KR –). Gibt er durch sein Prozessverhalten begründeten Anlass zu der Einschätzung, dass er selbst das Verfahren nicht als dringlich betrachtet, verlängert sich die noch als angemessen zu qualifizierende Verfahrensdauer. Angesichts des schon im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit der Verzögerungsrüge im Einzelnen dargestellten Prozessverhaltens des Klägers im Ausgangsverfahren ist dies vorliegend von erheblichem Gewicht.
Weiter kann – auch losgelöst von der unmittelbaren Rückwirkung auf die Verfahrensführung im konkreten Fall – nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger in dem Zeitraum, in dem er auch das hiesige Verfahren geführt hat, eine große Zahl von Verfahren bei dem Sozialgericht Marburg anhängig gemacht hat: Konkret ergibt sich aus der von dem Direktor des Sozialgerichts Marburg übermittelten Aufstellung, dass der Kläger in den Jahren 2012 bis 2016 rund 20 Verfahren anhängig gemacht hat; hinzu kamen weitere bei Klageeingang noch anhängige Verfahren aus früheren Jahren. Unter diesen Umständen muss ein Kläger damit rechnen, dass es bei seinen Verfahren zu Verzögerungen kommen kann, und zwar auch unabhängig von konkret beschreibbaren Hindernissen wie der Aktenübersendung an andere Gerichte.
Wenn das Sozialgericht vor diesem Hintergrund das hiesige und damit eines der vielen vom Kläger geführten Verfahren nur mit Verzögerungen betrieb, so ist eine deutlich über das Übliche hinausgehende Verfahrensdauer nicht als unangemessen zu qualifizieren; das gilt jedenfalls, wenn es sich – wie hier – um ein Verfahren handelt, das hinsichtlich eines erheblichen Teiles der streitigen Anträge auf seine konkrete Lebenssituation erkennbar keine Auswirkungen mehr haben konnte.
Damit liegen mehrere Umstände vor, die eine deutlich über das Übliche hinausgehende Verfahrensdauer als dem Kläger zumutbar und damit nicht unangemessen erscheinen lassen. Trotz alledem spricht allerdings im Ergebnis einiges dafür, eine jedenfalls auch dem Gericht zurechenbare und über die übliche Bearbeitungs- und Bedenkzeit hinausgehende fehlende Verfahrensförderung in einem zeitlichen Umfang, wie er hier vorliegt, nicht mehr als angemessen anzusehen.
Auch wenn das Ausgangsverfahren S 8 AS 121/12 bereits durch den Verbindungsbeschluss vom 22. September 2014 formal beendet war, wird man für die Beurteilung einer Überlänge insofern die gleichen Überlegungen anzustellen haben, nachdem das Klagebegehren in der Sache weiter offen war.
b) Dennoch kann der auf eine Entschädigung in Geld gerichtete Antrag auch unabhängig von der nicht wirksam erhobenen Verzögerungsrüge keinen Erfolg haben; die vom Kläger nicht beantragte Feststellung der Überlänge wäre als Wiedergutmachung ausreichend.
Allerdings kann – namentlich angesichts der europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Wahrung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) – auch die Führung einer Vielzahl von Verfahren durch einen Kläger nicht zur Konsequenz, dass die §§ 198 ff. GVG (i.V.m. § 202 Satz 2 SGG) schlicht unangewendet bleiben könnten. Das gilt selbst dann, wenn eines oder mehrere dieser Verfahren – wie hier – erkennbar nicht (mehr) zu einer Verbesserung der Lebenssituation des Betroffenen führen kann oder eine Klage sich als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt; letztlich gilt dies sogar, sofern Grund für die Annahme besteht, dass die (weitere) Durchführung des Verfahrens verfahrensfremden Zwecken dient oder als missbräuchlich qualifiziert werden könnte (vgl. hierzu auch § 192 SGG). Nachdem die sozialgerichtliche Verfahrensordnung auch in diesen Fällen keinen Spielraum dafür lässt, ein entsprechendes Verfahren nicht weiter zu bearbeiten, ist auch ein solches in angemessener Zeit abzuschließen; allerdings kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass das Ausgangsgericht davon abgesehen hat, zu seinen Lasten Maßnahmen wie die Verhängung einer Missbrauchsgebühr nach § 192 SGG zu ergreifen. Jedoch reicht in entsprechenden Fällen in aller Regel eine Wiedergutmachung auf andere Weise als durch die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs, namentlich durch die Feststellung der Überlänge, aus.
Zwar erlaubt diese in (§ 202 Satz 2 SGG i.V.m.) § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 GVG ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit auf Grund der europarechtlichen Vorgaben nur in Ausnahmefällen das Absehen von einem Entschädigungsanspruch (vgl. hierzu B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a – dort auch zur Regel-Ausnahme-Struktur des Gesetzeswortlauts, die auf den ersten Blick ein anderes Verständnis nahezulegen scheint). Eine Feststellung der Überlänge ist aber trotz ihres Ausnahmecharakters jedenfalls dann ausreichend, wenn der mit dem Verfahren erstrebte finanzielle, ideelle oder sonstige Vorteil – wie hier mit Blick auf die zuvor und parallel geführten Verfahren mit gleichem Ziel – erkennbar geringfügig oder gar nicht (mehr) erkennbar ist oder/und die Rechtsverfolgung erkennbar aussichtslos ist oder/und der Beteiligte auf Grund seines (Gesamt-)Verhaltens wesentlich zur Verzögerung beigetragen hat (vgl. in diesem Sinne die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks. 17/3802, S. 20; außerdem BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL –, BSGE 113, 75, Rn. 45; BFH, Urteil vom 17. April 2013 – X K 3/12 –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Oktober 2017 – L 2 SF 248/17 EK AS –, juris, Rn. 44; Engel-Boland, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 2014, § 202 Rn. 53; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 202 Rn. 26a). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass andernfalls ein Anreiz geschaffen würde, Klagen, deren (weitere) Durchführung im Grunde sinnlos (geworden) ist oder deren Misserfolg zum Beispiel wegen der wiederholten Geltendmachung weitgehend identischer Ansprüche ohne zwischenzeitliche Änderung der Sach- und Rechtslage letztlich feststeht, nur deswegen (weiter) aufrecht zu erhalten, um auf diese Weise einen finanziellen Vorteil – nämlich eine Geldentschädigung nach § 198 GVG – zu erlangen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen wäre ausnahmsweise die Feststellung der Überlänge als Wiedergutmachung ausreichend. Maßgeblich ist insofern wiederum insbesondere das Prozessverhalten des Klägers, der zur Verfahrensförderung seinerseits nichts beigetragen hat. So entspricht schon die Klageschrift ersichtlich einem auf die Ausgangsverfahren nicht passenden Muster; besonders deutlich wird dies in der Bezeichnung des Streitgegenstandes mit "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gemeinschaft", die nichts mit dem tatsächlichen Inhalt der angegriffenen Bescheide zu tun hat. Der auf die "notwendigen Sozialleistungen" und die Feststellung eines Eingriffs in die Rechte des Klägers gerichtete Klageantrag ist ebenso schablonenhaft wie die sehr kurze Klagebegründung. Diese war für sein Klagebegehren – soweit es sich nicht trotz seiner Schablonenhaftigkeit jedenfalls auch auf den Widerruf des Bewilligungsbescheides vom 8. November 2011 beziehen ließ – erkennbar unzureichend, nachdem der Kläger im Wege der (Anfechtungs- und) Verpflichtungs- beziehungsweise Leistungsklage eine Erweiterung seiner Rechtsposition zu erlangen suchte, die er ersichtlich allein mit dem Hinweis auf einen vermeintlichen Anhörungsmangel nicht erreichen konnte. Auf weitere Schreiben des Gerichts hat der Kläger, wie bereits ausgeführt, – abgesehen von der Anhörung zum Gerichtsbescheid – nicht mehr reagiert. Im Berufungsverfahren fehlte es dann trotz entsprechender Ankündigung vollständig an einer Begründung. Die zeitliche Gestaltung des Ablehnungsantrags legt überdies nahe, dass der Kläger nach Möglichkeit die Durchführung der mündlichen Verhandlung am vorgesehenen Terminstag verhindern wollte. Ein Bemühen, seinerseits zu einer schnellen oder auch nur nicht verzögerten Erledigung des Rechtsstreits beizutragen, ist nicht ersichtlich. All dies findet sich im Übrigen (nahezu) identisch in den Ausgangsverfahren zu den vom Senat am gleichen Tag entschiedenen Verfahren L 6 AS 7/19 EK AS und L 6 AS 9/19 EK AS.
Anders als in dem zwischen den hiesigen Hauptbeteiligten geführten Verfahren L 6 SF 6/12 EK U, in welchem der Senat dem Kläger mit Blick auf die Bedeutung des dortigen Verfahrens und seinen nicht überwiegenden Verursachungsanteil an der Verzögerung einen Entschädigungsanspruch in Geld zugesprochen hat, wäre nach allem im hiesigen Verfahren die Feststellung der unangemessenen Dauer des Verfahrens ausreichend. Eine Entschädigung in Geld dagegen ist mit Blick insbesondere auf das Prozessverhalten des Klägers nicht veranlasst. Nachdem er ein auf die bloße Feststellung der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens gerichtetes Begehren ausdrücklich nicht geltend gemacht hat, muss die Klage insgesamt ohne Erfolg bleiben.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1, § 183 Satz 5 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.
V. Die Revision ist nicht zuzulassen, nachdem keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe hierfür vorliegt. Namentlich ist das Verfahren nicht von grundsätzlicher Bedeutung: Die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass eine Verzögerungsrüge wie andere Prozesshandlungen unwirksam sein kann, wenn sie zweckwidrig und in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich erhoben wird, steht nach Ansicht des Senats als solche außer Zweifel. Ihre tatsächliche Ausfüllung im Einzelfall und die Überzeugungsbildung des Senats hierzu sind nicht revisibel. Ähnliches gilt für die Fragen, die mit den Kriterien für eine – ausnahmsweise – ausreichende Wiedergutmachung durch die Feststellung der Überlänge verbunden sind.
VI. Der Streitwert ist endgültig auf 1.200,- Euro festzusetzen: Zwar hat der Kläger eine höhere Entschädigung angeregt und in das Ermessen des Gerichts gestellt, bei dem von ihm formulierten Antrag aber doch an dieser Summe festgehalten.
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