S 12 KA 290/20 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 290/20 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Kassenärztliche Vereinigung kann mit vom Beschwerdeausschuss festgestellten, aber wegen vor dem Sozialgericht erhobenen Klagen noch nicht bestandskräftigen Verordnungsregressen auch nach Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung mit einem Honoraranspruch des Arztes aufrechnen.
2. Die Kassenärztlicher Vereinigung Hessen kann Verordnungsregresse mit dem Anspruch auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung aufrechnen.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 17.07.2020 wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller hat die notwendigen Verfahrenskosten für das einstweilige Anordnungsverfahren zu tragen. 3. Der Streitwert für das einstweilige Anordnungsverfahren wird auf 5.350,32 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufrechnung seiner Bezüge aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) mit Regressforderungen aufgrund einer Heilmittel-Richtgrößenprüfung 2014 und einer Arzneimittelkostenprüfung im Umfang von insgesamt 16.744,51 EUR.

Der Antragsteller war als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung seit 01.02.1992 bis 31.12.2017 mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Seit 01.07.2016 nimmt er an der EHV der Beklagten teil. Er erhält monatlich 2.541,50 EUR aus der EHV, aktuell 2.551,77 EUR brutto bzw. 2.480,32 EUR netto. Ferner erhält er von der Berliner Ärzteversorgung seit 01.07.2016 monatlich 1.523,12 EUR.

Der Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen wies mit Beschluss vom 16.08.2017 den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen vom 14.12.2016 im Rahmen der Heilmittel-Richtgrößenprüfung 2014 wegen der Überschreitung des zugestandenen Richtgrößen-Volumens für die Heilmittelverordnungen im Jahre 2014 in Höhe von 10.573,45 EUR (netto) zurück. Die hiergegen am 13.02.2018 eingelegte Klage ist bei dem SG Marburg unter dem Az.: S 17 KA 10/18 anhängig. Der Beschwerdeausschuss wies mit Beschluss vom 11.09.2019 den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 07.12.2017, in dem auf Antrag der BKK Herkules ein Arzneimittelkostenregress für Verordnungen im Einzelfall, nämlich für die Verordnungen von Fentanyl Pflastern für die Quartale I/14 bis II/15 und II/16 bis IV/16 in Höhe von 6.171,06 EUR festgesetzt worden war, zurück. Die hiergegen am 20.12.2019 eingelegte Klage ist beim SG Marburg unter dem Az.: S 17 KA 415/19 anhängig.

Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 06.03.2020 mit, nachdem ihr die Prüfungsstelle den Bescheid (gemeint ist der Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 11.09.2019) weitergeleitet habe, werde sie das Honorarkonto im 4. Quartal 2019 mit 6.171,06 EUR belasten. Da das ehemalige Honorarkonto kein Guthaben ausweise, bitte sie um Überweisung bis zum 23.03.2020. Der Antragsteller wies mit Schreiben vom 18.03.2020 darauf hin, dass grundsätzlich eine Aufrechnung der Antragsgegnerin bei Vertragsärzten, welche aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeschieden wären, nicht durch die Antragsgegnerin möglich wäre. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 05.05.2020 mit, nach der erfolglosen Zahlungsaufforderung gegenüber dem Antragsteller betreffend das überzahlte Honorarkonto werde sie den Überzahlungsbetrag mit den monatlichen EHV-Zahlungen verrechnen. Dies erfolge auf der Grundlage des § 30 der Prüfvereinbarung i.V.m. § 52 BMV-Ä. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 07.05.2020 mit, sie habe das ehemaliges Honorarkonto mit dem Betrag von 16.744,51 EUR belastet. Sie bitten um Überweisung bis zum 15.05.2020, andernfalls werde sie den Betrag mit dem Honorarkonto EHV 424121408 verrechnen. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 05.06.2020 mit, dass eine Tilgungsvereinbarung für Arzneimittel-, Heilmittel und Sprechstundenbedarfsregresse nicht möglich sei. Sie werde jedoch stattdessen eine Aufrechnung mit dem EHV-Konto vornehmen. Damit der gesamte Betrag der Überzahlung des ehemaligen Honorarkontos in Höhe von 16.050,96 EUR (Regress in Höhe 6.171,06 EUR, Arzneimittel I/14-II/15, gebucht am 02.03.2020 in IV/19, und Regress in Höhe von 10.573,45 EUR, Richtgröße Heilmittel I/14-IV/14, gebucht am 14.01.2019 in IV/18, sowie Gutschrift in Höhe von 693,55 EUR für die Neuberechnung des Honorarbescheids I/17) ausgeglichen werde, würden ab Juli 2020 bis Dezember 2020 die volle EHV-Zahlung in Höhe von 2.541,50 (getilgt dann: 15.249,60 EUR) sowie der dann noch ausstehenden Betrag in Höhe von 801,36 EUR von der Januar 2021-Zahlung einbehalten werden.

Der Antragsteller hat am 17.07.2020 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Er trägt vor, die Antragsgegnerin sei nicht befugt zur Aufrechnung mit dem Anspruch auf Teilnahme an der EHV nach § 387 BGB i. V. m. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V. In der ab 2017 geltenden Fassung der neustrukturierten §§ 106 ff. SGB V seien explizite Vollstreckungsregelungen nicht mehr vorhanden. Nach § 30 der Prüfvereinbarung würden nur rechtskräftig festgestellte Regressforderungen dem Verteilungsschlüssel unterliegen. Eine Ermächtigung zur Einbehaltung des Honorars sei hier nicht gegeben. Sofern man § 30 Abs. 1 der Prüfvereinbarung analog auch für die Rückforderung von Regressen für sonstige Schäden und Richtgrößenprüfungen heranziehen möchte, sei zu berücksichtigen, dass hier nur mit originären Honoraransprüchen der Kassenärztlichen Vereinigung aufgerechnet werden könne. Dieses ergebe sich denklogisch schon dadurch, dass die Prüfvereinbarung bzw. Rahmenvorgaben zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab dem 01.01.2017 überhaupt keine Honoraransprüche aus EHV kennen würden. Insofern sei die hier durch die Antragsgegnerin vorgenommene Aufrechnung rechtswidrig und ohne Rechtsgrundlage. Gemäß § 52 Abs. 2 BMV-Ä sei eine Aufrechnung nur möglich, wenn in einem erstinstanzlichen Urteil das Sozialgericht die Forderung bestätigt habe. Nach Beendigung der Zulassung sei eine Aufrechnung mit Honorarforcierungen nicht möglich und seien daher die Regress- und Schadensersatzbeträge an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung abzutreten. Es liege eine rechtswidrige Vollziehung bzw. Beitreibung der Regressbeträge der Antragsgegnerin vor. Die Voraussetzung für den Anordnungsgrund lägen vor. Er erhalte neben der EHV-Zahlung zusätzlich Rentenzahlungen aus dem ärztlichen Versorgungswerk in Höhe von 1.523,12 EUR monatlich. Es sei zu erheblichen finanziellen Engpässen gekommen. Da nicht absehbar sei, wann die Hauptsacheentscheidungen entschieden würden, sei bis dahin zumindest die offensichtlich rechtswidrige Vollstreckung der Regressbeträge durch die Antragsgegnerin einzustellen und auch die bisher einbehaltenen Abschlagszahlungen auszukehren. Für die Prüfung der bis einschließlich 31.12.2016 verordneten Leistungen würden die Regelungen in den §§ 84, 106, 296 und 297 in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung gelten. Eine eigenmächtige Aufrechnung der Regressforderungen mit laufenden EHV-Zahlungen stehe der Antragsgegnerin weder nach altem noch nach neuem Recht zu. Der Antragsteller hat eine eidesstattliche Versicherung zur Gerichtsakte gereicht.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die monatlichen Bezüge aus der EHV an ihn ab dem 01.08.2020 im gleichen Umfang wie bisher, nämlich in Höhe von 2.541,80 EUR monatlich, auszuzahlen und die einbehaltenen Beträge spätestens bis zum 31.08.2020 zu erstatten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, das Honorarkonto des Antragsstellers habe im Quartal IV/19 mit einer Überzahlung von 16.050,96 EUR abgeschlossen. Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller nicht mehr vertragsärztlich tätig sei und somit keine Verrechnungsmöglichkeit mit laufenden Honorarzahlungen bestehe, sei der Antragsteller am 06.03.2020 gebeten worden, den Rückforderungsbetrag der letzten Belastung in Höhe 6.171,06 bis zum 23.03.2020 zurückzuzahlen. Sie habe dann mit Schreiben vom 05.05.2020 die Aufrechnung mit seinen Einkünften aus der EHV erklärt und in der Folge die EHV-Zahlungen der Monate Mai, Juni, und Juli jeweils in voller Höhe, insgesamt einen Betrag in Höhe von 7.440,96 EUR einbehalten. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung sei der Antragssteller noch mit einem Betrag in Höhe von 8.610,00 EUR überzahlt. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei bereits unzulässig, da kein Verwaltungsakt vorliege. Gehe man von einem Antrag auf eine Regelungsanordnung, aus, so sei dieser Antrag unbegründet. Es bestehe bereits kein Anordnungsanspruch. Der Antragsgegner nehme nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung (GEHV) an der EHV teil und bezieht daraus monatliche Zahlungen in Höhe von 2.551,77 EUR brutto bzw. 2.480,32 EUR netto. Sie habe den durch die Beschlüsse des Beschwerdeausschusses festgesetzten Rückforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 16,744,51 EUR wirksam mit den Honorarzahlungen aus der EHV aufgerechnet. Sie hafte entsprechend § 53 BMV-Ä aus der Gesamtvergütung für Erstattungsansprüche. Entsprechend habe auch die Rückabwicklung innerhalb der getrennten Rechtskreise Vertragsarzt - Kassenärztliche Vereinigung und Kassenärztliche Vereinigung - Krankenkasse zu erfolgen und die Kassenärztliche Vereinigung habe wiederum in der jeweiligen Höhe Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt, die sie mit laufenden Honoraransprüchen des Vertragsarztes aufrechnen könne. Die Rückforderungsansprüche seien fällig, da die Klage gemäß § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V keine aufschiebende Wirkung habe. Die Prüfvereinbarung, welche zum 01.01.2017 in Kraft getreten sei, sehe in § 30 Abs. 2 - entsprechend der bis zum 01.01.2017 gültigen Gesetzeslage - noch vor, dass die Buchung von Nachforderungen und der sonstigen, von den Prüfgremien festgestellten Schadensersatzansprüche der Krankenkassen erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Prüfungsverfahrens erfolge. Aufgrund des Abschlusses der Verhandlungen zur Prüfvereinbarung vor dem 01.01.2017, nämlich zum 14.11.2016, hätten die Vertragspartner nicht mehr die Neuregelung des § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V aufnehmen können. Die gesetzliche Regelung des § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V sehe jedoch seit dem 01.01.2017 vor, dass Klagen gegen Beschlüsse des Beschwerdeausschusses keine aufschiebende Wirkung zukämen, weshalb die Prüfvereinbarung nicht mehr die Nichtvollziehung bis zur Bestandskraft der Prüfungsentscheidung festlegen könne. Sie habe die Aufrechnung mit Schreiben vom 05.05.2020 erklärt. Auch ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Der Antragsteller habe weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die ihm aus den Prüfungen und der erfolgten Verrechnung der Rückforderungen mit den EHV-Zahlungen erwachsenden finanziellen Nachtelle gravierende Auswirkungen auf seine Liquidität hätten. Die bis zum 01.01.2017 in § 106 Abs. 5c Satz 5 SGB V geregelte Möglichkeit, entsprechend § 76 Abs. 2 Nr. 1 und 3 SGB IV Rückforderungen zu stunden oder zu erlassen, wenn diese den Vertragsarzt wirtschaftlich gefährdeten, habe keine Ratenzahlungsmöglichkeit vorgesehen, denn Stundung bedeute Zeitaufschub. Und auch hierfür sei von Gesetzes wegen vorgesehen gewesen, dass vom Arzt eine erhebliche Härte bei sofortiger Einziehung nachzuweisen sei. In dem vorliegend anzuwendenden § 106 SGB V ab dem 01.01.2017 sei diese Möglichkeit einer Stundung oder eines Erlasses der Rückforderung zudem nicht mehr vorgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag einen Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 1 u. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Es müssen ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 920 Zivilprozessordnung i. V. m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG).

Ein Anordnungsanspruch ist nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen kursorischen Überprüfung nicht ersichtlich. Im Übrigen fehlt es an einem Anordnungsgrund.

Ein Anordnungsanspruch ist nicht ersichtlich.

Die Beklagte war zur Aufrechnung grundsätzlich befugt. Es besteht eine Aufrechnungslage. Auch nach Ausscheiden des Antragstellers aus der vertragsärztlichen Versorgung ist die Antragsgegnerin weiterhin zuständig. Auf die erstinstanzliche Bestätigung der Klagen gegen die Regressbescheide kommt es nicht an. Die Klagen gegen die Regressbescheide haben keine aufschiebende Wirkung. Eine Aufrechnung kann mit dem Anspruch auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung erfolgen.

Die Beklagte ist zuständig und berechtigt zur Aufrechnung der Arzneikostenregresse mit den Bezügen aus der EHV.

Eine Aufrechnung nach den §§ 51, 52 SGB I scheidet aus, da diese Vorschriften auf Honorarzahlungen an Vertragsärzte auf der Grundlage von § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V schon deshalb nicht anwendbar sind, weil solche Zahlungen keine Sozialleistungen darstellen, die dem Vertragsarzt zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte zukommen sollen (vgl. BSG, Urt. v. 07.02.2007 - B 6 KA 6/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 31 = BSGE 98, 89). Entsprechend anwendbar sind aber allgemein für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des Vertragsarztrechts im Wege der Lückenfüllung die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts über die Aufrechnung in §§ 387 ff. BGB (vgl. BSG, Urt. v. 07.02.2007 - B 6 KA 6/06 RSozR 4-2500 § 85 Nr. 31 = BSGE 98, 89, juris Rdnr. 18; BSG, Urt. v. 23.03.2011 - B 6 KA 14/10 R - BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 62, juris Rdnr. 13). Dies gilt auch für eine Aufrechnung mit Ansprüchen aus der EHV (LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 52/10 - unveröff.).

Mit der Ankündigung einer Belastung des Honorarkontos bei der nächstfolgenden Honorarabrechnung (= Aufrechnung) wird der Betrag gefordert (vgl. BSG, Urt. v. 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 17, juris Rdnr. 15). Die Aufrechnung wird als Maßnahme des "außergerichtlichen Selbsthilfezugriffs" in der Regel noch nicht mit der bloßen Ankündigung der Einstellung einer bestimmten Forderung in das Honorarkonto, sondern erst mit einer verbindlichen Mitteilung der in das Honorarkonto tatsächlich eingestellten Buchungsposten (im Rahmen des nächsten Quartalshonorarbescheids) als außenwirksame Regelung umgesetzt (vgl. BSG, Beschl. v. 11.09.2019 - B 6 KA 24/18 B - juris Rdnr. 10). Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 05.06.2020 über die Buchung beider Regresse in das Honorarkonto des Antragstellers informiert und über die hieraus folgende Verrechnung mit der EHV-Zahlung ab Juli 2020 informiert.

Es besteht auch eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB), da eine aufrechenbare Gegenforderung von der Antragsgegnerin geltend gemacht werden kann. Gemäß § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass gegenseitige gleichartige und fällige Forderungen (§ 387 BGB), soweit sie sich decken, nach entsprechender Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) und ohne dass Aufrechnungshindernisse bestehen, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Die Antragsgegnerin kann die vom Beschwerdeausschuss festgesetzten Regresse nach § 52 BMV-Ä "Durchsetzung festgestellter Schadenersatzansprüche" gegenüber dem Antragsteller aufrechnen. Mit der Festsetzung durch den Beschwerdeausschuss besteht eine vollziehbare Forderung, da jedenfalls von einer Nichtigkeit der Bescheide nicht auszugehen ist.

Anders als bei der Erstattung ärztlicher Vergütung steht der Anspruch auf Ersatz eines sonstigen Schadens oder der Kosten, die der Krankenkasse aufgrund unwirtschaftlicher ärztlicher Verordnungen entstanden sind, unmittelbar der Krankenkasse gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt zu. Die Krankenkasse verlangt in diesem Fall von dem Arzt auch nicht die Rückzahlung von Honorar. Vielmehr geht es um den Ersatz eines der Krankenkassen entstandenen Schadens, den der Arzt verursacht hat. Das gilt auch für den Verordnungsregress, bei dem es sich um einen besonderen Typus des Schadensersatzanspruchs handelt. Der Umstand, dass der Verordnungsregress eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung i. S. des § 106 SGB V ist und dass es deshalb - anders als beim Ersatz eines sonstigen Schadens i. S. des § 48 BMV-Ä - auf ein Verschulden des Arztes nicht ankommt, steht dem nicht entgegen. Aus der Trennung der Rechtskreise mit typischerweise fehlenden unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Arzt folgt für den Verordnungsregress oder den Ersatz eines sonstigen Schadens nur, dass die Krankenkasse ihre Ansprüche nicht unmittelbar gegenüber dem Arzt mit der Leistungsklage geltend machen kann, sondern darauf angewiesen ist, ein Verfahren bei den Prüfgremien einzuleiten, als dessen Ergebnis ein entsprechender Regress gegenüber dem Arzt festgesetzt werden kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch die Prüfgremien in dieser Konstellation nicht über einen Anspruch der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber dem Arzt, sondern über einen Anspruch unmittelbar der Krankenkasse gegenüber dem Arzt entscheiden. Von daher haftet die Kassenärztliche Vereinigung für Ansprüche von Krankenkassen, die auf Ersatz eines Schadens gerichtet sind. Dasselbe gilt für Ansprüche einer Krankenkasse aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die nicht das ärztliche Honorar, sondern das Verordnungsverhalten des Arztes zum Gegenstand haben (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 52, juris Rdnr. 13 ff. m.w.N.; SG Marburg, Gerichtsb. V. 19.10.2016 - S 12 KA 232/16 – juris Rdnr. 15). Entsprechen bleibt auch die Zuständigkeit der Prüfgremien für die Festsetzung einer Honorarkürzung oder eines Regresses bestehen unabhängig davon, ob der Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Festsetzung noch vertragsärztlich tätig ist (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.2015 - B 6 KA 45/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 53, juris Rdnr. 16).

Über die Erfüllung von nachgehenden Berichtigungsansprüchen sowie Schadenersatzansprüchen aus Feststellungen der Prüfgremien treffen die Vertragspartner der Gesamtverträge und die Vertragspartner der Prüfvereinbarung nähere Regelungen (§ 52 Abs. 1 BMV-Ä). Sie haben hierbei folgende Grundsätze zu berücksichtigen: Die Kassenärztliche Vereinigung erfüllt Schadenersatzanforderungen der Krankenkassen durch Aufrechnung gegen Honorarforderungen des Vertragsarztes, wenn in einem erstinstanzlichen Urteil eines Sozialgerichts die Forderung bestätigt wird. Soweit eine Aufrechnung nicht möglich ist, weil Honorarforderungen des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung nicht mehr bestehen, tritt die Kassenärztliche Vereinigung den Anspruch auf Regress- und Schadenersatzbeträge an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung ab (§ 52 Abs. 2 BMV-Ä).

Als Schadensersatzforderung in diesem Sinne sind auch Forderungen der Krankenkasse aus einem Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung anzusehen. In diesen Bestimmungen ist keine Übernahme der Haftung durch die Kassenärztliche Vereinigung für Forderungen der Krankenkasse gegenüber dem Vertragsarzt zu sehen, sondern bloße Einziehungsregelungen, die der Krankenkasse die Durchsetzung ihrer Ansprüche erleichtern, aber eine Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung nur bezogen auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens und die anschließende Abführung des Erlöses an die Krankenkasse begründen. Das Risiko, dass die Forderung der Krankenkasse nicht auf dem Weg über eine Verrechnung mit Honoraransprüchen des Arztes realisiert werden kann, wird nicht auf die Kassenärztliche Vereinigung übertragen. Das wird auch daran deutlich, dass die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung für die Realisierung der Schadensersatzforderung in den bundesmantelvertraglichen Regelungen übereinstimmend auf den Fall begrenzt wird, dass eine Aufrechnung mit Honoraransprüchen erfolgen kann. Wenn eine Aufrechnung dagegen nicht möglich ist, weil Honorarforderungen des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung nicht mehr bestehen, "tritt die Kassenärztliche Vereinigung den Anspruch auf Regress- und Schadensersatzbeträge" an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung ab (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 52, juris Rdnr. 16 m.w.N.). Die Einziehungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigung besteht grundsätzlich unabhängig vom Bestehen der Zulassung. Sie besteht auch noch nach der Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung ist zur Durchsetzung ihrer Forderung gegenüber dem Vertragsarzt nicht auf die Aufrechnung mit Honoraransprüchen beschränkt, sondern kann den durch die Prüfgremien bestandskräftig festgesetzten Anspruch auch gegenüber einem ausgeschiedenen Vertragsarzt geltend machen (vgl. BSG, Urt. v. 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 52, juris Rdnr. 19 m.w.N.).

Soweit § 52 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BMV-Ä eine solche Aufrechnungsverpflichtung nur vorsieht, wenn die Forderung der Krankenkasse in einem erstinstanzlichen Urteil eines Sozialgerichts bestätigt worden ist, steht dieser Grundsatz einer Aufrechnung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn es allein deswegen nicht zur Durchführung eines sozialgerichtlichen Verfahrens gekommen ist, weil der Vertragsarzt die Bescheide der Prüfgremien bestandskräftig werden ließ (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 30/08 R - BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 52, juris Rdnr. 18). Im Übrigen gilt diese Beschränkung nur im Verhältnis zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkasse, ansonsten würde diese Regelung gegen § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V verstoßen (vgl. BSG, Beschl. v. 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R - SozR 4-1500 § 86a Nr. 2, juris Rdnr. 13).

Auf die Bestandskraft oder erstinstanzliche gerichtliche Bestätigung zur Einziehung der Forderung kommt es seit der systematischen Neuordnung des Neunten Titels des SGB V - Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung - durch Art. 2 Nr. 6 bis 8 Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) vom 16.07.2015 m. W. v. 01.01.2017 (Art. 20 GKV-VSG) nicht mehr an.

Der mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl. I, Seite 2144) eingefügte § 106 Abs. 5 Satz 7 SGB V bestimmte, dass (nur) die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte "Honorarkürzung" keine aufschiebende Wirkung hat. Die Einfügung des Satzes 7 war deshalb erfolgt, weil mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz das Regel-/Ausnahmeverhältnis bzgl. des Eintritts aufschiebender Wirkung (bis dahin: grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung) gleichsam umgekehrt worden war. Nach den neuen §§ 86a, 86b SGG entfällt heute die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nur dann, wenn dies im Gesetz geregelt ist. Die Gesetzesänderung wurde aber von der Rechtsprechung so verstanden, dass § 106 Abs. 5 Satz 7 SGB V Klagen gegen Arzneikostenregresse nicht erfasste. Der Gesetzgeber hätte andernfalls eine aufschiebende Wirkung für alle Klagen gegen Entscheidungen oder Beschlüsse des Beschwerdeausschusses ausschließen müssen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 25.10.2010 - L 5 KA 45/10 B ER - juris Rn. 9; SG Marburg, Beschl. v. 23.08.2007 - S 12 KA 316/07 ER - juris Rdnr. 21). Lediglich § 106 Abs. 5a Satz 11 SGB V in der bis zum GKV-VSG geltenden Fassung sah vor, dass Klagen gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses aufgrund von Richtgrößenprüfungen der Verordnungsweise keine aufschiebende Wirkung haben.

Nach § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V i. d. F. des Art. 2 Nr. 8 GKV-VSG hat die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte Maßnahme keine aufschiebende Wirkung. Von dieser Regelung werden auch alle Arzneikostenregresse erfasst (vgl. Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 106c SGB V (Stand: 15.06.2020), Rdnr. 102), wenn auch die Entwurfsbegründung lapidar davon ausgeht, die Regelung in Absatz 3 entspreche dem bisherigen § 106 Abs. 5 Satz 3 ff. (vgl. BT-Drs. 18/4095). Das hat vor allem Bedeutung in Regressverfahren, da eine Verrechnung mit Honoraransprüchen des Vertragsarztes erst erfolgen kann, wenn über den Widerspruch entschieden ist (vgl. Ulrich, ebd. unter Hinweis auf § 52 Abs. 2 Satz 2 BMV-Ä).

Maßgeblich kommt es auf die aktuelle, jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschlüsse des Beschwerdeausschusses und nicht auf die zum Zeitpunkt der Prüfquartale geltende Rechtslage an, da es sich bei der Frage der aufschiebenden Wirkung um Verfahrensrecht handelt.

Wirtschaftlichkeitsprüfungen richten sich grundsätzlich nach dem Recht, das im jeweiligen Prüfungszeitraum gegolten hat. Soweit der 6. Senat in einer früheren Entscheidung für die rechtliche Beurteilung einer auf die Behandlungsweise bezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 20/91 - SozR 3-2200 § 368n Nr. 6, juris Rdnr. 16), hält er hieran seit 2014 nicht mehr fest (vgl. BSG, Urt. v. 22.10.2014 - B 6 KA 3/14 R - BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 106 Nr. 48, juris Rdnr. 36 ff.; BSG, Urt. v. 22.10.2014 - B 6 KA 8/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 49, juris Rdnr. 34 ff.). Danach sind für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- oder Behandlungsweise in Prüfzeiträumen, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich, soweit es die materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, es also um die Frage geht, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn es um die Gestaltung des Prüfverfahrens als solches geht (vgl. BSG, Beschl. v. 17.02.2016 - B 6 KA 44/15 B - juris Rdnr. 8)

Nach BSG, Urt. v. 28.10.2015 - B 6 KA 45/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 53, juris Rdnr. 23 sind für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen von Zeiträumen, die vor dem Inkrafttreten von Gesetzesneufassungen abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich. Etwas anderes kommt lediglich für rein verfahrensrechtliche Regelungen (z. B. Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren) in Betracht. Eine rein verfahrensrechtliche Regelung in diesem Sinne ist die Verkürzung der Ausschlussfrist für Richtgrößenprüfungen auf zwei Jahre nicht. Die uneingeschränkte Anwendung der Verkürzung der Ausschlussfrist auf Richtgrößenprüfungen, die noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren, hätte zur Folge, dass in großem Umfang rechtmäßigen Bescheiden rückwirkend die Grundlage entzogen worden wäre. Das bedarf zumindest einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. auch BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 36, juris Rdnr. 14; BSG, Beschl. v. 28.08.2013 - B 6 KA 20/13 B - BeckRS 2013, 72757 Rdnr. 11).

Bei der Frage der aufschiebenden Wirkung handelt es sich aber um Verfahrensrecht, da mit § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V i. d. F. des Art. 2 Nr. 8 GKV-VSG lediglich der Zeitpunkt der - evtl. vorläufigen - Einziehung der Forderung geregelt wird. Von daher unterfällt auch der Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 11.09.2019 bzgl. des Arzneimittelkostenregresses für die Quartale I/14 bis II/15 und II/16 bis IV/16 unter die Neuregelung. § 106 Abs. 5a Satz 11 SGB V a.F., wonach Klagen gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses aufgrund von Richtgrößenprüfungen der Verordnungsweise keine aufschiebende Wirkung hatten, galt im Übrigen bereits im Jahr 2014.

Die Prüfvereinbarung vom 14.11.2016 (im Folgenden: PV) trifft keine abweichenden Regelungen. Nach § 30 Abs. 1 PV nimmt letztlich lediglich Bezug auf § 52 Abs. 2 BMV Ä. Nach § 30 Abs. 1 PV sind Honorarkürzungen nach Entscheidung durch die Prüfungsstelle bzw.- im Falle eines Widerspruches- nach Entscheidung durch den Beschwerdeausschuss zu vollziehen und bei der Berechnung des Honoraranspruches für das betroffene Abrechnungsquartal zu berücksichtigen. Es gilt § 52 Abs. 2 BMV-Ä. Bleibt die Einziehung erfolglos, tritt die KVH die Forderung - soweit sie einer Krankenkasse zusteht - an diese ab und übermittelt die zuletzt bekannte Privatanschrift des Arztes.

Soweit nach § 30 Abs. 2 PV die Buchung von Nachforderungen und der sonstigen, von den Prüfgremien festgestellten Schadensersatzansprüche der Krankenkassen erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Prüfungsverfahrens auf Basis des den Krankenkassen rechtzeitig bekanntgegebenen, zwischen den Vertragspartnern abgestimmten Verteilungsschlüssels erfolgt, gilt das Abstellen auf die Rechtskraft nur für die endgültige Buchung im Verhältnis der Antragsgegnerin zu den Krankenkassen (vgl. BSG, Beschl. v. 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R - SozR 4-1500 § 86a Nr. 2, juris Rdnr. 13). Im Übrigen kann eine Prüfvereinbarung nicht von der Regelung nach § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V abweichen (vgl. BSG, Beschl. v. 29.08.2011 - B 6 KA 18/11 R - SozR 4-1500 § 86a Nr. 2, juris Rdnr. 13).

Die Rahmenvorgaben treffen ebf. keine abweichenden Regelungen. Nach § 6 Abs. 4 der Rahmenvorgaben nach § 106b Abs. 2 SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen vom 30.11.2015 - zuletzt geändert am 10.12.2019 - vereinbart zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (zit. nach https://www.kbv.de/media/sp/Rahmenvorgaben Wirtschaftlichkeitspruefung.pdf) vollziehen, sofern Nachforderungen festgesetzt werden, die Kassenärztlichen Vereinigungen diese nach Vollziehbarkeit des Bescheides gegenüber dem Vertragsarzt durch Aufrechnung mit dessen Vergütungsanspruch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und kehren diesen Betrag an die Krankenkassen aus. Zum Verfahren und zu den Zahlungsfristen verständigen sich die Vertragspartner der regionalen Vereinbarungen nach § 106b Abs. 1 SGB V. Dies gilt nicht für Nachforderungen im Falle einer Beauftragung der Prüfungsstelle nach § 2 Abs. 7.

Eine Aufrechnung kann auch mit dem Anspruch auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung erfolgen. Im Kern nehmen auch die inaktiven Ärzte, die früheren Vertragsärzte, weiterhin an der Verteilung der Gesamtvergütung im Rahmen der Honorarverteilung teil.

Die "weitere Teilnahme" der inaktiven Vertragsärzte an der EHV ähnelt zwar einer Sozialleistung zur Alterssicherung (vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2014 - B 6 KA 8/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 80, juris Rdnr. 43; BSG, Urt. v. 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 RBSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris Rdnr. 38), in ihrem Rechtscharakter bleibt sie jedoch Honorarverteilung und stellt deshalb keine Sozialleistungen dar, die dem Vertragsarzt zur Verwirklichung seiner sozialen Rechte zukommt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 52/10 - unveröff.; LSG Hessen, Urt. v. 15.03.2006 - L 4 KA 8/05 -, juris Rdnr. 20; SG Marburg, Gerichtsb. v. 01.02.2016 - S 12 KA 508/14 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 16/16 -; SG Marburg, Beschl. v. 20.12.2013 - S 12 KA 578/13 ER -). Mit der EHV wird den ehemaligen Vertragsärzten nur das zugesichert, was auch für die aktiven Vertragsärzte selbstverständlich ist, dass sie nämlich an der Verteilung der Gesamtvergütung nach allgemein verbindlichen, vor dem jeweiligen Quartal erlassenen Regelungen teilnehmen (vgl. BSG, Urt. v. 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43, juris Rdnr. 53). Wie die aktiven Vertragsärzte müssen sich auch die Bezieher von Leistungen aus der an den allgemeinen Verwaltungskosten der Beklagten beteiligen (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2018 - B 6 KA 53/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 19, juris Rdnr. 48 ff.).

Pfändungsgrenzen stehen der Aufrechnung nicht entgegen. Die Altersbezüge des Antragstellers einschließlich der EHV-Bezüge fallen grundsätzlich unter den Pfändungsschutz (§ 850 Abs. 2 ZPO). Unterhaltsleistungen, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gegenüber einem Verwandten die Pfändungsfreigrenze von 930 EUR auf bis zu 2.060 EUR monatlich um 350 EUR für die erste Person und um 195 EUR für die zweite bis fünfte Person (§ 850c Abs. 1 ZPO) erhöhen, sind vom Antragsteller nicht zu zahlen. Vom Einkommen sind Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen, Beiträge zur privaten Krankenversicherung nur insoweit, als sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen (§ 850e Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Insofern ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger noch eine Versorgung vom Ärztlichen Versorgungswerk in Höhe von 1.523,12 EUR monatlich erhält und dass diese Versorgung ihm auch tatsächlich ausgezahlt wird. Einen weitergehenden Pfändungsschutz hat er nicht. Auch unter der Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen ist nicht ersichtlich, dass die Pfändungsfreigrenze des Antragstellers verletzt wird.

Ein Anordnungsgrund ist nicht ersichtlich.

Je größer die Erfolgsaussichten der Klage sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Je geringer umgekehrt die Erfolgsaussichten der Klage zu bewerten sind, umso schwerwiegender muss das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts an der aufschiebenden Wirkung sein, um eine Aussetzung rechtfertigen zu können. Kann eine endgültige Prognose bezüglich der Erfolgsaussichten (noch) nicht gestellt werden, müssen die Interessen gegeneinander abgewogen werden (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 30.07.2009 - L 12 B 1074/08 KA ER - juris Rdnr. 16).

An das Vorliegen eines solchen Anordnungsgrundes werden im Vertragsarztrecht strenge Anforderungen gestellt. Er kann regelmäßig nur beim Drohen erheblicher irreparabler Rechtsnachteile angenommen werden, die bei honorarrelevanten Maßnahmen insbesondere dann zu bejahen sind, wenn ohne Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes der notwendige Lebensunterhalt oder die Existenz der Praxis gefährdet wäre (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 21.10.2003 - L 3 KA 447/03 - juris, Rdnr. 3). Es reicht nicht aus vorzutragen, die Verrechnung entziehe dem Praxisbetrieb die kalkulatorischen Grundlagen, wenn hierzu nichts Näheres vorgetragen wird, aus dem sich ein irreparabler Rechtsnachteil ergeben würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06.11.2009 – L 7 KA 104/09 B ER – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 25; LSG Hessen, Beschl. v. 21.12.2009 – L 4 KA 77/09 B ER - juris Rdnr. 32). Der Anordnungsgrund als Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung setzt das Fehlen zumutbarer Selbsthilfemöglichkeiten, zu denen auch der Einsatz eigenen Vermögens gehört, voraus (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.03.2011 - L 5 KR 20/11 B ER – juris Rdnr. 9 f.). Bei einer Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers gem. § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V grundsätzlich das Vollzugsinteresse Vorrang gegenüber dem Aussetzungsinteresse genießt. Maßgeblich ist, ob es nach den Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist in Bezug auf honorarrelevante Maßnahmen im Vertragsarztrecht nur dann nicht der Fall, wenn irreparable Rechtsnachteile zu erwarten sind. Diese sind insb. anzunehmen, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz der notwendige Lebensunterhalt des Antragstellers oder die Existenz seiner Praxis gefährdet wären (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 08.08.2013 - L 4 KA 29/13 B ER - juris Rdnr. 73).

Dem Antragsteller verbleibt nach der Aufrechnung monatlich ein Betrag, der über der Pfändungsfreigrenze liegt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass er nach seinen eigenen Angaben zusammen mit seiner Ehefrau ein Haus besitzt, in dem er auch wohnt, so dass monatliche Mietzahlungen nicht anfallen. Soweit er vorträgt, es sei zu erheblichen finanziellen Engpässen gekommen, wird dies nicht näher dargelegt. Allein hieraus folgt jedenfalls keine Unzumutbarkeit der Aufrechnung.

Nach allem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das einstweilige Anordnungsverfahren beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung für das einstweilige Anordnungsverfahren beruht auf den gesetzlichen Vorgaben.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Der wirtschaftliche Wert folgt aus der Höhe des strittigen Aufrechnungsbetrags. Dieser Betrag war für das einstweilige Anordnungsverfahren zu dritteln. Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
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