S 19 U 153/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 19 U 153/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 188/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Skiunfalls als Arbeitsunfall.

Der 1970 geborene Kläger war Geschäftsführer der D. GmbH – DX. – aus D-Stadt, deren Rechtsnachfolgerin die E. DX. eG aus E-Stadt ist.

Ausweislich der Unfallanzeige vom 13.3.2016 verunfallte der Kläger am späten Vormittag des 4.3.2016 beim Umsetzen seiner Skier, die verkanteten. Er stürzte und rutschte daraufhin einen Hang hinunter. In der Folge zog sich der Kläger eine Oberschenkelfraktur rechts zu. Der Kläger befand sich auf einer Skifahrt in der Zeit vom 29.2. bis 7.3.2016 in Aspen, Colorado, USA. Es handelte sich dabei um eine Betriebsveranstaltung zu Werbezwecken für Kunden mit der Möglichkeit und Aufgabe für den Kläger, die Kundenbindung zu stärken. In dem Einladungsflyer an die Kunden wurden sechs Tage Skifahren in Aspen Mountain, Aspen Highlands, Buttermilk und Snowmass angepriesen. Es würden täglich Orientierungsskikurse mit Kennern der Gegend angeboten. Es fuhren neben dem Kläger ein weiterer Mitarbeiter der D. GmbH, ein Mitarbeiter der E. F-Stadt sowie vier Kunden von Dachdeckerfirmen mit. Die Beklagte gewährte zunächst Zahlungen. Sie fragte im Laufe des Verwaltungsverfahrens dann bei dem Kläger diverse Angaben zu der Tätigkeit vor Ort ab, die der Kläger auch allesamt im Schreiben vom 24.7.2017 beantwortete. Durch Bescheid vom 11.8.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12.9.2017 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2017 zurückwies.

Der Kläger ist unter Vorlage einer Zielvereinbarung für das Jahr 2016 der Ansicht, er habe einen Arbeitsunfall erlitten. Er sei von den vier mitreisenden Kunden ausdrücklich gebeten worden, diese zu der Tour auf der Piste "The Bowl" zu begleiten. Dort sei über geschäftliche Dinge gesprochen worden.

Der Kläger beantragt ausdrücklich,
den Bescheid der Beklagten vom 11.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Schadensereignis vom 4.3.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es liege keine versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt vor, weshalb ein Arbeitsunfall verneint werden müsse.

Das Gericht hat einen Hinweis erteilt. Das Gericht hat sodann die Beteiligten zum Gerichtsbescheid angehört. Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte, die der Kammer im Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen, inhaltlich verwiesen und Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten wurden vorher gehört, § 105 Abs. 1 S. 2 SGG. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen demzufolge den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend hat die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 4.3.2016 als Arbeitsunfall abgelehnt. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), § 8 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII. Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist, dass die Verrichtung des Verletzten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, dass diese versicherte Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht hat (BSG vom 4.12.2014, B 2 U 13/13 R, Rn. 11; vom 15.5.2012, B 2 U 16/11 R, Rn. 10; vom 26.6.2014, B 2 U 4/13 R, Rn. 11). Die den Versicherungsschutz begründende Verrichtung, die dadurch verursachte Einwirkung und der dadurch bedingte Gesundheitserstschaden müssen in Überzeugungskraft des Vollbeweises feststehen (BSG vom 24.7.2012, B 2 U 9/11 R, Rn. 28; Hessisches LSG vom 2.2.2016, L 3 U 108/15, Rn. 27; vom 12.6.2017, L 9 U 66/16; Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 5. Aufl., § 8, Rn. 14 ff.). Der Vollbeweis meint eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, die dann erbracht ist, wenn kein vernünftiger Mensch noch Zweifel am Vorliegen der zu beweisenden Tatsache hat (BSG vom 23.4.2015, B 2 U 10/14 R, Rn. 11; Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 5. Aufl., § 8, Rn. 20).

Um den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung begründen zu können, ist folglich das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit notwendig. Daran fehlt es nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall. Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang), ist wertend zu entscheiden, indem untersucht wird, ob sie – noch - innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht. Maßgebend ist dabei, ob der Beschäftigte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Handlung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG vom 10.10.2006, B 2 U 20/50 R, Rn. 14; Hessisches LSG vom 12.6.2017, L 9 U 66/16; vom 20.7.2015, L 9 U 69/14). Im vorliegenden Fall ist nach Auffassung der Kammer bereits nach dem klägerischen Vortrag erwiesen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen ist.

Zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten als GmbH-Geschäftsführer gehört das Skifahren nicht. Zudem gehört es in der vorliegenden Konstellation nicht zu den Tätigkeiten, die den betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen bestimmt ist. Denn nach eigener Auskunft und insoweit konstantem Vortrag des Klägers sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren ereignete sich unstreitig der Unfall bei der Tätigkeit Skifahren, nämlich präzise beim Umsetzen seiner Skier, die verkanteten. Das Umsetzen von Skiern stellt nach Auffassung der Kammer keine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Handlung und damit auch keine versicherte Tätigkeit dar. Die konkrete Verrichtung müsste von der Verfolgung betriebsbezogener Zwecke geprägt sein, um ihre Bestimmung, betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen, bejahen zu können (Hessisches LSG vom 20.7.2015, L 9 U 69/14). Das ist vorliegend nach dem Vortrag des Klägers nicht der Fall. Dass es vor dem Unfall zu geschäftlichen Gesprächen gekommen sein mag, ändert daran nichts. Gemeinsame private Betätigungen der Teilnehmer einer Dienstreise begründen keinen Unfallversicherungsschutz, selbst wenn dabei auch über dienstliche Themen gesprochen wird (Keller, in Hauck, SGB VII, K § 8, Rn. 80 m.w.N.). Insofern ist es vorliegend unerheblich, ob während des Aufstiegs zu der Skipiste "The Bowl", bevor es zu dem Sturz kam, noch über geschäftliche Dinge gesprochen wurde.

Wie der Kläger weiter selbst ausführt, ist am Morgen des Unfalltages eine lose Gruppe von etwa vier bis fünf Teilnehmern, die allesamt selbst verantwortlich für diese Unternehmung waren, in der Skipiste "The Bowl" aufgestiegen, um anschließend die geplante Abfahrt anzutreten. Es ist möglich, dass im Rahmen dieses Aufstiegs auch über Geschäftsbeziehungen gesprochen worden ist. Allein im Zeitpunkt des Unfalls war das nicht (mehr) der Fall. Insofern ist unerheblich, ob davor oder danach geschäftliche Beziehungen durch Gespräche oder gemeinsame Erlebnisse verstärkt oder geknüpft worden sind. Im Unfallzeitpunkt jedenfalls war das unstreitig nicht der Fall. Wie der Kläger auch selbst einräumt, liegt es in der Natur des Skifahrens, dass nicht sämtliche Teilnehmer einer Abfahrt die gesamte Zeit nebeneinander sind. Demzufolge können diese sich auch nicht geschäftlich austauschen, da keine Unterhaltung möglich ist.

Würde der klägerischen Rechtsansicht gefolgt, müsste die hier streitgegenständliche Reise insgesamt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Denn diese Reise hatte nur einen Inhalt, nämlich Kundenbindung durch gemeinsames Skifahren. Ein Programm im engeren Sinne gab es nicht. Ausweislich des vorliegenden Flyers ging es ausschließlich darum, sechs Tage lang die Skigebiete Aspen Mountain, Aspen Highlands, Buttermilk und Snowmass unter freiwilliger Zuhilfenahme ortskundiger Skiführer zu erkunden. Ein weiteres Programm außer Frühstück gab es ausweislich des Flyers und auch des klägerischen Vortrages nicht. Insofern handelt es sich tatsächlich um eine reine Skireise. Hier ist bereits zweifelhaft, ob noch von einer Dienst- oder Geschäftsreise gesprochen werden kann. Jedenfalls erschließt sich der Kammer nicht, diese insgesamt unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen. Das Gesetz gibt das auch so nicht her. Der Freizeitgedanke dieser Reise steht deutlich im Vordergrund im Vergleich zu anderen Dienst- oder Geschäftsreisen, bei denen sich immerhin auch Punkte auf einem Programm befinden, wo der dienstliche Bezug durch Besprechungen o. ä. deutlich wird. Daran fehlt es hier vollständig. Es kann nicht der Unternehmer bestimmen, ob eine Reise insgesamt unter Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt wird, da das Gesetz diese Regelung nicht vorsieht (vgl. Hessisches LSG vom 20.7.2015, L 9 U 69/14).

Insofern war nach Auffassung der Kammer die Vernehmung der vier benannten Zeugen entbehrlich. Die Kammer zweifelt nicht daran, dass es im Rahmen dieser Reise zu Kundenbindungen gekommen ist, sei es durch gemeinsame Erlebnisse oder auch durch versicherte Tätigkeiten im Rahmen von denkbaren Geschäftsgesprächen beim Frühstück oder auch beim Abendessen. Das ist insofern unerheblich, als dass Anknüpfungspunkt für die versicherte Tätigkeit nach dem oben Aufgeführten allein die Tätigkeit ist, die im Unfallzeitpunkt verrichtet wird. Nur auf diese kommt es an. Da das unstreitig das Umsetzen der Skier war, kann allein deshalb keine versicherte Tätigkeit angenommen werden. Es kommt mithin nicht auf die Aussage der Zeugen an.

Lediglich die Tatsache, sich insgesamt auf einer dienstlich veranlassten Reise zu befinden, reicht ebenfalls nicht aus, um Versicherungsschutz bejahen zu können. Auch sind versicherte Tätigkeiten auf einer Dienstreise nur solche, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Zweck der Dienstreise stehen; deshalb sind rein private Tätigkeiten unversichert (Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 5. Aufl., § 8, Rn. 95 f.). Denn einen lückenlosen Versicherungsschutz auf Dienst- und Geschäftsreisen gibt es nicht (BSG vom 4.6.2002, B 2 U 21/01 R, Rn. 15). Es kommt vielmehr auch hier darauf an, ob die Betätigung, bei der der Unfall eintritt, eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit am auswärtigen Dienstort aufweist, welche die Annahme eines inneren Zusammenhangs rechtfertigt, denn auch auf Geschäftsreisen entfällt der Versicherungsschutz, wenn der Reisende sich rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (BSG vom 18.3.2008, B 2 U 13/07 R, Rn. 12). So liegt es hier.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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