Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 27 AS 2883/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 710/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. September 2015 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2013 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) wendet sich gegen einen die Eingliederungsvereinbarung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ersetzenden Verwaltungsakt (im Folgenden: EGVA).
Der 1971 in W. geborene ledige Kläger ist vom Beruf Werkzeugmacher (sowie Vorrichter, Schweißer und CNF-Fachkraft). Er bezog ab Januar 2005 SGB II-Leistungen in Höhe der Regelleistung zuzüglich der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Zwischen 2007 und 2011 stand der Kläger mehrfach in Beschäftigungsverhältnissen (als Maschinenführer, Arbeiter, und Betriebshandwerker). Nach einer erneuten Arbeitsaufnahme im Juli 2011 erkrankte er länger, bezog Krankengeld und absolvierte im Januar 2012 eine Reha-Maßnahme des Rentenversicherungsträgers. Seit Juni 2007 schloss der Beklagte regelmäßig mit dem Kläger Eingliederungsvereinbarungen ab. Erstmalig im März 2010 kam eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, weil der Kläger sich weigerte, den vom Beklagten vorgeschlagenen Vertragsentwurf zu unterschreiben. Daraufhin erließ der Beklagte am 12. April 2010 eine EGVA. Eine weitere EGVA folgte ab Juli 2012, abgelöst durch eine EGVA vom 6. November 2012.
Im Februar 2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, seine Anschrift habe sich "laut Namensänderung und Identitätsänderung" wie folgt geändert: U. R., FH zu ..., L. Straße ..., 0 ... Z., bzw. abgekürzt "FH z ...". Seither schickte er Briefsendungen des Beklagten mit Angabe der bisherigen Personalien im Adressfenster, die er als unzutreffend adressiert ansah, an diesen zurück, indem der die Briefumschläge mit der handschriftlichen Aufschrift "Adresse unbekannt" und "neue Adresse: U. R. FH. z ..., Freistaat ..., 0 ... Z. L. Straße ..." versah und in Briefkästen der Post einwarf. In der Jahresmeldebescheinigung zur Sozialversicherung ersetzte der Kläger die vorgedruckte Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Deutschland durch "Freistaat ..." und fügte handschriftlich im unteren Seitenbereich ein: "seit 14.11.2012 verfassungsgemäß Freibürger oder auch FH z ..., einen Staat "Bundesrepublik Deutschland" gibt es nicht, da es an einer Verfassung mangelt!! – BRD GmbH + GG".
Bei der Vorsprache des Klägers am 8. Juli 2013 kam es wieder nicht zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Am selben Tag erließ der Beklagte einen Bescheid über die Festlegung der Eingliederungsaktivitäten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II und händigte diesen dem Kläger sogleich aus. Da sich der Kläger geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, werde eine EGVA erlassen. Die enthaltenen Festlegungen würden vom 8. Juli 2013 bis zum 7. Januar 2014 gelten. Der Beklagte werde dem Kläger Vermittlungsvorschläge unterbreiten, soweit geeignete Stellenangebote vorlägen. Zudem werde er ihn bei der beruflichen Eingliederung und zum Arbeitsmarkt beraten. Der Kläger werde verpflichtet, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten, und an allen vereinbarten Maßnahmen zur Eingliederung aktiv mitzuwirken. Konkret bedeute dies, dass er eine zumutbare Beschäftigung zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit aufnehmen werde, sobald sich die Möglichkeit dazu biete. Er werde sich auf vorgelegte Stellenangebote innerhalb von drei Arbeitstagen selbstständig bewerben und innerhalb von vier Wochen über das Ergebnis berichten. Er werde mindestens zu einem Arbeitgeber monatlich Kontakt aufnehmen, bzw. sich bewerben. Dies gelte für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, auch für befristete oder für Beschäftigungen, die von Zeitarbeitsfirmen angeboten würden. Er werde seine Bewerbungsbemühungen mit Hilfe des Vordrucks "Nachweis der Eigenbemühungen" belegen. Bis zum nächsten Termin am 2. Oktober 2013 habe er beim Beklagten den Bescheid des Rentenversicherungsträgers über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einen aktuellen Nachweis der entsprechenden Antragstellung auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorzulegen. Der Beklagte sichere zu, dass sich der Kläger darauf berufen könne, die in dem Bescheid festgelegten Rechte einzufordern. Geldleistungen (z.B. Bewerbungs- und Vorstellungskosten, Mobilitätshilfen etc.) seien zeitnah zu bescheiden und auszuzahlen.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2013 senkte der Beklagte die SGB II-Leistungen gemäß § 31a SGB II für die Monate August bis Oktober 2013 um 30 % des Regelbedarfs ab, da der Kläger seiner Verpflichtung aus der EGVA vom 6. November 2012, sich mindestens einmal monatlich zu bewerben, nicht nachgekommen sei (erster Pflichtverstoß gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013, der am Folgetag zur Post gegeben wurde, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die EGVA zurück. Die Briefsendung ging mit den bekannten Vermerken des Klägers am 5. August 2013 wieder beim Beklagten ein.
Am 6. September 2013 sprach der Kläger beim Beklagten vor und stellte einen Weiterbewilligungsantrag. Daraufhin bewilligte der Beklagte für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014 monatliche Leistungen in Höhe von 650,11 EUR (Regelbedarf 382,00 EUR, Mehrbedarf Warmwasserbereitung 8,79 EUR, KdUH 259,32 EUR) und händigte den Bescheid dem Kläger sofort aus.
Bei einer Vorsprache des Klägers am 6. November 2013 händigte der Beklagte ihm ein Anhörungsschreiben sowie den Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 (zur EGVA vom 8. Juli 2013) aus, nachdem dieser erklärt hatte, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Mit Bescheid vom 6. November 2013 senkte der Beklagte die Leistungen für die Monate Dezember 2013 bis Februar 2014 um 10 % des Regelbedarfs wegen eines Meldeverstoßes am 2. Oktober 2013 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2013 zurück.
Mit Bescheid vom 18. November 2013 senkte der Beklagte die Leistungen des Klägers um 60 % in der Zeit von Dezember 2013 bis Februar 2014 des Regelbedarfs ab (§ 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II), da der Kläger die mit der EGVA vom 8. Juli 2013 geforderten Bewerbungen nicht belegt habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2013 zurück.
Am 2. Dezember 2013 hat der Kläger bei der Rechtsantragstelle zwei Klagen erhoben: Im Klageverfahren S ... (L ...) ging es um die Sanktionen für den Zeitraum von Dezember 2013 bis Februar 2014. Die zweite Klage betrifft die hier gegenständliche EGVA vom 8. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2013 (S 27 AS 2883/13, jetzt L 4 AS 710/15). Zur Begründung dieser Klage hat er ausgeführt, die EGVA sei ein einseitig geschlossener Zwangsvertrag, der seine Grundrechte beschneide.
Nach einer Ladung von fünf anhängigen Klagen des Klägers zum Erörterungstermin des SG am 12. August 2015 hat der Kläger mit am 7. August 2015 beim SG eingegangenem Schreiben eine "Namens-Änderung und Adress-Änderung" angezeigt. Er sei nur noch unter seiner neuen Adresse mit der anerkannten Namensänderung erreichbar. Die Personalien (U. R. FH zu ..., c/o FH zu ..., L. Straße ..., Z./ ..., 0 ...) würden seit dem 16. Juli 2015 gelten. Im Termin hat er bemängelt, die Ladung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Er hat einen am 16. Juli 2015 ausgestellten und ein Jahr gültigen vorläufigen Reisepass der Stadt Z. vorgelegt – mit dem Eintrag des Ordens- oder Künstlernamens "FH zu ...". Weiter hat er eine Meldebestätigung vom 16. Juli 2015 vorgelegt, in der ebenfalls als Künstlername "FH zu ..." vermerkt ist. Daraufhin hat das SG den Erörterungstermin geschlossen und Termin zur mündlichen Verhandlung am 23. September 2015 bestimmt.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 25. September 2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Inhalt der EGVA begegne keine rechtlichen Bedenken. Aufgrund des Zeitablaufs – die EGVA sei vom 8. Juli 2013 bis zum 7. Januar 2014 gültig gewesen – sei richtige Klageart die Fortsetzungsfeststellungsklage. Es komme eine Wiederholungsgefahr zur Begründung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses in Betracht. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die EGVA rechtmäßig sei. Die auferlegte Verpflichtung, sich mindestens einmal monatlich um ein Beschäftigungsverhältnis zu bewerben, sei angemessen und dem Kläger zumutbar.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 20. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, eine EGVA sei ein Zwangsvertrag, dessen Inhalte der Willkür und Befehlsfolter unterliege. Den Mitarbeitern des Beklagten sei ein inhaltlicher Entscheidungsspielraum eingeräumt, den sie mit der Macht der Ohnmächtigen ohne Menschenkenntnis oder sozialpädagogische Qualifikation missbrauchten.
Auf die Nachfrage der Berichterstatterin zum konkreten Rechtsschutzziel hat der Kläger im Mai 2016 ausgeführt, alle Sanktionen seien "schadvoll", menschenunwürdig und zeugten von Machtmissbrauch. Die zugrundeliegende EGVA sei rechtsfehlerhaft und müsse beseitigt werden. Dazu gehöre auch ein Ausgleich der entstandenen Unkosten und eine Amnestie. Zudem gehe es ihm darum, in der Zukunft den Erlass von EGVA und Sanktionen zu verhindern. Dazu hat der Beklagte ausgeführt, die angegriffene EGVA habe sich nach Ablauf ihrer Geltungsdauer erledigt. Der Kläger habe kein Fortsetzungsfeststellunginteresse.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass es der streitigen EGVA voraussichtlich an dem nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Februar 2013, Az.: B 14 AS 195/11 R, juris RN 16,18-19; Urteil vom 23. Juni 2016, Az.: B 14 AS 42/15 R, juris RN 13 ff.) erforderlichen vertragsähnlichen Inhalt mit einem ausgewogenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung mangele. Die angegriffenen EGVA enthalte – bis auf die Übersendung von Vermittlungsvorschlägen – keine Eingliederungszusagen des Beklagten. Der Beklagte werde um Mitteilung gebeten, ob er bereit sei, die angegriffene EGVA aufzuheben, bzw. festzustellen, dass diese rechtswidrig gewesen sei.
Dazu hat der Beklagte erklärt, der Kläger habe kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr mehr, da die gesetzlichen Regelungen des § 15 SGB II und zur EGVA zum 1. August 2016 geändert worden seien, sodass eine inhaltsgleiche EGVA nicht mehr erlassen werden könne. So seien insbesondere die Voraussetzungen und der zeitliche Umfang der Eingliederungsvereinbarung geändert worden. Zudem sei nunmehr zwingend vor Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung eine Potenzialanalyse durchzuführen.
Im Erörterungstermin am 27. Februar 2020 hat die Berichterstatterin erneut auf die inhaltlichen Bedenken verwiesen sowie darauf, dass sich die angegriffene EGVA nicht durch Zeitablauf erledigt habe, weil sie als Rechtsgrundlage für die vom Beklagten verhängte Sanktion mit einer Absenkung des Regelbedarfs um 60 % (Gegenstand des Verfahrens L ...) diene. Richtige Klageart sei weiterhin die Anfechtungsklage.
Mit Bescheid vom 31. März 2020 hat der Beklagte den EGVA vom 8. Juli 2013 mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zurückgenommen. Zur Begründung hat er im Bescheid ausgeführt, nach den Hinweisen des Senats sei eine Prüfung des Bescheids nach den Maßgaben des BSG erfolgt. Bei dem angegriffenen Bescheid stünden die Leistungen des Leistungsberechtigten und die Gegenleistungen des Leistungsträgers nicht in einem angemessenen, ausgewogenen Verhältnis. Der Bescheid sei rechtswidrig und daher aufzuheben gewesen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich geäußert, nach seiner Auffassung sei aufgrund seines Anerkenntnisses und der Bereitschaft, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen, der Rechtsstreit beendet.
Dazu hat der Kläger erklärt, auch wenn der Beklagte nunmehr im Jahr 2020 erkannt habe, dass der Bescheid aus dem Jahr 2013 falsch gewesen sei, stehe noch eine gerichtliche Klärung, Urteilsspruch und Unkostenentschädigung für die Falsch-Sanktionierungen aus. Der Beklagte versuche, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Er sei immer noch nicht verurteilt wegen verbotener körperlicher und seelischer Gewalt. Er erwarte daher weiterhin eine Richtigstellung durch eine gerichtliche Urteilsverkündung. Mit einer Klärung ohne Urteil sei er nicht einverstanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. September 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2013 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht die Beschwerdewertgrenze des §§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG entgegen, denn diese greift nicht im Streit um eine Eingliederungsvereinbarung. Denn diese ist nicht im Sinne des §§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf eine betragsmäßig konkret berechenbare Geldleistung gerichtet, sondern konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigten und Leistungsträger mit wechselseitigen Rechten und Pflichten und dem Ziel der Eingliederung in Arbeit, ohne bloße Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2019, Az.: B 14 AS 28/18 R, juris RN 10).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach Rücknahme der angegriffenen EGVA mit Bescheid des Beklagten vom 31. März 2020 das sinngemäß geäußerte Begehren des Klägers, die Rechtswidrigkeit dieses Bescheids in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 erhalten hat, feststellen zu lassen. Dieses Interesse verfolgt der Kläger zulässig mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, Az.: B 14 AS 195/11 R, juris RN 16; zuletzt BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, Az.: B 14 AS 42/15 R, juris RN 9). Danach kann mit der Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität und der Wiederholungsgefahr bestehen. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht. Eine Wiederholungsgefahr ist vorliegend zu bejahen, denn der Verlauf des Verfahrens zeigt, dass der Beklagte wiederholt – auch zeitlich nach dem hier streitigen Bescheid – versucht hat, Eingliederungsvereinbarungen mit dem Kläger abzuschließen, bzw. auch EGVA erlassen hat. Da sich der Kläger unverändert im Leistungsbezug nach dem SGB II befindet, besteht daher eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass auch zukünftig Eingliederungsvereinbarungen zu erwarten sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Wiederholungsgefahr auch nicht dadurch entfallen, dass durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – zum 1. August 2016 die Regelungen des §§ 15 SGB II zur Eingliederungsvereinbarung geändert wurden. Dem vom Beklagten als Beleg für seine Auffassung in der mündlichen Verhandlung des Senats zitierten Beschluss des BSG vom 11. November 2019 (Az.: B 14 AS 42/19 BH, juris RN 3) lässt sich nicht entnehmen, dass generell ein Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr bei Eingliederungsvereinbarungen wegen der geänderten Rechtslage nicht mehr bestehen kann.
Denn neben redaktionellen Änderungen (Verschiebung von Absätzen) hat der Gesetzgeber mit den Neuregelungen die individuell festgestellten Kompetenzen der Leistungsberechtigten betont. Insgesamt ist jedoch der gesetzliche Rahmen, was die zu vereinbarenden Rechte und Pflichten angeht, nicht geändert worden. Mithin könnte aktuell eine im Wesentlichen – bis auf die Geltungsdauer – unveränderte Eingliederungsvereinbarung – auch mittels Verwaltungsakt – erlassen werden.
Leitbild des § 15 Abs. 2 und 3 SGB II in der derzeit geltenden Fassung ist – wie auch für § 15 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung – die Einigung des Jobcenters mit dem Leistungsberechtigten auf eine Eingliederungsvereinbarung, die das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung eines kontinuierlichen Eingliederungsprozesses und zur Festlegung gegenseitiger Rechte und Pflichten ist (vgl. zur aktuellen Fassung: BSG, Urteil vom 21. März 2019, Az.: B 14 AS 28/18 R, juris RN 13 f.; zur vorangegangenen Fassung: BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, Az.: B 14 AS 42/15 R, juris RN 12 ff.). Dabei hat den für eine Eingliederungsvereinbarung als öffentlichrechtlichem Vertrag geltenden rechtlichen Anforderungen grundsätzlich auch die EGVA zu entsprechen.
Diesen Anforderungen genügt der hier angegriffene, zwischenzeitlich vom Beklagten zurückgenommene EGVA vom 8. Juli 2013 nicht.
Rechtsgrundlage der angegriffenen EGVA ist § 15 Abs. 1 Satz 6 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II (hier in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13. Mai 2011, BGBl. I S. 850). Danach soll der SGB II-Leistungsträger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Diese soll insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind, sowie 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu beantragen haben (Satz 1 und 2). Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen (Satz 6).
Hiernach war, nachdem der Kläger angekündigt hatte, keine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, Raum für den Erlass einer ersetzenden EGVA – wie dies im Leistungsverhältnis des Klägers bereits mehrfach praktiziert worden war. Dabei sind an die ersetzenden Regelungen im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens des Leistungsträgers dieselben Maßstäbe anzulegen, wie sie für eine konsensuale Eingliederungsvereinbarung gelten. Zu den Anforderungen hat das BSG im Urteil vom 23. Juni 2016 (a.a.O., RN 13 - 15) folgendes ausgeführt:
"Ob und mit welchen Inhalten eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II ("sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen") nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Entsprechend § 39 Abs 1 SGB I ist daher die Ersetzungsentscheidung an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EinglVb verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EinglVb zu wahren sind. Auch die Regelungen eines Eingliederungsverwaltungsakts müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB II abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EinglVb resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag (so Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - RdNr 16) unterliegt der Abschluss einer EinglVb den Anforderungen des § 55 Abs 1 Satz 2 SGB X (dazu näher ebenda RdNr 16). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" (§ 15 Abs 1 Satz 6 SGB II) durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und ggf die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine iS der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, gegenübersteht.
Nichts anderes folgt aus dem bei der Ersetzungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Sinn und Zweck von § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II selbst. Wie die Materialien und die Verankerung der Verpflichtung zum Abschluss einer EinglVb bereits in die zentrale Bestimmung des § 2 Abs 1 Satz 2 SGB II zur Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten erweisen, misst der Gesetzgeber der wechselbezüglichen Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten im Rahmen von EinglVben entgegen verbreiteter Skepsis (vgl etwa Ebsen in von Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, S 725, 736 ff; von Koppenfels-Spies, NZS 2011, 1, 5 ff) eine herausgehobene Bedeutung für die Eingliederung in Arbeit zu (vgl BT-Drucks 15/1516 S 43). Getragen von der Erwartung, dass bei personalintensiverer Betreuung und individuellen Eingliederungskonzepten insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit besser abgebaut werden könne, soll das einem Fallmanagement dienen, das unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten aufbauend auf einer Erhebung seiner konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" planen und steuern soll (vgl BT-Drucks 15/1516 S 44). Demgemäß soll die EinglVb in Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und AA (vgl BT-Drucks 15/1516 S 54) sicherstellen, dass einerseits die AA Angebote unterbreitet, die den individuellen Bedürfnissen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen, und zugleich soll mit jedem Leistungsberechtigten vereinbart werden, welche Anstrengungen von ihm selbst im Rahmen des Eingliederungsprozesses erwartet werden (vgl BT-Drucks 15/1516 S 46). Diesem Zweck würde es nicht genügen, würde das Jobcenter nicht auch bei Ersetzungsentscheidungen nach § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II eine der individuellen Bedarfslage des erwerbsfähigen Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vornehmen.
c) Nur so versteht sich in systematischer Hinsicht auch, dass mit dem Eingliederungsverwaltungsakt gemäß § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II "die" Regelungen nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB II zu ersetzen und im Unterschied zur Arbeitsförderung nicht nur die Eigenbemühungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu konkretisieren sind. Soweit dort das Instrumentarium der EinglVb (zunächst § 35 Abs 4 SGB III idF des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001, BGBl I 3443; seit 1.1.2009: § 37 Abs 2 SGB III idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917) zwischenzeitlich in § 37 Abs 3 Satz 4 SGB III ebenfalls um eine Regelung zur Ersetzung durch Verwaltungsakt ergänzt worden ist, beschränkt sie sich ausschließlich auf die Festsetzung der "erforderlichen Eigenbemühungen" iS von § 37 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III. Ob die Arbeitsagentur darüber hinaus in dem die EinglVb ersetzenden Verwaltungsakt auch Leistungen der aktiven Arbeitsförderung gewährt, ist hingegen in ihr Ermessen gestellt (vgl Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 37 SGB III RdNr 28, Stand der Einzelkommentierung Juli 2013). Diese unterschiedliche Ausgestaltung erweist ebenfalls, dass sich die Eingliederungsverwaltungsakte nach dem SGB II auch in Bezug auf das Sanktionsregime der §§ 31a, 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II nicht auf die Bestimmung der von den Leistungsberechtigten erwarteten Eigenbemühungen beschränken dürfen (zu den Motiven für die Einführung des Eingliederungsverwaltungsakts in das SGB III durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vgl dagegen BT-Drucks 16/10810 S 30), sondern dass sie zur Meidung eines Formenmissbrauchs jeweils ebenso situationsangepasste Eingliederungszusagen vorzusehen haben."
Daran gemessen ist die streitige EGVA rechtswidrig gewesen. Dies betrifft nicht vorrangig die dem Kläger auferlegte Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen, die nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden ist, sondern vorrangig die damit verknüpften Gegenleistungen des Beklagten, seine Eingliederungszusagen. Die einzigen Verpflichtungen, die der Beklagte übernommen hat, ist die Übermittlung von Vermittlungsvorschlägen, soweit ihm geeignete Stellenangebote vorliegen, sowie die Beratung. Angaben zu Eingliederungsleistungen wie Mobilitäts-, Bewerbungs- und Weiterbildungskosten werden nicht gemacht. Gründe hierfür sind im angegriffenen Bescheid nicht dargelegt worden.
Das BSG erachtet es in seinem Urteil vom 23. Juni 2016 (a.a.O.; RN 21 f.) als unzureichend, wenn eine EGVA über die Zusage, bei geeigneten Angeboten Vermittlungsvorschlag zu unterbreiten, hinaus keine konkreten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne der angestrebten "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" bezeichnet, ohne dass dies von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen wäre. Dazu hat es weiter ausgeführt:
"Zwar mag es dafür im Einzelfall Gründe geben. Soll auf Eingliederungsangebote nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, verzichtet werden, setzt das jedoch gemäß § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II ("sollen" die Regelungen von Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen) die Ausübung pflichtgemäßem Ermessens voraus (§ 39 Abs 1 SGB I), wofür mangels jeder Begründung der angefochtenen Entscheidungen (§ 35 Abs 1 Satz 3 SGB X) hier nichts erkennbar ist. Damit erschöpften sich die streitbefangenen Entscheidungen von der Bezeichnung ohnehin bestehender gesetzlicher Ansprüche abgesehen in der Konkretisierung von Eigenbemühungen des Klägers, womit sie im Ergebnis auf eine Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen reduziert worden sind; das entspricht der gesetzlichen Konzeption nicht (vgl ebenso etwa LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 22.1.2007 - L 13 AS 4160/06 ER-B - RdNr 6; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 12.1.2012 - L 7 AS 242/10 B - RdNr 11; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.7.2015 - L 9 AS 609/15 - RdNr 25)."
Dieser Schluss ist auch im vorliegenden Fall zutreffend. Er bestätigt die Einschätzung des Klägers. Der ersichtliche Ermessensausfall begründete die Rechtswidrigkeit der streitbefangenen EGVA insgesamt. Es ist nicht ersichtlich, dass die angegriffene EGVA – in Auseinandersetzung mit den bestehenden Vermittlungshemmnissen u.a. gesundheitlicher Art – inhaltlich auf die konkrete Situation des Klägers zugeschnitten wäre. Die gesetzlich beabsichtigte Förderung oder ein dem Bescheid zugrundeliegendes Eingliederungskonzept ist nicht erkennbar.
Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Kläger auch ohne entsprechende Regelung in der EGVA weitergehende Eingliederungsleistungen vom Beklagten hätte beanspruchen können. Denn nach dem Konzept des §§ 15 SGB II mit der Wechselbezüglichkeit konkret zu fassender Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auf der einen und konkret zu bestimmenden Anforderungen an die Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten auf der anderen Seite ist eine auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützte Ersetzung nach dem Rechtsgedanken des §§ 58 Abs. 3 SGB X aber insgesamt zu Lasten des Regelungsadressaten rechtswidrig, wenn sie sich allein auf die Vorgabe ihn verpflichtender Maßgaben beschränkt.
Bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ist bei Teilnichtigkeit der ganze Vertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass dieser auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O., RN 22) auch für eine EGVA, die eine Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag ersetzt, weil es nach der gesetzlichen Konzeption ausgeschlossen ist, dass sich der Leistungsträger im Rahmen einer Ersetzungsentscheidung – von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, die darzulegen sind – regelhaft auf die Bestimmung ausschließlich von Pflichten des Leistungsberechtigten beschränken darf. Sind keine Gründe dargelegt, die ermessensfehlerfrei ausnahmsweise das Absehen von situationsangepassten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit tragen, ist die EGVA, die allein auf die sanktionsbewehrte Kontrolle der eigenen Aktivitäten des Leistungsberechtigten beschränkt ist, insgesamt rechtswidrig.
Dies war auf die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers nach Erledigung der EGVA aufgrund der Rücknahme durch den Beklagten auszusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) wendet sich gegen einen die Eingliederungsvereinbarung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ersetzenden Verwaltungsakt (im Folgenden: EGVA).
Der 1971 in W. geborene ledige Kläger ist vom Beruf Werkzeugmacher (sowie Vorrichter, Schweißer und CNF-Fachkraft). Er bezog ab Januar 2005 SGB II-Leistungen in Höhe der Regelleistung zuzüglich der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Zwischen 2007 und 2011 stand der Kläger mehrfach in Beschäftigungsverhältnissen (als Maschinenführer, Arbeiter, und Betriebshandwerker). Nach einer erneuten Arbeitsaufnahme im Juli 2011 erkrankte er länger, bezog Krankengeld und absolvierte im Januar 2012 eine Reha-Maßnahme des Rentenversicherungsträgers. Seit Juni 2007 schloss der Beklagte regelmäßig mit dem Kläger Eingliederungsvereinbarungen ab. Erstmalig im März 2010 kam eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, weil der Kläger sich weigerte, den vom Beklagten vorgeschlagenen Vertragsentwurf zu unterschreiben. Daraufhin erließ der Beklagte am 12. April 2010 eine EGVA. Eine weitere EGVA folgte ab Juli 2012, abgelöst durch eine EGVA vom 6. November 2012.
Im Februar 2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, seine Anschrift habe sich "laut Namensänderung und Identitätsänderung" wie folgt geändert: U. R., FH zu ..., L. Straße ..., 0 ... Z., bzw. abgekürzt "FH z ...". Seither schickte er Briefsendungen des Beklagten mit Angabe der bisherigen Personalien im Adressfenster, die er als unzutreffend adressiert ansah, an diesen zurück, indem der die Briefumschläge mit der handschriftlichen Aufschrift "Adresse unbekannt" und "neue Adresse: U. R. FH. z ..., Freistaat ..., 0 ... Z. L. Straße ..." versah und in Briefkästen der Post einwarf. In der Jahresmeldebescheinigung zur Sozialversicherung ersetzte der Kläger die vorgedruckte Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Deutschland durch "Freistaat ..." und fügte handschriftlich im unteren Seitenbereich ein: "seit 14.11.2012 verfassungsgemäß Freibürger oder auch FH z ..., einen Staat "Bundesrepublik Deutschland" gibt es nicht, da es an einer Verfassung mangelt!! – BRD GmbH + GG".
Bei der Vorsprache des Klägers am 8. Juli 2013 kam es wieder nicht zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Am selben Tag erließ der Beklagte einen Bescheid über die Festlegung der Eingliederungsaktivitäten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II und händigte diesen dem Kläger sogleich aus. Da sich der Kläger geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, werde eine EGVA erlassen. Die enthaltenen Festlegungen würden vom 8. Juli 2013 bis zum 7. Januar 2014 gelten. Der Beklagte werde dem Kläger Vermittlungsvorschläge unterbreiten, soweit geeignete Stellenangebote vorlägen. Zudem werde er ihn bei der beruflichen Eingliederung und zum Arbeitsmarkt beraten. Der Kläger werde verpflichtet, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten, und an allen vereinbarten Maßnahmen zur Eingliederung aktiv mitzuwirken. Konkret bedeute dies, dass er eine zumutbare Beschäftigung zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit aufnehmen werde, sobald sich die Möglichkeit dazu biete. Er werde sich auf vorgelegte Stellenangebote innerhalb von drei Arbeitstagen selbstständig bewerben und innerhalb von vier Wochen über das Ergebnis berichten. Er werde mindestens zu einem Arbeitgeber monatlich Kontakt aufnehmen, bzw. sich bewerben. Dies gelte für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, auch für befristete oder für Beschäftigungen, die von Zeitarbeitsfirmen angeboten würden. Er werde seine Bewerbungsbemühungen mit Hilfe des Vordrucks "Nachweis der Eigenbemühungen" belegen. Bis zum nächsten Termin am 2. Oktober 2013 habe er beim Beklagten den Bescheid des Rentenversicherungsträgers über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einen aktuellen Nachweis der entsprechenden Antragstellung auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorzulegen. Der Beklagte sichere zu, dass sich der Kläger darauf berufen könne, die in dem Bescheid festgelegten Rechte einzufordern. Geldleistungen (z.B. Bewerbungs- und Vorstellungskosten, Mobilitätshilfen etc.) seien zeitnah zu bescheiden und auszuzahlen.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2013 senkte der Beklagte die SGB II-Leistungen gemäß § 31a SGB II für die Monate August bis Oktober 2013 um 30 % des Regelbedarfs ab, da der Kläger seiner Verpflichtung aus der EGVA vom 6. November 2012, sich mindestens einmal monatlich zu bewerben, nicht nachgekommen sei (erster Pflichtverstoß gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013, der am Folgetag zur Post gegeben wurde, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die EGVA zurück. Die Briefsendung ging mit den bekannten Vermerken des Klägers am 5. August 2013 wieder beim Beklagten ein.
Am 6. September 2013 sprach der Kläger beim Beklagten vor und stellte einen Weiterbewilligungsantrag. Daraufhin bewilligte der Beklagte für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014 monatliche Leistungen in Höhe von 650,11 EUR (Regelbedarf 382,00 EUR, Mehrbedarf Warmwasserbereitung 8,79 EUR, KdUH 259,32 EUR) und händigte den Bescheid dem Kläger sofort aus.
Bei einer Vorsprache des Klägers am 6. November 2013 händigte der Beklagte ihm ein Anhörungsschreiben sowie den Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 (zur EGVA vom 8. Juli 2013) aus, nachdem dieser erklärt hatte, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Mit Bescheid vom 6. November 2013 senkte der Beklagte die Leistungen für die Monate Dezember 2013 bis Februar 2014 um 10 % des Regelbedarfs wegen eines Meldeverstoßes am 2. Oktober 2013 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2013 zurück.
Mit Bescheid vom 18. November 2013 senkte der Beklagte die Leistungen des Klägers um 60 % in der Zeit von Dezember 2013 bis Februar 2014 des Regelbedarfs ab (§ 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II), da der Kläger die mit der EGVA vom 8. Juli 2013 geforderten Bewerbungen nicht belegt habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2013 zurück.
Am 2. Dezember 2013 hat der Kläger bei der Rechtsantragstelle zwei Klagen erhoben: Im Klageverfahren S ... (L ...) ging es um die Sanktionen für den Zeitraum von Dezember 2013 bis Februar 2014. Die zweite Klage betrifft die hier gegenständliche EGVA vom 8. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2013 (S 27 AS 2883/13, jetzt L 4 AS 710/15). Zur Begründung dieser Klage hat er ausgeführt, die EGVA sei ein einseitig geschlossener Zwangsvertrag, der seine Grundrechte beschneide.
Nach einer Ladung von fünf anhängigen Klagen des Klägers zum Erörterungstermin des SG am 12. August 2015 hat der Kläger mit am 7. August 2015 beim SG eingegangenem Schreiben eine "Namens-Änderung und Adress-Änderung" angezeigt. Er sei nur noch unter seiner neuen Adresse mit der anerkannten Namensänderung erreichbar. Die Personalien (U. R. FH zu ..., c/o FH zu ..., L. Straße ..., Z./ ..., 0 ...) würden seit dem 16. Juli 2015 gelten. Im Termin hat er bemängelt, die Ladung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Er hat einen am 16. Juli 2015 ausgestellten und ein Jahr gültigen vorläufigen Reisepass der Stadt Z. vorgelegt – mit dem Eintrag des Ordens- oder Künstlernamens "FH zu ...". Weiter hat er eine Meldebestätigung vom 16. Juli 2015 vorgelegt, in der ebenfalls als Künstlername "FH zu ..." vermerkt ist. Daraufhin hat das SG den Erörterungstermin geschlossen und Termin zur mündlichen Verhandlung am 23. September 2015 bestimmt.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 25. September 2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Inhalt der EGVA begegne keine rechtlichen Bedenken. Aufgrund des Zeitablaufs – die EGVA sei vom 8. Juli 2013 bis zum 7. Januar 2014 gültig gewesen – sei richtige Klageart die Fortsetzungsfeststellungsklage. Es komme eine Wiederholungsgefahr zur Begründung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses in Betracht. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die EGVA rechtmäßig sei. Die auferlegte Verpflichtung, sich mindestens einmal monatlich um ein Beschäftigungsverhältnis zu bewerben, sei angemessen und dem Kläger zumutbar.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 20. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, eine EGVA sei ein Zwangsvertrag, dessen Inhalte der Willkür und Befehlsfolter unterliege. Den Mitarbeitern des Beklagten sei ein inhaltlicher Entscheidungsspielraum eingeräumt, den sie mit der Macht der Ohnmächtigen ohne Menschenkenntnis oder sozialpädagogische Qualifikation missbrauchten.
Auf die Nachfrage der Berichterstatterin zum konkreten Rechtsschutzziel hat der Kläger im Mai 2016 ausgeführt, alle Sanktionen seien "schadvoll", menschenunwürdig und zeugten von Machtmissbrauch. Die zugrundeliegende EGVA sei rechtsfehlerhaft und müsse beseitigt werden. Dazu gehöre auch ein Ausgleich der entstandenen Unkosten und eine Amnestie. Zudem gehe es ihm darum, in der Zukunft den Erlass von EGVA und Sanktionen zu verhindern. Dazu hat der Beklagte ausgeführt, die angegriffene EGVA habe sich nach Ablauf ihrer Geltungsdauer erledigt. Der Kläger habe kein Fortsetzungsfeststellunginteresse.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass es der streitigen EGVA voraussichtlich an dem nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Februar 2013, Az.: B 14 AS 195/11 R, juris RN 16,18-19; Urteil vom 23. Juni 2016, Az.: B 14 AS 42/15 R, juris RN 13 ff.) erforderlichen vertragsähnlichen Inhalt mit einem ausgewogenen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung mangele. Die angegriffenen EGVA enthalte – bis auf die Übersendung von Vermittlungsvorschlägen – keine Eingliederungszusagen des Beklagten. Der Beklagte werde um Mitteilung gebeten, ob er bereit sei, die angegriffene EGVA aufzuheben, bzw. festzustellen, dass diese rechtswidrig gewesen sei.
Dazu hat der Beklagte erklärt, der Kläger habe kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr mehr, da die gesetzlichen Regelungen des § 15 SGB II und zur EGVA zum 1. August 2016 geändert worden seien, sodass eine inhaltsgleiche EGVA nicht mehr erlassen werden könne. So seien insbesondere die Voraussetzungen und der zeitliche Umfang der Eingliederungsvereinbarung geändert worden. Zudem sei nunmehr zwingend vor Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung eine Potenzialanalyse durchzuführen.
Im Erörterungstermin am 27. Februar 2020 hat die Berichterstatterin erneut auf die inhaltlichen Bedenken verwiesen sowie darauf, dass sich die angegriffene EGVA nicht durch Zeitablauf erledigt habe, weil sie als Rechtsgrundlage für die vom Beklagten verhängte Sanktion mit einer Absenkung des Regelbedarfs um 60 % (Gegenstand des Verfahrens L ...) diene. Richtige Klageart sei weiterhin die Anfechtungsklage.
Mit Bescheid vom 31. März 2020 hat der Beklagte den EGVA vom 8. Juli 2013 mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zurückgenommen. Zur Begründung hat er im Bescheid ausgeführt, nach den Hinweisen des Senats sei eine Prüfung des Bescheids nach den Maßgaben des BSG erfolgt. Bei dem angegriffenen Bescheid stünden die Leistungen des Leistungsberechtigten und die Gegenleistungen des Leistungsträgers nicht in einem angemessenen, ausgewogenen Verhältnis. Der Bescheid sei rechtswidrig und daher aufzuheben gewesen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich geäußert, nach seiner Auffassung sei aufgrund seines Anerkenntnisses und der Bereitschaft, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen, der Rechtsstreit beendet.
Dazu hat der Kläger erklärt, auch wenn der Beklagte nunmehr im Jahr 2020 erkannt habe, dass der Bescheid aus dem Jahr 2013 falsch gewesen sei, stehe noch eine gerichtliche Klärung, Urteilsspruch und Unkostenentschädigung für die Falsch-Sanktionierungen aus. Der Beklagte versuche, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Er sei immer noch nicht verurteilt wegen verbotener körperlicher und seelischer Gewalt. Er erwarte daher weiterhin eine Richtigstellung durch eine gerichtliche Urteilsverkündung. Mit einer Klärung ohne Urteil sei er nicht einverstanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. September 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2013 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht die Beschwerdewertgrenze des §§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG entgegen, denn diese greift nicht im Streit um eine Eingliederungsvereinbarung. Denn diese ist nicht im Sinne des §§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf eine betragsmäßig konkret berechenbare Geldleistung gerichtet, sondern konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigten und Leistungsträger mit wechselseitigen Rechten und Pflichten und dem Ziel der Eingliederung in Arbeit, ohne bloße Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2019, Az.: B 14 AS 28/18 R, juris RN 10).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach Rücknahme der angegriffenen EGVA mit Bescheid des Beklagten vom 31. März 2020 das sinngemäß geäußerte Begehren des Klägers, die Rechtswidrigkeit dieses Bescheids in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 erhalten hat, feststellen zu lassen. Dieses Interesse verfolgt der Kläger zulässig mit der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, Az.: B 14 AS 195/11 R, juris RN 16; zuletzt BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, Az.: B 14 AS 42/15 R, juris RN 9). Danach kann mit der Klage die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität und der Wiederholungsgefahr bestehen. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht. Eine Wiederholungsgefahr ist vorliegend zu bejahen, denn der Verlauf des Verfahrens zeigt, dass der Beklagte wiederholt – auch zeitlich nach dem hier streitigen Bescheid – versucht hat, Eingliederungsvereinbarungen mit dem Kläger abzuschließen, bzw. auch EGVA erlassen hat. Da sich der Kläger unverändert im Leistungsbezug nach dem SGB II befindet, besteht daher eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, dass auch zukünftig Eingliederungsvereinbarungen zu erwarten sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Wiederholungsgefahr auch nicht dadurch entfallen, dass durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – zum 1. August 2016 die Regelungen des §§ 15 SGB II zur Eingliederungsvereinbarung geändert wurden. Dem vom Beklagten als Beleg für seine Auffassung in der mündlichen Verhandlung des Senats zitierten Beschluss des BSG vom 11. November 2019 (Az.: B 14 AS 42/19 BH, juris RN 3) lässt sich nicht entnehmen, dass generell ein Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr bei Eingliederungsvereinbarungen wegen der geänderten Rechtslage nicht mehr bestehen kann.
Denn neben redaktionellen Änderungen (Verschiebung von Absätzen) hat der Gesetzgeber mit den Neuregelungen die individuell festgestellten Kompetenzen der Leistungsberechtigten betont. Insgesamt ist jedoch der gesetzliche Rahmen, was die zu vereinbarenden Rechte und Pflichten angeht, nicht geändert worden. Mithin könnte aktuell eine im Wesentlichen – bis auf die Geltungsdauer – unveränderte Eingliederungsvereinbarung – auch mittels Verwaltungsakt – erlassen werden.
Leitbild des § 15 Abs. 2 und 3 SGB II in der derzeit geltenden Fassung ist – wie auch für § 15 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung – die Einigung des Jobcenters mit dem Leistungsberechtigten auf eine Eingliederungsvereinbarung, die das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung eines kontinuierlichen Eingliederungsprozesses und zur Festlegung gegenseitiger Rechte und Pflichten ist (vgl. zur aktuellen Fassung: BSG, Urteil vom 21. März 2019, Az.: B 14 AS 28/18 R, juris RN 13 f.; zur vorangegangenen Fassung: BSG, Urteil vom 23. Juni 2016, Az.: B 14 AS 42/15 R, juris RN 12 ff.). Dabei hat den für eine Eingliederungsvereinbarung als öffentlichrechtlichem Vertrag geltenden rechtlichen Anforderungen grundsätzlich auch die EGVA zu entsprechen.
Diesen Anforderungen genügt der hier angegriffene, zwischenzeitlich vom Beklagten zurückgenommene EGVA vom 8. Juli 2013 nicht.
Rechtsgrundlage der angegriffenen EGVA ist § 15 Abs. 1 Satz 6 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II (hier in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13. Mai 2011, BGBl. I S. 850). Danach soll der SGB II-Leistungsträger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Diese soll insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind, sowie 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu beantragen haben (Satz 1 und 2). Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen (Satz 6).
Hiernach war, nachdem der Kläger angekündigt hatte, keine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, Raum für den Erlass einer ersetzenden EGVA – wie dies im Leistungsverhältnis des Klägers bereits mehrfach praktiziert worden war. Dabei sind an die ersetzenden Regelungen im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens des Leistungsträgers dieselben Maßstäbe anzulegen, wie sie für eine konsensuale Eingliederungsvereinbarung gelten. Zu den Anforderungen hat das BSG im Urteil vom 23. Juni 2016 (a.a.O., RN 13 - 15) folgendes ausgeführt:
"Ob und mit welchen Inhalten eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II ("sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen") nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Entsprechend § 39 Abs 1 SGB I ist daher die Ersetzungsentscheidung an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EinglVb verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EinglVb zu wahren sind. Auch die Regelungen eines Eingliederungsverwaltungsakts müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB II abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EinglVb resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag (so Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - RdNr 16) unterliegt der Abschluss einer EinglVb den Anforderungen des § 55 Abs 1 Satz 2 SGB X (dazu näher ebenda RdNr 16). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" (§ 15 Abs 1 Satz 6 SGB II) durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und ggf die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine iS der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, gegenübersteht.
Nichts anderes folgt aus dem bei der Ersetzungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Sinn und Zweck von § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II selbst. Wie die Materialien und die Verankerung der Verpflichtung zum Abschluss einer EinglVb bereits in die zentrale Bestimmung des § 2 Abs 1 Satz 2 SGB II zur Eigenverantwortung der Leistungsberechtigten erweisen, misst der Gesetzgeber der wechselbezüglichen Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten im Rahmen von EinglVben entgegen verbreiteter Skepsis (vgl etwa Ebsen in von Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, S 725, 736 ff; von Koppenfels-Spies, NZS 2011, 1, 5 ff) eine herausgehobene Bedeutung für die Eingliederung in Arbeit zu (vgl BT-Drucks 15/1516 S 43). Getragen von der Erwartung, dass bei personalintensiverer Betreuung und individuellen Eingliederungskonzepten insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit besser abgebaut werden könne, soll das einem Fallmanagement dienen, das unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten aufbauend auf einer Erhebung seiner konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" planen und steuern soll (vgl BT-Drucks 15/1516 S 44). Demgemäß soll die EinglVb in Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und AA (vgl BT-Drucks 15/1516 S 54) sicherstellen, dass einerseits die AA Angebote unterbreitet, die den individuellen Bedürfnissen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen, und zugleich soll mit jedem Leistungsberechtigten vereinbart werden, welche Anstrengungen von ihm selbst im Rahmen des Eingliederungsprozesses erwartet werden (vgl BT-Drucks 15/1516 S 46). Diesem Zweck würde es nicht genügen, würde das Jobcenter nicht auch bei Ersetzungsentscheidungen nach § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II eine der individuellen Bedarfslage des erwerbsfähigen Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vornehmen.
c) Nur so versteht sich in systematischer Hinsicht auch, dass mit dem Eingliederungsverwaltungsakt gemäß § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II "die" Regelungen nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB II zu ersetzen und im Unterschied zur Arbeitsförderung nicht nur die Eigenbemühungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu konkretisieren sind. Soweit dort das Instrumentarium der EinglVb (zunächst § 35 Abs 4 SGB III idF des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001, BGBl I 3443; seit 1.1.2009: § 37 Abs 2 SGB III idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917) zwischenzeitlich in § 37 Abs 3 Satz 4 SGB III ebenfalls um eine Regelung zur Ersetzung durch Verwaltungsakt ergänzt worden ist, beschränkt sie sich ausschließlich auf die Festsetzung der "erforderlichen Eigenbemühungen" iS von § 37 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III. Ob die Arbeitsagentur darüber hinaus in dem die EinglVb ersetzenden Verwaltungsakt auch Leistungen der aktiven Arbeitsförderung gewährt, ist hingegen in ihr Ermessen gestellt (vgl Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 37 SGB III RdNr 28, Stand der Einzelkommentierung Juli 2013). Diese unterschiedliche Ausgestaltung erweist ebenfalls, dass sich die Eingliederungsverwaltungsakte nach dem SGB II auch in Bezug auf das Sanktionsregime der §§ 31a, 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II nicht auf die Bestimmung der von den Leistungsberechtigten erwarteten Eigenbemühungen beschränken dürfen (zu den Motiven für die Einführung des Eingliederungsverwaltungsakts in das SGB III durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vgl dagegen BT-Drucks 16/10810 S 30), sondern dass sie zur Meidung eines Formenmissbrauchs jeweils ebenso situationsangepasste Eingliederungszusagen vorzusehen haben."
Daran gemessen ist die streitige EGVA rechtswidrig gewesen. Dies betrifft nicht vorrangig die dem Kläger auferlegte Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen, die nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden ist, sondern vorrangig die damit verknüpften Gegenleistungen des Beklagten, seine Eingliederungszusagen. Die einzigen Verpflichtungen, die der Beklagte übernommen hat, ist die Übermittlung von Vermittlungsvorschlägen, soweit ihm geeignete Stellenangebote vorliegen, sowie die Beratung. Angaben zu Eingliederungsleistungen wie Mobilitäts-, Bewerbungs- und Weiterbildungskosten werden nicht gemacht. Gründe hierfür sind im angegriffenen Bescheid nicht dargelegt worden.
Das BSG erachtet es in seinem Urteil vom 23. Juni 2016 (a.a.O.; RN 21 f.) als unzureichend, wenn eine EGVA über die Zusage, bei geeigneten Angeboten Vermittlungsvorschlag zu unterbreiten, hinaus keine konkreten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne der angestrebten "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" bezeichnet, ohne dass dies von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen wäre. Dazu hat es weiter ausgeführt:
"Zwar mag es dafür im Einzelfall Gründe geben. Soll auf Eingliederungsangebote nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, verzichtet werden, setzt das jedoch gemäß § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II ("sollen" die Regelungen von Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen) die Ausübung pflichtgemäßem Ermessens voraus (§ 39 Abs 1 SGB I), wofür mangels jeder Begründung der angefochtenen Entscheidungen (§ 35 Abs 1 Satz 3 SGB X) hier nichts erkennbar ist. Damit erschöpften sich die streitbefangenen Entscheidungen von der Bezeichnung ohnehin bestehender gesetzlicher Ansprüche abgesehen in der Konkretisierung von Eigenbemühungen des Klägers, womit sie im Ergebnis auf eine Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen reduziert worden sind; das entspricht der gesetzlichen Konzeption nicht (vgl ebenso etwa LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 22.1.2007 - L 13 AS 4160/06 ER-B - RdNr 6; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 12.1.2012 - L 7 AS 242/10 B - RdNr 11; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.7.2015 - L 9 AS 609/15 - RdNr 25)."
Dieser Schluss ist auch im vorliegenden Fall zutreffend. Er bestätigt die Einschätzung des Klägers. Der ersichtliche Ermessensausfall begründete die Rechtswidrigkeit der streitbefangenen EGVA insgesamt. Es ist nicht ersichtlich, dass die angegriffene EGVA – in Auseinandersetzung mit den bestehenden Vermittlungshemmnissen u.a. gesundheitlicher Art – inhaltlich auf die konkrete Situation des Klägers zugeschnitten wäre. Die gesetzlich beabsichtigte Förderung oder ein dem Bescheid zugrundeliegendes Eingliederungskonzept ist nicht erkennbar.
Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Kläger auch ohne entsprechende Regelung in der EGVA weitergehende Eingliederungsleistungen vom Beklagten hätte beanspruchen können. Denn nach dem Konzept des §§ 15 SGB II mit der Wechselbezüglichkeit konkret zu fassender Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auf der einen und konkret zu bestimmenden Anforderungen an die Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten auf der anderen Seite ist eine auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützte Ersetzung nach dem Rechtsgedanken des §§ 58 Abs. 3 SGB X aber insgesamt zu Lasten des Regelungsadressaten rechtswidrig, wenn sie sich allein auf die Vorgabe ihn verpflichtender Maßgaben beschränkt.
Bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ist bei Teilnichtigkeit der ganze Vertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass dieser auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O., RN 22) auch für eine EGVA, die eine Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag ersetzt, weil es nach der gesetzlichen Konzeption ausgeschlossen ist, dass sich der Leistungsträger im Rahmen einer Ersetzungsentscheidung – von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, die darzulegen sind – regelhaft auf die Bestimmung ausschließlich von Pflichten des Leistungsberechtigten beschränken darf. Sind keine Gründe dargelegt, die ermessensfehlerfrei ausnahmsweise das Absehen von situationsangepassten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit tragen, ist die EGVA, die allein auf die sanktionsbewehrte Kontrolle der eigenen Aktivitäten des Leistungsberechtigten beschränkt ist, insgesamt rechtswidrig.
Dies war auf die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers nach Erledigung der EGVA aufgrund der Rücknahme durch den Beklagten auszusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
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