S 16 KA 72/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 72/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 17/20
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 7. trägt die Klägerin. Die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten, Angestelltenstellen zur Nachbesetzung auszuschreiben. Die Klägerin ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in I.

Mit Beschluss vom 15.07.2015 erteilte der Beklagte der Klägerin die Genehmigung, B im Sonderbedarf mit dem Faktor 0,5 anzustellen. Mit Beschluss vom 22.02.2017 erteilte der Beklagte der Klägerin darüber hinaus die Genehmigung, I im Sonderbedarf mit dem Fak-tor 0,5 anzustellen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – E vom XX.XX.XXXX wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Arbeitsverhältnisse der Frau B und der Frau I wurden zum 31.07.2018 gekündigt und die Arbeitnehmerinnen ab 01.04.2018 von der Arbeitsleistung freigestellt. Mit gesonderten Beschlüssen vom 16.05.2018 stellte der Beklagte fest, dass die für Frau B und Frau I erteilten Anstellungs-genehmigungen mit Ablauf des 31.07.2018 endeten.

Am 14.06.2018 beantragte die Klägerin, die Anstellungsgenehmigungen für Frau B und Frau I als Zulassungen zur Nachbesetzung auszuschreiben. Sie meinte, Anspruch auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens zu haben, weil für den Planungsbe-reich Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien. Auch sei im maßgeblichen Beur-teilungszeitpunkt ein nachbesetzungsfähiges Praxissubstrat noch vorhanden gewesen.

Die Beigeladene zu 7. trat den Anträgen der Klägerin entgegen. Der Planungsbereich sei nicht gesperrt. Auch ein nachbesetzungsfähiges Praxissubstrat sei nicht mehr vorhan-den.

Der Beklagte lehnte die Durchführung von Nachbesetzungsverfahren mit gesonderten Beschlüssen vom 22.05.2019 ab, weil kein nachbesetzungsfähiges Praxissubstrat mehr vorhanden sei.

Die Klägerin hat am 19.06.2019 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus den Verwaltungsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

die Beschlüsse des Beklagten aus der Sitzung vom 22.05.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Nachbesetzungsanträge der Klägerin unter Be-achtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angegriffenen Beschlüsse.

Die Beigeladene zu 7. beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen hat sie sich im Klageverfahren nicht geäußert.

Die Beigeladenen zu 1. bis 6. haben sich insgesamt nicht geäußert.

Die Beigeladenen zu 1. bis 6. sind trotz zwischen dem 17. und dem 18.02.2020 zugestell-ter Ladungen mit dem Hinweis, dass auch im Fall ihres Ausbleibens verhandelt und ent-schieden werden kann, zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.04.2020 nicht erschienen.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die In-halte der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer entscheidet gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Vertragsärzte, weil es sich um eine An-gelegenheit des Vertragsarztrechts handelt.

Die Kammer entscheidet entsprechend §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 SGG trotz des Ausblei-bens der Beigeladenen zu 1. bis 6. im Termin zur mündlichen Verhandlung, weil die Beigeladenen zu 1. bis 6. zu diesem Termin ordnungsgemäß geladen worden sind und dabei auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft. Der vorherigen Durch-führung eines Widerspruchsverfahrens vor dem Berufungsausschuss bedurfte es ge-mäß § 103 Abs. 3a Satz 10 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) nicht. Die Kla-ge ist jedoch unbegründet. Durch die angegriffenen Beschlüsse des Beklagten vom 22.05.2019 ist die Klägerin nicht beschwert i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Beklagte hat es jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die Angestelltenstellen von Frau B und Frau I zur Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 SGB V auszuschreiben. Die materiel-len Ausschreibungsvoraussetzungen des § 103 Abs. 3a Satz 1 SGB V liegen nicht vor. Es fehlt an der Nachbesetzungsfähigkeit. Zwar können Angestelltenstellen grundsätz-lich ebenfalls zur Nachbesetzung ausgeschrieben werden, wenn deren Umwandlung in eine Zulassung nach § 95 Abs. 9b Halbsatz 1 SGB V beantragt wird. Nicht nachbeset-zungsfähig sind allerdings gemäß § 36 Abs. 7 Satz 1 der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BPRL) Zulassungen – und damit auch Anstellungsgenehmigungen –, die im Sonder-bedarf erteilt worden sind (Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 3. Auflage 2018, Rn. 477, 639 f.; vgl. auch Bäume, in: Katzenmeier/Ratzel [Hrsg.], Fest-schrift für Franz-Josef Dahm, 2017, S. 17, 25 f.). So liegt der Fall hier.

Die Kammer hat keinen Zweifel an der Vereinbarkeit von § 36 Abs. 7 Satz 1 BPRL mit höherrangigem Recht. Die Norm überschreitet nicht die Grenzen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, der insoweit die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der BPRL darstellt. Die vereinzelt geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 36 Abs. 7 Satz 1 BPRL (Kleinke/Lauber, Die Sonderbedarfszulassung aus anwaltlicher Sicht, ZMGR 2013, 8, 9) werden von der Kammer nicht geteilt. Zwar mag sein, dass die Vorschrift ei-nen Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) darstellt. Dieser ist jedoch gerechtfertigt. Insbesondere ist die Regelung des § 36 Abs. 7 Satz 1 BPRL verhältnismäßig. Der Arzt bzw. Psychotherapeut, der eine Sonderbedarfszulas-sung begehrt, hat es von Anfang an in der Hand, sich auf deren fehlende Nachbeset-zungsfähigkeit einzurichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dass die außergerichtlichen Kosten der Beigela-denen zu 7. zu erstatten sind, die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen hingegen nicht, entspricht der Billigkeit i. S. d. § 162 Abs. 3 VwGO, weil die Beigeladene zu 7. im Gegensatz zu den übrigen Beigeladenen einen Sachantrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Rechtskraft
Aus
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