Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 7 R 375/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 371/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 21. September 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2013 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 30. Juni 2012 hinaus bis zum 31. März 2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Weiterbewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) über den 30. Juni 2012 hinaus streitig.
Der am ... 1971 geborene Kläger absolvierte von 1988 bis 1993 eine Lehrausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbauer. Anschließend war er bis zum Abschluss seiner Meisterausbildung im Jahr 2000 in seinem erlernten Beruf, danach als Handwerksmeister in der Werkstatt eines Autohauses tätig. Der Kläger ist bereits seit dem 29. April 2009 bei weiterhin bestehendem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig. Er bezog Krankengeld und Arbeitslosengeld. Seitdem bezieht er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Auf seinen Antrag vom 2. September 2010 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. April 2011 bis zum 30. Juni 2012.
Der Beklagten hatten die Epikrise des Fachklinikums Be. über den stationären Aufenthalt ab 1. Mai 2009 mit gerichtlich angeordneter Unterbringung vom 2. Mai bis zum 12. Juni 2009 sowie der Entlassungsbericht der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 10. Juni 2010 über die stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme vom 13. April bis zum 18. Mai 2010 vorgelegen. In der Epikrise wurden als Diagnosen eine akute psychotische Störung beim Missbrauch anaboler Substanzen sowie als Differenzialdiagnose die Erstmanifestation einer paranoiden Schizophrenie benannt. Nach dem Ablauf der Unterbringungszeit habe der Kläger eine weitere Behandlung auf der offenen Station bzw. eine tagesklinische Behandlung abgelehnt. Im Reha-Entlassungsbericht wurden als Diagnosen eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion, gemischt bei einem Zustand nach wahnhafter Störung sowie eine neu eingestellte arterielle Hypertonie aufgeführt. Der Kläger könne als Handwerksmeister im Autohaus sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere körperliche Arbeiten nach entsprechender Rekonvaleszenz - in Abhängigkeit vom weiteren Heilungsverlauf - 6 Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte hatte u.a. einen Befundbericht von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. S., bei der sich der Kläger seit 5. Januar 2010 in regelmäßiger Behandlung befindet, vom 28. August 2010 eingeholt. Eine Konfrontation im Alltag sei zurzeit nicht möglich. Der Kläger lehne eine erneute Wiedereingliederung sowie eine empfohlene tagesklinische Behandlung ab. Ferner hatte die Beklagte das nach Aktenlage von Dr. W. unter dem 28. Oktober 2010 für die Agentur für Arbeit Sa. erstattete Gutachten (vollschichtiges Leistungsvermögen) und die gutachterliche Äußerung von der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Betriebsmedizin G. für die Agentur für Arbeit Sa. vom 16. November 2010 (positives Ergebnis im Reha-Entlassungsbericht habe sich nicht bestätigt) beigezogen.
Die Beklagte hatte zudem die Nervenfachärztin Dr. Br. das Gutachten vom 14. März 2011 erstatten lassen. Der Kläger habe bei der Untersuchung angegeben, zurzeit zurückgezogen bei den Eltern zu leben. Er traue sich Maßnahmen zur Teilhabe und auch eine tagesklinische Behandlung nicht zu. Die Gutachterin beschrieb den Kläger als vermindert schwingungsfähig, rigide, starr, schwunglos, dysphorisch verstimmt, infantil, mit abhängigen Persönlichkeitszügen, ausgeprägter Störanfälligkeit, verminderter Stress- und Frustrationstoleranz sowie Rückzugstendenzen. Als Diagnosen hatte Dr. Br. eine persistierende psychoenergetische Defizienz nach akuter psychotischer Störung beim Missbrauch anaboler Substanzen 2009 (Erstmanifestation einer paranoiden Schizophrenie), eine Anpassungsstörung und eine Angststörung benannt. Der Kläger sei derzeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einsatzfähig. Er könne sich maximal 1 Stunde konzentrieren, habe keine Ausdauer, zeige eine vorschnelle Ermüdbarkeit und neige bei hoher Störanfälligkeit zu sofortigen psychischen Dekompensationen mit ausgeprägten Ängsten, Bedrohungsgefühlen, etc. Die bisherigen Behandlungsmaßnahmen seien als angemessen anzusehen. Von einer adäquaten Mitwirkung des Klägers entsprechend des Krankheitsverlaufs sei auszugehen. Die Anerkennung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für ein Jahr sollte erfolgen.
Auf den Antrag des Klägers auf Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 13. März 2012 holte die Beklagte zunächst einen weiteren Befundbericht von Dipl.-Med. S. vom 26. Februar 2012 ein (keine Befundänderung in den letzten 12 Monaten). Sie ließ dann die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. das Gutachten vom 18. Juni 2012 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 13. Juni 2012 erstatten. Dieser habe angegeben, sich tagsüber bei seinen Eltern aufzuhalten und abends in seine Wohnung zu gehen. Er besuche auch Freunde und Bekannte. Sein Hobby sei Basteln am Motorrad. Seit 2009 sei er fahruntüchtig. Er habe wenig Antrieb und Ausdauer und sei körperlich schnell erschöpft. Er könne sich höchstens für 1 bis 2 Stunden belasten. Schon nach 1 Stunde sei er fix und fertig. Die Gutachterin führte als Diagnosen eine Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion, eine Angststörung und eine leichte kognitive Störung an. Für eine psychotische Störung finde sich derzeit kein Anhalt. Für den Kläger stünden seine deutliche Antriebsschwäche, Lustlosigkeit, verminderte Umstellungsfähigkeit und sein vermindertes Durchhaltevermögen im Vordergrund. Eine nochmalige medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei durchzuführen. Nach deren Ergebnis sei über das Leistungsvermögen des Klägers zu entscheiden. Auf dem Formular "sozialmedizinische Leistungsbeurteilung" kreuzte die Gutachterin bezüglich der letzten beruflichen Tätigkeit des Klägers ein Leistungsvermögen im Umfang von 6 Stunden und mehr "nach Rehamaßnahme wahrscheinlich" an.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine weitere stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 6. November bis zum 11. Dezember 2012. In dem Entlassungsbericht vom 2. Januar 2013 wurden als Diagnosen eine leichte depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung, ein ängstlich-vermeidender und asthenischer Persönlichkeitsstil und eine wahnhafte Störung nach Anabolikamissbrauch 2009, vollständig remittiert, berücksichtigt. Aus psychotherapeutischer Sicht werde der Einschätzung des Klägers zugestimmt, dass bezüglich "Verbesserung der psychischen Belastbarkeit" kein Fortschritt, bezüglich "Verbesserung der Konzentration" und "Verbesserung der sozialen Kontakte" ein Fortschritt vom Grad 3 und bezüglich "Verbesserung der Frustrationstoleranz" ein Fortschritt vom Grad 1 erreicht worden sei. Es sei lediglich eine leichte psychophysische Zustandsverbesserung eingetreten. Eine ambulante Psychotherapie erscheine indiziert. Allerdings sollte der Kläger dazu noch ausreichend motiviert werden. Er sei wegen einer notwendigen weiteren Stimmungsstabilisierung und Erhöhung der psychischen Belastbarkeit arbeitsunfähig entlassen worden. Mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei voraussichtlich in 2 bis 4 Wochen zu rechnen. Für die Tätigkeit als Karosserie- und Fahrzeugbauer sei der Kläger vollschichtig einsetzbar. Er sei ferner in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Tätigkeiten in allen Haltungsarten, ohne Nachtschicht, ohne erhöhte Anforderungen an das Umstellungs-, Anpassungs-, Konzentrations- und Reaktionsvermögen und ohne starken Publikumsverkehr vollschichtig zu verrichten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2013 den Antrag des Klägers auf Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. Juni 2012 hinaus ab. Es bestehe ein Leistungsvermögen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich für mittelschwere Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen.
Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 7. März 2013 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage gewandt. Der Einschätzung im Entlassungsbericht der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 werde nicht zugestimmt. Es sei ein erneutes Gutachten einzuholen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dipl.-Med. S. vom 21. Juni 2016 eingeholt. Der Kläger sei im Alltag mit eigener dosierter Belastung etwas stabiler. Es bestünden jedoch eine andauernde schnelle körperliche und psychische Überforderung, eine reduzierte Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und ein anhaltend reduziertes Selbstvertrauen. Es habe sich eine rezidivierende depressive Symptomatik mit aktuell deutlichem Antriebsverlust gezeigt. Eine leichte, aber nicht signifikante Besserung habe erzielt werden können. Zumindest habe die Dosis der Medikamente schrittweise etwas reduziert werden können. Der Kläger sei zu einer 6-stündigen täglichen Tätigkeit nicht in der Lage. Die Leistungsfähigkeit sei dauerhaft eingeschränkt. Es bestünden Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit, der allgemeinen psychischen Belastbarkeit, der Konfliktfähigkeit, des Durchhaltevermögens, der Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit. Die bisherigen Maßnahmen hätten keine ausreichende und signifikante Besserung gebracht.
Das Sozialgericht hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie und Psychiatrie Dr. K. das Gutachten vom 2. Mai 2017 erstatten lassen. Der ersten ambulanten gutachterlichen Untersuchung am 28. November 2016 ist der Kläger ohne Rückmeldung und Angabe von Gründen ferngeblieben. Zur Untersuchung am 16. März 2017 ist er in Begleitung seines Vaters pünktlich erschienen. Er habe angegeben, maximal 1 Stunde an Untersuchungszeit aushalten zu können. Nach Intervention durch den Gutachter und seinen Vater seien die Exploration und Untersuchung einschließlich der Durchführung der testpsychologischen Verfahren möglich gewesen. Durchgängig habe sich eine spürbare Anspannung des Klägers gezeigt. Die Gereiztheit sei im Verlauf geringer geworden. Der Antrieb habe sich deutlich reduziert dargestellt. Eine affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht feststellbar gewesen. Der Kläger habe angegeben, eine mehrfach empfohlene tagesklinische Behandlung abgelehnt zu haben, weil er dies nicht aushalte. Im Übrigen gehe er nicht gern zur Behandlung in ein Krankenhaus. Seit 2016 lebe er wieder in seiner eigenen Wohnung, sei allerdings häufig bei seinen Eltern. Er schaffe es gegenwärtig, etwa 20 Minuten etwas zu machen. Eher selten würde er Spaziergänge für 45 Minuten unternehmen. Autofahren traue er sich seit einigen Monaten wieder gelegentlich im näheren Umfeld zu, aber keine größeren Strecken. Zu seinem Tagesablauf hat der Kläger angegeben, im Haushalt kleinere Tätigkeiten wie Reinigung, Abwaschen zu verrichten. Er bereitete sich seit einem dreiviertel Jahr die Mahlzeiten während der Woche überwiegend selbst zu. An den Wochenenden nehme er die Mahlzeiten grundsätzlich bei den Eltern ein. Er beschäftige sich am Nachmittag ca. 30 Minuten mit Computerprogrammen. Dr. K. hat als Diagnosen ein chronifiziertes und deutlich schwer ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom im Sinne der Neurasthenie, differenzialdiagnostisch ein Residualsyndrom nach schizophrener Episode und eine arterielle Hypotonie mit zurzeit exzessiv erhöhtem Blutdruckwert angegeben. Daraus resultierten eine erhebliche Minderung der Belastbarkeit, eine ausgeprägte Erschöpfbarkeit, eine deutlich ausgeprägte Antriebsminderung und eine deutlich eingeschränkte soziale Kontaktfähigkeit. Die Störungen würden mit der endgültigen Ablehnung des Rentenantrags nicht verschwinden. Gegenwärtig bestehe keinerlei Belastbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit sei ausgeschlossen. Es ergäben sich keine Hinweise auf Aggravation oder Simulation. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht, seine Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs sei eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe fortlaufend seit 2009, mindestens weiterhin seit 2012. Er - Dr. K. - stimme mit den Einschätzungen von Dr. Br. überein, auch wenn diese nicht explizit die Diagnose eines Erschöpfungssyndroms benannt habe. Für eine zusätzliche isolierte Angststörung habe er keinen Anhalt gefunden. Die von Dr. L. angenommene grundsätzlich positive Prognose habe im Verlauf nicht bestätigt werden können. Die Einschätzung der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 sei in sich nicht kongruent. In der dortigen Behandlung sei kein Fortschritt erreicht worden. Für zielgerichtete medizinische und gegebenenfalls berufliche Reha-Maßnahmen bestehe gegenwärtig keine ausreichende Belastbarkeit. Zur Stabilisierung und Verbesserung der jetzt allmählich erreichten besseren Alltagsfunktionen sei die Fortführung der ambulanten fachpsychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung notwendig, die durch Bewegungstherapie und ergotherapeutische Maßnahmen ergänzt werden sollte. Nach einem zeitlichen Ablauf von 18 bis 24 Monaten bei stattgehabter Stabilisierung sei an eine erneute stationäre medizinische Reha-Maßnahmen zu denken. Inwieweit diese zu einer richtungsweisenden Besserung des Leistungsvermögens führe, sei prognostisch nicht einzuschätzen. Eine eventuelle Überprüfung sollte in ca. 2 Jahren erfolgen. Der exzessiv erhöhte Blutdruck bedürfe einer dringenden entsprechenden Diagnostik und nachfolgenden Behandlung. Die Einholung weiterer Gutachten sei nicht erforderlich.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. September 2017 abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Unter Berücksichtigung der Ausführungen im Reha-Entlassungsbericht vom 2. Januar 2013 sei er noch in der Lage, vollschichtig zumutbare Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Das Ergebnis des Reha-Entlassungsberichts werde durch das Gutachten von Dr. L. bestätigt. Diese habe den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nach Ablauf der Reha-Maßnahme als wahrscheinlich eingeschätzt. Das Gutachten des Dr. K. vom 2. Mai 2017 überzeuge nicht. Der Gutachter habe bei seiner Einschätzung nicht berücksichtigt, dass in den letzten Jahren weder eine Therapieintensivierung noch stationäre Behandlungen erfolgt seien. Auch nach Ansicht des Gutachters seien die Behandlungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft. Die Gewährung einer Rente könne erst dann in Betracht kommen, wenn trotz Mitwirkung des Versicherten und unter Ausschöpfung aller möglichen zumutbaren Behandlungsmaßnahmen eine Besserung nicht mehr als wahrscheinlich angesehen werden könne. Darüber hinaus habe der Gutachter auch keine hinreichenden objektiven Befunde mitgeteilt, aufgrund derer seine Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens begründet sei.
Gegen das ihm am 29. September 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Oktober 2017 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Angesichts der Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. K. sei das Urteil überraschend. Das Sozialgericht hätte nicht dem fast 5 Jahre alten Reha-Entlassungsbericht folgen dürfen. Bei seinem Krankheitsbild erscheine es vielmehr plausibel, dass er aufgrund seiner Beschwerden gehindert sein könne, die Hilfe Dritter anzunehmen. Das Sozialgericht habe seine Schlussfolgerung einzig aus dem Umstand gezogen, dass derzeit seine unschlüssige ablehnende Haltung eine weitere Besserung verhindere.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 21. September 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm über den 30. Juni 2012 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter zu bewilligen, hilfsweise ihm ab dem 1. Juli 2012 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für zutreffend. Sie hat insbesondere unter Bezugnahme auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 2012 (L 19 R 774/06) darauf hingewiesen, dass die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung nicht auf eine psychische Erkrankung gestützt werden könne, solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten noch nicht versucht bzw. ausgeschöpft worden seien und ein entsprechend erfolgsversprechendes Behandlungspotenzial bestehe.
Der Senat hat Befundberichte von Dipl.-Med. S. vom 18. Juli 2018 und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. A. vom 13. August 2018 eingeholt. Dipl.-Med. S. hat eine weitere Verschlechterung im Verlauf seit 2016 angegeben. Im Rahmen versuchter Aktivitäten sei es erneut zu negativen Erfahrungen mit Wahrnehmung deutlicher psychischer und körperlicher Belastungsgrenzen gekommen. Zunehmend habe sich eine Agoraphobie mit Panikstörungen ausgeprägt. Der soziale Rückzug habe sich manifestiert. Dr. A. hat eine letztmalige Behandlung am 10. April 2014 angegeben.
Der Senat hat die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. Sc. am 12. November 2018 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Diese hat den Auftrag unerledigt zurückgegeben, da der Kläger dem Begutachtungstermin am 8. April 2019 unentschuldigt ferngeblieben ist. Auf Nachfrage des Senats hat Dipl.-Med. S. mit Schreiben vom 26. November 2019 die vereinbarten Behandlungstermine des Klägers seit 1. Januar 2017 mitgeteilt, die dieser regelmäßig wahrgenommen habe. Nach seinen Angaben mache er im Alltag nichts mehr und fühle sich dabei deutlich wohler. Ansonsten sei er immer sofort kaputt und erschöpft. Die Ärztin hat eingeschätzt, dass dem Kläger eine ambulante Begutachtung zumutbar sei.
Der Kläger hat am 13. Juni 2019 über seinen Prozessbevollmächtigten vorgetragen, er wolle sich nicht mehr begutachten lassen. Eine mehrfach erbetene Bereitschaftserklärung, sich begutachten zu lassen, hat er nicht abgegeben. Er hat sich am 21. April 2020 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Beklagte hat ihr Einverständnis zu dieser Vorgehensweise am 30. April 2020 erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 154 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht insgesamt abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Weiterbewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. Juni 2012 hinaus bis zum 31. März 2019 (dazu unter 1.). Der insoweit ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dieser hat jedoch keinen Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2019 (dazu unter 2.).
Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat auch, wer auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, unter den Voraussetzungen einer sog. Arbeitsmarktrente (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2011, B 13 R 78/09 R).
Wegen der "Simulationsnähe" von Erkrankungen mit neurotischem Einschlag wird in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Feststellung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ein strenger Maßstab gefordert. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03 R, juris).
1.
Der Kläger war zur Überzeugung des Senats über den 30. Juni 2012 hinaus bis zum 31. März 2019 voll erwerbsgemindert. Er war in dieser Zeit zu keiner mindestens 3-stündigen täglichen Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Dr. K. vom 2. Mai 2017 und von Dr. B. vom 14. März 2011, den objektiven Befunden aus dem Entlassungsbericht der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 und aus den Befundberichten von Dipl.-Med. S ...
Beim Kläger bestand ein chronifiziertes und deutlich schwer ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom im Sinne der Neurasthenie, differenzialdiagnostisch ein Residualsyndrom nach schizophrener Episode mit Erstmanifestation 2009. Daraus resultierten eine erhebliche Minderung der Belastbarkeit, eine ausgeprägte Erschöpfung, eine deutlich ausgeprägte Antriebsminderung und eine deutlich eingeschränkte soziale Kontaktfähigkeit. Dr. K. hat zwar eine allmähliche Verbesserung von Alltagsfunktionen seit Sommer 2016 aufgezeigt: Der Kläger versorgte sich während der Woche überwiegend selbst und nahm lediglich an den Wochenenden die Mahlzeiten bei den Eltern ein. Er verrichtete kleinere Haushaltstätigkeiten und beschäftige sich nachmittags am Computer, wenn auch nur für ca. 30 Minuten. Autofahren im näheren Umfeld war wieder gelegentlich möglich. Der Gutachter hat aber nachvollziehbar keine ausreichende Belastbarkeit für eine mindestens 3-stündige tägliche Erwerbstätigkeit aufgezeigt.
In sämtlichen medizinischen Unterlagen ist bei überwiegend ungestörten mnestischen Funktionen ein defizitärer psychopathologischer Befund mitgeteilt worden. Bei Dr. K. hat sich der Antrieb des Klägers deutlich reduziert dargestellt. Eine affektive Schwingungsfähigkeit hat der Gutachter nicht feststellen können. Hinweise auf Aggravation oder Simulation hat er verneint. Dipl.-Med. S. hat ebenfalls einen reduzierten Antrieb und einen instabilen Affekt bei einem sozialen Rückzug aufgezeigt. Sie hat den Kläger als lust-, freud-, interessen- und antriebslos beschrieben.
Die Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers durch die Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 ist für den Senat nicht überzeugend. Es sind erhebliche Diskrepanzen insoweit festzustellen, dass einerseits kein erreichtes nennenswertes Therapieergebnis aufgezeigt wurde. Gleichzeitig wurde aber prognostiziert, innerhalb von 2 bis 4 Wochen Arbeitsunfähigkeit könne der Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen erreichen. Eine Verbesserung dessen psychischer Belastbarkeit konnte im Rahmen der 5-wöchigen stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht erreicht werden. Insoweit ist die Einschätzung nicht schlüssig, dass die bei Entlassung aufgezeigte notwendige weitere Stimmungsstabilisierung und Erhöhung der psychischen Belastbarkeit nach 2 bis 4 Wochen erreicht sein würde. Hinzu kommt, dass der Kläger für die empfohlene ambulante Psychotherapie keine Motivation gezeigt hatte, sodass der Prognose eine fundierte Grundlage fehlte.
Im Entlassungsbericht wurde zwar ebenfalls aufgezeigt, dass sich keine mnestischen Störungen gezeigt hätten. Die emotionale Schwingungsfähigkeit wurde als regelrecht, der Antrieb anamnestisch als nur leicht vermindert beschrieben. Der Kläger hatte jedoch ein Vermeidungs- und Schonungsverhalten, auch in der Konfliktvermeidung, gezeigt, verbunden mit einer schlechten Bewältigung der Alltagsanforderungen und der Nichtbewältigung der Arbeitsanforderungen. Die von ihm beklagte Symptomatik im psychischen Befund hatte sich nur unvollständig erklären lassen, ein erheblicher Leidensdrucks sei spürbar geworden. Es wurde in dem Entlassungsbericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von Seiten der Klinik Übereinstimmung mit der Beurteilung des Klägers bestehe, dass durch die Rehabilitationsmaßnahme kein wesentlicher Fortschritt erreicht worden sei.
Da Dr. L. die Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers von dem Ergebnis der vom 6. November bis zum 11. Dezember 2012 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme abhängig gemacht hatte, konnte ihre positive Prognose durch den Reha-Entlassungsbericht nicht bestätigt werden.
Zuvor hatte die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Betriebsmedizin G. nach Untersuchung des Klägers in ihrer gutachterlichen Äußerung für die Agentur für Arbeit Sa. vom 16. November 2010 aufgezeigt, dass sich die prognostische Einschätzung im Reha-Entlassungsbericht der Fachklinikums B. GmbH & Co. KG vom 10. Juni 2010 ebenfalls nicht bestätigt habe. Mangels Rekonvaleszenz sei kein Leistungsvermögen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich für Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes eingetreten.
Nach den Einschätzungen der behandelnden Ärzte und der Gutachter bestehen Behandlungsmöglichkeiten mit Aussicht auf Besserung des Leistungsvermögens, denen der Kläger jedoch ablehnend gegenübersteht. Die bereits nach der stationären Unterbringung im Juni 2009 empfohlene weitere stationäre bzw. tagesklinische Behandlung ist zu keinem Zeitpunkt durchgeführt worden. Der Kläger hatte dies immer wieder mit der Begründung abgelehnt, dass er dies nicht durchhalte. Nach den Feststellungen von Dr. K. haben Behandlungsoptionen für den Kläger neben Bewegungstherapie und ergotherapeutischer Behandlung in der Fortführung der ambulanten fachpsychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung bestanden, die er zumindest teilweise durchführt. Der Kläger befindet sich seit Januar 2010 in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung bei Dipl.-Med. S ...
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 21. September 2017 steht die Tatsache, dass sich der Kläger in der Zeit von Juli 2012 bis zur Begutachtung bei Dr. K. am 16. März 2017 keiner therapeutischen Behandlung unterzogen hat, einem Anspruch auf eine - befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht entgegen. Solange nicht ausgeschöpfte therapeutische Behandlungsmöglichkeiten bestehen, ist die Behebung einer rentenberechtigenden Leistungsminderung nicht unwahrscheinlich mit der Folge, dass ausnahmsweise Rente wegen Erwerbsminderung als Dauerrente zu gewähren wäre (BSG, Urteil vom 29. März 2006, B 13 RJ 31/05 R). In diesem Fall kann, wie das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2012 auch ausführt, eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf eine therapierbare psychische Erkrankung gestützt werden. Beim Vorliegen von Behandlungsoptionen ist die Dauerhaftigkeit der psychiatrischen Einschränkungen nicht nachgewiesen. Hingegen schließt das Bestehen erfolgversprechenden Behandlungspotenzials eine zeitlich begrenzte Erwerbsminderung nicht aus, wenn das Leistungsvermögen auf nicht absehbare Zeit auf unter 6 Stunden täglich herabgesunken ist.
Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juli 2012 bis zum 30. Juni 2015, weiter bis zum 30. Juni 2018 und dann weiter bis zum 31. März 2019. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Die Rente wegen voller Erwerbsminderung war zunächst zweimal für 3 Jahre, nämlich bis zum 30. Juni 2017 zu befristen. Der Gutachter Dr. K. hat in seinem Gutachten eine Überprüfung des Leistungsvermögens des Klägers ca. 2 Jahre nach seiner Begutachtung am 16. März 2017 angeregt. In Anbetracht dessen hält der Senat die Voraussetzungen für eine Weiterbewilligung der Rente bis zum 31. März 2019, 2 Jahre nach der Begutachtung, für gegeben.
2.
Beim Kläger besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. März 2019 hinaus. Der Kläger ist ab diesem Zeitpunkt nicht nachgewiesen voll oder teilweise erwerbsgemindert.
Die Feststellung einer Erwerbsminderung unterliegt den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Danach trägt derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache, der daraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will (vgl. BSG, BSGE 6, S. 70, 72; BSGE 19, S. 52, 53). Dies ist im vorliegenden Fall der Kläger, der einen Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. März 2019 hinaus geltend macht.
Der Grundsatz der objektiven Beweislast greift dann ein, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht weiter aufklären kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 118 Rdnr. 6). Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 S. 1 HS 1 SGG). Die Beteiligten sind hierzu mit heranzuziehen (§ 103 S. 1 HS 2 SGG). Eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten - hier des Klägers - besteht immer dann, wenn das Gericht den Sachverhalt anderenfalls nicht oder nicht vollständig selbst erforschen kann (BSG, SozR 1500, § 103 Nr. 27). Die Grenzen der zumutbaren Mitwirkung ergeben sich aus dem den Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) konkretisierenden § 65 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I). Soll Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben werden, trifft den Kläger die Obliegenheit, zum Zweck der Begutachtung beim Sachverständigen zu erscheinen. Das Gericht kann den Kläger aber nicht zwingen, sich einer Untersuchung und Begutachtung zu unterziehen. Verweigert er indessen eine Begutachtung, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das tägliche Leistungsvermögen des Klägers seit 1. April 2019 nicht auf unter 3 Stunden bzw. unter 6 Stunden gemindert. Denn der Nachweis im Sinne des erforderlichen Vollbeweises, also der vollen richterlichen Überzeugung, ist hier nicht erbracht. Die Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Anhand der vorliegenden Unterlagen ist nicht feststellbar, ob am 1. April 2019 die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vorgelegen haben. Dipl.-Med. S. hat in ihrem Befundbericht vom 18. Juli 2018 zwar seit 2016 eine weitere Verschlechterung angegeben. In ihrem Schreiben vom 26. November 2019 hat sie aufgezeigt, dass der Antrieb, die psychische und körperliche Belastbarkeit sowie die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit deutlich reduziert seien. Sie hat eine soziale Isolation und einen Rückzug des Klägers beschrieben. Andererseits war dieser in der Lage, die Wohnung zum Besuch seiner Eltern und zur Wahrnehmung von Terminen zu verlassen. Auch war es dem Kläger möglich, die mit ihr vereinbarten Termine regelmäßig wahrzunehmen (6 Konsultationen im Jahr 2017: 15. Februar, 10. April, 6. Juni, 3. August, 25. September und 20. November 2017, 7 Konsultationen im Jahr 2018: 11. Januar, 7. März, 2. Mai, 26. Juni, 20. August, 18. Oktober und 13. Dezember 2018, 6 Konsultationen im Jahr 2019: 7. Februar, 4. April, 29. Mai, 25. Juli, 19. September und 14. November 2019 jeweils mit einer Dauer von 10 bis 20 Minuten).
Bis auf regelmäßige Konsultationen bei ihr hat sich der Kläger keinen weiteren ärztlichen Behandlungen oder therapeutischen Maßnahmen unterzogen. Die Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen über den Gesundheitszustand des Klägers seit April 2019 war deshalb nicht möglich. Zudem hat der Gutachter Dr. K. seine Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers nur auf 2 Jahre erstreckt.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist im streitgegenständlichen Verfahren nicht möglich gewesen, da sich der Kläger zu einer weiteren Begutachtung durch einen gerichtlichen Sachverständigen nicht zur Verfügung gestellt hat. Er hat den Begutachtungstermin bei Dr. Sc. am 18. April 2019 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen. Er hat im weiteren Verlauf des Verfahrens ausdrücklich die Durchführung einer weiteren Begutachtung abgelehnt. Die Weigerung zur Teilnahme an einer gerichtlich angeordneten ambulanten Begutachtung führt jedoch nur, wenn keine sonstigen Ermittlungen möglich sind (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 103 Rn. 15), dazu, dass die Voraussetzungen des vom Kläger begehrten Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen werden können. Vorliegend waren keine sonstigen Ermittlungen möglich.
Die Nichtaufklärbarkeit des medizinischen Sachverhalts dahingehend, ob die psychiatrische Erkrankung des Klägers auch über den 31. März 2019 hinaus zu einem rentenrelevant eingeschränkten Leistungsvermögen geführt hat, geht zu dessen Lasten. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung über diesen Zeitpunkt hinaus sind nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei dem Prozessergebnis Rechnung getragen.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Die Beklagte trägt ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Weiterbewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) über den 30. Juni 2012 hinaus streitig.
Der am ... 1971 geborene Kläger absolvierte von 1988 bis 1993 eine Lehrausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbauer. Anschließend war er bis zum Abschluss seiner Meisterausbildung im Jahr 2000 in seinem erlernten Beruf, danach als Handwerksmeister in der Werkstatt eines Autohauses tätig. Der Kläger ist bereits seit dem 29. April 2009 bei weiterhin bestehendem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig. Er bezog Krankengeld und Arbeitslosengeld. Seitdem bezieht er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Auf seinen Antrag vom 2. September 2010 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. April 2011 bis zum 30. Juni 2012.
Der Beklagten hatten die Epikrise des Fachklinikums Be. über den stationären Aufenthalt ab 1. Mai 2009 mit gerichtlich angeordneter Unterbringung vom 2. Mai bis zum 12. Juni 2009 sowie der Entlassungsbericht der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 10. Juni 2010 über die stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme vom 13. April bis zum 18. Mai 2010 vorgelegen. In der Epikrise wurden als Diagnosen eine akute psychotische Störung beim Missbrauch anaboler Substanzen sowie als Differenzialdiagnose die Erstmanifestation einer paranoiden Schizophrenie benannt. Nach dem Ablauf der Unterbringungszeit habe der Kläger eine weitere Behandlung auf der offenen Station bzw. eine tagesklinische Behandlung abgelehnt. Im Reha-Entlassungsbericht wurden als Diagnosen eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion, gemischt bei einem Zustand nach wahnhafter Störung sowie eine neu eingestellte arterielle Hypertonie aufgeführt. Der Kläger könne als Handwerksmeister im Autohaus sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere körperliche Arbeiten nach entsprechender Rekonvaleszenz - in Abhängigkeit vom weiteren Heilungsverlauf - 6 Stunden und mehr täglich verrichten.
Die Beklagte hatte u.a. einen Befundbericht von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. S., bei der sich der Kläger seit 5. Januar 2010 in regelmäßiger Behandlung befindet, vom 28. August 2010 eingeholt. Eine Konfrontation im Alltag sei zurzeit nicht möglich. Der Kläger lehne eine erneute Wiedereingliederung sowie eine empfohlene tagesklinische Behandlung ab. Ferner hatte die Beklagte das nach Aktenlage von Dr. W. unter dem 28. Oktober 2010 für die Agentur für Arbeit Sa. erstattete Gutachten (vollschichtiges Leistungsvermögen) und die gutachterliche Äußerung von der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Betriebsmedizin G. für die Agentur für Arbeit Sa. vom 16. November 2010 (positives Ergebnis im Reha-Entlassungsbericht habe sich nicht bestätigt) beigezogen.
Die Beklagte hatte zudem die Nervenfachärztin Dr. Br. das Gutachten vom 14. März 2011 erstatten lassen. Der Kläger habe bei der Untersuchung angegeben, zurzeit zurückgezogen bei den Eltern zu leben. Er traue sich Maßnahmen zur Teilhabe und auch eine tagesklinische Behandlung nicht zu. Die Gutachterin beschrieb den Kläger als vermindert schwingungsfähig, rigide, starr, schwunglos, dysphorisch verstimmt, infantil, mit abhängigen Persönlichkeitszügen, ausgeprägter Störanfälligkeit, verminderter Stress- und Frustrationstoleranz sowie Rückzugstendenzen. Als Diagnosen hatte Dr. Br. eine persistierende psychoenergetische Defizienz nach akuter psychotischer Störung beim Missbrauch anaboler Substanzen 2009 (Erstmanifestation einer paranoiden Schizophrenie), eine Anpassungsstörung und eine Angststörung benannt. Der Kläger sei derzeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einsatzfähig. Er könne sich maximal 1 Stunde konzentrieren, habe keine Ausdauer, zeige eine vorschnelle Ermüdbarkeit und neige bei hoher Störanfälligkeit zu sofortigen psychischen Dekompensationen mit ausgeprägten Ängsten, Bedrohungsgefühlen, etc. Die bisherigen Behandlungsmaßnahmen seien als angemessen anzusehen. Von einer adäquaten Mitwirkung des Klägers entsprechend des Krankheitsverlaufs sei auszugehen. Die Anerkennung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für ein Jahr sollte erfolgen.
Auf den Antrag des Klägers auf Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 13. März 2012 holte die Beklagte zunächst einen weiteren Befundbericht von Dipl.-Med. S. vom 26. Februar 2012 ein (keine Befundänderung in den letzten 12 Monaten). Sie ließ dann die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. das Gutachten vom 18. Juni 2012 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 13. Juni 2012 erstatten. Dieser habe angegeben, sich tagsüber bei seinen Eltern aufzuhalten und abends in seine Wohnung zu gehen. Er besuche auch Freunde und Bekannte. Sein Hobby sei Basteln am Motorrad. Seit 2009 sei er fahruntüchtig. Er habe wenig Antrieb und Ausdauer und sei körperlich schnell erschöpft. Er könne sich höchstens für 1 bis 2 Stunden belasten. Schon nach 1 Stunde sei er fix und fertig. Die Gutachterin führte als Diagnosen eine Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion, eine Angststörung und eine leichte kognitive Störung an. Für eine psychotische Störung finde sich derzeit kein Anhalt. Für den Kläger stünden seine deutliche Antriebsschwäche, Lustlosigkeit, verminderte Umstellungsfähigkeit und sein vermindertes Durchhaltevermögen im Vordergrund. Eine nochmalige medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei durchzuführen. Nach deren Ergebnis sei über das Leistungsvermögen des Klägers zu entscheiden. Auf dem Formular "sozialmedizinische Leistungsbeurteilung" kreuzte die Gutachterin bezüglich der letzten beruflichen Tätigkeit des Klägers ein Leistungsvermögen im Umfang von 6 Stunden und mehr "nach Rehamaßnahme wahrscheinlich" an.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine weitere stationäre psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 6. November bis zum 11. Dezember 2012. In dem Entlassungsbericht vom 2. Januar 2013 wurden als Diagnosen eine leichte depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung, ein ängstlich-vermeidender und asthenischer Persönlichkeitsstil und eine wahnhafte Störung nach Anabolikamissbrauch 2009, vollständig remittiert, berücksichtigt. Aus psychotherapeutischer Sicht werde der Einschätzung des Klägers zugestimmt, dass bezüglich "Verbesserung der psychischen Belastbarkeit" kein Fortschritt, bezüglich "Verbesserung der Konzentration" und "Verbesserung der sozialen Kontakte" ein Fortschritt vom Grad 3 und bezüglich "Verbesserung der Frustrationstoleranz" ein Fortschritt vom Grad 1 erreicht worden sei. Es sei lediglich eine leichte psychophysische Zustandsverbesserung eingetreten. Eine ambulante Psychotherapie erscheine indiziert. Allerdings sollte der Kläger dazu noch ausreichend motiviert werden. Er sei wegen einer notwendigen weiteren Stimmungsstabilisierung und Erhöhung der psychischen Belastbarkeit arbeitsunfähig entlassen worden. Mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei voraussichtlich in 2 bis 4 Wochen zu rechnen. Für die Tätigkeit als Karosserie- und Fahrzeugbauer sei der Kläger vollschichtig einsetzbar. Er sei ferner in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Tätigkeiten in allen Haltungsarten, ohne Nachtschicht, ohne erhöhte Anforderungen an das Umstellungs-, Anpassungs-, Konzentrations- und Reaktionsvermögen und ohne starken Publikumsverkehr vollschichtig zu verrichten.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2013 den Antrag des Klägers auf Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. Juni 2012 hinaus ab. Es bestehe ein Leistungsvermögen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich für mittelschwere Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen.
Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 7. März 2013 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage gewandt. Der Einschätzung im Entlassungsbericht der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 werde nicht zugestimmt. Es sei ein erneutes Gutachten einzuholen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dipl.-Med. S. vom 21. Juni 2016 eingeholt. Der Kläger sei im Alltag mit eigener dosierter Belastung etwas stabiler. Es bestünden jedoch eine andauernde schnelle körperliche und psychische Überforderung, eine reduzierte Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und ein anhaltend reduziertes Selbstvertrauen. Es habe sich eine rezidivierende depressive Symptomatik mit aktuell deutlichem Antriebsverlust gezeigt. Eine leichte, aber nicht signifikante Besserung habe erzielt werden können. Zumindest habe die Dosis der Medikamente schrittweise etwas reduziert werden können. Der Kläger sei zu einer 6-stündigen täglichen Tätigkeit nicht in der Lage. Die Leistungsfähigkeit sei dauerhaft eingeschränkt. Es bestünden Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit, der allgemeinen psychischen Belastbarkeit, der Konfliktfähigkeit, des Durchhaltevermögens, der Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit. Die bisherigen Maßnahmen hätten keine ausreichende und signifikante Besserung gebracht.
Das Sozialgericht hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie und Psychiatrie Dr. K. das Gutachten vom 2. Mai 2017 erstatten lassen. Der ersten ambulanten gutachterlichen Untersuchung am 28. November 2016 ist der Kläger ohne Rückmeldung und Angabe von Gründen ferngeblieben. Zur Untersuchung am 16. März 2017 ist er in Begleitung seines Vaters pünktlich erschienen. Er habe angegeben, maximal 1 Stunde an Untersuchungszeit aushalten zu können. Nach Intervention durch den Gutachter und seinen Vater seien die Exploration und Untersuchung einschließlich der Durchführung der testpsychologischen Verfahren möglich gewesen. Durchgängig habe sich eine spürbare Anspannung des Klägers gezeigt. Die Gereiztheit sei im Verlauf geringer geworden. Der Antrieb habe sich deutlich reduziert dargestellt. Eine affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht feststellbar gewesen. Der Kläger habe angegeben, eine mehrfach empfohlene tagesklinische Behandlung abgelehnt zu haben, weil er dies nicht aushalte. Im Übrigen gehe er nicht gern zur Behandlung in ein Krankenhaus. Seit 2016 lebe er wieder in seiner eigenen Wohnung, sei allerdings häufig bei seinen Eltern. Er schaffe es gegenwärtig, etwa 20 Minuten etwas zu machen. Eher selten würde er Spaziergänge für 45 Minuten unternehmen. Autofahren traue er sich seit einigen Monaten wieder gelegentlich im näheren Umfeld zu, aber keine größeren Strecken. Zu seinem Tagesablauf hat der Kläger angegeben, im Haushalt kleinere Tätigkeiten wie Reinigung, Abwaschen zu verrichten. Er bereitete sich seit einem dreiviertel Jahr die Mahlzeiten während der Woche überwiegend selbst zu. An den Wochenenden nehme er die Mahlzeiten grundsätzlich bei den Eltern ein. Er beschäftige sich am Nachmittag ca. 30 Minuten mit Computerprogrammen. Dr. K. hat als Diagnosen ein chronifiziertes und deutlich schwer ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom im Sinne der Neurasthenie, differenzialdiagnostisch ein Residualsyndrom nach schizophrener Episode und eine arterielle Hypotonie mit zurzeit exzessiv erhöhtem Blutdruckwert angegeben. Daraus resultierten eine erhebliche Minderung der Belastbarkeit, eine ausgeprägte Erschöpfbarkeit, eine deutlich ausgeprägte Antriebsminderung und eine deutlich eingeschränkte soziale Kontaktfähigkeit. Die Störungen würden mit der endgültigen Ablehnung des Rentenantrags nicht verschwinden. Gegenwärtig bestehe keinerlei Belastbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit sei ausgeschlossen. Es ergäben sich keine Hinweise auf Aggravation oder Simulation. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht, seine Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs sei eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe fortlaufend seit 2009, mindestens weiterhin seit 2012. Er - Dr. K. - stimme mit den Einschätzungen von Dr. Br. überein, auch wenn diese nicht explizit die Diagnose eines Erschöpfungssyndroms benannt habe. Für eine zusätzliche isolierte Angststörung habe er keinen Anhalt gefunden. Die von Dr. L. angenommene grundsätzlich positive Prognose habe im Verlauf nicht bestätigt werden können. Die Einschätzung der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 sei in sich nicht kongruent. In der dortigen Behandlung sei kein Fortschritt erreicht worden. Für zielgerichtete medizinische und gegebenenfalls berufliche Reha-Maßnahmen bestehe gegenwärtig keine ausreichende Belastbarkeit. Zur Stabilisierung und Verbesserung der jetzt allmählich erreichten besseren Alltagsfunktionen sei die Fortführung der ambulanten fachpsychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung notwendig, die durch Bewegungstherapie und ergotherapeutische Maßnahmen ergänzt werden sollte. Nach einem zeitlichen Ablauf von 18 bis 24 Monaten bei stattgehabter Stabilisierung sei an eine erneute stationäre medizinische Reha-Maßnahmen zu denken. Inwieweit diese zu einer richtungsweisenden Besserung des Leistungsvermögens führe, sei prognostisch nicht einzuschätzen. Eine eventuelle Überprüfung sollte in ca. 2 Jahren erfolgen. Der exzessiv erhöhte Blutdruck bedürfe einer dringenden entsprechenden Diagnostik und nachfolgenden Behandlung. Die Einholung weiterer Gutachten sei nicht erforderlich.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. September 2017 abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Unter Berücksichtigung der Ausführungen im Reha-Entlassungsbericht vom 2. Januar 2013 sei er noch in der Lage, vollschichtig zumutbare Arbeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Das Ergebnis des Reha-Entlassungsberichts werde durch das Gutachten von Dr. L. bestätigt. Diese habe den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nach Ablauf der Reha-Maßnahme als wahrscheinlich eingeschätzt. Das Gutachten des Dr. K. vom 2. Mai 2017 überzeuge nicht. Der Gutachter habe bei seiner Einschätzung nicht berücksichtigt, dass in den letzten Jahren weder eine Therapieintensivierung noch stationäre Behandlungen erfolgt seien. Auch nach Ansicht des Gutachters seien die Behandlungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft. Die Gewährung einer Rente könne erst dann in Betracht kommen, wenn trotz Mitwirkung des Versicherten und unter Ausschöpfung aller möglichen zumutbaren Behandlungsmaßnahmen eine Besserung nicht mehr als wahrscheinlich angesehen werden könne. Darüber hinaus habe der Gutachter auch keine hinreichenden objektiven Befunde mitgeteilt, aufgrund derer seine Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens begründet sei.
Gegen das ihm am 29. September 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Oktober 2017 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Angesichts der Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. K. sei das Urteil überraschend. Das Sozialgericht hätte nicht dem fast 5 Jahre alten Reha-Entlassungsbericht folgen dürfen. Bei seinem Krankheitsbild erscheine es vielmehr plausibel, dass er aufgrund seiner Beschwerden gehindert sein könne, die Hilfe Dritter anzunehmen. Das Sozialgericht habe seine Schlussfolgerung einzig aus dem Umstand gezogen, dass derzeit seine unschlüssige ablehnende Haltung eine weitere Besserung verhindere.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 21. September 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm über den 30. Juni 2012 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter zu bewilligen, hilfsweise ihm ab dem 1. Juli 2012 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für zutreffend. Sie hat insbesondere unter Bezugnahme auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 2012 (L 19 R 774/06) darauf hingewiesen, dass die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung nicht auf eine psychische Erkrankung gestützt werden könne, solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten noch nicht versucht bzw. ausgeschöpft worden seien und ein entsprechend erfolgsversprechendes Behandlungspotenzial bestehe.
Der Senat hat Befundberichte von Dipl.-Med. S. vom 18. Juli 2018 und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. A. vom 13. August 2018 eingeholt. Dipl.-Med. S. hat eine weitere Verschlechterung im Verlauf seit 2016 angegeben. Im Rahmen versuchter Aktivitäten sei es erneut zu negativen Erfahrungen mit Wahrnehmung deutlicher psychischer und körperlicher Belastungsgrenzen gekommen. Zunehmend habe sich eine Agoraphobie mit Panikstörungen ausgeprägt. Der soziale Rückzug habe sich manifestiert. Dr. A. hat eine letztmalige Behandlung am 10. April 2014 angegeben.
Der Senat hat die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie Dr. Sc. am 12. November 2018 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Diese hat den Auftrag unerledigt zurückgegeben, da der Kläger dem Begutachtungstermin am 8. April 2019 unentschuldigt ferngeblieben ist. Auf Nachfrage des Senats hat Dipl.-Med. S. mit Schreiben vom 26. November 2019 die vereinbarten Behandlungstermine des Klägers seit 1. Januar 2017 mitgeteilt, die dieser regelmäßig wahrgenommen habe. Nach seinen Angaben mache er im Alltag nichts mehr und fühle sich dabei deutlich wohler. Ansonsten sei er immer sofort kaputt und erschöpft. Die Ärztin hat eingeschätzt, dass dem Kläger eine ambulante Begutachtung zumutbar sei.
Der Kläger hat am 13. Juni 2019 über seinen Prozessbevollmächtigten vorgetragen, er wolle sich nicht mehr begutachten lassen. Eine mehrfach erbetene Bereitschaftserklärung, sich begutachten zu lassen, hat er nicht abgegeben. Er hat sich am 21. April 2020 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Beklagte hat ihr Einverständnis zu dieser Vorgehensweise am 30. April 2020 erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 154 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht insgesamt abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Weiterbewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. Juni 2012 hinaus bis zum 31. März 2019 (dazu unter 1.). Der insoweit ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dieser hat jedoch keinen Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2019 (dazu unter 2.).
Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat auch, wer auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, unter den Voraussetzungen einer sog. Arbeitsmarktrente (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Oktober 2011, B 13 R 78/09 R).
Wegen der "Simulationsnähe" von Erkrankungen mit neurotischem Einschlag wird in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Feststellung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ein strenger Maßstab gefordert. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03 R, juris).
1.
Der Kläger war zur Überzeugung des Senats über den 30. Juni 2012 hinaus bis zum 31. März 2019 voll erwerbsgemindert. Er war in dieser Zeit zu keiner mindestens 3-stündigen täglichen Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Dr. K. vom 2. Mai 2017 und von Dr. B. vom 14. März 2011, den objektiven Befunden aus dem Entlassungsbericht der Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 und aus den Befundberichten von Dipl.-Med. S ...
Beim Kläger bestand ein chronifiziertes und deutlich schwer ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom im Sinne der Neurasthenie, differenzialdiagnostisch ein Residualsyndrom nach schizophrener Episode mit Erstmanifestation 2009. Daraus resultierten eine erhebliche Minderung der Belastbarkeit, eine ausgeprägte Erschöpfung, eine deutlich ausgeprägte Antriebsminderung und eine deutlich eingeschränkte soziale Kontaktfähigkeit. Dr. K. hat zwar eine allmähliche Verbesserung von Alltagsfunktionen seit Sommer 2016 aufgezeigt: Der Kläger versorgte sich während der Woche überwiegend selbst und nahm lediglich an den Wochenenden die Mahlzeiten bei den Eltern ein. Er verrichtete kleinere Haushaltstätigkeiten und beschäftige sich nachmittags am Computer, wenn auch nur für ca. 30 Minuten. Autofahren im näheren Umfeld war wieder gelegentlich möglich. Der Gutachter hat aber nachvollziehbar keine ausreichende Belastbarkeit für eine mindestens 3-stündige tägliche Erwerbstätigkeit aufgezeigt.
In sämtlichen medizinischen Unterlagen ist bei überwiegend ungestörten mnestischen Funktionen ein defizitärer psychopathologischer Befund mitgeteilt worden. Bei Dr. K. hat sich der Antrieb des Klägers deutlich reduziert dargestellt. Eine affektive Schwingungsfähigkeit hat der Gutachter nicht feststellen können. Hinweise auf Aggravation oder Simulation hat er verneint. Dipl.-Med. S. hat ebenfalls einen reduzierten Antrieb und einen instabilen Affekt bei einem sozialen Rückzug aufgezeigt. Sie hat den Kläger als lust-, freud-, interessen- und antriebslos beschrieben.
Die Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers durch die Fachklinikum B. GmbH & Co. KG vom 2. Januar 2013 ist für den Senat nicht überzeugend. Es sind erhebliche Diskrepanzen insoweit festzustellen, dass einerseits kein erreichtes nennenswertes Therapieergebnis aufgezeigt wurde. Gleichzeitig wurde aber prognostiziert, innerhalb von 2 bis 4 Wochen Arbeitsunfähigkeit könne der Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen erreichen. Eine Verbesserung dessen psychischer Belastbarkeit konnte im Rahmen der 5-wöchigen stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht erreicht werden. Insoweit ist die Einschätzung nicht schlüssig, dass die bei Entlassung aufgezeigte notwendige weitere Stimmungsstabilisierung und Erhöhung der psychischen Belastbarkeit nach 2 bis 4 Wochen erreicht sein würde. Hinzu kommt, dass der Kläger für die empfohlene ambulante Psychotherapie keine Motivation gezeigt hatte, sodass der Prognose eine fundierte Grundlage fehlte.
Im Entlassungsbericht wurde zwar ebenfalls aufgezeigt, dass sich keine mnestischen Störungen gezeigt hätten. Die emotionale Schwingungsfähigkeit wurde als regelrecht, der Antrieb anamnestisch als nur leicht vermindert beschrieben. Der Kläger hatte jedoch ein Vermeidungs- und Schonungsverhalten, auch in der Konfliktvermeidung, gezeigt, verbunden mit einer schlechten Bewältigung der Alltagsanforderungen und der Nichtbewältigung der Arbeitsanforderungen. Die von ihm beklagte Symptomatik im psychischen Befund hatte sich nur unvollständig erklären lassen, ein erheblicher Leidensdrucks sei spürbar geworden. Es wurde in dem Entlassungsbericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von Seiten der Klinik Übereinstimmung mit der Beurteilung des Klägers bestehe, dass durch die Rehabilitationsmaßnahme kein wesentlicher Fortschritt erreicht worden sei.
Da Dr. L. die Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers von dem Ergebnis der vom 6. November bis zum 11. Dezember 2012 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme abhängig gemacht hatte, konnte ihre positive Prognose durch den Reha-Entlassungsbericht nicht bestätigt werden.
Zuvor hatte die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Betriebsmedizin G. nach Untersuchung des Klägers in ihrer gutachterlichen Äußerung für die Agentur für Arbeit Sa. vom 16. November 2010 aufgezeigt, dass sich die prognostische Einschätzung im Reha-Entlassungsbericht der Fachklinikums B. GmbH & Co. KG vom 10. Juni 2010 ebenfalls nicht bestätigt habe. Mangels Rekonvaleszenz sei kein Leistungsvermögen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich für Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes eingetreten.
Nach den Einschätzungen der behandelnden Ärzte und der Gutachter bestehen Behandlungsmöglichkeiten mit Aussicht auf Besserung des Leistungsvermögens, denen der Kläger jedoch ablehnend gegenübersteht. Die bereits nach der stationären Unterbringung im Juni 2009 empfohlene weitere stationäre bzw. tagesklinische Behandlung ist zu keinem Zeitpunkt durchgeführt worden. Der Kläger hatte dies immer wieder mit der Begründung abgelehnt, dass er dies nicht durchhalte. Nach den Feststellungen von Dr. K. haben Behandlungsoptionen für den Kläger neben Bewegungstherapie und ergotherapeutischer Behandlung in der Fortführung der ambulanten fachpsychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung bestanden, die er zumindest teilweise durchführt. Der Kläger befindet sich seit Januar 2010 in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung bei Dipl.-Med. S ...
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts im Urteil vom 21. September 2017 steht die Tatsache, dass sich der Kläger in der Zeit von Juli 2012 bis zur Begutachtung bei Dr. K. am 16. März 2017 keiner therapeutischen Behandlung unterzogen hat, einem Anspruch auf eine - befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht entgegen. Solange nicht ausgeschöpfte therapeutische Behandlungsmöglichkeiten bestehen, ist die Behebung einer rentenberechtigenden Leistungsminderung nicht unwahrscheinlich mit der Folge, dass ausnahmsweise Rente wegen Erwerbsminderung als Dauerrente zu gewähren wäre (BSG, Urteil vom 29. März 2006, B 13 RJ 31/05 R). In diesem Fall kann, wie das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2012 auch ausführt, eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf eine therapierbare psychische Erkrankung gestützt werden. Beim Vorliegen von Behandlungsoptionen ist die Dauerhaftigkeit der psychiatrischen Einschränkungen nicht nachgewiesen. Hingegen schließt das Bestehen erfolgversprechenden Behandlungspotenzials eine zeitlich begrenzte Erwerbsminderung nicht aus, wenn das Leistungsvermögen auf nicht absehbare Zeit auf unter 6 Stunden täglich herabgesunken ist.
Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juli 2012 bis zum 30. Juni 2015, weiter bis zum 30. Juni 2018 und dann weiter bis zum 31. März 2019. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Die Rente wegen voller Erwerbsminderung war zunächst zweimal für 3 Jahre, nämlich bis zum 30. Juni 2017 zu befristen. Der Gutachter Dr. K. hat in seinem Gutachten eine Überprüfung des Leistungsvermögens des Klägers ca. 2 Jahre nach seiner Begutachtung am 16. März 2017 angeregt. In Anbetracht dessen hält der Senat die Voraussetzungen für eine Weiterbewilligung der Rente bis zum 31. März 2019, 2 Jahre nach der Begutachtung, für gegeben.
2.
Beim Kläger besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. März 2019 hinaus. Der Kläger ist ab diesem Zeitpunkt nicht nachgewiesen voll oder teilweise erwerbsgemindert.
Die Feststellung einer Erwerbsminderung unterliegt den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Danach trägt derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache, der daraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will (vgl. BSG, BSGE 6, S. 70, 72; BSGE 19, S. 52, 53). Dies ist im vorliegenden Fall der Kläger, der einen Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. März 2019 hinaus geltend macht.
Der Grundsatz der objektiven Beweislast greift dann ein, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht weiter aufklären kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 118 Rdnr. 6). Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 S. 1 HS 1 SGG). Die Beteiligten sind hierzu mit heranzuziehen (§ 103 S. 1 HS 2 SGG). Eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten - hier des Klägers - besteht immer dann, wenn das Gericht den Sachverhalt anderenfalls nicht oder nicht vollständig selbst erforschen kann (BSG, SozR 1500, § 103 Nr. 27). Die Grenzen der zumutbaren Mitwirkung ergeben sich aus dem den Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) konkretisierenden § 65 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I). Soll Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben werden, trifft den Kläger die Obliegenheit, zum Zweck der Begutachtung beim Sachverständigen zu erscheinen. Das Gericht kann den Kläger aber nicht zwingen, sich einer Untersuchung und Begutachtung zu unterziehen. Verweigert er indessen eine Begutachtung, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das tägliche Leistungsvermögen des Klägers seit 1. April 2019 nicht auf unter 3 Stunden bzw. unter 6 Stunden gemindert. Denn der Nachweis im Sinne des erforderlichen Vollbeweises, also der vollen richterlichen Überzeugung, ist hier nicht erbracht. Die Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers.
Anhand der vorliegenden Unterlagen ist nicht feststellbar, ob am 1. April 2019 die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vorgelegen haben. Dipl.-Med. S. hat in ihrem Befundbericht vom 18. Juli 2018 zwar seit 2016 eine weitere Verschlechterung angegeben. In ihrem Schreiben vom 26. November 2019 hat sie aufgezeigt, dass der Antrieb, die psychische und körperliche Belastbarkeit sowie die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit deutlich reduziert seien. Sie hat eine soziale Isolation und einen Rückzug des Klägers beschrieben. Andererseits war dieser in der Lage, die Wohnung zum Besuch seiner Eltern und zur Wahrnehmung von Terminen zu verlassen. Auch war es dem Kläger möglich, die mit ihr vereinbarten Termine regelmäßig wahrzunehmen (6 Konsultationen im Jahr 2017: 15. Februar, 10. April, 6. Juni, 3. August, 25. September und 20. November 2017, 7 Konsultationen im Jahr 2018: 11. Januar, 7. März, 2. Mai, 26. Juni, 20. August, 18. Oktober und 13. Dezember 2018, 6 Konsultationen im Jahr 2019: 7. Februar, 4. April, 29. Mai, 25. Juli, 19. September und 14. November 2019 jeweils mit einer Dauer von 10 bis 20 Minuten).
Bis auf regelmäßige Konsultationen bei ihr hat sich der Kläger keinen weiteren ärztlichen Behandlungen oder therapeutischen Maßnahmen unterzogen. Die Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen über den Gesundheitszustand des Klägers seit April 2019 war deshalb nicht möglich. Zudem hat der Gutachter Dr. K. seine Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers nur auf 2 Jahre erstreckt.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist im streitgegenständlichen Verfahren nicht möglich gewesen, da sich der Kläger zu einer weiteren Begutachtung durch einen gerichtlichen Sachverständigen nicht zur Verfügung gestellt hat. Er hat den Begutachtungstermin bei Dr. Sc. am 18. April 2019 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen. Er hat im weiteren Verlauf des Verfahrens ausdrücklich die Durchführung einer weiteren Begutachtung abgelehnt. Die Weigerung zur Teilnahme an einer gerichtlich angeordneten ambulanten Begutachtung führt jedoch nur, wenn keine sonstigen Ermittlungen möglich sind (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 103 Rn. 15), dazu, dass die Voraussetzungen des vom Kläger begehrten Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen werden können. Vorliegend waren keine sonstigen Ermittlungen möglich.
Die Nichtaufklärbarkeit des medizinischen Sachverhalts dahingehend, ob die psychiatrische Erkrankung des Klägers auch über den 31. März 2019 hinaus zu einem rentenrelevant eingeschränkten Leistungsvermögen geführt hat, geht zu dessen Lasten. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung über diesen Zeitpunkt hinaus sind nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei dem Prozessergebnis Rechnung getragen.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
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