L 1 KR 360/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 15 KR 155/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 360/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 34/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 7. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung durch eine kassenärztlich nicht zugelassene Psychotherapeutin.

Der bei der Beklagten versicherte Kläger litt an einer längeren depressiven Reaktion.

Am 21. Oktober 2015 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er einen Facharzttermin in D-Stadt wahrgenommen habe. Der Facharzt habe aber die Diagnose der Diplom-Psychologin E. nicht beachtet und sich bereits nach einem 20-minütigen Gespräch seine Meinung gebildet. Er habe immer noch keinen Psychotherapeuten gefunden. Frau E. würde ihn behandeln, sie betreibe allerdings eine Privatpraxis. Er fragte die Beklagte, ob es möglich sei, dass sie die Kosten übernehme, welche die Krankenkasse üblicherweise an den Therapeuten zahle.

Mit E-Mail vom 23. Oktober 2015 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Diplom-Psychologin E. keine Kassenzulassung besitze. Die ambulante Psychotherapie stelle auch keine Maßnahme der Notfallbehandlung dar. Insoweit seien auch längere Wartezeiten bzw. Fahrtstrecken zumutbar. In dringenden Fällen sei ein Facharzt aufzusuchen und eine Krisenintervention durchzuführen. Zudem übersandte sie eine Liste zugelassener Therapeuten in der Umgebung des Wohnortes des Klägers und verwies auf die Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung, über welche Vertragstherapeuten abgerufen werden könnten.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er bereits seit Monaten erfolglos nach einem Therapeuten suche. Er sei nun bereits mehrfach zur Behandlung in der Praxis der Diplom-Psychologin E. gewesen. Ein Neubeginn der Behandlung bei einem anderen Therapeuten sei seiner Genesung abträglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass grundsätzlich nur ein Anspruch auf Kostenübernahme für Psychotherapeuten mit Kassenzulassung bestehe. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) scheitere zudem daran, dass es sich nicht um eine unaufschiebbare, nicht rechtzeitig erbrachte Leistung der Krankenkasse handele. Im Falle einer Behandlung aus dringenden medizinischen Gründen durch einen nicht zugelassenen Therapeuten könne dieser zudem direkt gegenüber der Krankenkasse abrechnen und die Vergütung nicht vom Versicherten verlangen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Über die Notfallbehandlung hinaus bestehe dann jedoch kein Anspruch auf weitere Vergütung. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bestehe im Bereich der ärztlichen Psychotherapeuten und der psychologischen Psychotherapeuten für Erwachsene nach wie vor eine Überversorgung. Es müsse auch eine längere Anfahrt in Kauf genommen werden. Von einer nicht rechtzeitig erbrachten Leistung der Beklagten sei nicht auszugehen.

Am 25. April 2016 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Er hat darauf verwiesen, dass ein Versorgungsmangel bestanden habe. Er habe sich bereits im Juni 2015 mit einer Vielzahl zugelassener Therapeuten in Verbindung gesetzt. Diese hätten die Behandlung jedoch abgelehnt. Auch die Beklagte habe dem Kläger keine angemessene Behandlung vermitteln können. Ein Wechsel des Therapeuten sei inzwischen aufgrund der bereits begonnenen Behandlung nicht mehr förderlich. Bei der Inanspruchnahme der Diplom-Psychologin E. im Juli 2015 habe ein medizinischer Notfall vorgelegen. Der Kläger hat eine Liste von fünf namentlich benannten Psychotherapeuten vorgelegt, die er erfolglos kontaktiert habe. Zudem hat er mitgeteilt, dass er erfolglos versucht habe, mit 12 weiteren, namentlich nicht benannten Praxen Kontakt aufzunehmen. Weitere Beweise habe er nicht gesichert, da er nicht mit einem Klageverfahren gerechnet habe. Er hat einen Bericht der Diplom-Psychologin E. vom 23. August 2016 sowie einen undatierten Bericht des Dr. F. vorgelegt. Das Sozialgericht hat die vom Kläger benannten Therapeuten befragt. Ferner hat es die Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 3. November 2016 zur psycho-therapeutischen Versorgungssituation in Gießen und Umgebung eingeholt.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gemäß §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB V erbringe die Krankenkasse ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als Sach- bzw. Dienstleistung. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V könnten die Versicherten (nur) unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen, wobei zugelassene Psychotherapeuten wie Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung teilnähmen. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürften andere Ärzte in Notfällen in Anspruch genommen werden. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V könnten Versicherte anstelle der Sach- und Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Abgesehen davon könnten abweichend vom Sach- bzw. Dienstleistungsprinzip Kosten nur gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V erstattet werden, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht habe und dem Versicherten dadurch Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden seien. Nach diesen Grundsätzen seien die Kosten der Behandlung durch die Diplom-Psychologin E. nicht zu erstatten. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V scheide aus, da der Kläger nicht die sogenannte Kostenerstattung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB V gewählt habe. Im Übrigen fehle es an der gemäß § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V erforderlichen vorherigen Zustimmung der Beklagten. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheide ebenfalls aus. Voraussetzung einer Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB sei, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien. Dann seien diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei. Der Erstattungsanspruch reiche nicht weiter als ein entsprechender primärer Sachleistungsanspruch. Er setze voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehöre, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. Der Anspruch sei umgekehrt gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt habe und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft habe, wenn insoweit auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung bestehe, die selbstbeschaffte Leistung notwendig sei und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst habe (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 KR 20/08 R -, Rdnr. 10, juris). Hinsichtlich der vor der Antragstellung am 21. Oktober 2015 angefallenen Kosten bestehe bereits kein Anspruch, da der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Es fehle an dem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung. Voraussetzung für diesen Ursachenzusammenhang sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die Kostenbelastung des Versicherten wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhe. Hieran fehle es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden sei, obwohl dies möglich gewesen wäre, oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt gewesen sei (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 KR 20/08 R -, Rdnr. 11, juris, m.w.N.). Der Kläger habe die Behandlung bei der Diplom-Psychologin E. bereits im Juli 2015 begonnen und erst im Oktober 2015 den Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Ein Ursachenzusammenhang scheide daher mangels Vorbefassung der Krankenkasse für die bis zur Antragstellung angefallenen Kosten aus (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. September 2015 L 9 KR 343/14 -, Rdnr. 30, juris). Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankungssituation des Kläger so dringlich gewesen sei, dass sich der Kläger nicht hätte vorab an die Beklagte wenden können (vgl. hierzu z.B. HLSG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - L 1 KR 554/01 -, Rdnr. 30, juris), seien nicht ersichtlich. Zudem stelle sich die Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung der Kosten insgesamt (vor und nach Antragstellung), bereits aufgrund einer Vorfestlegung des Klägers auf die Diplom-Psychologin E. ausscheide. Eine solche würde den notwendigen Ursachenzusammenhang ebenfalls entfallen lassen. Denn mit seinem Widerspruch vom 23. Oktober 2015 habe der Kläger mitgeteilt, dass er aufgrund der bereits erfolgten Behandlung bei Frau E. einen Therapeutenwechsel als wenig sinnvoll ansehe. Zudem habe Dr. F. im März 2017 berichtet, der Kläger wünsche keinen Behandlungswechsel. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben. Denn es besteht auch hinsichtlich der Kosten insgesamt kein Anspruch nach der 2. Alternative des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, da die selbstbeschaffte Leistung nicht zu den Leistungen gehöre, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hätten. Der Kläger habe eine Behandlung bei einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Behandler in Anspruch genommen (vgl. SG Duisburg, Urteil vom 24. Mai 2011 - S 31 (11) KR 208/08 -, Rdnr. 25, juris). Ein Fall der nicht rechtzeitigen Leistungserbringung bei unaufschiebbarer Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V) sei ebenso wenig gegeben. Eine unaufschiebbare Leistung, die durch die Beklagte nicht rechtzeitig erbracht worden wäre, liege nicht vor. Unaufschiebbarkeit einer Behandlungsmaßnahme im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V liege vor allem in den Notfällen im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, d. h. dann, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar sei und der Versicherte daher auf die Hilfe eines Nichtvertragsarztes angewiesen sei. Ferner gehörten dazu aber auch dringende Bedarfslagen, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung stehe. Insbesondere betreffe § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V die Fälle des Systemversagens, der Systemstörungen oder Versorgungslücken (vgl. HLSG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - L 1 KR 554/01 -, Rdnr. 26, juris). Fraglich erscheine im vorliegenden Fall, wie dringlich die Behandlung des Klägers im Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung bei Frau E. im Juli 2015 sowie im weiteren Verlauf gewesen sei. Diese habe in ihrem Befundbericht vom 23. August 2016 mitgeteilt, sie habe anfangs einen verzweifelten, sichtlich depressiven und hilflosen Patienten mit deutlichen subsuizidalen Tendenzen erlebt. Im therapeutischen Setting habe sich jedoch sehr bald eine positive Übertragung entwickelt. Das tatsächliche Ausmaß der Erkrankung könne jedoch dahingestellt bleiben, da nicht davon auszugehen sei, dass die Beklagte eine notwendige Behandlung nicht rechtzeitig erbracht habe. Eine Unmöglichkeit der Behandlung durch einen Vertragsarzt und damit die Unmöglichkeit der Beklagten hinsichtlich einer rechtzeitigen Leistungserbringung durch einen Vertragsbehandler als Sachleistung sei nicht feststellbar. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung gestanden habe bzw. ein Fall des Systemversagens, der Systemstörung oder Versorgungslücken vorgelegen habe. Dies wäre nur der Fall, wenn kein anderer als ein außervertraglicher Leistungserbringer für die Behandlung zur Verfügung gestanden hätte (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 -, Rdnr. 29 ff., 33, juris). Nicht rechtzeitig erbracht habe die Krankenkasse die Leistung, wenn diese den Versicherten, obwohl sie alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan habe, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten, nicht in der - der Dringlichkeit - angemessenen Zeit (insofern sind neben medizinischen auch andere Gründe relevant) zuteil geworden sei. Die Fähigkeit der Kasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, sei grundsätzlich nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Dass der Versicherte von der konkreten Leistungsmöglichkeit (subjektiv) keine Kenntnis habe (z.B. einen zugelassenen Leistungserbringer suche, aber nicht finde), sei regelmäßig unerheblich, wenn und solange er sich, was seiner Obliegenheit entspreche, bei seiner Kasse nicht erkundigt habe (vgl. Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand 11/16, § 13, Rdnr. 50, m.w.N.). Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan habe, um die Leistung auf dem Sachleistungswege rechtzeitig zu erhalten. Zwar habe der Kläger angegeben, er habe sich vor Behandlungsbeginn mit einer Vielzahl an Praxen im weiteren Umkreis seines Wohnortes in Verbindung gesetzt, aber keinen Behandlungstermin angeboten bekommen. Er habe eine Liste mit fünf von ihm kontaktierten Praxen vorgelegt. Auf Anfrage des Gerichts hätten die Diplom-Psychologinnen G. und H. berichtet, der Kläger habe erstmalig im Dezember 2015 (Praxis G.) bzw. im Januar 2016 (Praxis H.) Kontakt aufgenommen. Die Behandlung bei Frau E. habe der Kläger jedoch bereits im Juli 2015 begonnen. Die Diplom-Psychologen J. und K. sowie die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Gießen (Dr. L.) hätten keine Angaben mehr dazu gemacht bzw. machen können, ob sich der Kläger bei ihnen um einen Therapieplatz bemüht habe. Dass er sich bereits vor der Aufnahme der Behandlung bei Frau E. im Juli 2015 hinreichend um einen vertragsärztlichen Therapieplatz bemüht habe, lässt sich den Ermittlungen daher nicht entnehmen. Darüber hinaus würden die Angaben des Klägers sehr vage bleiben und er habe lediglich von einer Kontaktaufnahme mit 12 weiteren Praxen berichtet, ohne diese ausdrücklich zu benennen. Dass der Kläger weitere Beweise nicht vorlegen könne, weil er nicht mit einem Klageverfahren gerechnet habe, ändere nichts daran, dass der Kläger beweisbelastet sei. Überdies habe die Beklagte dem Kläger bereits unmittelbar auf seinen Antrag im Oktober 2015 eine Liste an potentiellen Psychotherapeuten geschickt sowie auf die Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung verwiesen. Auch im Klageverfahren habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass sich über die Kassenärztliche Vereinigung im Umkreis von 20 km um den Wohnort des Klägers insgesamt 176 psychologische Psychotherapeuten fänden sowie 38 psychotherapeutisch tätige Ärzte. Dass der Kläger von allen genannten Therapeuten gegebenenfalls zum Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung bei Frau E. noch keine Kenntnis gehabt habe, sei unschädlich. Denn bei objektiver Leistungsfähigkeit der Krankenkasse sei es unerheblich, ob der Versicherte davon keine Kenntnis gehabt habe, solange er sich nicht bei seiner Krankenkasse erkundige (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R -, Rdnr. 28, juris = BSGE 99, 180). Es reiche auch grundsätzlich, dass zugelassene Therapeuten für den Versicherten verfügbar und leistungsbereit seien. Sie auszuwählen sei Sache des Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R -, Rdnr. 16, juris). Es sei von einer Leistungsfähigkeit der Beklagten auszugehen. Zwar hätten die meisten der vom Kläger angegebenen und vom Gericht befragten Diplom-Psychologen mitgeteilt, die Versorgungssituation sei im Sommer 2015 angespannt gewesen. Einige hätten Wartezeiten von mehreren Monaten mitgeteilt. Dass dies die allgemeine Situation gewesen sei und dem Kläger daher kein Vertragstherapeut zur Verfügung gestanden habe, könne jedoch nicht festgestellt werden. Denn die Kassenärztliche Vereinigung habe auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass in den Jahren 2015 und 2016 eine Überversorgung an Psychotherapeuten im Landkreis Gießen bestanden habe. Statistisch gesehen hätten auch hinsichtlich der Behandlungsminuten bei der Hälfte der Psychotherapeuten freie Kapazitäten bestanden. Auch in den höher belasteten Städten Lich, Hungen und Reiskirchen hätten einzelne Psychotherapeuten statistisch gesehen freie Kapazitäten gehabt. Seien damit im Bezirk des Klägers ausreichend zugelassene Psychotherapeuten niedergelassen gewesen, die den Anspruch des Klägers im Wege der Dienst- und Sachleistung haben erfüllen können, habe kein Anspruch auf Behandlung durch einen nicht zugelassenen Therapeuten mit anschließender Kostenerstattung bestanden. Der Kläger habe sich eines außerhalb des Systems stehenden Leistungserbringers bedient und sei daher auch für zukünftige Leistungen nicht schutzwürdig (vgl. ähnlich BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R -, Rdnr. 27, 35 juris). Darüber hinaus sei auch weiterhin von der Möglichkeit einer Leistungserbringung durch die Beklagte auszugehen. Dies zeigte auch die Stellungnahme von Dr. F., der von einem grundsätzlich bestehenden Behandlungsplatz berichtet habe. Zwar habe dieser auch angegeben, er halte einen Wechsel des Therapeuten für kostenintensiver als die Fortführung der Therapie bei der bisherigen Therapeutin. Dies sei jedoch kein entscheidungsrelevantes Kriterium, welches zu einer Kostenübernahme führen könne. Darüber hinaus habe Dr. F. mitgeteilt, es sei dem Kläger inzwischen nicht mehr zuzumuten, den Therapeuten zu wechseln, da er sich bei Frau E. gut behandelt fühle. Wenn dies doch geschehe, entstehe ein Schaden für den Kläger, der in einer Verunsicherung, Ablehnung und Frustration seiner Person bestehe. Darin sehe das Gericht bereits keine derart schweren Folgen, die einem Behandlungswechsel zwingend entgegenstünden. Zudem habe der Kläger diese Situation selbst mitverursacht, indem er sich in die Behandlung bei der kassenärztlich nicht zugelassenen Therapeutin begeben habe. Durch die Aufnahme der Behandlung im Juli 2015 bei Frau E. sei dem Kläger eine Tür geöffnet worden, ohne dass jemand zugleich dafür habe einstehen können, dass die begonnene Behandlung auch auf Kosten der Krankenkasse erfolgen könne. Das System sehe lediglich eine Behandlung durch einen Vertragstherapeuten vor. Dem gegebenenfalls bestehenden subjektiven Gefühl des Klägers, dass ein Abbruch der Behandlung bei Frau E. und der Beginn einer Behandlung bei einem Vertragstherapeuten inzwischen nicht mehr möglich sei, sei die Beklagte mit ihrem rechtmäßig ergangenen Ablehnungsbescheid begegnet. Ein rechtlich relevantes "Systemversagen" sei hierin nicht zu erblicken (vgl. ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. September 2015 - L 9 KR 343/14 -, Rdnr. 33, juris). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen komme auch bei Notfällen nicht in Betracht. Soweit Versicherte nicht zugelassene, approbierte Psychotherapeuten unmittelbar in Anspruch nehmen würden, weil sie auf Akutbehandlung angewiesen seien und ein zugelassener Leistungserbringer zumutbar nicht erreichbar sei, seien diese Psychotherapeuten nach § 76 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V auf Abrechnung aus der Gesamtvergütung verwiesen und könnten ihre Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen. Im Falle eines Notfalls sei auch der Therapeut nur auf die Notfallbehandlung beschränkt. Er dürfe die enge Ausnahmevorschrift des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGBV nicht als Einfallstor für umfangreiche Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nutzen (vgl. ähnlich BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R , Rdnr. 27, 30 ff., juris).

Der Kläger hat gegen den ihm am 15. Mai 2018 zugestellten Gerichtsbescheid am 12. Juni 2018 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass das Sozialgericht sich im Wesentlichen auf die theoretische Situation und Versorgungskapazitäten berufe. Es möge sein, dass theoretisch eine Überversorgung bestehe. Die Wirklichkeit sehe jedoch anders aus. Es gehe um eine Einzelfallentscheidung. Der Kläger habe alles ihm Zumutbare getan, um einen dringend benötigten Therapieplatz zu erreichen. Die vom Sozialgericht angehörten Therapeuten hätten klargestellt, dass eine Behandlung entweder nicht oder nur nach einer mehrmonatigen Wartezeit möglich gewesen wäre. Angesichts der gesundheitlichen Probleme des Klägers und der von seiner Therapeutin angesprochenen Suizidgefahr sei dies nicht hinnehmbar gewesen. Er habe sich daher rechtskonform verhalten. Auch hätte ein Wechsel der Therapeutin überhaupt keinen Sinn gemacht. Ein Vergleichsvorschlag der Beklagten wäre daher wünschenswert gewesen. Soweit das Sozialgericht ausgeführt habe, dass § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht als "Einfallstor" für umfangreiche Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung genutzt werde, sei dies nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe vielmehr mehrfach dargelegt, dass es ihm gesundheitlich sehr schlecht gegangen sei. Er sei auf die Hilfe eines Nichtvertragsarztes angewiesen gewesen. Im Erörterungstermin vor der Berichterstatterin hat der Kläger angegeben, dass die Behandlung durch die Diplom-Psychologin E. Ende 2017 beendet worden sei. Er sei nach einer Wiedereingliederung wieder voll berufstätig.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 7. Mai 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die ihm entstandenen Kosten für die Behandlung durch die Diplom-Psychologin E. zu erstatten und die Beklagte zu verpflichten, weiterhin die Kosten der weiterführenden Behandlung durch diese zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 21. Februar 2019 mit einer Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 ist rechtmäßig.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig.

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren begründet keine andere Entscheidung. Insbesondere kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die vom Sozialgericht angehörten Therapeuten klargestellt hätten, dass sie den Kläger nicht oder erst nach einer mehrmonatigen Wartezeit hätten behandeln können. Lediglich die Diplom-Psychologin G. hat unter dem 4. Oktober 2016 ausgeführt, dass sie dem Kläger auf dessen Anfrage vom Dezember 2015 keinen Therapieplatz habe anbieten können. Die Diplom-Psychologin J. und der Diplom-Psychologe K. haben keine Angaben zu dem Kläger gemacht bzw. machen können. Bei der Diplom-Psychologin H. hat sich der Kläger am 6. Januar 2016 per Email gemeldet, auf ihr Schreiben vom 13. Januar 2016 aber nicht mehr reagiert. Damit ist ungeklärt, ob sie dem Kläger einen freien Therapieplatz ab Ende Februar 2016 hätte anbieten können. Dr. L. vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg hat unter dem 13. Oktober 2016 erklärt, dass sich der Kläger dort nicht in Behandlung befunden habe. Dr. F. hat in seiner undatierten Stellungnahme, die bei dem Klägerbevollmächtigten am 15. März 2017 eingegangen ist, mitgeteilt, dass der Kläger sich "heute" bei ihm vorgestellt habe, ein Behandlungsplatz frei sei, er ihm diesen aber aufgrund der bereits laufenden Therapie nicht anbiete. Ob der Kläger sich bei weiteren Therapeuten gemeldet hat, die ihn abgewiesen oder auf eine mehrmonatige Wartezeit verwiesen haben, ist nicht nachgewiesen. Zudem hat der Kläger nicht dargelegt, welche Therapeuten er bereits vor Beginn der Behandlung im Juli 2015 sowie in den Monaten danach kontaktiert hat. Damit ist keineswegs dargelegt, dass der Kläger sich im zumutbaren Umfang um einen Therapieplatz bemüht hat. Ferner ist - wie vom Sozialgericht bereits ausgeführt - nicht nachgewiesen, dass im maßgeblichen Zeitraum eine Unterversorgung im Umkreis von 20 km um den Wohnort des Klägers bestanden hat. Zwar weisen die Angaben der Diplom-Psychologin J. und des Diplom-Psychologen K. auf mehrmonatige Wartezeiten hin. Die Angaben dieser beiden in A-Stadt praktizierenden Therapeuten können jedoch nicht belegen, dass im Umkreis von 20 km um den klägerischen Wohnort eine Unterversorgung bestanden hat. Die Beurteilung der Kassenärztlichen Vereinigung vom 3. November 2016, Anfang 2016 habe im Landkreis Gießen eine psychotherapeutische Überversorgung vorgelegen und im Sommer 2015 sei der Planungsbereich Gießen gut versorgt gewesen, ist mithin keineswegs widerlegt. Damit ist auch nicht belegt, dass nur ein außervertraglicher Leistungserbringer für die Behandlung des Klägers zur Verfügung gestanden hat, so dass dahinstehen kann, wie dringlich eine psychotherapeutische Behandlung des Klägers gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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