S 46 (41) 76/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
46
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 46 (41) 76/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 68.422,51 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Betriebsprüfung um die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung im Zeitraum 01.07.2001 bis 31.12.2005. Die Beklagte fordert mit dem angegriffenen Bescheid Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG; gültig bis zum 31.12.2005) in Höhe von insgesamt 68.422,51 EUR.

Die Klägerin ist Großhändlerin für Ersatzteile, Zubehör und Komponenten der Reinigungstechnik. Der Beigeladene war aufgrund eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 04.05.1999 ab 01.06.1999 bei der Klägerin als Geschäftsführer angestellt und als solcher im Handelsregister eingetragen. Die Bestellung zum weiteren Geschäftsführer neben C e X1 erfolgte durch Gesellschafterbeschluss vom 26.11.1999 mit sofortiger Wirkung. Die Eintragung im Handelsregister als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer neben C e X1 erfolgte am 15.12.1999. Das monatliche Festgehalt des Beigeladenen betrug 18.600,00 DM brutto ab 01.10.1999 und 24.500,00 DM brutto ab 01.01.2000. Hinzu kamen noch eine erfolgsabhängige Tantieme und ein zur Privatnutzung freigegebenes Dienstfahrzeug. Bis zum 30.06.2001 wurden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung von der Klägerin für den Beigeladenen abgeführt. Zu seinen Aufgaben gehörten umfassende Tätigkeiten als Geschäftsführer bezogen auf die Klägerin, als auch "sich um die Firma T1 zu kümmern". Die T1 GmbH & Co. KG ("Firma T1") war bis Mitte 2001 eine 100% ige Tochtergesellschaft der Klägerin. Sie produzierte einen Teil des von der Klägerin vertriebenen Sortiments.

Am 21.06.2001 gründete der Beigeladene die M1 Beteiligungs GmbH. Er war deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Arbeitnehmer beschäftigte die M1 Beteiligungs GmbH im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Die M1 Beteiligungsgesellschaft erwarb Anteile an der Klägerin, der Firma T1, wenig darauf auch an einem konkurrierenden Schlauchgroßhandel (M2X2N1 Ipt2B1dd GmbH).

Das Stammkapital der Klägerin hielt bis 20.06.2001 C e X1 zu 100 %. Mit Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 21.06.2001 wurde das Stammkapital der Klägerin zu 90 % auf die E X1 Beteiligungs GmbH und zu 10 % auf die M1 Beteiligungs GmbH übertragen. In gleichen Anteilen wurde auch das Stammkapital der Firma T1 aufgeteilt und auf die beiden Beteiligungsgesellschaften übertragen.

Mit einem Dienstleistungsvertrag vom 02.07.2001 zwischen der M1 Beteiligungs GmbH ("Leistender") und der Klägerin ("Berechtigter") vereinbarten die Beteiligten die Erbringung von "Management-Dienstleistung zur laufenden Steuerung und Kontrolle des Geschäftsbetriebes". Auszugsweise lautet der Vertrag:

§ 1 Vertragsgegenstand

1. Der Leistende erbringt für den Berechtigten und die von diesem industriell geführten Unternehmen Management-Dienstleistungen zur laufenden Steuerung und Kontrolle des Geschäftsbetriebes und stellt hierzu seinen Geschäftsführer V M1 zur Verfügung. Ein Austausch der zur Verfügung gestellten Person ist nur nach Absprache mit dem Berechtigten zulässig. 2. Der Leistende bzw die von ihm gestellte Person handeln gegenüber Dritten stets im Namen und für Rechnung des Berechtigten. Der Berechtigte wird die hierfür erforderlichen Vollmachten erteilen.

§ 2 Umfang der Dienstleistungen

1. Die vom Leistenden zu erbringenden Leistungen umfassen die Steuerung/Kontrolle der internen Arbeits- und Produktionsabläufe, der Vertriebs- und Absatzplanung, der Beschaffung, der Produktentwicklung, der Vertriebspolitik und der Unternehmensplanung. Bei der Erbringung der Leistungen ist der Leistende an die Satzung und die Geschäftsordnung des Berechtigten gebunden. 2 ... § 5 Honorar, Auslagenersatz

1. Leistender hat Anspruch auf ein festes Honorar von DM 313.440,- pro Kalenderjahr sowie auf eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 10% der in den Handelsbilanzen des Berechtigten und der von ihm industriell geführten Tochterunternehmen ausgewiesenen Jahresüberschüsse, soweit diese nicht zur Tilgung eines Verlustvortrages benötigt werden und soweit sie nicht infolge Gewinnausschüttung mehrfach erfasst sind ...

Am 22.12.2001 ersetzten die Vertragsparteien den Vertrag durch einen neuen Dienstleistungsvertrag, der in folgenden Punkten abweicht:

§ 1 Vertragsgegenstand

1. Der Leistende erbringt für den Berechtigten und die von diesem industriell geführten Unternehmen Management-Dienstleistungen zur laufenden Steuerung und Kontrolle des Geschäftsbetriebes und stellt hierzu seinen Geschäftsführer V M1 zur Verfügung. Ein Austausch der zur Verfügung gestellten Person ist nur nach Absprache mit dem Berechtigten zulässig. 2. Der Leistende bzw die von ihm gestellte Person handeln gegenüber Dritten stets im Namen und für Rechnung des Berechtigten. Der Berechtigte wird die hierfür erforderlichen Vollmachten erteilen.

§ 2 Umfang der Dienstleistungen

1. Die vom Leistenden zu erbringenden Leistungen umfassen die Steuerung/Kontrolle der internen Arbeits- und Produktionsabläufe, der Vertriebs- und Absatzplanung, der Beschaffung, der Produktentwicklung, der Vertriebspolitik und der Unternehmensplanung alle Aufgaben, die einem Geschäftsführer beim Berechtigten satzungsgemäß obliegen. Bei der Erbringung der Leistungen ist der Leistende an die Satzung und die Geschäftsordnung des Berechtigten gebunden. 2 ... § 5 Honorar, Auslagenersatz

1. Leistender hat Anspruch auf ein festes Honorar von DM 313.440,- pro Kalenderjahr Euro 5.000,00 pro Monat sowie auf eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 10% der in den Handelsbilanzen des Berechtigten und der von ihm industriell geführten Tochterunternehmen ausgewiesenen Jahresüberschüsse, soweit diese nicht zur Tilgung eines Verlustvortrages benötigt werden und soweit sie nicht infolge Gewinnausschüttung mehrfach erfasst sind ...

Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erklärte der Beigeladene, dass ein ebensolcher Dienstleistungsvertrag wie der vom 22.12.2001 auch zwischen der Firma T1 und der M1 Beteiligungs GmbH geschlossen wurde. Zusammengerechnet hätten die Honorare der Klägerin und der Firma T1 in etwa seinem ehemaligen Geschäftsführergehalt entsprochen.

Am 23.12.2005 wurde der Beigeladene im Handelsregister als Geschäftsführer der Klägerin gelöscht. Neu eintragen als einzelvertetungsberechtigter Geschäftsführer wurde am gleichen Tag der Sohn der C e X1, B2 e X1.

Die Beklagte führte vom 06.06.2005 bis 08.11.2005 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Im Anschluss daran hörte sie die Klägerin und den Beigeladenen mit Schreiben vom 12.05.2006 zu der Absicht an, für die vom Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin das Vorliegen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV festzustellen.

Die Klägerin und der Beigeladene stellten mit Schreiben vom 14.06.2006 dar, dass aus ihrer Sicht seit dem 01.07.2001 kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr bestehe. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen sei einvernehmlich aufgehoben worden. Der Beigeladene habe die M1 Beteiligungs GmbH gegründet, um mit dieser Beteiligungen an Unternehmen zu erwerben, diese auf der Basis von Beraterverträgen mit Dienstleistungen zur Unternehmensführung zu betreuen und am wirtschaftlichen Erfolg einschließlich des Wertzuwachses der Unternehmen teilzuhaben. Folgerichtig habe die M1 Beteiligungs GmbH 10% der Klägerin erworben und einen Dienstleistungsvertrag mit der Klägerin geschlossen. Der Beigeladene habe sein Gehalt ausschließlich von der M1 Beteiligungs GmbH bezogen, sei aber insoweit nicht sozialversicherungspflichtig gewesen, weil er Alleingesellschafter der M1 Beteiligungs GmbH gewesen sei. Formal sei er zwar noch als Geschäftsführer der Klägerin eingetragen geblieben, dies begründe jedoch kein Beschäftigungsverhältnis sondern lediglich seine gesetzliche Stellung als Organ der Gesellschaft. Er sei nicht in die innere Ordnung der Klägerin eingegliedert gewesen, er habe nur Beratungsdienstleistungen erbracht.

Mit Schreiben vom 28.11.2007 hörte die Beklagte die Klägerin zu der Absicht an, die vom Beigeladenen für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit im Zeitraum 01.07.2001 bis 31.12.2005 als abhängig und sozialversicherungspflichtig festzustellen und Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG; gültig bis zum 31.12.2005) in Höhe von insgesamt 68.422,51 EUR nachzufordern. Unter dem 23.06.2008 erließ sie den entsprechenden Bescheid, gegen den die Klägerin am 27.06.2008 Widerspruch einlegte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009 zurück.

Am 26.05.2009 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Düsseldorf. Sie ist der Ansicht, ab dem 01.07.2001 liege keine versicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin mehr vor. Vertragspartner der S+N2 e X1 GmbH sei ab 01.07.2001 die M1 Beteiligungs GmbH und nicht der Beigeladene persönlich gewesen. Ein Leistungsaustausch (Managementdienstleistungen gegen Vergütung) sei nur zwischen den beiden Gesellschaften erfolgt. Mit dem Beigeladenen persönlich habe keine Vertragsbeziehung bestanden. Die Klägerin sei gegenüber dem Beigeladenen auch nicht weisungsbefugt gewesen. Im Fall von Schwierigkeiten hätte sie sich nur an die M1 Beteiligungs GmbH halten können. Die Bestellung des Beigeladenen zum Geschäftsführer der Klägerin wirke allein auf das Außenverhältnis der Klägerin. Im Innenverhältnis zum Beigeladenen sei bewusst keine vertragliche Regelung getroffen worden, da eine Vertragsbeziehung nur zur M1 Beteiligungs GmbH gewollt gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid weiterhin für zutreffend. Der Beigeladene sei nach dem 01.07.2001 bis Ende 2005 weiterhin als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen geblieben. Das Honorar an die M1 Beteiligungs GmbH sei im Ergebnis vollständig dem Beigeladenen zugeflossen, da dieser Alleingesellschafter der M1 Beteiligungs GmbH gewesen sei. Dieses Geld sei zumindest auch als Entlohnung für die rechtliche Handlungsfähigkeit der Klägerin nach außen, also für die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin, zu betrachten. Trotz Gründung und Zwischenschaltung der Ein-Personen-GmbH habe der Beigeladene weiterhin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden.

Der Beigeladene schließt sich dem Vortrag der Klägerin an, stellt jedoch keinen Antrag. Wegen seiner ergänzenden Ausführungen zum Sachverhalt wird auf die Sitzungsprotokolle des Erörterungstermins am 01.12.2011 und des Verhandlungstermins am 17.07.2013 Bezug genommen. Er macht geltend, er habe sich ab Mitte 2001 immer mehr um die Belange der Firma T1 gekümmert, bis er fast nur noch für die Firma T1 tätig gewesen sei und daher auch seinen Wohnsitz verlegt habe. Dies habe sich dann auch finanziell in den Verträgen der Klägerin und später dann auch der Firma T1 mit seiner Beteiligungsgesellschaft wiedergespiegelt. Für die Klägerin habe er schließlich nur noch strategische Planung und das Coaching der Söhne von e X1 übernommen. Er habe praktisch nur noch eine beratende Tätigkeit für die Klägerin ausgeübt und sei in deren tägliches Geschäft nicht mehr involviert gewesen. Die Bestellung als Geschäftsführer im Handelsregister habe nur noch pro forma weiter bestanden. Hierzu führte C e X1 in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage ergänzend aus, der Beigeladene sei als Geschäftsführer eingetragen geblieben, da er selbst viele Reisen habe unternehmen müssen. In seiner Abwesenheit sei der Beigeladene dadurch in der Lage gewesen, für die Klägerin wirksame Unterschriften zu leisten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Nachforderung der in den angefochtenen Bescheiden aufgeführten Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Zu Recht hat die Beklagte aufgrund der Betriebsprüfung nach § 28 p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) festgestellt, dass der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum sozialversicherungspflichtig bei der Klägerin beschäftigt war und daher Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz in Höhe von 68.422,51 EUR nachgefordert.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. BSG Urteil vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07R; BSG Urteil vom 28.09.2011, B12 R 17/09 R).

Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Beigeladene auch über den 30.06.2001 hinaus im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum weiterhin bei der Klägerin abhängig beschäftigt.

Bis zum 30.06.2001 war der Beigeladene unstreitig bei der Klägerin als Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte von Anfang an neben allgemeinen typischen Geschäftsführeraufgaben auch das "Kümmern" um die Firma T1 und das Coachen der Söhne des C e X1, die in ihre spätere Aufgabe als Geschäftsführer reinwachsen sollten. Im Laufe des Jahres 2001 wurde seine Tätigkeit für die Firma T1 immer umfangreicher, so dass er schließlich sein Büro und auch seinen Wohnsitz dorthin verlegte und überwiegend für die Firma T1 als Geschäftsführer tätig war. Dieser Wechsel der Tätigkeit fiel jedoch nicht mit der Gründung seiner Beteiligungsgesellschaft und der Vertragsumstellung zusammen, sondern entwickelte sich erst im weiteren Verlauf des Jahres 2001. Dies wurde einerseits vom Beigeladenen und e X1 in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage vorgetragen, ergibt sich aber auch aus den Verträgen zwischen der Klägerin und der M1 Beteiligungsgesellschaft.

Im ersten Dienstleistungsvertrag vom 02.07.2001 zwischen der Lohmann Beteiligungs GmbH und der Klägerin vereinbarten die Vertragsparteien die Erbringung von "Management-Dienstleistung zur laufenden Steuerung und Kontrolle des Geschäftsbetriebes" der Klägerin. In der Leistungsbeschreibung waren typische Geschäftsführertätigkeiten einzeln aufgelistet (Steuerung/Kontrolle der internen Arbeits- und Produktionsabläufe, der Vertriebs- und Absatzplanung, der Beschaffung, der Produktentwicklung, der Vertriebspolitik und der Unternehmensplanung). Vertraglich war geregelt, dass diese Leistungen ausschließlich durch den Beigeladenen persönlich zu erbringen seien. Das vereinbarte Honorar entsprach der bis dahin vereinbarten Vergütung aus dem alten Geschäftsführerdienstvertrag. Insoweit ergab sich zum 01.07.2001 inhaltlich keine Veränderung der Verhältnisse. Die Klägerin und der Beigeladene haben lediglich eine neue rechtliche Konstruktion gewählt, mit dem Ziel, Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden. Die Gründung einer Ein-Personen-GmbH kann jedoch nicht zur Umgehung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses führen. Geschäftsführer der Klägerin kann nur eine natürliche Person, hier der Beigeladene, nicht seine Beteiligungsgesellschaft sein. Beurteilt nach den tatsächlichen Verhältnissen war der Beigeladene weiterhin (im Rahmen des für einen Fremdgeschäftsführer Üblichen) weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden, wenngleich er aufgrund seiner Geschäftsführertätigkeit und des bestehenden Vertrauensverhältnisses mit C e X1 viele persönliche, zeitliche und örtliche Freiheiten genoss. Zwar wurde glaubhaft vorgetragen, dass C e X1 dem Beigeladenen persönlich keine konkreten Weisungen erteilt hat und es hierzu auch keine schriftliche Vertragsabrede gab. Es war jedoch immer klar, dass der Beigeladene im Interesse der Klägerin und nach den Vorstellungen des C e X1 zu handeln habe. Im Streitfall hätte der C e X1 über seine Beteiligungsgesellschaft, die 90 % der Anteile der Klägerin hielt, zu jeder Frage einen Gesellschafterbeschluss in seinem Sinne erwirken und dem Beigeladenen insoweit "seinen Willen aufzwingen" können. Aus dem gesamten klägerischen Vortrag und der Vertragsgestaltung wird deutlich, dass-C e X1 "die Zügel in der Hand behalten" wollte. Der Beigeladene hatte in keinster Weise "das Sagen" in der Klägerin.

Dass der Beigeladene kein Geschäftsführergehalt mehr direkt von der Klägerin erhielt, ist für die Beurteilung seiner abhängigen Beschäftigung unschädlich, denn die Entlohnung für seine Dienste erfolgte nunmehr über den Umweg der Ein-Personen-GmbH in Form eines an diese zahlbaren Honorars. Dieses Honorar lässt sich ohne weiteres unter den in § 14 SGB IV definierten Begriff des Arbeitsentgelts fassen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Da der Beigeladene der alleinige Gesellschafter der M1 Beteiligungs GmbH war, kamen ihm sämtliche Honorarzahlungen der Klägerin direkt persönlich zugute.

Damit steht fest, dass der Beigeladene über den 30.06.2001 hinaus weiterhin mit seiner Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin sozialversicherungspflichtig war. Die Gründung seiner Ein-Personen-GmbH geht insoweit sozialversicherungsrechtlich ins Leere.

Eine tatsächliche Änderung seiner Tätigkeit für die Klägerin ergab sich erst gegen Ende 2001, wie sich dies auch in dem neuen Dienstleistungsvertrag vom 22.12.2001 wiederspiegelt. Die M1 Beteiligungs GmbH sollte jetzt nur noch Management Dienstleistungen für die Klägerin erbringen, nicht mehr für die von ihr industriell geführten Unternehmen, d.h. auch nicht mehr für die Firma T1. Mit der Firma T1 schloss der Beigeladene, bzw. seine Ein-Personen-GmbH einen gesonderten Vertrag. Auch waren im neuen Dienstleistungsvertrag keine konkreten Geschäftsführertätigkeiten mehr aufgelistet, sondern nur noch pauschal "alle Aufgaben, die einem Geschäftsführer beim Berechtigten satzungsgemäß obliegen" angeführt. Vor allem aber verringerte sich das Honorar von DM 313.440 pro Kalenderjahr (= EUR 160.259 pro Kalenderjahr = EUR 13.355 pro Monat) auf nur noch EUR 5.000 pro Monat. Insoweit drückt sich auch finanziell aus, dass der Beigeladene nunmehr einen Großteil seiner Arbeitskraft der Firma T1 widmete (die ihn dafür auch gesondert vergütete) und nur noch einen deutlich kleineren Anteil für die Klägerin aufwenden konnte. Dies steht jedoch einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Denn eine natürliche Person kann ohne weiteres in mehreren abhängigen Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander oder auch neben einer selbstständigen Tätigkeit stehen.

Auch wenn der Beigeladene ab Ende 2001 nur noch selten am Firmensitz der Klägerin anwesend sein musste und auch praktisch keine operativen Aufgaben mehr für die Klägerin wahrzunehmen hatte, so gehörte es dennoch bis zuletzt zu seinen Aufgaben, die Klägerin nach außen zu vertreten und handlungsfähig zu halten, insbesondere wenn der Hauptgeschäftsführer, C e X1, ortsabwesend war. Daher blieb der Beigeladene auch bis Ende 2005 als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Hätte der Beigeladene gar keine Geschäftsführertätigkeiten und nur noch externe Beratungs- und Coachingaufgaben für die Klägerin wahrnehmen sollen, so hätte man ihn ohne weiteres als Geschäftsführer aus dem Handelsregister entfernen können. Dies wurde jedoch, wie auch in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, bewusst unterlassen, damit der Beigeladene die Klägerin weiterhin wirksam in allen Belangen nach außen vertreten konnte. Hinsichtlich seiner (im Vergleich zu früher im Umfang deutlich reduzierten) Geschäftsführertätigkeit für die Klägerin unterlag der Beigeladene auch weiterhin dem Weisungsrecht des hinter der Hauptgesellschafterin stehenden C e X1. Die Sozialversicherungspflicht bestand somit fort.

Die Höhe der erhobenen Beiträge ist nicht zu hoch bemessen. Bei der Berechnungsweise sind keine grundsätzlichen Fehler zu erkennen. Allerdings ist die Beklagte im Zeitraum 01.07.2001 bis 31.12.2001 von einem zu niedrigen Grundgehalt ausgegangen. Da ihr der Vertrag vom 02.07.2001 (Jahresgehalt 313.440,00 DM = Monatsgehalt 26.120,00 DM = 13.355,01 EUR) nicht vorlag, hat die Beklagte ihren Berechnungen auch in den ersten sechs Monaten nur ein Monatsgehalt von 5.000,00 EUR anstelle der tatsächlich bezahlten 13.355,01 EUR monatlich zugrunde gelegt. Hierdurch ist die Klägerin jedoch nicht beschwert, denn es wurde ein geringerer Beitrag nachgefordert, als die Klägerin tatsächlich schuldet.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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