L 9 BA 112/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 232/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 BA 112/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das Erfordernis, dass die Gesellschafterversammlung nur einstimmig über die Änderungen des Geschäftsführervertrags mit dem Minderheitsgesellschafter beschließen kann, verschafft diesem keine Sperrminorität oder eine dem gleichgestellte Rechtsmacht, Weisungen an sich zu verhindern.
2. Eine wirtschaftliche Überlegenheit in der GmbH ersetzt die rechtliche nicht.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 1) seit dem 31. März 2017 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Klägerin zu 1) ist eine Sgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Gemäß ihrem Gesellschaftsvertrag verfügte sie 2017 über ein Stammkapital in Höhe von 150.000 EUR. Von den Gesellschaftsanteilen hielten im Januar 2017 der Kläger zu 2) 75.000 Euro (50 %), Herr J-G 37.500 Euro, Frau K 22.500 Euro sowie die ASgesellschaft mbH 15.000 EUR.

Der Kläger zu 2) verkaufte am 24. Februar 2017 an Herrn M insgesamt 30.000 Euro seiner Geschäftsanteile. Mit dem verbliebenen Anteil in Höhe von 45.000 Euro hielt er noch 30 % der Kapitalanteile. Die Abtretung des Teilgeschäftsanteils sollte zum 1. März 2017 erfolgen, nicht jedoch vor vollständiger Kaufpreiszahlung (Ziff. 2 des notariellen Kaufvertrags). Die vollständige Kaufpreiszahlung durch Herrn M erfolgte am 28. März 2017, die Eintragung der Anteilsübertragung ins Handelsregister erfolgte am 31. März 2017. Im Zuge einer Aufnahme eines weiteren Gesellschafters und der Erhöhung des Stammkapitals auf 180.000 Euro verringerte sich der prozentuale Gesellschaftsanteil des Klägers danach noch und liegt nunmehr bei 25 %.

Gemäß dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin werden Beschlüsse der Gesellschafter mit einer Mehrheit von mindestens 55 % der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 7 Abs. 4 Gesellschaftsvertrag). Gemäß § 7 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages sind Beschlüsse, die der Geschäftsführung die Unabhängigkeit und Freiheit zu pflichtgemäßem Handeln nehmen, unwirksam. Zur Ausübung von Gesellschafterrechten können nur Personen bevollmächtigt werden, die Steuerberater, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer sind (§ 7 Abs. 6 Gesellschaftsvertrag). Gemäß § 7 Abs. 9 erfolgt die Abstimmung der Gesellschafter im Rahmen der gesetzlichen Regelung und nach Maßgabe der Regelung in § 7 Abs. 3 und Abs. 4. Abweichend davon bedarf es für folgende Entscheidungen eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses: • Veräußerung des Geschäftsbetriebs im Ganzen;

• Festsetzung der Geschäftsführervergütung sowie Abschluss, Aufhebung und Änderung von Geschäftsführerverträgen;

• Auflösung der Gesellschaft;

• Errichtung und Auflösung von Zweigniederlassungen, bei der Auflösung von Zweigniederlassungen gilt der Vorbehalt nicht, wenn die Voraussetzung des § 34 Abs. 2 StBerG nicht erfüllt sind;

• Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten;

• Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften oder sonstigen Rechtsgeschäften über Beteiligungen;

Der Kläger zu 2) ist neben zwei weiteren Gesellschaftern zum Geschäftsführer für die Klägerin bestellt Er schloss am 28. Juli 2014 mit der Klägerin zu 1) mit sofortiger Wirkung einen Gesellschafter-Geschäftsführervertrag.

Dieser enthielt unter anderem folgende Bestimmungen

§ 2 Kündigung

1. Dieser Vertrag kann, soweit dem § 1 nicht entgegensteht, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden. 2. Eine außerordentliche Kündigung ist aus wichtigem Grund möglich. 3. Die Kündigung hat durch eingeschriebenen Brief zu erfolgen.

§ 3 Aufgabengebiet

1. Der Gesellschafter-Geschäftsführer hat alle Geschäfte der GmbH mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der Geschäftsordnung und der Gesellschafterbeschlüsse durchzuführen. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken und weisungsfrei im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort, Art und Umfang der Tätigkeit. Die Zuständigkeitsbereiche der Gesellschafter-Geschäftsführer werden in einem Geschäftsverteilungsplan festgelegt. 2. Jeder Gesellschafter-Geschäftsführer ist berechtigt, über die Annahme und Ablehnung eines Mandats selbstständig zu entscheiden, berufsrechtliche Bestimmungen sind dabei zu beachten. Die Gesellschafter-Geschäftsführer haben sich fortlaufend über neue Mandate zu unterrichten. 3. Ihm obliegen die gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten nach den §§ 33, 57 Abs. 3 StBerG, insbesondere die Ausübung der Hilfeleistungen in Steuersachen gemäß § 1 Abs. 1 und 2 StBerG und die Verwaltung fremden Vermögens. Hinsichtlich der Ausübung seiner steuerberatenden Berufstätigkeit unterliegt der Gesellschafter-Geschäftsführer keinen Beschränkungen durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Einflussnahmen der Gesellschafter, namentlich durch Weisungen oder vertragliche Bindungen sind unzulässig

§ 4 Vertretung und Geschäftsführung

1. Der Gesellschafter-Geschäftsführer führt die Geschäfte und vertritt die GmbH gerichtlich und außergerichtlich. Er ist alleinvertretungs- und geschäftsführungsberechtigt. Einschränkungen ergeben sich durch Gesetz, Satzung und Beschlüsse der Gesellschafter. 2. Investitionsentscheidungen bis zu 5.000 EUR trifft jeder Gesellschafter-Geschäftsführer allein. Bei Investitionsentscheidungen über 5.000 EUR ist die mündliche Zustimmung eines weiteren Gesellschafter-Geschäftsführers einzuholen. 3. Außergewöhnliche Geschäfte bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter-Geschäftsführer. Als außergewöhnliche Geschäfte gelten insbesondere: a) Abschluss oder Kündigung von Mietverträgen b) Kreditaufnahme c) Erwerb/Beteiligung an Praxen, die dem Gesellschaftszweck entsprechen d) Abschluss oder Änderung der Berufshaftpflichtversicherung. Die Einstellung oder Kündigung von Mitarbeitern obliegt dem Gesellschafter-Geschäftsführer.

4. Jeder Gesellschafter-Geschäftsführer ist für die von der Gesellschaft eingerichteten Bankkonten allein zeichnungsberechtigt.

§ 5 Arbeitszeit

Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden. Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei.

§ 6 Nebentätigkeit

§ 7 Wettbewerbsverbot

§ 8 Dienstverhinderung

1. Bei unverschuldeter Verhinderung des Gesellschafter-Geschäftsführers, insbesondere bei Krankheit, wird ihm die Vergütung nach § 10 Abs. 1 dieses Vertrages für einen Zeitraum von drei Monaten fortgezahlt. Leistungen Dritter werden mit dem Vergütungsanspruch verrechnet. Für die Zeit danach obliegt die persönliche Absicherung dem Geschäftsführer. 2. Bei Ausscheiden des Gesellschafter-Geschäftsführers durch Kündigung oder Vertragsablauf endet die Gehaltsfortzahlung. 3. 4. Ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer durch Krankheit oder andere in seiner Person liegende Gründe gehindert, seine Tätigkeit auszuüben, haben ihn die anderen Gesellschaftergeschäftsführer zu vertreten.

§ 9 Selbstkontraktion

§ 10 Vergütung

1. Der Gesellschafter-Geschäftsführer erhält ab Januar 2013 eine monatliche feste Vergütung i.H.v. 12.000 EUR, fällig am Monatsende. Die Leistungen nach den §§ 10 Abs. 4b und 11 dieses Vertrages sind in diesem Betrag enthalten. 2. Neben der monatlichen Festvergütung erhält der Gesellschafter-Geschäftsführer einmal jährlich eine Sonderzuwendung (Tantieme), solange die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens sich nicht verschlechtern und dies zulassen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen: Bemessungsgrundlage der Tantiemenregelung ist der Jahresüberschuss gemäß Handelsbilanz vor Ertragsteuern, soweit er den Sockelbetrag von 20.000 EUR übersteigt. Der Sockelbetrag ist nicht tantiemepflichtig. Verlustvorträge sind zu berücksichtigen. Die Einstellung beziffert Auflösung von Sonderposten mit Rücklageanteil sind bei der Ermittlung des tantiemepflichtigen Jahresabschlusses nicht zu berücksichtigen. Von dem den Sockelbetrag gegebenenfalls korrigierten Betrag erhält der Gesellschafter-Geschäftsführer 10 % höchstens aber ein Betrag i.H.v. 20.000 EUR. 3.

4. Sonstige Leistungen: a) Für Dienstreisen, die der Gesellschafter-Geschäftsführer im Interesse der Gesellschaft unternimmt, erhält er die Reisekosten ersetzt, sowie die Spesen nach Maßgabe der steuerrechtlichen Vorschriften vergütet. b) PKW-Nutzung: Der Gesellschafter-Geschäftsführer hat Anspruch auf Benutzung eines Dienstfahrzeugs, dessen Anschaffungskosten höchstens 60.000 EUR (netto) betragen. Er ist berechtigt, dieses Fahrzeug auch privat in uneingeschränktem Umfang zu nutzen. Hierfür wird kein besonderes Entgelt vereinbart und erhoben. Er trägt jedoch die hierfür nach der günstigsten steuerlichen Gestaltungsform zu entrichtenden Lohn- und Kirchensteuern soweit sie nicht zwingend nach den Steuergesetzen von der GmbH zu tragen sind.

§ 11 Alters-und Hinterbliebenenversorgung

Der Gesellschafter-Geschäftsführer hat Anspruch auf die Fortführung bzw. den Abschluss von Verträgen zur Betrieblichen Altersversorgung durch die GmbH zu seinen Gunsten. Der Anspruch ist nach oben auf die für einen Arbeitnehmer jeweils zulässige Prämienleistung nach den jeweiligen steuerlichen Pauschalierungsvorschriften nach § 40 EStG sowie nach den steuerlich höchstzulässigen Prämienleistungen nach § 3 Nr. 63 EStG beschränkt.

§ 12 Urlaub

1. Der Gesellschafter-Geschäftsführer erhält jährlich einen bezahlten Urlaub von 40 Arbeitstagen. Die Umstände seines Urlaubes bestimmt er weisungsfrei. 2. Ist es betrieblich notwendig, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einen Teil über den ganzen Jahresurlaub bis zum 30. April des Folgejahres nicht nehmen kann, so hat er Anspruch auf die anteilige Vergütung nach § 10 Abs. 1 des Vertrags. Maßgebend ist das für den letzten Monat des Urlaubsjahres abgerechnete Monatsgehalt. Der Vergütungsanspruch ist durch entsprechende Erklärung des Gesellschafter-Geschäftsführers spätestens bis zum 31. Mai des Folgejahres fällig.

§ 13 Schlussbestimmungen

1. Mündliche Abreden oder Nebenabreden sind nicht getroffen. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen für ihre Gültigkeit der Schriftform. 2. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein, so wird die rechtliche Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Es gilt dann vielmehr, soweit gesetzlich zulässig, eine der ungültigen Bestimmung möglichst nahekommende als vereinbart. 3. Bei einer Änderung der Rechtsform der GmbH ist der Besitzstand des Gesellschafter-Geschäftsführers aus diesem Vertrag zu erhalten. Insbesondere ist ihm entsprechend diesem Vertrag die organschaftliche Vertretung und Geschäftsführung zu übertragen, sofern die geänderte Rechtsform dies zulässt. Andernfalls ist die Bestellung eines Prokuristen einzuräumen.

Der Kläger zu 2) hat für Verbindlichkeiten der Klägerin zu 1) Bürgschaften übernommen, im Jahr 2017 in Höhe von 268.000 Euro. Seither sind einige Kreditverpflichtungen der Klägerin zu 1) ausgelaufen und ist der Gesamtbetrag, für den er bürgt, gesunken. Die AOK Berlin erteilte auf Anfrage der Gesellschaft mit Schreiben vom 8. April 1997 für den Kläger zu 2) sowie Herrn L mit Blick auf deren damalige Gesellschaftsanteile (jeweils 50 %) Auskunft zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschaftern und Geschäftsführern. Die Kläger beantragten für den Kläger zu 2) bei der Beklagten am 20. Juni 2017 die Feststellung des versicherungsrechtlichen Status für die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer mit dem Antrag festzustellen, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorliegt.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 26. Oktober 2017 fest, dass die o.g. Tätigkeit des Klägers zu 2) seit dem 1. März 2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und in diesem Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 1. März 2017. In der Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht.

Den dagegen von beiden Klägern erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2018 zurück.

Die Kläger haben dagegen – jeweils getrennt voneinander – am 4. Juni 2018 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Gemäß § 7 Ziff. 9 des Gesellschaftsvertrags bedürften die dort genannten Entscheidungen eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses. In diesen Fällen bestehe für den Kläger zu 2) eine Sperrminorität. Diese umfasse insbesondere die wesentlichen Unternehmensentscheidungen. Eine Sperrminorität müsse sich nicht unbedingt auf alle Beschlüsse erstrecken, die von einer Gesellschafterversammlung getroffen würden, um Sozialversicherungsfreiheit anzunehmen. Die von dem Kläger zu 2) übernommene Bürgschaft spreche für eine selbstständige Tätigkeit. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass er auch für eine Erhöhung der Mietkaution für die Steuerberatungsräumlichkeiten in Person habe unterzeichnen müssen. Ohne ihn gebe es daher keine Erhöhung der Mietkaution bzw. Sicherung durch eine Bank. Außerdem müsse er seinen Urlaubsantritt nicht vorher genehmigen lassen und ihm sei arbeitnehmeruntypisch ein Anspruch auf 40 Urlaubstage pro Jahr eingeräumt. Er habe Anspruch auf Entgeltfortzahlung für drei Monate, nicht lediglich arbeitnehmer-typisch für sechs Wochen. Der Geschäftsführervertrag enthalte keine explizit aufgeführte Pflicht, Weisungen der Gesellschafterversammlung als Geschäftsführer zu befolgen. Es bestehe zudem kein umfassender Katalog mit zustimmungspflichtigen Geschäften für den Geschäftsführer. Ihm allein obliege die Einstellung oder Kündigung von Mitarbeitern. Die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH sei Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht der Gesellschafterversammlung. So habe die Gesellschafterversammlung auch keine Weisungsrechte gegenüber den Beschäftigten. Weisungen der anderen Gesellschafter könne er zumindest faktisch verhindern, weil die Gesellschafterversammlung gemäß dem Gesellschaftsvertrag nur beschlussfähig sei, wenn mindestens 55 % des Stammkapitals vertreten seien. Außerdem lägen weitere Merkmale vor, die für eine abhängige bzw. selbstständige Tätigkeit sprechen, in der Gesamtabwägung überwögen jedoch die Merkmale für die selbstständige Tätigkeit. Es bestehe ein gesellschaftsvertragliches Zustimmungserfordernis des Geschäftsführers hinsichtlich jeglicher Änderungen seines Geschäftsführervertrags, damit auch seiner Kündigung. Aus diesem ergebe sich aber, dass er weisungsfrei tätig sei.

Das Sozialgericht hat die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und am 18. Oktober 2018 durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Das BSG habe in der Entscheidung vom 14. März 2018 (B 12 KR 13/17 R) folgende Grundsätze aufgestellt: Bei einem Fremdgeschäftsführer scheide eine selbständige Tätigkeit generell aus. Sei ein GmbH-Geschäftsführer, wie hier der Kläger zu 2), zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, seien der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft wesentliche Merkmale bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer sei nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig. Er müsse, um nicht als abhängig Beschäftigter zu gelten, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht sei bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital halte. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfüge und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheide, sei grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er sei nur ausnahmsweise als Selbständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital halte oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende (echte oder qualifizierte), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt sei. Der selbständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müsse eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber sei eine unechte, auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Die Rechtsmacht müsse gesellschaftsvertraglich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der Gesellschaft seien nicht zu berücksichtigen. Gemessen daran sei der Kläger zu 2) nicht selbstständig, sondern abhängig beschäftigt. Er sei als Gesellschafter-Geschäftsführer und als Minderheitsgesellschafter mit 30 % der Gesellschaftsanteile nicht in der Lage, seine minderheitsbedingte Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Dass sein Geschäftsführervertrag gegen seinen Willen von der Gesellschaft nicht gekündigt werden könne, ändere nichts daran, dass er im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden sei. Dies stelle auch § 3 Ziff. 1 Satz 1 des Gesellschaftergeschäftsführer-Vertrages ausdrücklich klar. Nur mit dieser Einschränkung sei auch die nachfolgende Regelung in Satz 2 zu verstehen, wonach der Kläger zu 2) die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken weisungsfrei im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort, Art und Umfang der Tätigkeit führe. Im Übrigen enthalte der Gesellschafter-Geschäftsführervertrag typische Regelungen einer Beschäftigung. Dem Kläger zu 2) werde für seine Geschäftsführertätigkeit ein monatliches Bruttogehalt zuzüglich Tantiemen gezahlt und es sei ein Urlaubsanspruch von jährlich 50 Tagen sowie bei Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung für längstens drei Monate vorgesehen. Bei Investitionsentscheidungen über 5.000 EUR habe er die mündliche Zustimmung eines weiteren Gesellschafter-Geschäftsführers einzuholen, bei bestimmten außergewöhnlichen Geschäften die Zustimmung aller Gesellschafter-Geschäftsführer. Mangels einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigten auch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft sowie die weiteren von der Klägerin zu 1) angeführten Indizien, wie etwa die für Geschäftsführer durchaus typischen Regelungen im Geschäftsführervertrag über die Befreiung von den Beschränkungen des §§ 181 BGB, die Zahlungen von Tantiemen und das alleinige Einstellungs- und Kündigungsrecht von Mitarbeitern, kein anderes Ergebnis. Gegen den ihnen am 18. Oktober 2018 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 16. November 2018 Berufung eingelegt. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. So hätte unter anderem die wirtschaftliche Stellung des Klägers zu 2) mehr Berücksichtigung finden müssen. Er verfüge über eine echte Sperrminorität für sämtliche Gesellschafterbeschlüsse, die seine Stellung als Geschäftsführer als solche beeinträchtigen können. Die arbeitsvertragliche Souveränität könne durch entgegenwirkende Gesellschafterbeschlüsse nicht beeinträchtigt werden. Er sei kraft Geschäftsführervertrag weisungsfrei, diese vertragliche Bestimmung könne wegen § 7 Ziff. 9 des Gesellschaftsvertrags, wonach die Änderung von Geschäftsführerverträgen nur durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss erfolgen könne, nicht gegen seinen Willen geändert werden. Aus dem Zusammenspiel der arbeits- und gesellschaftsvertraglichen Regelungen folge die erforderliche Sperrminorität. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung sei faktisch "zahnlos", da wegen des Einstimmigkeitserfordernisses für Beschlüsse zur Änderung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags die Gesellschafterversammlung keine Sanktionen gegen den Kläger zu 2) verhängen könne. Schließlich seien die von ihm für die Klägerin zu 1) übernommen Bürgschaften zunächst noch weiter erhöht worden und hätten sich zwischenzeitlich auf rund 373.000 EUR belaufen.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2018 und des Bescheides vom 23. Juli 2019 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2) bei der Klägerin zu 1) seit dem 31. März 2017 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Oktober 2018 zurückzuweisen. Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid am 23. Juli 2019 abgeändert und festgestellt, dass die Versicherungspflicht des Klägers zu 2) in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung mit dem 31. März 2017 beginnt.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch die Berichterstatterin und die ehrenamtliche Richterin sowie den ehrenamtlichen Richter entschieden, weil das Sozialgericht über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 17. Mai 2019 die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern/Richterinnen übertragen hat.

II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klagen der beiden Kläger abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2018 ist rechtmäßig und beschwert die Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sie haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass der Kläger zu 2) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Klägerin zu 1) seit dem 31. März 2017 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen und zu betonen bleibt unter Berücksichtigung der Änderungen in tatsächlicher Hinsicht sowie des ergänzenden Vorbringens in der Berufungsbegründung: 1. Der Gesellschafter-Geschäftsführervertrag, der als vertragliche Vereinbarung Ausgangspunkt für die Prüfung der Beschäftigung i.S. von § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) ist, enthält mehrere typische Regelungen einer abhängigen Beschäftigung. Dazu gehört die monatlich feste Vergütung (§ 10 Ziff. 1), die Reisekosten- und Spesenerstattung sowie das Recht zur Nutzung eines Dienstwagens (§ 10 Ziff. 4), der Zustimmungsvorbehalt für Nebentätigkeiten (§ 6 Ziff. 2 des Vertrags), die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 8 Abs. 1), die Alters- und Hinterbliebenenversorgung, insbesondere die Verträge zur Betrieblichen Altersversorgung (§ 11) sowie die Urlaubsregelung (§ 12 des Vertrags). Dabei entfällt das Arbeitnehmertypische solcher Regelungen nicht dadurch, dass der Kläger zu 2) teilweise noch besser gestellt wird als ein Arbeitnehmer, z.B. mittels einer im Vergleich zum Entgeltfortzahlungsgesetz noch längeren Lohnfortzahlung oder mehr Urlaubstagen. Die - auch bei Arbeitnehmern nicht ungewöhnliche - Gewährung einer Tantieme spricht nicht gegen eine abhängige Beschäftigung (vgl. BSG Urteil vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 17).

2. Der Kläger zu 2) ist weisungsabhängig. Er ist bereits gemäß dem Gesellschafter-Geschäftsführervertrag den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen (vgl. § 3 Ziff. 1 Satz 1 des Vertrags). Die Weisungsabhängigkeit wird nach § 3 Ziff. 1 Satz 2 des Vertrags allein für die Ausgestaltung der täglichen organisatorischen Bedingungen der Tätigkeit eingeschränkt. Der Kläger zu 2) ist nach dieser in Satz 2 aufgenommenen Regelung nur hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer, Art und Umfang der Tätigkeit weisungsfrei, eine Einschränkung, die für Tätigkeiten mit Leistungsfunktion nicht ungewöhnlich ist. Nämliches gilt, soweit § 3 Ziff. 3 Satz 2 des Vertrags ihn von Beschränkungen durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung hinsichtlich der Ausübung seiner steuerberatenden Berufstätigkeit freistellt. Dies berücksichtigt berufsrechtliche Vorgaben (dazu auch unter 5.). Beides ändert an der betrieblichen Eingliederung nichts, die das BSG aber zuletzt für relevant gehalten hat, weil u.a. mit Blick darauf auch (Fach-)Ärzte/Ärztinnen im Krankenhaus abhängig beschäftigt sind, obwohl sie regelmäßig nur einem sehr grobmaschigen Weisungsrecht unterliegen (vgl. BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – vgl. u.a. den Terminbericht des BSG Nr. 22/19 zu den diversen Aktenzeichen sowie die nachfolgenden Urteile, u.a. B 12 R 11/18 R und andere). Von einer Weisungsabhängigkeit des Klägers zu 2) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer von der Gesellschafterversammlung gehen schließlich gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, wie z.B. § 37 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG – aus. Dabei liegt es im Wesen der ausgeübten Funktion, dass Geschäftsführer, wie bereits ihre Bezeichnung indiziert, autonom für alle Fragen der Geschäftsführung zuständig sind, die Gesellschafterversammlung kann jedoch durch Beschluss oder Satzungsregelung einzelne Angelegenheiten an sich ziehen (Baumbach/Hueck/Beurskens, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 37 Rn. 2; zur Trennung der Rechtsbereiche einer Weisungsbefugnis aus dem Gesellschafter-Geschäftsführervertrag und dem Gesellschaftsrecht, LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19. Juli 2019 – L 10 BA 282/19, BeckRS 2019, 23219 Rn. 31, beck-online).

Der Kläger zu 2) verfügt nicht über die Rechtsmacht, kraft seiner Gesellschafterstellung unliebsame Weisungen an sich als Geschäftsführer zu verhindern oder die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Diese notwendige Rechtsmacht muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, BSGE 125, 183-189, Rn. 21 f., juris). Der Kläger zu 2) verfügt als Minderheitsgesellschafter nicht über die Möglichkeit, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit Weisungen an sich als Geschäftsführer zu verhindern. Gemäß § 7 Ziff. 4) des Gesellschaftsvertrags werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 55 % gefasst. Der Kläger zu 2) kann diese nicht mit seinem darunter liegendem Geschäftsanteil von nur 30 % bzw. sogar nur noch 25 % verhindern. Auch die Tatsache, dass die Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig ist, wenn 55 % der Stimmen anwesend sind, führt nicht dazu, dass der Kläger zu 2) allein die Beschlussfähigkeit durch sein Fernbleiben von der Versammlung dauerhaft verhindern könnte. Zu berücksichtigen ist, dass § 7 Abs. 3) Satz 2 des Gesellschaftsvertrags für diesen Fall die Möglichkeit eröffnet, eine neue Versammlung einzuberufen, die dann in jedem Fall beschlussfähig ist. Eine dauerhafte Verhinderung von Beschlüssen können damit einzelne Gesellschafter nicht bewerkstelligen.

Die Rechtsmacht, Weisungen an sich als Geschäftsführer (jederzeit) verhindern zu können, wird auch nicht durch die in § 7 Ziff. 9) Satz 2 Gesellschaftsvertrag bestimmten Gegenstände begründet, für die es eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses bedarf. Zum einen sind das nur einzelne Gegenstände. Eine die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität ergibt sich für Minderheitsgesellschafter wie den Kläger zu 2) daraus nicht (dazu BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, BSGE 125, 183-189, Rn. 21). Zum anderen kann der Kläger zu 2), selbst wenn zu den der Einstimmigkeit unterworfenen Gegenständen auch der Abschluss, die Aufhebung und Änderung von Geschäftsführerverträgen wie dem seinigen gehört, Einzelweisungen der Gesellschafterversammlung, die gerade nicht seinen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ändern, nicht verhindern. Nur weil sein Anstellungsvertrag wegen des Einstimmigkeitserfordernis nicht gegen seinen Willen beendet werden kann, hebt das zunächst nicht die vertraglich in § 3 begründete Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung im laufenden Geschäft und die Möglichkeit von Einzelweisungen an ihn auf. Der Kläger zu 2) kann dadurch nicht verhindern, dass die Mehrheitsgesellschafter in Gestalt der Gesellschafterversammlung ihm Weisungen erteilen, die zu befolgen er vertraglich und von Gesetzes wegen verpflichtet ist (so auch Sächsisches LSG, Urteil vom 11. Januar 2019 – L 1 KR 82/17 –, Rn. 34, juris, dagegen anhängig: B 12 KR 37/19 R). Der Senat stimmt auch nicht der klägerischen Auffassung zu, das vertragliche Weisungsrecht laufe mit Blick auf das Einstimmigkeitserfordernis gegenüber dem Kläger zu 2) (faktisch) leer. Selbst wenn der Kläger eine Kündigung seines Vertrags kraft seiner Gesellschafterstellung verhindern könnte, so würde er sich aber jedenfalls bei Missachtung von Weisungen der Gesellschafterversammlung dem Risiko von vertraglichen Schadensersatzansprüchen und möglicherweise Haftungsansprüchen gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG aussetzen. Nach dieser Bestimmung haften Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. Dass der Kläger zu 2) wegen der Einstimmigkeitsregelung möglicherweise eine faktisch starke Stellung in der Gesellschaft hat, ist wegen der Notwendigkeit, dass sozialversicherungsrechtlich zu jeder Zeit klar sein muss, ob eine Weisungsabhängigkeit besteht, schließlich auch ohne Relevanz (zum Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände, vgl. BSG, aaO, Rn. 22; zur "faktischen Machtposition" BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 2 Rn. 19). Eine Schönwetter-Selbständigkeit ist nicht anzuerkennen (dazu zuletzt BSG, Urteil vom 10. Dezember 2019 – B 12 KR 9/18 R –, BSGE (vorgesehen), Rn. 16).

3. Aus dem Schreiben der AOK Berlin vom 8. April 1997 folgt keine andere rechtliche Bewertung. Es handelt sich dabei – nach seinem erklärten Selbstverständnis – um eine "allgemeine Auskunft hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Geschäftsführern/Gesellschaftern." Außerdem beruhte es auf der Annahme, dass der Kläger zu 2) 50 % der Gesellschaftsanteile hielt, was seit dem 31. März 2017 nicht mehr der Fall ist. Auch die AOK hebt in ihrem Schreiben auf den mit einem 50 %-Anteil verbundenen maßgeblichen Einfluss ab. Darüber hinausgehendes Vertrauen darin, auch bei einem geringeren Gesellschaftsanteil noch als selbständig zu gelten, kann das Schreiben deshalb nicht begründen. Die übrigen unverbindlichen Hinweise zu der Frage, wann ein Minderheitsgesellschafter als selbständig anzusehen ist, erweisen sich auch, gemessen am heutigen Stand der Rechtsprechung, als zutreffend. Sie stützen die Auffassung, dass eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 2) vorliegt (so die Frage der Eingliederung und die Maßgeblichkeit der Beschlussfassung).

4. Die wirtschaftliche Stellung und die Höhe der für die Klägerin zu 1) übernommenen Bürgschaften begründen kein Unternehmerrisiko des Klägers zu 2). Maßgeblich für ein solches ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl., § 7 Abs. 1 SGB IV (Stand: 08.04.2019), Rn. 94). Bürgschaften begründen ein gesteigertes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, allerdings sind mit ihnen keine weiterreichenden statuarisch verankerten Einflussmöglichkeiten des Geschäftsführers auf die Willensbildung der Gesellschaft verbunden. So ermöglichen die Bürgschaften dem Kläger zu 2) nicht, unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft als Darlehensnehmer Einfluss zu nehmen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, BSGE 119, 216-224, Rn. 27) und lassen ihn somit nicht zum Mitunternehmer werden. Gleiches gilt, soweit er in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausführlich dargelegt hat, dass er die "wirtschaftliche Lebensader" der GmbH ist. Dies ist er nach eigener Darstellung kraft seiner Erfahrung, seiner Reputation als Steuerberater und des Umfangs seiner Kundenakquise und –betreuung, schließlich seines generierten Umsatzes im Verhältnis zu den Mitgesellschafterinnen und –gesellschaftern. Besondere, rechtssicher weiterreichende Gestaltungsbefugnisse innerhalb der Gesellschaft sind damit aber nicht verbunden. Er wird daher dadurch zu einem Leistungsträger, aber nicht zum Mitunternehmer der Klägerin zu 1).

5. Die berufsrechtlichen Vorschriften für Steuerberater stehen der Beschäftigung als Geschäftsführer nicht entgegen. Gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten - Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB) sind Steuerberater verpflichtet, ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung auszuüben und sich ihr Urteil selbst zu bilden und Entscheidungen selbständig zu treffen. Die Bestimmung entspricht z.B. § 3 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), wonach der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist. Beide Bestimmungen schließen eine Angestelltentätigkeit von Rechtsanwälten/Steuerberatern in einer Kanzlei jeweils nicht aus. Die Tätigkeit als freier Rechtsanwalt oder Steuerberater in einer Steuerberatungs- oder Rechtsanwaltskanzlei wird durch diese Normen bestimmt, ohne dass deshalb ein Beschäftigungsverhältnis zur Kanzlei (mangels Weisungsabhängigkeit) ausgeschlossen wäre. Im Verhältnis und für die Mandantschaft arbeitet der Rechtsanwalt und Steuerberater frei und ist nur der Mandantschaft verpflichtet. Dies hindert aber nicht daran, dass sein Arbeitsverhältnis zur Kanzlei/Steuerberatungsgesellschaft fremdbestimmt und weisungsgebunden erscheint, z.B. hinsichtlich der Frage, welche Mandanten er oder sie bearbeitet. Schließlich erheben die Bestimmungen nur Anspruch darauf, die steuerberatende Tätigkeit selbst zu bestimmen, sie richten sich jedoch nicht an eine geschäftsführende Tätigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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