L 9 KR 302/20 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 929/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 302/20 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dabei hat das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) soll die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen des § 114 ZPO nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Dieses darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris, sowie BVerfGE 81, 347,357). Im Hinblick auf die fehlende Aussicht auf Erfolg einer Klage oder eines Antrages im vorläufigen Rechtsschutzverfahren darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn die Klage bzw. der Antrag (bei summarischer Prüfung) völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05; LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 10. März 2006, L 1 B 1150/05 KR PKH, jeweils zitiert nach juris).

Hieran gemessen, ist die Erfolgschance der Klägerin nur eine Entfernte. Nach vorläufiger Durchsicht der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie der Klagebegründung vor dem Sozialgericht und der Beschwerdebegründung dürfte die am 10. Juni 2020 erhobene Klage mit dem Begehren, der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren, nur eine entfernte Aussicht auf Erfolg haben. Die Beklagte muss, da ihr der Rehabilitationsantrag von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg weitergeleitet wurde, einen Rehabilitationsbedarf zwar umfassend feststellen und die Leistungen erbringen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch – SGB IX). Für die Klägerin kommt jedoch allein ein Anspruch gemäß § 40 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) in Betracht. Für eine Teilhabeleistung nach dem Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) fehlen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI).

Es fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass für die Klägerin die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V im Klageverfahren nachgewiesen werden könnten. Voraussetzung des Anspruchs i.S. des § 40 Abs. 2 SGB V ist, dass Leistungen der ambulanten Krankenbehandlung zur Erreichung der Ziele des § 11 Abs. 2 SGB V, damit u.a., um eine Behinderung abzuwenden oder zu beseitigen, zu mindern, oder auszugleichen, nicht ausreichen. Die Klägerin hat ambulante Behandlungsmöglichkeiten zur Behandlung der für den Antrag führenden Funktionseinschränkung und Bewegungsschmerzen bei Gonarthrose nicht einmal im Ansatz ausgeschöpft. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der ärztliche Befundbericht des behandelnden Arztes U B (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) vom 21. November 2019 zwar u.a. die Physiotherapie als Behandlungsmaßnahme benennt. Die Klägerin selbst hat in ihrem Vordruck für die Beklagte (vom Januar 2020) angegeben, keinerlei ambulante Behandlungsmaßnahmen durch nichtärztliche Leistungserbringer, insbesondere Heilmittel (Massagen, Krankengymnastik, Packungen, Bäderbehandlungen, Reha-Sport und Funktionstraining) in den letzten 12 Monaten vor dem Antrag durchgeführt zu haben. Als alleinige Behandlungsmaßnahme gibt sie die Einnahme von Medikamenten und Schmerzmitteln an. Dies bestätigt die Beklagte, wonach Heilmittel am Wohnort der Klägerin in den letzten 12 Monaten vor dem Antrag und darüber hinaus nicht zur Anwendung gekommen sind. Auch das im Klageverfahren eingereichte ärztliche Attest B vom 20. April 2020 oder die Entlassungsberichte über stationäre Krankenhausbehandlungen im Frühjahr 2020 führen jeweils keine solchen Behandlungen auf, zumal der Entlassungsbericht vom 17. Juni 2020 nicht die Klägerin, sondern ihren Ehemann betrifft.

Der eher pauschal-abstrakt gehaltene klägerische Vortrag, wonach eine stationäre Maßnahme intensiver sei und deswegen größere Heilungs- bzw. Linderungschancen bestünden, kann nicht durchdringen. Es kann nicht beurteilt werden, ob stationäre Maßnahmen den ambulanten überlegen wären, wenn die Klägerin ambulante Behandlungen überhaupt (noch) nicht aufgenommen hat. Ob und welche Funktionseinschränkungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten oder Teilhabe bei ihr bestehen, welche Rehabilitationsziele verfolgt werden sollen und wie die Prognose wäre, kann ebenfalls nicht beurteilt werden. Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren trotz entsprechender Erinnerung durch die Beklagte den dafür maßgeblichen Vordruck "61 Teil C und Teil D" nicht eingereicht. Es erscheint daher auch eher unwahrscheinlich, dass ein dringendes medizinisches Erfordernis, wie es für eine vorzeitige erneute Reha-Maßnahme vorliegen muss, für die Klägerin nachgewiesen werden könnte (§ 40 Abs. 3 Satz 6 SGB V).

Die Verfahrensweise des Sozialgerichts, die für die Klägerin Überraschungscharakter gehabt haben dürfte, hat schließlich keinen Einfluss auf die für den Prozesskostenhilfeantrag allein maßgebliche Erfolgsaussicht der Klage. Das Sozialgericht hat zwar zunächst am 29. Juni/2. Juli 2020 dem Klägerbevollmächtigten den Schriftsatz der Beklagten (vom 22. Juni 2020) "zur laufenden Stellungnahme" übersandt, um dann seinerseits aber bereits am 6. Juli 2020 über den Prozesskostenhilfeantrag ablehnend zu entscheiden. Klägerischer Vortrag wurde dadurch aber nicht abgeschnitten. Die Beschwerdebegründung beschränkte sich auf einen mit der Klageschrift nahezu wortgleichen Vortrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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