L 1 BA 87/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 182 KR 1650/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 87/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 66/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Klägerin zu 2 hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurück genommen
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2018 aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen. Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers zu 2) in seiner Tätigkeit als Pflegekraft in der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2013.

Die Klägerin zu 1) ist ein zur DKV-Gruppe (E Versicherungsgruppe) gehörendes Unternehmen, welches u. a. ambulante Pflegedienste anbietet. Sie beschäftigt sowohl feste Mitarbeiter als auch sogenannte "freiberufliche Pflegekräfte", die aufgrund einer "Dienstleistungsvereinbarung" für sie tätig wurden. Derartige "Dienstleistungsvereinbarungen" schloss die Klägerin zu 1) auch mit dem Kläger zu 2) in dem streitbefangenen Zeitraum. Für die Klägerin zu 1) handelte insoweit jeweils ihre Pflegedienstleiterin, Frau N. In den Dienstleistungsvereinbarungen wurde zunächst ein Honorar in Höhe von 24,00 Euro pro Stunde vereinbart. Dieses wurde erst auf 22,00 EUR verringert und dann, im Laufe der Tätigkeit des Klägers zu 2), stufenweise auf 28,00 EUR erhöht. In den Dienstleistungsvereinbarungen wurden auch die Dienstzeiten des Klägers zu 2) festgelegt. So heißt es in der Dienstleistungsvereinbarung für Oktober 2012 beispielsweise:

" Hiermit bestätigen wir folgende Dienste:

01.10.2012 bis 05.10.2012 Spätdienst 16.00 bis 24.00 Uhr 40 Stunden 08.10.2012 bis 09.10.2012 Frühdienst 08.00 bis 16.00 Uhr 16 Stunden 11.10.2012 bis 16.10.2012 Spätdienst 16.00 bis 24.00 Uhr 56 Stunden 20.10.2012 bis 24.10.2012 Frühdienst 08.00 bis 16.00 Uhr 40 Stunden 28.10.2012 bis 31.10.2012 Frühdienst 08.00 bis 16.00 Uhr 32 Stunden, geändert 26.12.2012 (Pro Arbeitstag wird mit 8 Stunden berechnet, Abweichungen sind mit Absprache möglich)"

Der Kläger war in dem streitbefangenen Zeitraum in einem Umfang tätig, der regelmäßig den Umfang einer Vollzeittätigkeit überstieg. Sein Tätigkeitsumfang stellt sich u. a. wie folgt dar:

Oktober 2012 184 Stunden Vergütung: 4057,00 EUR November 2012 188 Stunden Vergütung: 4208,00 EUR Dezember 2012 167 Stunden Vergütung: 3674,00 EUR Januar 2013 204 Stunden Vergütung: 4488,00 EUR Februar 2013 188 Stunden Vergütung: 4290,00 EUR März 2013 227,55 Stunden Vergütung: 5226,00 EUR April 2013 195 Stunden Vergütung: 4209,00 EUR Mai 2013 183 Stunden Vergütung: 4392,00 EUR Juni 2013 214 Stunden Vergütung: 5136,00 EUR September 2013 184 Stunden Vergütung: 4968,00 EUR Oktober 2013 272 Stunden Vergütung: 7616,00 EUR

Auf die entsprechenden Dienstleistungsvereinbarungen und Rechnungen des Klägers zu 2) wird Bezug genommen.

In der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2013 hat der Kläger zu 2) ausschließlich den Patienten U R betreut. Der privat bei der DKV krankenversicherte 81-jährige Patient musste wegen einer Herz- und Lungenerkrankung beatmet werden. Neben dem Kläger zu 2) wurde der Patient zudem noch von festangestellten Mitarbeitern der Klägerin zu 1) versorgt. Nach Angaben des Klägers zu 2) unterschied sich seine Tätigkeit von der Tätigkeit der festangestellten Pfleger nicht.

Am 26. Juni 2013 beantragte die Klägerin zu 1) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2). Sie beantragte festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliege. Sie beschrieb die ausgeübte Tätigkeit wie folgt: "Tätigkeit im Rahmen der ambulanten Krankenpflege, Tätigkeiten im Beatmungsbereich. Die Tätigkeiten erfolgen unter Absprache mit der Pflegedienstleistung der m Pflegedienst B GmbH (Auftraggeber). Die erforderlichen Aufträge werden dem Auftragnehmer angeboten. Der Auftragnehmer entscheidet über die Annahme des Auftrages. Die Tätigkeiten werden beim Kunden/Patienten der m Pflegedienst B GmbH, in dessen häuslichem Umfeld erbracht. Eingliederung im Dienstplan und ins Team soweit erforderlich. Die Preisgestaltung wird im Einzelfall abgesprochen und geregelt."

In einem weiteren Schreiben vom 25. Juli 2013 gab die Klägerin zu 1) an, dass "alle versorgten Patienten Kunden des Auftraggebers" seien. Die Einweisung vor Ort finde durch die Pflegedienstleitung des Auftraggebers statt. Eine Zusammenarbeit mit anderen ihrer Mitarbeiter finde in der Form statt, dass im Rahmen der Dienstübergabe bei Schichtwechsel für die Versorgung relevante Information über den Patienten ausgetauscht würden. Sie beschäftige auch abhängige, weisungsgebundene Arbeitnehmer mit dem Berufsbild Krankenschwester, Altenpfleger oder Pflegehelfer. Die durchgeführten Tätigkeiten seien berufsüblich. Die freiberuflichen Auftragnehmer würden nur für Auftragsspitzen eingesetzt, um die durchgehende Pflege des Patienten zu gewährleisten.

Die Beklagte stellte dieses Statusfeststellungsverfahren mit Bescheid vom 29. August 2013 mangels Mitwirkung der Klägerin zu 1) ein.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 beantragte die Klägerin zu 1) die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie gab an, dass der Kläger zu 2) nunmehr "als Einzelpflegekraft bei der DKV Deutsche Krankenversicherungs AG nach § 77 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anerkannt" sei. Sie fügte ihrem Schreiben eine Bescheinigung der DKV vom 25. Oktober 2013 bei. Danach bestätigte die DKV der Klägerin zu 1), dass der Kläger zu 2) am 23. September 2013 als Einzelpflegekraft nach § 77 SGB XI anerkannt worden sei. Sie beantragte nunmehr festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Die Tätigkeit des Klägers zu 2) wurde jetzt als "freiberufliche Aushilfskraft" beschrieben.

Der Kläger zu 2), der seit dem 1. Juli 2012 eine Regelaltersrente bezieht, teilte im Verfahren mit, dass er seine Tätigkeit im Dezember 2013 wegen des Feststellungsverfahrens beendet habe. Er sei nur bereit, auf freiberuflicher Basis zu arbeiten.

Nach Anhörung der Kläger stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar 2014 fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Pflegekraft bei der Klägerin zu 1) seit dem 1. Oktober 2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht beginne am 1. Oktober 2012. In der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe keine Versicherungspflicht. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Der Betriebszweck der Klägerin zu 1) bestehe in der ambulanten Pflege. Die Aufgabe des Auftragnehmers bestehe darin, Pflegedienstleistungen zu erbringen. In der Ausführung dieser Tätigkeiten konkretisiere sich der Betriebszweck des Auftraggebers, der Klägerin zu 1). Damit erfülle sich in klassischer Weise die Eingliederung in dessen Betriebsorganisation. Als Vergütung erhalte der Kläger zu 1) eine erfolgsunabhängige feste Stundenvergütung. Es bestünde insoweit kein unternehmerisches Risiko. Eigenes Kapital werde nicht eingesetzt. Sämtliche Abrechnungen erfolgten mit der Klägerin zu 1). Es sei daher unerheblich, ob der Kläger zu 2) eine Anerkennung als Einzelpflegekraft nach § 77 SGB XI besitze.

Die hiergegen gerichteten Widersprüche der Kläger, die im Wesentlichen damit begründet wurden, dass die Höhe der vereinbarten Vergütung deutlich über dem üblichen Stundenlohn eines angestellten Mitarbeiters in der Pflegebranche liege, der Kläger zu 2) auf eigenes unternehmerisches Risiko arbeite, da er u.a. eigene Werbung (Briefbogen, Visitenkarte etc.) betreibe, eine eigene Steuernummer habe und er eine eigene Berufs- und Gewerbehaftpflichtversicherung unterhalte, eigene Betriebsmittel (z. B. PKW, Dienstkleidung) besitze, und die persönliche Leistungserbringung nicht die Regel gewesen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2014 als unbegründet zurück.

Hiergegen haben die Klägerin zu 1) am 16. September 2014 und der Kläger zu 2) am 17. September 2014 jeweils Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben. Das Sozialgericht hat die Verfahren mit Beschluss vom 15. Januar 2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung nicht alle tatsächlichen Umstände des Einzelfalles gewürdigt. Die Klägerin zu 1) habe die von dem Kläger zu 2) erbrachten Pflegeleistungen lediglich als Dienstleister (Tochtergesellschaft) der DKV abgerechnet. Sie, die Klägerin zu 1), wäre ohne den Kläger zu 2) nicht in der Lage gewesen, insbesondere die 24-Stunden-Beatmung des Patienten Riede sicherzustellen. Das ausgehandelte Stundenhonorar habe deutlich über den sonst üblichen Stundensatz einer angestellten Pflegekraft gelegen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24. Juli 2018 den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2014 aufgehoben und festgestellt, dass die in der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2013 für die Klägerin zu 1) ausgeübte Tätigkeit des Klägers zu 2) als Pflegekraft nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung unterliege. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger zu 2) nicht in den Betrieb der Klägerin zu 1) eingegliedert gewesen sei. Er habe seine Arbeitszeiten nicht mit der Klägerin zu 1), sondern mit der Ehefrau des zu pflegenden Patienten abgestimmt. Der Kläger zu 2) habe in der mündlichen Verhandlung anschaulich geschildert, dass die Klägerin zu 1) "eigentlich nichts mit der Sache zu tun" gehabt habe. Sie sei aus rein formalen Gründen eingeschaltet worden, weil die private Krankenversicherung des Patienten Riede auf dieser Form der Abrechnung bestanden habe. Die Funktion der Klägerin zu 1) habe einzig im Weiterleiten der Rechnung bestanden. Der Kläger zu 2) sei auch keinerlei Weisungen unterworfen gewesen. Ihm seien keinerlei therapeutische oder methodische Vorgaben gemacht worden. Der Kläger zu 2) habe in der mündlichen Verhandlung "mit nachvollziehbarer Emotion" geschildert, dass er sich "entsprechende Vorgaben nicht hätte gefallen lassen". Er habe in der mündlichen Verhandlung auch anschaulich geschildert, dass die von ihm erfüllten Dokumentationspflichten zum allgemeinen Standard zählten und für die private Krankenversicherung des Patienten R bestimmt gewesen seien. Gestützt würden die Angaben zur Weisungs- und Eingliederungsfreiheit durch die langjährige berufliche Erfahrung des Klägers zu 2) in der Pflege von beatmungspflichtigen Patienten, die ein selbstständiges Agieren auf fachlicher Grundlage ermöglichte und eine Überwachung entbehrlich gemacht habe. Dass der Kläger zu 2) für die von ihm geleistete Arbeit eine feste Vergütung bekommen habe und daher kein unternehmerisches Risiko getragen habe, trete demgegenüber zurück. Bei Dienstverhältnissen komme dem unternehmerischen Risiko in der Gesamtwertung ohnehin eine weniger gewichtige Bedeutung zu.

Gegen das ihr am 7. August 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 23. August 2018. Sie trägt vor, dass auch der Patient R Kunde der Klägerin zu 1) gewesen sei. Die Einweisung vor Ort und die Erläuterung der bei der Versorgung zu beachtenden Besonderheiten finde durch die Pflegedienstleitung statt. Die Kontrolle der Leistungsdokumentation erfolge bei Rechnungslegung durch die Klägerin zu 1). Im Rahmen der Dienstübergabe bei Schichtwechsel würden für die Versorgung relevante Informationen über den Patienten ausgetauscht. Die Klägerin zu 1) habe sich u.a. des Klägers zu 2) bedient, um ihre Verpflichtung gegenüber dem Patienten Riede zu erfüllen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2018 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen wörtlich,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen bis zu einer Entscheidung des Bundessozialgerichts in einem Parallelverfahren des Landessozialgerichts Hamburg - Frau Berendsen -,

Schriftsatznachlass um auf die heutigen richterlichen Hinweise noch einmal Stellung zu nehmen.

Das Sozialgericht habe ihrer Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Kläger zu 2) war aufgrund seiner Tätigkeit als Pflegekraft für die Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2013 versicherungspflichtig beschäftigt.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach dieser Vorschrift hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Der Eintritt von Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch. Der Eintritt von Versicherungspflicht setzt danach das Vorliegen einer Beschäftigung voraus. Der Begriff der Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei Diensten höherer Art kann die Bedeutung des Weisungsrechts völlig zurücktreten, so dass es nicht darauf ankommt, ob es eine vertragliche Grundlage hat oder nicht. Gleichwohl bleibt eine Dienstleistung fremdbestimmt und somit als funktionsgerecht dienende Teilhabe Gegenstand einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, wenn sie ihr Gepräge von der fremden Ordnung des Betriebs erhält, in dessen Dienst die Arbeit verrichtet wird (Urteil des BSG vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R -, zitiert nach juris RdNr. 29).

Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – Urteil vom 12. November 2015 – B 12 KR 10/14 R -; Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R -, zitiert nach juris RdNr 14).

Auszugehen für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden. Grundlage der Tätigkeit des Klägers zu 2) waren jeweils die sogenannten Dienstleistungsvereinbarungen. Diese Dienstleistungsvereinbarungen wurden jeweils im Voraus für den kommenden Monat zwischen der Klägerin zu 1), diese vertreten durch deren Pflegedienstleiterin, Frau I N, und dem Kläger zu 2) geschlossen. Ausweislich dieser Vereinbarung sollte der Kläger zu 2) als Selbständiger tätig werden. Denn der Kläger zu 2) wird in dieser Vereinbarung ausdrücklich als "Freiberufliche Pflegekraft" bezeichnet. Weitere Einzelheiten des Vertragsverhältnisses enthalten die "Dienstleistungsvereinbarungen" nicht. Sie enthalten lediglich zeitliche Festlegungen der von dem Kläger zu 2) jeweils zu erbringenden Dienste, die Angabe der Stundenvergütung (a 22,00 EUR) und den Verzicht des Klägers zu 2) auf Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge.

Das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich indessen aus dem Gesetz und kann deswegen nicht Gegenstand einer einzelvertraglichen Abrede sein. Weil die Träger der Sozialversicherung Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind und das Rechtsinstitut der Pflichtversicherung auch der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme dient, kommt einer privatautonomen Gestaltung im Sozialversicherungsrecht nicht die gleiche Bedeutung zu wie etwa im Arbeitsrecht. Insbesondere kann eine sozialversicherungsrechtlich erhebliche Beschäftigung auch dann vorliegen, wenn kein Arbeitsvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne geschlossen worden ist (Urteil des BSG vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R -, zitiert nach juris RdNr. 19). Der tatsächlichen Ausgestaltung der Verhältnisse kann danach gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R –, zitiert nach juris RdNr 17 und Urteil vom. 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R –, zitiert nach juris RdNr 17).

An diesen Grundsätzen gemessen, war der Kläger zu 2) in seiner Tätigkeit als Pflegekraft bei der Klägerin zu 1) abhängig beschäftigt. Die Klägerin zu 1) betreibt ein Pflege-Unternehmen. Dabei übernimmt sie u. a. für ihre Kunden pflegerische Tätigkeiten im Rahmen der häuslichen Pflege. Einer ihrer Kunden war der Patient R, der der durchgehenden Pflege, insbesondere der Beatmung bedurfte. Nach dem Vortrag der Kläger hat die Klägerin zu 1) die Versorgung dieses Patienten mittels von festangestellten Mitarbeitern und dem Kläger zu 2) sichergestellt. Damit hat der Kläger zu 2) einen Teil der Leistungen erbracht, zu denen sich die Klägerin zu 1) gegenüber ihrem Kunden verpflichtet hat. Im Übrigen unterschied sich die Tätigkeit des Klägers zu 2) auch nicht von der Tätigkeit der bei der Klägerin zu 1) beschäftigten Pflegekräfte. Der Kläger zu 2) hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 24. Juli 2018 ausdrücklich bestätigt. Der Kläger zu 2) hatte, wie auch die beschäftigten Pflegekräfte der Klägerin zu 1), im häuslichen Bereich des Patienten die notwendigen pflegerischen Maßnahmen zu ergreifen und diese auch zu dokumentieren, um eine adäquate Versorgung und Übergabe des Patienten zu gewährleisten. Bereits im Verwaltungsverfahren hat die Klägerin zu 1) insoweit vorgetragen, dass die "freiberuflichen Auftragnehmer nur für "Auftragsspitzen" eingesetzt worden seien, um die "durchgehende Pflege des Patienten zu gewährleisten." Sofern der Kläger zu 2) im Laufe des Verfahrens vorgetragen hat, dass er und die Ehefrau des Patienten R im Wesentlichen dessen Pflege sichergestellt hätten, der oder die festangestellten Mitarbeiter der Klägerin zu 2) lediglich insoweit ausgeholfen hätten, mag dies so sein. Jedenfalls vermag dies an der funktionsgerechten Teilhabe des Klägers zu 2) an dem Arbeitsprozess der Klägerin zu 1) nichts zu ändern. Der Kläger hat insoweit eine Teilleistung der insgesamt von der Klägerin zu 1) geschuldeten Gesamtleistung erbracht.

Dabei war er in das betriebliche Organisationgefüge der Klägerin zu 1), wie jeder andere ihrer Beschäftigten auch, eingegliedert. Insoweit ist es auch bezeichnend, dass die Klägerin zu 1) im Verwaltungsverfahren zunächst vorgetragen hat, dass "die Tätigkeiten (des Klägers zu 2) unter Absprache mit der Pflegedienstleitung erfolgte". Eine "Eingliederung (sei) im Dienstplan und ins Team soweit erforderlich" erfolgt.

Insbesondere die Einteilung in die Dienstpläne (hier: Dienstvereinbarung) der Klägerin zu 1) ist ein Indiz für die Eingliederung in eine fremde, von dritter Seite vorgegebene Organisationstruktur, und damit für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Denn der Dienstplan ist ein Instrument der Personaleinsatzplanung in Betrieben und Unternehmen. Er soll sicherstellen, dass der mittels des Einsatzes von Arbeitskräften verfolgte Unternehmenszweck erreicht wird, im vorliegenden Fall, die Gewährleistung der 24-Stunden-Pflege des Patienten R. Soweit der Kläger zu 2) insoweit vorgetragen hat, dass er, in Absprache mit der Ehefrau des Patienten R, seine Arbeitszeiten festgelegt habe, kann offen bleiben oft dies zutrifft. Das bei Einteilung von Tätigkeiten im Schichtdienst auf die Wünsche der Arbeitnehmer Rücksicht genommen wird, ist in der Regel eine Selbstverständlichkeit. Um jedoch eine 24-Stunden-Pflege zu gewährleisten, ist es bereits aus organisatorischen Gründen erforderlich, dass eine entsprechende vorherige Festlegung hinsichtlich der Besetzung der jeweiligen Schicht erfolgt. Damit war der Kläger zu 2) mit seiner Tätigkeit Teil eines fremden Organisationsgefüges. Seine Einbindung in den Betrieb des Klägers zu 1) ergab sich durch die Erfordernisse der Organisation der Pflege des Patienten Rund der Leistungsdokumentation. Seine Tätigkeit unterschied sich insoweit nicht von der Tätigkeit der Beschäftigten der Klägerin zu 1).

Diese Einordnung der Tätigkeit des Klägers zu 2) folgt auch daraus, dass für die Tätigkeiten von sogenannten Honorarpflegekräften in der ambulanten Pflege und in der stationären Pflege im Wesentlichen keine abweichenden Maßstäbe (vgl. Urteil des BSG vom 7. Juni 2019 -B 12 R 8/18 R -, zitiert nach juris) gelten. Die Zulassung einer stationären Pflegeeinrichtung erfolgt durch Abschluss eines Versorgungsvertrages, der den Versorgungsauftrag konkret bestimmt (§§ 72, 73 SGB XI). Nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI muss bei stationären Pflegeheimen - wie nach § 71 Abs. 1 SGB XI bei ambulanten Pflegediensten - die Pflege unter ständiger Verantwortung einer Pflegefachkraft stehen. Dies bedeutet, dass eine entsprechend qualifizierte Pflegefachkraft die Gesamtverantwortung für die pflegerische Versorgung tragen und auch wirksam wahrnehmen können muss. Das ist der Fall, wenn die verantwortliche Pflegefachkraft die Pflegeleistungen für jeden betreuten Pflegebedürftigen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert. Notwendig ist eine Steuerung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der Pflegeleistungen auf der Grundlage eines in jedem Einzelfall gesondert zu erhebenden Bedarfs. Diese pflegerische Gesamtverantwortung muss von der Pflegefachkraft ständig wahrgenommen werden. Das SGB XI setzt einen hohen Organisationsgrad zur Qualitätssicherung voraus. Für eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen daher gewichtige Indizien bestehen (BSG, Urteil vom 7. Juni 2019. a. a. O., RdNr. 26), die hier nicht ersichtlich sind. Auch bei ambulanten Pflegeeinrichtungen ist aufgrund der regulatorischen Vorgaben im Regelfall die Eingliederung aller eingesetzten Pflegekräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur der Pflegedienstes gegeben (vgl. Urteil Senats vom 27. Mai 2020 – L 1 KR 333/19 WA – und Urteil des LSG Hamburg vom 24. September 2019 - L 3 R 14/18 -, zitiert nach juris, RdNr. 54ff.). Soweit die Klägerin zu 1) die Auffassung vertritt, die Honorarhöhe des Klägers zu 2) spreche für eine selbständige Tätigkeit, weil diese "deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten Beschäftigten" liege, kann der Senat offen lassen, ob diese Feststellung zutreffend ist. Die Honorarhöhe ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien. Sie ist als Ausdruck des Parteiwillens zu werten. Dem Willen der Vertragsparteien kommt nach der Rechtsprechung jedoch generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird oder die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht des Indizes umso geringer, je weniger eindeutig die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die potentielle Bedeutung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bezüglich der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (vgl. Urteil des BSG vom 7. Juni 2019 – B 12 R 8/18 R -, zitiert nach juris RdNr. 35). Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungssystemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet ist. Den Beteiligten steht keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlages zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" kann. Ebenso führt eine überlegene Verhandlungsposition von Auftragnehmern schon aus Gleichbehandlungsgründen für sich genommen nicht dazu, dass sie aufgrund möglicher Eigenvorsorge aus den Pflichtversicherungssystemen entlassen wären. Das Recht der Sozialversicherung wird beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten. Dieser Grundsatz schließt es aus, die Versicherungspflicht über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus von einem individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen, zumal dieses Schutzbedürfnis sich beim Einzelnen im Laufe der Zeit wandeln kann. Wenn die Versicherungspflicht solchen Wandlungen folgen würde, wäre die Gefahr einer negativen Risikoauslese gegeben (Urteil des BSG a. a. O.). Soweit die Kläger vortragen, dass der Kläger zu 2) jedenfalls "ab dem Tag der Zulassung als Einzelpflegekraft" durch die DKV selbständig gewesen sei, vermag auch dieses Vorbringen der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach § 77 Abs. 1 SGB XI kann die Pflegekasse zur Sicherstellung der körperbezogenen Pflege, der pflegerischen Betreuung sowie der Haushaltsführung Verträge mit einzelnen geeigneten Pflegekräften schließen. Dabei regelt § 77 Abs. 1 SGB XI die Einbeziehung selbständiger Pflegekräfte in die ambulante pflegerische Versorgung durch Vertrag mit der einzelnen Pflegekasse (vgl. Wahl in jurispk-SGB XI, 2. Auflage 2017, § 77 RdNr.69). Der Senat muss nicht entscheiden, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass sich die Klägerin zu 1) im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auf ein von einem anderen Unternehmen derselben Unternehmensgruppe ausgestelltes Anerkenntnis als Einzelpflegekraft beruft. Denn § 77 Abs. 1 SGB XI setzt bei der Einbeziehung selbständiger Einzelpflegekräfte voraus, dass ein solcher Status bei der Pflegekraft vorliegt. Die Einbeziehung als solche ist insoweit nicht konstitutiv, d. h. sie begründet nicht den Status als Selbständigen. Schließlich haben die Kläger auch nicht im Ansatz dargetan, dass mit der Anerkennung des Klägers zu 2) als selbständige Pflegekraft eine entscheidungserhebliche Änderung der Tätigkeit des Klägers in inhaltlicher Hinsicht erfolgt ist. Dass der Kläger zu 2) aufgrund des festgelegten Stundenlohnes keinem unternehmerischen Risiko unterlag, rundet das Bild insoweit lediglich noch ab. Soweit die Kläger hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens beantragt haben, war diesem Antrag nicht zu entsprechen. Eine Aussetzung erfolgt im sozialgerichtlichen Verfahren unter den Voraussetzungen des § 114 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder nach § 202 SGG in Verbindung mit § 202 SGG in Verbindung mit §§ 246 bis 248 Zivilprozessordnung. Diese Voraussetzungen liegen hier offensichtlich nicht vor. Dem Antrag der Kläger auf Schriftsatznachlass war ebenfalls nicht folgen. Die Kläger haben in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2020 beantragt, zu den "heutigen richterlichen Hinweisen noch einmal Stellung zu nehmen." In dieser mündlichen Verhandlung hat der Senat mit den Beteiligten das Sach- und Streitverhältnis umfassend erörtert (§ 153 SGG in Verbindung mit § 112 SGG). Die Kläger hatten im Rahmen dieser Erörterung Gelegenheit ihre Rechtsauffassung noch einmal darzulegen. Der Rechtsstreit war entscheidungsreif. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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