S 23 R 51/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 23 R 51/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 366/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 277/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Einstufung der in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Versicherungszeiten in den Zeiträumen vom 14. November 1980 bis 9. April 1981, vom 10. April 1981 bis 15. September 1983 und vom 4. Oktober 1983 bis 25. Juni 1985.

Der 1957 geborene Kläger ist als Vertriebener anerkannt. Er hat seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem 11. November 1987. Von Oktober 1979 bis Juni 1982 besuchte er die Fachschule. Vom 16. September 1974 bis 9. September 1975 war er als Gabelstaplerfahrer tätig. Vom 10. September 1975 bis 10. Mai 1977 war er als Kraftfahrer beruflich tätig und vom 19. Mai 1977 bis 30. Mai 1979 absolvierte er seinen Militärdienst. Im Zeitraum vom 1. Oktober 1979 bis 25. Juni 1985 absolvierte er ein Studium, welches er am 25. Juni 1985 abschloss. Parallel zu seinem Studium war er vom 31. August 1979 bis 21. Oktober 1980 als Schlosser, vom 14. November 1980 bis 9. April 1981 als Sicherheitsingenieur und vom 10. April 1981 bis 5. April 1983 als Leiter der Autokolonne, vom 6. April 1983 bis 15. September 1983 als Obermechaniker und im Zeitraum ab dem 4. Oktober 1983 als Ingenieur für Autodiagnostik beruflich tätig.

Mit Bescheid vom 18. April 1997 stellte der Beklagte unter anderem folgende Zeiten als nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigt fest: Pflichtbeitragszeiten nach Qualifikationsgruppe 5 Bereich 10 der Anlage 14 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) für den Zeitraum vom 16. September 1974 bis 10. Mai 1977, Pflichtbeitragszeiten für die Ableistung des Grundwehrdienstes für den Zeitraum vom 19. Mai 1977 bis 30. Mai 1979, Pflichtbeitragszeiten nach Qualifikationsgruppe 5 Bereich 6 der Anlage 14 zum SGB VI für die Zeiträume vom 31. August 1979 bis 21. Oktober 1980, vom 14. November 1980 bis 15. September 1983, Pflichtbeitragszeiten nach Qualifikationsgruppe 5 Bereich 12 der Anlage 14 zum SGB VI für den Zeitraum vom 4. Oktober 1983 bis 25. Juni 1985 sowie Pflichtbeitragszeiten nach Qualifikationsgruppe 1 Bereich 12 der Anlage 14 zum SGB VI für den Zeitraum vom 26. Juni 1985 bis 12. Oktober 1987.

Mit Bescheid vom 7. November 2003 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten bis 31. Dezember 1996 verbindlich fest. Die Beklagte hob die Bescheide vom 29. Oktober 1993, vom 22. Januar 1997, vom 27. Februar 1997 und vom 18. April 1997 über die Feststellung rentenrechtlicher Zeiten auf, soweit diese nicht dem geltenden Recht entsprechen. Die Zeit vom 1. Oktober 1979 bis 30. Juni 1982 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil die Ausbildung im Verhältnis zur versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit Zeit und Arbeitskraft nicht überwiegend in Anspruch genommen habe. Die Zuordnung zu Qualifikationsgruppen ergebe sich aus dem Bescheid vom 18. April 1997.

Am 23. September 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 18. April 1997 und vom 7. November 2003. Zur Begründung führte er aus, sein Ziel sei insbesondere die Anerkennung seines Studiums als Fachhochschule und nicht lediglich als Fachschule. Er habe sein Studium im Zeitraum vom 1. Oktober 1979 bis 25. Juni 1985 neben seiner normalen Arbeitstätigkeit im Umfang von 40 Stunden pro Woche absolviert. Das Studium sei abends, am Wochenende und im Urlaub absolviert worden. Auf Grund der Fortschritte im Studium habe er höherwertige Arbeiten ausüben können und dementsprechend auch ein höheres Einkommen erzielt. Er bitte daher darum, im Rahmen einer Neuberechnung diese steigenden Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, gem. § 22 Abs. 1 Fremdrentengesetz (FRG) werden für Zeiten der in §§ 15, 16 FRG genannten Art die Entgeltpunkte in Anwendung des § 256b Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. und Satz 8 SGB VI ermittelt. Dies gelte grundsätzlich für Renten, die ab dem 1. Januar 1992 beginnen würden. Ausgangspunkt für die Tabellenentgelte seien nach statistischen Angaben ermittelte Durchschnittsverdienste, die entsprechend der Lohnstruktur nach Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereichen differenziert seien. Um die zutreffenden Tabellenentgelte zuordnen zu können, müsse die ausgeübte Beschäftigung entsprechend dieser Differenzierung der Entgeltpunkte in die betreffenden Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereiche eingestuft werden. Es gebe 5 Qualifikationsgruppen, die für alle Versicherungszweige gelten würden. Die Definitionen der Qualifikationsgruppen würden sich aus der Anlage 13 zum SGB VI ergeben. Danach unterschieden sich die Qualifikationsgruppen nach der Qualifikation, die der Versicherte erworben habe. Die Einstufung in eine bestimmte Qualifikationsgruppe sei vorzunehmen, wenn der Versicherte eine festgelegte Qualifikation erworben habe und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt habe. Die festgelegte Qualifikation könne nach Satz 2 der Anlage 13 zum SGB VI durch gleichwertige, aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworbene Fähigkeiten ersetzt werden. Der Erwerb der Qualifikation könne sich dann aber immer nur von dem Zeitpunkt auswirken, zudem eine langjährige Berufserfahrung vorliege, nicht rückwirkend. Eine langjährige Berufserfahrung liege frühestens dann vor, wenn die höherwertige Tätigkeit mindestens für die Dauer verrichtet werde, die der formalen Berufsausbildung für diese Qualifikationsgruppe entspreche (Mindestgrenze). Bei der Auslegung des Begriffes "langjährige Berufserfahrung" seien aber die höchstrichterlich entwickelten Auslegungskriterien zu den Leistungsgruppen nach dem FRG in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung zu beachten. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BSG vom 14. Mai 2003, Az. B 4 RA 26/02 R. Nach den Grundsätzen zur Leistungsgruppeneinstufung daure der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten neben der Arbeit üblicherweise wesentlich länger als eine gezielte Unterweisung während einer geordneten Ausbildung; regelmäßig könne die doppelte Zeit der üblichen Ausbildungsdauer für den Erwerb entsprechender Fähigkeiten angesetzt werden. Eine berufliche Qualifikation habe der Kläger erstmals mit Abschluss der Hochschulausbildung am Polytechnischen Institut C. und mit Erlangung des Diploms als "Ingenieur-Mechaniker" am 25. Juni 1985 erworben. Daher sei ihm zutreffend ab dem 26. Juni 1985 die Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet worden. Eine Facharbeiterqualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI habe der Kläger mit der Führerscheinprüfung im Mai 1974 nicht erworben; eine Zuordnung der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI beispielsweise ab Mai 1974 sei daher nicht möglich. Die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI könne frühestens nach einer langjährigen Berufserfahrung in entsprechenden Tätigkeiten, d.h. nach 6 Jahren, zugeordnet werden. Nach den Eintragungen in dem am 28. Mai 1979 ausgestellten Arbeitsbuch sei der Kläger ab dem 31. August 1979 als "Schlosser der Lohngruppe 3" beschäftigt gewesen. Wenn man davon ausgehe, dass es sich hierbei um eine "höherwertige" Tätigkeit im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI gehandelt habe, wäre eine Zuordnung der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI frühestens ab dem 1. August 1985 möglich gewesen. Aufgrund der vom Kläger abgeschlossenen Hochschulausbildung und der entsprechend dieser erworbenen beruflichen Qualifikation ausgeübten Beschäftigung als Ingenieur sei jedoch bereits ab dem 26. Juni 1985 die höchstmögliche Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet worden.

Am 30. Januar 2012 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung trägt der Kläger vor, er begehre die Zuordnung günstigerer Qualifikationsgruppen nach Anlage 13 zum SGB VI. Den Beitragszeiten vor dem 26. Juni 1985 sei lediglich die Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet worden, was einer angelernten oder ungelernten Tätigkeit entspreche. Erst für die Zeit nach Abschluss seines Studiums am Polytechnischen Institut D. am 25. Juni 1985 mit dem akademischen Grad eines "Ingenieur-Mechanikers" sei der Kläger der Qualifikationsgruppe 1 zugeordnet worden. Die bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübten Tätigkeiten würden nicht lediglich der Qualifikationsgruppe 5 entsprechen; vielmehr habe er am 25. Mai 1974 eine Berufsausbildung als Kraftfahrzeugschlosser-Mechaniker und Kraftfahrer erfolgreich abgeschlossen. Dementsprechend sei für ihn mit Aufnahme seiner Berufstätigkeit am 16. September 1974 die Qualifikationsgruppe 4 zugrunde zu legen. Ab dem 14. November 1980 habe er eine Tätigkeit als Sicherheitsingenieur ausgeübt. Die hierfür erforderliche Qualifikation habe er sukzessive durch sein ab dem 1. Oktober 1979 parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit durchgeführtes Hochschulstudium erworben. Dementsprechend sei für die Zeit ab dem 14. November 1980 die Qualifikationsgruppe 3 zugrunde zu legen. Ab dem 10. April 1981 habe der Kläger als Fuhrparkleiter gearbeitet, was einer abgeschlossenen Fachschulausbildung entspreche, die zu einer Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 2 führen müsste. Ab dem 4. Oktober 1983 sei er als Fahrzeugdiagnostik-Ingenieur tätig gewesen; diese Tätigkeit entspreche ebenfalls einer abgeschlossenen Fachschulausbildung entsprechend Qualifikationsgruppe 2.

Mit Schriftsatz vom 15. August 2012 hat die Beklagte den mit der Klage geltend gemachten Anspruch teilweise anerkannt. Die Beklagte hat den Zeiträumen vom 10. September 1975 bis 10. Mai 1977, vom 31. August 1979 bis 21. Oktober 1980 und vom 14. November 1980 bis 25. Juni 1985 die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet. Der Grund für die Abgabe dieses Teilanerkenntnisses war die Vorlage der beglaubigten Übersetzung einer Bescheinigung über den Abschluss einer Berufsausbildung zum Kraftfahrzeugschlosser-Mechaniker und Kraftfahrer am 25. Mai 1974.

Mit Schriftsatz vom 28. September 2012 hat der Kläger das Teilanerkenntnis des Beklagten angenommen.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18. April 1997 in Gestalt des Bescheides vom 7. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2012 zu verurteilen, den Beitragszeiten des Klägers vom 14. November 1980 bis 9. April 1981 die Qualifikationsgruppe 3 und den Beitragszeiten vom 10. April 1981 bis 15. September 1983 und vom 4. Oktober 1983 bis 25. Juni 1985 die Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die angefochtenen Bescheide. Ergänzend trägt die Beklagte vor, den Zeiten ab dem 14. November 1980 könne nicht die Qualifikationsgruppe 3 und den Zeiten ab dem 10. April 1981 könne nicht die Qualifikationsgruppe 2 zugeordnet werden, weil die für die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 2 bzw. 3 erforderliche Qualifikation erst mit Abschluss der Hochschulausbildung am 25. Juni 1985 erworben worden sei; gleichwertige, aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworbene Fähigkeiten hätten in diesen Zeiträumen ebenfalls noch nicht vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Klage ursprünglich darauf zielte, den in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Versicherungszeiten in den Zeiträumen vom 10. September 1975 bis 10. Mai 1977, vom 31. August 1979 bis 21. Oktober 1980 und vom 14. November 1980 bis 20. Juni 1985 eine höhere Qualifikationsgruppe als die Qualifikationsgruppe 5 zuzuordnen, ist die Klage bereits teilweise durch angenommenes Anerkenntnis erledigt. Mit Schriftsatz vom 15. August 2012 hat sich die Beklagte bereit erklärt, diesen Zeiten die Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen; dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. September 2012 angenommen.

Soweit die Klage darauf zielt, den in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Versicherungszeiten im Zeitraum vom 14. November 1980 bis 9. April 1981 die Qualifikationsgruppe 3 und in den Zeiträumen vom 10. April 1981 bis 15. September 1983 und vom 4. Oktober 1983 bis 25. Juni 1985 die Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen ist die zulässige Klage jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte in ihrem mit Schriftsatz vom 15. August 2012 erklärten Teilanerkenntnis die vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Versicherungszeiten im Zeitraum vom 14. November 1980 bis 9. April 1981, vom 10. April 1981 bis 15. September 1983 und vom 4. Oktober 1983 bis 25. Juni 1985 der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet. Für die Zuordnung dieser Versicherungszeiten zu einer höheren Qualifikationsgruppe als 4 hat der Kläger nicht den tatsächlichen Erwerb der hierfür erforderlichen Qualifikation nachgewiesen. Auch haben in diesen Zeiträumen beim Kläger keine gleichwertigen, aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworbenen Fähigkeiten vorgelegen. Zur diesbezüglichen Begründung wird nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2012 Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz(SGG)).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger hat erst durch die Vorlage der beglaubigten Übersetzung einer Bescheinigung über den Abschluss einer Berufsausbildung zum Kraftfahrzeugschlosser-Mechaniker und Kraftfahrer am 25. Mai 1974 mit Schriftsatz vom 17. Juli 2012 den Nachweis einer der Qualifikationsgruppe 4 entsprechenden Facharbeiter-Qualifikation erbracht. Die Beklagte hat daraufhin unverzüglich mit Schriftsatz vom 15. August 2012 ein dem entsprechendes Teilanerkenntnis abgegeben.
Vor diesem Hintergrund waren der Beklagten insgesamt keine Kosten aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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