L 7 AS 870/20 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 38 SF 28/20 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 870/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Erinnerungsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 09.03.2020 geändert. Die an den Erinnerungsführer im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 476,78 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, wenn der Wert der Beschwerde 200 EUR übersteigt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Beschwerdewerts ist der Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 19). Die Beschwer beträgt vorliegend mehr als 200 EUR, da die Erinnerungsgegnerin insgesamt eine Zusammenführung von drei isolierten Festsetzungen zu einer Gesamtgebühr begehrt, was insgesamt eine Gebührenreduzierung von mehr als 700 EUR zur Folge hätte. Die Beschwerdefrist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG hat die Erinnerungsgegnerin eingehalten, da ihr der Beschluss des Sozialgerichts am 12.03.2020 zugestellt wurde, sodass die Beschwerde vom 23.03.2020 fristgerecht erfolgte. Von einer Übersendung der Akten an das Sozialgericht zur Durchführung eines Nichtabhilfeverfahrens nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG, 33 Abs. 4 Satz 1 RVG sieht der Senat, der gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 RVG in der alleinigen Besetzung durch den Berichterstatter entscheidet, ab. Die Durchführung eines Abhilfeverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren (vgl. Beschluss des Senats vom 29.07.2019 - L 7 AS 1127/19 B; LSG Thüringen Beschluss vom 13.03.2017 - L 6 SF 1227/15 B).

Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

Soweit die Erinnerungsgegnerin eine gemeinsame gebührenrechtliche Festsetzung der drei Verfahren S 38 AS 3152/18, S 38 AS 3157/18 und S 38 AS 217/19 begehrt, verkennt sie, dass diese Verfahren verschiedene Angelegenheiten betreffen, weil zum einen in den Verfahren S 38 AS 3152/18 und S 38 AS 3157/18 keine Personenidentität vorlag sowie separate Erstattungsbescheide gegenständlich waren und es zum anderen in dem nachgelagerten Verfahren S 38 AS 218/19 aufgrund des zwischenzeitlichen Überprüfungsverfahrens um einen anderen prozessualen Streitgegenstand ging. Allein der Umstand, dass materiell-rechtlich eine gleichgelagerte Sachprüfung durchzuführen war, führt nicht zu einem identischen Streitgegenstand, wie ein Vergleich mit den gesetzlich geregelten Fällen des § 17 RVG verdeutlicht. Wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, ist im RVG nicht abschließend geregelt. Die anwaltlichen Tätigkeitskataloge des § 16 RVG ("dieselbe Angelegenheit") und des § 17 RVG ("verschiedene Angelegenheiten") benennen nur Regelbeispiele. Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, der sich mit dem prozessrechtlichen Begriff des (Verfahrens-)Gegenstandes decken kann, aber nicht muss. Während die Angelegenheit den für den Einzelfall definierten Rahmen der konkreten Interessenvertretung bezeichnet, umschreibt der Begriff des Gegenstandes inhaltlich die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt. Daher kommt es zur Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an. Von derselben Angelegenheit ist in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen, ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (BSG Urteil vom 02.04.2014 - B 4 AS 27/13 R). Von einer Angelegenheit können also mehrere Gegenstände umfasst sein. Von "derselben Angelegenheit" im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG ist in der Regel nicht auszugehen, wenn in einem Verfahren - wie vorliegend - ein Überprüfungsverfahren vorausgegangen ist, bei welchem die zusätzlichen Voraussetzungen des § 44 SGB X zu prüfen sind, sodass auch ein anderer rechtlicher Sachverhalt zugrunde zu legen ist (vgl. SG Dessau-Roßlau Beschluss vom 18.05.2018 - S 34 SF 201/15). Hinzu kommt vorliegend, dass die kostenrechtlichen Erinnerungs- und Beschwerdefristen in den Verfahren S 38 AS 3152/148 und S 38 AS 3157/18 abgelaufen sind, sodass schon aus diesem Grund eine Korrektur der dort durchgeführten Kostenfestsetzungen nicht mittelbar über das hiesige Beschwerdeverfahren möglich ist.

Auf den Hilfsantrag der Erinnerungsgegnerin war die Gebührenfestsetzung aber abzusenken. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aus dem Festsetzungsbeschluss vom 20.01.2020 Bezug genommen.

Der Erinnerungsführer hat mit seiner Klage vom 21.01.2019 in dem Verfahren S 38 AS 217/19 "vollends auf die laufenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen, Az. S 38 AS 3157/18 sowie S 38 AS 3152/18, verwiesen". Bei Lichte betrachtet wurden diese beiden Klageverfahren wegen der zwischenzeitlich streitigen Fristwahrung im Widerspruchsverfahren inhaltsgleich wiederholt. Eine Festsetzung der Mittelgebühr in Bezug auf die Verfahrensgebühr ist angesichts dieses bloß redundanten Vortrags weder in Bezug auf den Umfang noch auf die Schwierigkeit der Tätigkeit billig iSv § 14 RVG. Hieran ändern auch die Vorfragen bezüglich der Verfristung der Widersprüche nichts, denn nach den durchgeführten Überprüfungs- und Wiedereinsetzungsverfahren wurden diese Fragen in den drei Klageverfahren letztlich offen gelassen, sodass hierdurch ein gebührenerhöhender Aufwand oder Schwierigkeitszuschlag nicht erkannt werden kann. Der Begründungsumfang (bloße Bezugnahme auf anhängige Verfahren) und der aufgrund der Verfahrensspiegelung überschaubare Schwierigkeitsgrad lassen den Ansatz der Mittelgebühr, die für alle kostenprivilegierte Verfahren des Sozialgerichts maßgeblich ist, nicht zu. Denn verglichen mit Hauptsacheverfahren etwa in medizinischen Rechtsgebieten, in denen oftmals zu komplizierten medizinischen Gutachten und Befundberichten Stellung genommen werden muss, ist der Aufwand hier in quantitativer und qualitativer Hinsicht als weit unterdurchschnittlich zu bewerten. Mit der Kürzung der Verfahrensgebühr ging zwingend eine Kürzung der Erhöhungsgebühr und Umsatzsteuer einher, da diese Gebührentatbestände von der Höhe der Verfahrensgebühr abhängen.

Trotz dieser Synergieeffekte hat der UdG aber eine Kürzung der Terminsgebühren nicht für geboten erachtet. Dies ist entgegen der Rechtseinschätzung der Erinnerungsgegnerin nicht zu beanstanden, da insgesamt zwei Erörterungstermine mit einer Gesamtdauer von 80 Minuten stattgefunden haben, was einen durchschnittlichen Gebührenansatz hinsichtlich der Terminsgebühr in allen drei Verfahren rechtfertigt.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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