L 8 SO 29/19

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 10 SO 60/15 (Sozialgericht Dessau-Roßlau)
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 29/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für ein motorunterstütztes Fahrrad mit drei Rädern.

Bei dem am ... 1955 geborenen Kläger ist nach einem Medianinfarkt im Juni 2014, von dem als Folge insbesondere eine Hemiparese verblieben ist, ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 ohne Merkzeichen anerkannt. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ... (MDK) vom 16. Februar 2015 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) bestand - wie auch nach dem vorausgegangenen Gutachten vom 22. Oktober 2014 - ein Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufe I. Der Kläger wohne in einer Mietwohnung im Hochparterre, in die man durch Überwindung mehrerer Stufen bis zur Wohnungseingangstür gelange. Die Gehstrecke des Klägers betrage nach dem vom MDK beigezogenen Rehabilitationsentlassungsbericht ohne Hilfsmittel 1.000 m. Bei der Untersuchung habe sich das Gangbild im Bewegungsablauf etwas verlangsamt gezeigt. Das linke Bein werde etwas nachgezogen. Ein Rollstuhl sei nicht vorhanden. Das Gehen im Außenbereich erfolge in Begleitung und mit "Einhenkeln" bei der Pflegeperson. Zur örtlichen Orientierung außerhalb der Wohnung seien eine Begleitung und Orientierungshilfen notwendig. Die Fahrtauglichkeit des Klägers sei fraglich, zumindest eingeschränkt.

Der Kläger und seine am ... 1956 geborene Ehefrau bestreiten ihren Lebensunterhalt aus Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger gab gegenüber dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger im Juni 2015 an, Halter eines Pkw mit einer Erstzulassung im August 2011 und einem Verkehrswert von circa 4.000,00 EUR zu sein, für den er bis zum Jahr 2020 Raten zahlen müsse. Im Übrigen verfüge er insbesondere über eine Vermögenspolice bei der ... Versicherung mit einer gesicherten Ablaufleistung zum 1. Februar 2019 in Höhe von 8.584,10 EUR und einem geschätzten Schlussüberschussanteil von 241,80 EUR, mit seiner Ehefrau über ein Sparguthaben auf einem Sparbuch mit einem Guthaben am 1. Juni 2015 in Höhe von 50,08 EUR und ein Depot mit drei Anlagen bei einer Investmentgesellschaft mit einem Wert am 31. Dezember 2014 in Höhe von insgesamt 1.009,49 EUR. Seine Ehefrau verfüge neben zwei im Einzelnen nicht durch Unterlagen belegten Policen mit einer Zertifizierung als gesetzlich geförderter Riesterrente - über eine Vermögenspolice bei der ... Versicherung mit einem Wert zum 1. Juni 2015 in Höhe von 6.418,72 EUR, für die ein während der Vertragslaufszeit vereinbarter Verwertungsausschluss, nicht aber der Ablauftermin mitgeteilt worden ist.

Die Praktische Ärztin Dipl.-Med. F. verordnete dem Kläger am 23. April 2015 auf dem Vordruck für Verordnungen zu Lasten der beigeladenen Krankenkasse, bei welcher der Kläger versichert ist, mit Angabe der Diagnose "I63.5GR - Hirninfarkt" ein "Therapierad mit elektronischer Unterstützung". Bei der beigeladenen Krankenkasse ging neben dieser Verordnung der Kostenvoranschlag der Neubert Orthopädie-Technik GmbH & Co. KG für ein Haverich Dreirad 26" TEK mit Zubehör und Radnabenmotor zur Tretunterstützung vom 30. April 2015 mit einem Gesamtbetrag (einschließlich Mehrwertsteuer) in Höhe von 4.618,14 EUR ein.

Die Beigeladene leitete den Antrag des Klägers mit Schreiben vom 8. Mai 2015 auf der Grundlage von § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung - SGB IX) an das Sozialamt des Landkreises Anhalt-B., dem örtlichen Sozialhilfeträger für den Wohnort des Klägers (in Folgenden: Landkreis), weiter. Dieser sei der für die Leistung zuständige Träger, da die beantragte Versorgung in folgenden Punkten über den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkasse hinausreiche: Die Benutzung eines Fahrrades/Dreirades, ob mit oder ohne Elektromotor, zähle nicht zu den Grundbedürfnissen auf Mobilität, zu denen nur die Bewegungsfreiheit im Nahbereich der Wohnung gehöre. Ein Fahrrad/Dreirad diene vorrangig der Fortbewegung in der Freizeit. Das Zurücklegen längerer Wegstrecken zähle jedoch nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Ein Dreirad mit Elektromotor zähle nicht zu den Hilfsmitteln im Sinne des § 33 Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) und falle grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr handele es sich um eine Leistung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Am 1. Juni 2015 gingen bei dem Landkreis die Vordrucke zum Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe ein. Der Landkreis lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für das Fahrrad mit Bescheid vom 4. Juni 2015 im Namen des Beklagten ab. Der Kläger und seine Ehefrau verfügten gemeinsam über ein Vermögen von 14.132,78 EUR (Sparbuch mit einem Guthaben von 50,08 EUR, Depotguthaben 1.009,49 EUR, Versicherungspolicen mit Rückkaufswerten von 6.654,49 EUR und 6.418,72 EUR), das die Schongrenze des Klägers und seiner Ehefrau von zusammen 3.214,00 EUR (2.600,00 EUR für den Kläger und 614,00 EUR für seine Ehefrau) übersteige. Bei der Berechnung der Schonvermögensgrenze seien der Wert des Kfz sowie zwei Versicherungen mit einer mitgeteilten Riesterförderung außer Betracht geblieben, für welche die Verträge nicht vorgelegen hätten. Medizinische Ermittlungen seien daher nicht erforderlich.

Der Kläger verwies in seinem hiergegen am 23. Juni 2015 eingelegten Widerspruch auf die erst in den Jahren 2019 bzw. 2020 zur Auszahlung kommenden Leistungen aus den Versicherungspolicen. Eine Verwertung sei nicht zumutbar. Er sei gesundheitlich auf das beantragte Dreirad angewiesen.

Der beklagte überörtliche Sozialhilfeträger wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2015 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides als unbegründet zurück. Die kapitalbildenden Lebensversicherungen seien nicht nach § 90 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) berücksichtigungsfrei, da eine besondere Härte nicht vorliege. Des Weiteren sei ein Vermögensverlust bei Verwertung der Lebensversicherung im Verhältnis zu den eingezahlten Beträgen in Höhe von 35 Prozent noch nicht unwirtschaftlich. Hinzu komme, dass bei der vorgenommenen Vermögensermittlung auch der Wert des vorhandenen Kfz nicht berücksichtigt worden sei.

Der Kläger hat am 7. September 2015 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und schließlich nur noch beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2015 zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung eines Dreirades mit Elektromotor zu übernehmen. Er leide auf Grund der Folgen des Schlaganfalls an motorischen Störungen, sei in seiner Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt und könne sich ohne fremde Hilfe nahezu nicht im näheren häuslichen Umfeld aufhalten, fortbewegen oder zum Bahnhof des Ortes begeben. Um von A nach B zu gelangen, sei er auf seine Ehefrau angewiesen, die ihn mit dem Kfz befördere. Er benötige auch auf kürzeren Wegstrecken deren Obhut und Beobachtung. Er gehe davon aus und hoffe, mit dem Dreirad wieder ein gewisses Maß an Eigenständigkeit erlangen. Ein Therapiefahrrad gewährleiste, dass er auf Grund seiner Gleichgewichtsstörungen nicht umfalle. Es sei ihm nicht einmal möglich, ohne fremde Hilfe seine Mutter im Ort, die circa einen Kilometer entfernt wohne, aufzusuchen, irgendwelche Einkäufe selbstständig zu tätigen oder Arztbesuche wahrzunehmen. Ein Rollator sei auf Grund der Straßenverhältnisse für die Fortbewegung ungeeignet.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23. März 2016 die Beiladung bewirkt und sodann Befundberichte eingeholt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Hettrich hat in ihrem Befundbericht vom 16. September 2016 mitgeteilt, es ergäben sich aus ihrer Sicht keine konkreten Funktionseinschränkungen bei dem Kläger. Dieser besuche die Praxis, könne dazu vier Stufen steigen und mehrere Meter ohne Gehhilfe (Gehstock oder Ähnliches) gehen. Aus ihrer Sicht seien bei dem Kläger keine Hilfsmittel erforderlich. Dipl.-Med. F. hat unter dem 22. September 2016 ausgeführt, die Transferleistung des Klägers sei gestört. Er habe Standschwierigkeiten, Unsicherheiten beim Gehen. Es seien bei ihm nur kurze Gehstrecken möglich und das nur mit Hilfe. Bei dem Kläger seien Koordination, Gleichgewicht, Fein- und Grobmotorik gestört sowie die Muskelkraft vermindert. Es bestehe noch immer eine Sturzneigung. Er sei in seiner Bewegungsfähigkeit massiv eingeschränkt. Ein Therapierad sei für den Kläger das entsprechende Hilfsmittel, "um all seine Fortbewegungsprobleme im häuslichen, sowie im Alltag zu bewältigen". Ausweislich des beigefügten Arztbriefes hat Frau H. dem Kläger am 10. August 2016 Ergo- und Physiotherapie verordnet. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 83 und 87 bis 109 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Beigeladene hat während des Klageverfahrens die sozialmedizinische Stellungnahme des MDK vom 14. Oktober 2016 eingeholt, in der ausgeführt wird, bei Erwachsenen - anders als bei Kindern - erfüllten Zwei- und Dreiräder die Funktion des Radfahrens, das nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre. Zur Therapie der bei dem Kläger vorliegenden Erkrankung stünden andere zielgerechtere und wirtschaftlichere Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung (z.B. Maßnahmen der physikalischen Therapie oder Ergo-Therapie). Es lasse sich bei dem Kläger auch keine schwere Gehbehinderung feststellen, die eine Hilfsmittelversorgung zur Sicherung der Mobilität im nahen Wohnumfeld erforderlich machen würde.

Zu den von dem Beklagten ermittelten Entfernungen zu der für den Kläger nächstgelegenen Bushaltestelle, seiner Hausärztin und der in seinem Wohnort lebenden Tochter und den Busfahrplänen des örtlichen ÖPNV wird auf Blatt 187 bis 196 Bd. I der Gerichtsakten verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage (mit Einverständnis der Hauptbeteiligten und der Beigeladenen ohne mündliche Verhandlung, 202, 207, 210 GA) mit Urteil vom 12. Dezember 2018 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines Therapierades. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 33 Abs. 1 SGB V. Insoweit komme es allerdings nicht darauf an, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelistet sei (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R -, juris). Auch für Erwachsene seien Therapiedreiräder Hilfsmittel (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. Januar 2001 - B 3 KR 6/00 R -, juris; und Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 - L 9 KR 392/10 -, juris). Das Fahrrad diene hier nicht der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung und sei für eine solche auch nicht erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V. Der von der Rechtsprechung für die Versorgung mit einem solchen Fahrrad geforderte enge Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung (Hinweis auf BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.) sei hier nicht erkennbar. Insbesondere aus dem Befundbericht von Dipl.-Med. F. vom 22. September 2016 ergebe sich ein solcher konkreter Therapieplan nicht. Das Dreirad sei auch nicht zum hier mittelbaren Behinderungsausgleich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Alternative SGB V erforderlich, weil die Krankenkassen nur solche Hilfsmittel zur Verfügung stellen müssten, die dem Grundbedürfnis dienten, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und diese zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen seien. Der Kläger sei in der Lage, sich im Nahbereich fortzubewegen. Er habe keine schwere Gehbehinderung. Die ggfs. erforderliche Versorgung mit einem Rollator lehne der Kläger ab bzw. habe diese nicht beantragt. Das Fahrradfahren selbst gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (Hinweis auf BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.). Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach den §§ 54, 55 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 7 SGB IX. Für die Teilhabe des Klägers am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben sei das Dreirad nicht erforderlich. Im Einzelfall erforderlich und geeignet im Sinne des hier anzuwendenden § 9 Abs. 3 der Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) sei das Fahrrad nicht, weil es am Maßstab der individuellen Lebenssituation, Bedürfnisse und Wünsche des Klägers und Art und Ausmaß seiner Behinderung hier nicht unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele sei (zu dem Maßstab Hinweis auf BSG, Urteile vom 20. September 2012 - B 8 SO 15/11 R -; vom 23. August 2013 - B 8 SO 24/11 R -, vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 18/12 R -, sämtlich juris). Dem Kläger stünden hier insoweit andere Möglichkeiten als die Benutzung des Dreirades zur Verfügung. Der Kläger könne Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erreichen. Nach Einschätzung von Dipl.-Med. H. sei die Gehstrecke des Klägers nur subjektiv eingeschränkt. Sie habe ihre Einschätzung mitgeteilt, der Kläger könne mehrere Meter ohne Hilfsmittel gehen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeschlossen sei. Der Kläger erhalte zudem Unterstützung durch seine Ehefrau, welche ihn auch mit dem Auto fahre. Das Gericht verkenne nicht, dass das Therapiedreirad die Lebensqualität des Klägers verbessern würde. Damit seien allerdings die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch den Beklagten nicht erfüllt.

Der Kläger hat gegen das ihm am 6. Mai 2019 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 6. Juni 2019 Berufung bei dem Landessozialgericht ... eingelegt. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus der ersten Instanz wiederholt und vertieft. Die Anschaffung eines derartigen Therapierades sei erforderlich und notwendig, um den Erfolg der Krankenbehandlung bei ihm zu sichern. Es seien weitere Ermittlungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich, die ergeben würden, dass er seinen Anspruch auf Versorgung mit dem Dreirad auf § 33 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative SGB V (Behindertenausgleich) stützen könne.

Der Kläger beantragt ausdrücklich:

Das Urteil des SG Dessau-Roßlau vom 12.12.2018 sowie der Bescheid des Landkreises Anhalt-B. vom 04.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Anschaffung eines Dreirades (Therapiedreirades) mit Elektromotor gemäß Antrag zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Hier fehle es insbesondere an der Einbindung des Dreirades in ein ärztliches Therapiekonzept, das bereits Bestandteil der ärztlichen Verordnung hätte sein müssen.

Die Beteiligten sind mit richterlichem Schreiben vom 18. Dezember 2019 zu einer Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden (Zustellung Beigeladene am 23. Dezember 2019, Kläger am 27. Dezember 2019, Beklagte am 2. Januar 2020). Die Beteiligten haben sich nachfolgend nicht mehr geäußert.

Im Übrigen wird zu dem Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist.

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden können, da die Berufsrichter das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu vor der Entscheidung gehört worden.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist unzulässig, soweit diese sich auf eine Hilfsmittelversorgung zu Lasten der Beigeladenen im Rahmen der Krankenbehandlung außerhalb von Leistungen der medizinischen Rehabilitation richtet. Insoweit ist der Beklagte weder unmittelbar noch in seiner Zuständigkeit als zweitangegangener Rehabilitationsträger zuständig und hat damit in seiner Zuständigkeit nicht die erforderliche Verwaltungs- und Widerspruchsentscheidung getroffen, die Klagevoraussetzung ist. Auch im Rahmen der Beiladung nach § 75 Abs. 4 SGG kann die Verurteilung eines Sozialversicherungsträgers ohne dessen eigene Entscheidung über den Anspruch nur erfolgen, soweit er für dieselbe Leistung zuständig ist und deshalb der mit der Klage angefochtene Bescheid auch gegenüber ihm gilt, d.h. nur ein Wechsel der zuständigen Behörde stattfindet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist, soweit er mit der zulässigen Klage angefochten ist, rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für ein Fahrrad mit drei Rädern und Hilfsmotor. Der Begriff "Therapierad" oder "Therapiedreirad" ist eine Klassifizierung im Wesentlichen für eine Ausrüstung für Menschen mit Behinderungen, ohne dass hiermit eine Zielsetzung im Sinne einer Krankenbehandlung durch das Fahrrad zwingend verknüpft ist.

Für die mit der Klage verfolgte Versorgung mit einem Fahrrad besteht sowohl für eine Leistung der medizinischen Rehabilitation als auch für eine Leistung der Eingliederungshilfe ein Auswahlermessen des Rehabilitationsträgers, sodass eine Verurteilung zur Leistung regelmäßig nicht in Betracht kommt. Eine Ausnahme bilden nur die Fälle einer Ermessensreduzierung auf Null. Eine solche Ermessensreduzierung liegt im vorliegenden Rechtsstreit bereits wegen der Produktpalette für Fahrräder mit Stützrädern, Zusatzmotor etc. nicht vor.

Der Beklagte war auch als Minus zu dem vom Kläger verfolgten Antrag nicht zu verpflichten, über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auf der Grundlage der Regelungen des § 131 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 SGG erneut zu entscheiden. Nach § 131 Abs. 3 SGG ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, wenn das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsaktes für rechtswidrig hält. Der Anwendungsbereich dieser Regelungen ist insbesondere eröffnet, wenn ein Ermessen der Behörde besteht (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 131 RdNr. 12). Ein Ausfall, eine Unterschreitung oder ein Fehlgebrauch des Ermessens durch den Beklagten ist hier im Ergebnis nicht gegeben, weil die Voraussetzungen für die begehrte Leistung unter keinem Gesichtspunkt erfüllt sein können. Die Aufhebung einer Behördenentscheidung auf Grund eines nicht oder nicht hinreichend ausgeübten Ermessens kommt dann nicht in Betracht, wenn die erneute Entscheidung in eine Ablehnung des Antrages münden muss (vgl. insoweit zu den allgemeinen Grundsätzen der Neubescheidung, die auf das Sozialprozessrecht übertragbar sind, z.B. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Oktober 2004 - 1 C 15/03 -, juris, RdNr. 15 und Leitsatz Nr. 10).

Als zweitangegangener Rehabilitationsträger hat der Beklagte die Alleinzuständigkeit für die Entscheidung über einen Anspruch des Klägers, da er als überörtlicher Sozialhilfeträger Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 SGB IX ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R -, juris).

Der Kläger kann die Kostenübernahme für das Dreirad nicht im Rahmen von Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V oder des SGB XII verlangen.

In Bezug auf den Inhalt der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die hier begehrt werden, weil das Dreirad nicht Gegenstand einer Anwendung durch Dritte im Rahmen einer Behandlung durch einen Arzt oder einen nichtärztlichen Leistungserbringer, sondern von dem Kläger eigenständig und nach seinen Vorstellungen eingesetzt wird, ergibt sich eine Beschränkung auch des Sozialhilfeträgers sowohl in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation als auch auf den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. z.B. Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 54 RdNr. 6ff.). Einem Leistungsanspruch des Klägers mit einem Hilfsmittel im Rahmen von Leistungen der medizinischen Rehabilitation steht hier vor diesem Hintergrund bereits entgegen, dass der Kläger primär den Zweck der Teilhabe, nicht aber eines auf seinen Körper einwirkenden therapeutischen Erfolges verfolgt. Von Seiten der verordnenden und die Hilfsmittelversorgung befürwortenden behandelnden Ärztin ist ein medizinisches Behandlungsziel weder im Rahmen der maßgebenden Verordnung genannt noch in der Folgezeit formuliert worden. Ein durch die Versorgung des Klägers mit einem motorunterstützen Fahrrad zu erreichendes Therapieziel ist auch dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Dass die Folgen des Schlaganfalles als solche durch die Benutzung eines Fahrrades ganz oder teilweise zurückgebildet werden könnten, erschließt sich nicht. Damit ist auch nicht erkennbar, welche medizinischen Feststellungen durch ein Sachverständigengutachten, dessen Fehlen der Kläger gerügt hat, der Klage zum Erfolg verhelfen könnten. Vielmehr dringt der Kläger im Wesentlichen auf den Ausgleich des durch seine Erkrankung eingetretenen Verlustes der sozialen Teilhabe, dessen Abmilderung nicht mit einer Therapie der Krankheit gleichzusetzen ist.

Hier kommt auch eine Verpflichtung des Beklagten im eigenen Zuständigkeitsbereich als Sozialhilfeträger durch die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nicht in Betracht. Zu den im konkreten Einzelfall des Klägers nicht erfüllten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Eingliederungshilfe durch Finanzierung des motorunterstützten Fahrrades - im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt eines Zugewinns an Autonomie und Mobilität - wird vollumfänglich auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen, die der Senat sich nach eingehender Prüfung zu eigen macht und die auch die Zurückweisung der Berufung tragen.

Der Senat kann damit dahinstehen lassen, dass die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bei noch nicht abgeschlossenen Sachverhalten hier nicht dazu führen muss, dass die mit Wirkung zum 1. April 2017 angehobenen allgemeinen Vermögensschonbeträge (Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des SGB XII, BGBl. I S. 519) oder der durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen ab dem 1. Januar 2017 für die Eingliederungshilfe vorgesehene zusätzliche Betrag für die Lebensführung (§ 60a SGB XII, BTHG vom 23. Dezember 2016, BGBl. I, S. 3234) auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind. Insoweit handelt es sich weder um Regelungen des Prozessrechts noch ist eine vom Gesetzgeber gewollte Erstreckung der Regelungen auf bereits beschiedene Sachverhalte erkennbar (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 27. Februar 2019 - B 8 SO 15/17 R -, juris, RdNr. 22, BSG, Urteil vom 26. Februar 2020 - B 5 R 1/19 R -, juris, RdNr. 13). Vielmehr ist hier davon auszugehen, dass der von dem Kläger geltend gemachte Bedarf durch Verwertung des vorhandenen Vermögens zum Zeitpunkt der Rechtsänderung bereits zu decken war und er sich durch das Zuwarten mit der Bedarfsdeckung nach dem bereits abgelehnten Antrag eine günstigere Rechtsposition für einen bereits in der Vergangenheit entstandenen und abzudeckenden sozialhilferechtlichen Bedarf nicht schaffen kann. Nach Maßgabe des § 90 SGB XII in der zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Fassung wurde von dem Beklagten das zu verwertende Vermögen des Klägers zutreffend ermittelt. Im Übrigen sind von dem Kläger zwei zu berücksichtigende Versicherungsverträge auch auf gerichtliche Aufforderung nicht vollständig vorgelegt worden. Dem kann auch der ggf. mit dem Versicherungsunternehmen vereinbarte Ausschluss der Verwertung der Versicherung nicht entgegengehalten werden, da ein solcher nicht uneingeschränkt zu Lasten des Sozialhilfeträgers wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 19/10 R -, juris). Die dargelegte Zertifizierung als Produkt, für das eine Riester-Förderung gewährt werde kann, belegt nicht, ob es sich tatsächlich um geschütztes Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII handelt. Vielmehr ist insoweit die tatsächliche staatliche Förderung maßgebend, die im Übrigen nach der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage auf Förderungshöchstbeträge begrenzt war (vgl. zur Rechtsentwicklung z.B. Mecke in JurisPraxiskommentar zum SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 90 RdNr. 62 f.). Auch die Verwertung des von dem Kläger nicht mehr selbst gesteuerten Kfz für die gewünschte Erweiterung einer eigenbestimmten Mobilität mit einem motorunterstützen Fahrrad erscheint für den Senat nicht unzumutbar. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger und seine Ehefrau ihren Lebensunterhalt vollständig aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung bestreiten können, ist in dem Einsatz der vorhandenen Mittel zum Erreichen einer besseren sozialen Teilhabe während des Ruhestandes auch eine besondere Härte, die einer Verwertung nach § 90 Abs. 3 SGB XII entgegenstehen könnte, nicht zu sehen. Im Übrigen wäre auch unter Anwendung der aktuellen Schonbeträge für Leistungen der medizinischen Rehabilitation zu berücksichtigen, dass die Versicherungen teilweise inzwischen fällig geworden sind und sich die Beträge gegenüber dem Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung weiter erhöht haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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