L 8 AY 28/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 AY 5/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AY 28/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 45 SGB X und § 48 SGB X - und eine in Konsequenz notwendige Ermessensausübung - kommt es auch im Rahmen des AsybLG nicht auf die Kenntnis der Behörde, sondern die objektive Sach- und Rechtslage an.
2. Eine fortbestehende Anspruchseinschränkung wird grundsätzlich nur anzunehmen sein, wenn kein freier Zeitraum nach einer erstmaligen Anspruchseinschränkung besteht.
3. Bei Wegfall der Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung ist die Leistungsbewilligung nicht erst ab dem Folgemonat zu ändern.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Februar 2019 abgeändert und der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 12. September 2016 und Abänderung seines Bescheids vom 27. November 2017, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2018, verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. Januar 2018 und für die Zeit vom 22. Februar bis 28. Februar 2018 Grundleistungen i.H.v. monatlich 320,14 EUR unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen für den Lebensunterhalt zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat sechs Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger im Zeitraum von Oktober 2016 bis Februar 2018 Anspruch auf höhere laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hat.

Der Kläger, nach eigenen Angaben 1980 geboren und Staatsangehöriger Ugandas, reiste am 14.03.2012 über einen unbekannten Flughafen nach Deutschland ein und beantragte spätestens am 28.03.2012 Asyl. Die Regierung von Schwaben wies ihn ab dem 17.04.2012 einer Gemeinschaftsunterkunft im Gebiet des Beklagten zu (Bescheid vom 11.04.2012). Im Rahmen seiner Anhörung im Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab der Kläger u.a. an, seine Personalpapiere seien in Deutschland verloren gegangen. Das BAMF lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 01.12.2015 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen, und forderte den Kläger zum Verlassen der Bundesrepublik binnen einer Woche auf. Den hiergegen gerichteten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Bayer. Verwaltungsgericht Augsburg (VG) mit Beschluss vom 22.12.2015 (Au 4 S 15.30739) ab. Die Klage selbst wurde vom VG mit Urteil vom 03.05.2016 (Au 4 K 15.30738) abgewiesen, in Bezug auf die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet. Eine vom Kläger im Asylverfahren behauptete Vaterschaft zu einem in Deutschland lebenden Kind besteht nach dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - B-Stadt vom 20.06.2017 (4 F 129/17) nicht.

Aufgrund des Beschlusses des VG vom 22.12.2015 war der Kläger vollziehbar ausreisepflichtig und erhielt seitdem nur mehr Duldungen. Die Ausländerbehörde des Beklagten wies den Kläger erstmals mit Schreiben vom 29.01.2016 auf die Passpflicht und die Pflicht zur Mitwirkung an der Beschaffung von Identitätspapieren hin und forderte ihn auf, seinen gesetzlichen Verpflichtungen aus § 3 Abs. 1 und § 48 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nachzukommen. Dem Kläger wurde eine Frist bis 08.04.2016 gesetzt. Mit Schreiben vom 17.02.2016 an seinen Prozessbevollmächtigten erfolgte eine weitere Aufforderung an den Kläger dahin, dass bis 08.04.2016 ein Antrag auf Passersatzpapiere ausgefüllt und vier biometrische Passbilder abgegeben werden sollten. Der Kläger wurde in der Folge wiederholt von der Ausländerbehörde auf die Passpflicht und die Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben hingewiesen, u.a. wurde ihm bei einer Vorsprache am 27.09.2016 ein diesbezüglicher Hinweis auch in Englisch ausgehändigt. Bei seiner persönlichen Vorsprache am 12.10.2017 weigerte sich der Kläger, den Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapiers auszufüllen. Er wurde aufgefordert, Identitätsnachweise vorzulegen und sich um die Beschaffung eines Heimreisedokuments zu bemühen. Der Kläger gab zudem an, er habe durchaus Kontakt nach Uganda, da er sich von dort Nachweise zuschicken lassen wolle, dass eine Rückkehr nach Uganda für ihn unzumutbar sei. Identitätsdokumente könne ihm seine Schwester nicht zuschicken.

Den Asylfolgeantrag des Klägers vom 18.12.2017 lehnte das BAMF mit Bescheid vom 21.12.2017 als unzulässig ab. Im nachfolgenden Klageverfahren beim VG (Au 4 K 18.30024) erbrachte eine Anfrage beim Auswärtigen Amt, dass ein vom Kläger zum Beleg seiner Verfolgung vorgelegtes Dokument nicht echt sei. Die Klage wurde mit Urteil vom 26.09.2018 abgewiesen und der Antrag auf Zulassung der Berufung vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27.02.2019 (9 ZB 18.32859) abgelehnt. Eine weitere Klage zum VG (Au 6 K 18.1175), gerichtet gegen die Ablehnung einer Aufenthaltsgestattung während des Asylfolgeverfahrens, nahm der Kläger zurück.

Der Beklagte gewährte dem Kläger ab der Zuweisung im April 2012 Grundleistungen nach dem AsylbLG bis Juni 2015; ab dann wurde wegen Einkommen des Klägers aus einer Beschäftigung als Verpacker - diese endete im April 2016 - keine Hilfebedürftigkeit mehr angenommen.

Mit Bescheid vom 25.05.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger sog. Analogleistungen für Mai 2016 i.H.v. 0 EUR (aufgrund Einkommens) und für die Monate Juni 2016 bis Januar 2018 i.H.v. jeweils 347,44 EUR.

Die Ausländerbehörde teilte unter dem 03.06.2016 auf Anfrage mit, der Kläger habe die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich beeinflusst, indem er gegen Mitwirkungspflichten verstoßen habe. Dazu wurde auch auf einen Bescheid vom 21.04.2016 über die Ablehnung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit verwiesen. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22.06.2016 die Analogleistungen zum 30.06.2016 ein. Nach Abfrage sei bekannt geworden, dass der Kläger gegen Mitwirkungspflichten verstoßen habe. Somit seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Analogleistungen nicht mehr gegeben. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies die Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2016 zurück. Das nachfolgende Klageverfahren (S 15 AY 11/16) vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) endete mit einem Anerkenntnis des Beklagten dahin, dass die Einstellungsentscheidung aufgehoben werde.

Dementsprechend hob der Beklagte mit Bescheid vom 10.11.2016 den Bescheid vom 22.06.2016 auf (Ziffer 1) und zugleich auch den Bescheid vom 25.05.2016 ab dem 01.07.2016 (Ziffer 2). Die Einstellung von Leistungen, welche für einen bestimmten Zeitraum bewilligt worden seien, sei nicht rechtmäßig. In Bezug auf Analogleistungen habe der Kläger zwar die Dauer des Aufenthalts erfüllt, jedoch habe die Ausländerbehörde mitgeteilt, dass er gegen Mitwirkungspflichten verstoßen habe. Er sei der Aufforderung, insbesondere den übermittelten Passersatzpapierantrag vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen, eigenhändig zu unterschreiben und bei der Ausländerbehörde einzureichen, nicht nachgekommen. Die bei Erlass des Bescheids vom 25.05.2016 vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse hätten sich durch die Mitteilung der Ausländerbehörde geändert, so dass der Bescheid aufzuheben sei.

Der gegen Ziffer 2 des Bescheids vom 10.11.2016 gerichtete Widerspruch wurde von der Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2018 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben (Az. zunächst S 8 AY 5/18). Der Bescheid vom 10.11.2016 sei schon deshalb rechtswidrig, weil es keinen Grund gebe, rückwirkend Leistungen zu entziehen. Er sei am 22.02.2018 bei der ugandischen Botschaft gewesen, wobei er allerdings keinerlei Identitätsdokument gehabt habe, so dass auch der Pass nicht habe ausgestellt werden können. Wegen eines Asylfolgeverfahrens habe er außerdem wieder Anspruch auf eine Aufenthaltsgestattung.

Mit weiterem Bescheid vom 22.06.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum von Juli 2016 bis Januar 2018 Grundleistungen i.H.v. monatlich 320,14 EUR. Hilfebedürftigkeit liege vor; der Bedarf habe sich geändert.

Diesen Bescheid hob der Beklagte mit Bescheid vom 12.09.2016 für die Zeit ab Oktober 2016 wieder auf und bewilligte dem Kläger von Oktober 2016 bis März 2017 gekürzte Leistungen i.H.v. monatlich 293,14 EUR. Der Bewilligungsbescheid sei aufzuheben gewesen, da bekannt geworden sei, dass der Kläger zum Personenkreis des § 1a Abs. 5 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 15 Abs. 2 Nr. 4 des Asylgesetzes (AsylG) gehöre. Der Missbrauchstatbestand des § 1a Abs. 3 AsylbLG liege vor, da der Kläger explizit auf die in Deutschland bestehende Passpflicht sowie seine Mitwirkungspflicht zur Beschaffung von Identitätspapieren hingewiesen worden sei.

In der Zeit von April bis November 2017 zahlte der Beklagte an den Kläger weiterhin monatlich 293,14 EUR aus.

Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 19.10.2017) bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27.11.2017 für die Zeit von Dezember 2017 bis Mai 2018 gekürzte Leistungen i.H.v. monatlich 165,84 EUR und behielt sich den rückwirkenden Widerruf aller Leistungen vor, wenn diese aufgrund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben bewilligt worden seien. Der Kläger sei hilfebedürftig, er sei dem leistungs-berechtigten Personenkreis zuzuordnen, halte sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und sei seit Dezember 2015 vollziehbar ausreisepflichtig. Daher könnten ihm nur mehr Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt werden. Er habe keinen Anspruch auf Analog- oder Grundleistungen. Leistungen bei Krankheit würden erbracht. Die Anspruchseinschränkung werde auf sechs Monate befristet. Es werde als sachgerecht erachtet, die Leistungen einzuschränken, da der Kläger offensichtlich die Bundesrepublik zu verlassen habe, dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen sei. Seit dem 01.12.2015 habe für ihn die abstrakte Ausreisemöglichkeit bestanden. Des Weiteren komme er seiner Mitwirkungspflicht nicht nach. Trotz mehrfacher Aufforderung habe er bisher keine Heimreisedokumente vorgelegt, keine Nachweise über seine Identität bei der ugandischen Botschaft beschafft bzw. keine Nachweise über seine Bemühungen vorgelegt. Er weigere sich seit Monaten, den Passersatzantrag auszufüllen. Dem Kläger seien somit nur Leistungen der Unterkunft einschließlich Heizung, Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege zu gewähren. Der Betrag zur Deckung der Gesundheitspflege und Ernährung werde monatlich in bar ausbezahlt.

Am 22.02.2018 wurde der Kläger in der ugandischen Botschaft vorstellig. Der Beklagte bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 07.03.2018 ab März 2018 Leistungen i.H.v. monatlich 320,14 EUR. Der Kläger sei nunmehr seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen.

Ein schon zuvor beim SG gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 8 AY 18/17 ER) war erfolglos geblieben (Beschluss vom 11.01.2018). Im Hinblick auf die Vorsprache in der Botschaft sprach der Senat im Beschwerdeverfahren (L 8 AY 3/18 B ER) dem Kläger unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen weitere Leistungen für die Zeit vom 22.02. bis 28.02.2018 zu (Beschluss vom 20.03.2018).

Gegen die Bescheide vom 12.09.2016 und vom 27.11.2017 legte der Kläger jeweils Widerspruch ein, im Wesentlichen mit der Begründung, die Kürzungen seien verfassungswidrig. Beide Widersprüche wurden von der Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2018 zurückgewiesen. Beim Kläger könnten aus von ihm selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden. Er habe keine ausreichenden Anstrengungen unternommen, die Beschaffung von Identitätspapieren aus dem Heimatland zu erreichen, und auch den notwendigen Antrag auf Ausstellung von Passersatzpapieren habe er nicht ausgefüllt. Damit sei dem Kläger vorwerfbares Verhalten ursächlich für die Nichtvollziehbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Es sei mit dem Bescheid vom 12.09.2016 nur um einen geringfügigen Prozentsatz gekürzt worden, die Absenkung auf das unabweisbar Gebotene sei nicht umgesetzt worden. Erst mit dem Bescheid vom 27.11.2017 seien wegen fortbestehender Mitwirkungsverweigerung zu Recht nur noch Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft einschließlich Heizung und Körper- und Gesundheitspflege gewährt worden. Die Leistungskürzungen seien auch nicht verfassungswidrig.

Dagegen hat der Kläger ebenfalls Klage zum SG erhoben (Az. ursprünglich S 8 AY 6/18). Die Bescheide seien schon deshalb rechtswidrig, weil sie ermessensfehlerhaft seien. Das Ausmaß der Kürzung sei in keinem Fall ausreichend begründet worden. In einem Fall sei nur auf 293,14 EUR gekürzt worden, im anderen dann auf 165,84 EUR. Außerdem sei jegliche Kürzung unterhalb des Existenzminimums verfassungswidrig.

Das SG hat die beiden Klageverfahren verbunden (Beschluss vom 06.07.2018).

Der Beklagte hat erwidert, ein Anspruch auf volle Leistungen bestehe nicht. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen hätten aus vom Kläger selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können. Daher habe er nur Anspruch auf gekürzte Leistungen. Ein im Einzelfall bei sehr langem Aufenthalt (15 Jahre) zu gewährender Barbetrag für ein Mindestmaß an Teilnahme am gesellschaftliche, kulturellen und politischem Leben liege beim Kläger nicht vor. Die Kürzung sei eine gebundene Entscheidung.

Nach Beiziehung der Akten des VG hat das SG mit Urteil vom 28.02.2019 (Az. nun S 18 AY 5/18) die Klagen abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die streitigen Bescheide und Widerspruchsbescheide verwiesen. Der Kläger sei seit Jahren ausreisepflichtig. Seit dem Besuch der ugandischen Botschaft im Februar 2018 habe der Kläger nach Kenntnis des Gerichts keine weiteren Anstrengungen unternommen. Allein das Verhalten des Klägers habe zu den Kürzungen geführt. Die Kürzungen wiederum hätten dazu geführt, dass der Kläger nun doch die Botschaft aufgesucht habe. Nachdem die Kürzungen wieder aufgehoben worden seien, sei er zu seinem ursprünglichen Verhalten zurückgekehrt, jegliche Mitwirkung zu verweigern. Es habe den Anschein, dass die Kürzungen in der Vergangenheit nicht zu einer fortdauernden Änderung des Verhaltens geführt hätten.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das SG begründe die Abweisung der Klage lapidar mit einem Verweis auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und nur damit, dass allein das Verhalten des Klägers die Kürzungen rechtfertige, da er bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt habe. Es seien aber auch Ermessensfehler bei der Beurteilung der unabweisbar gebotenen Leistungen eingewandt worden. Dabei sei Ermessen auszuüben. Absolut ermessensfehlerhaft sei die Streichung der Leistungen für Verkehr und Nachrichtenübermittlung i.H.v. monatlich 55 EUR, denn es entstünden ihm Kosten für Fahrten zu den Behörden. Außerdem sei er auf das Telefon angewiesen. Allein damit seien die Bescheide verfassungswidrig. In zweiter Linie sei auch die Art und Weise der Kürzungen verfassungswidrig, so dass auch § 1a AsylbLG verfassungswidrig sei, wenn er in dieser Pauschalität ausgelegt werde. Es werde bestritten, dass er sich nicht ausreichend um Identitätsnachweise bemüht habe, denn schließlich habe er in der Botschaft vorgesprochen, um einen Pass zu beantragen. Auch zur Beschaffung von Identitätspapieren aus dem Heimatland bedürfe es der Geldmittel.

Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.02.2019, S 18 AY 5/16, wird aufgehoben bzw. abgeändert.
2. Der Bescheid des Beklagten vom 12.09.2016 und der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2018 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 01.10.2016 bis 28.02.2018 Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren und
3. der Bescheid des Beklagten vom 10.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2018 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Besondere Umstände im Einzelfall für die Zeiten der Leistungskürzungen lägen nicht vor. Die verfassungsgemäßen Leistungskürzungen und die Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft und Körperpflege führten zu den vorgebrachten gravierenden, sozialen Einschränkungen für den Kläger. Dies seien gesetzliche Folgen der Leistungskürzungen, aber keine Ermessensfehler. Der Kläger halte sich seit 14.03.2012 in Deutschland auf und habe trotz wiederholter Aufforderung keinen ausreichenden Versuch zur Beschaffung von Identitätspapieren aus seinem Heimatland unternommen. Im Zeitraum von April bis November 2017 seien Leistungen gewährt, aber keine schriftlichen Bescheide erlassen worden.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auch der Verfahren S 8 AY 17/18 ER und L 8 AY 3/18 B ER, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auch in Abwesenheit der Klägerseite entscheiden und verhandeln. Auf diese Möglichkeit ist in der Terminsmitteilung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers hingewiesen worden. Die Sache war außerdem auch ohne Anwesenheit des Klägers bzw. seines Vertreters entscheidungsreif.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) und hat in der Sache zum Teil Erfolg. Der Kläger hat für die Zeit vom 01.10.2016 bis 31.01.2018 und vom 22.02. bis 28.02.2018 Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG i.H.v. 320,14 EUR monatlich. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Soweit entgegenstehend, sind die Bescheide vom 12.09.2016 und vom 27.11.2017, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2018, rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, für den Zeitraum von Oktober 2016 bis Februar 2018 höhere laufende Leistungen, nämlich i.H.v. monatlich 320,14 EUR, zu erhalten. Dieses Ziel hat der Kläger bereits erstinstanzlich verfolgt, wie sich aus dem in der mündlichen Verhandlung beim SG gestellten Antrag seines Prozessbevollmächtigten ergibt. Hieraus folgt zum einen die zeitliche Begrenzung, zum anderen auch die Beschränkung des geforderten Betrages der Höhe nach. Auch wenn jeweils kein konkreter monatlicher Leistungsbetrag bezeichnet worden ist, folgert der Senat aus der Bezugnahme auf § 3 AsylbLG im Antrag beim SG, dass Grundleistungen i.H.v. monatlich 320,14 EUR begehrt werden. Es ist nämlich kein von der normierten Höhe der Grundleistungen abweichender Betrag genannt oder dies sonst thematisiert worden und in der Begründung der Klage im Verfahren S 8 AY 5/18 ist ausdrücklich der Betrag von 320,14 EUR genannt worden (Klageschrift vom 23.04.2018). Dieses Ziel wird unverändert im Berufungsverfahren weiterverfolgt, wie die Anträge zu Ziffer 1. und 2. in der Berufungsschrift vom 23.04.2019 zeigen. Sein Begehren kann der Kläger für den Zeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 und von Dezember 2017 bis Januar 2018 mittels einer bloßen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) erreichen, gerichtet gegen die Bescheide vom 12.09.2016 und 27.11.2017, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2018. Die beiden Bescheide regeln die aktuellste Leistungsbewilligung in den genannten Zeiträumen. Mit der Beseitigung dieser Bescheide würde die Bewilligung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG aus dem Bescheid vom 22.06.2016 wieder wirksam werden, so dass es keiner zusätzlichen Leistungsklage bedarf. Überdies ist davon auszugehen, dass der Beklagte die entsprechenden Leistungen an den Kläger nachzahlt, ohne dass es eines entsprechend gerichtlichen Ausspruchs bedarf (allerdings erschiene ein solcher zur Klarstellung sinnvoll). Anders verhält es sich für die Monate April bis November 2017. In diesem Zeitraum hat der Beklagte zwar Auszahlungen vorgenommen. Diesen kommt aber im vorliegenden Fall keine Verwaltungsaktqualität i.S.d. Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) zu, sondern es handelt sich um bloße Realakte ohne Regelungswillen. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG - eine Allgemeinverfügung i.S.d. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG liegt erkennbar nicht vor - definiert als Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Im Fall des Klägers fehlt es am Merkmal der Regelung. Zwar kann auch in der bloßen Auszahlung von Leistungen, gerade was laufende Leistungen im Bereich des AsylbLG und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) anbelangt, ein konkludenter Verwaltungsakt gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG bzw. § 33 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu sehen sein (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 33 Rn. 14b). Dies betrifft aber regelmäßig die Konstellation, dass keine Bewilligung von Leistungen für einen bestimmten Zeitraum vorliegt - deren Abänderung sich an den §§ 44 ff. SGB X i.V.m. § 9 Abs. 4 AsylbLG messen lassen muss -, sondern dass eine sich Monat für Monat erneuernde Bewilligungsentscheidung durch die bloße Auszahlung erfolgen soll. So liegt es hier aber nicht, denn der Beklagte hatte auch für den Zeitraum von April bis November 2017 bereits Leistungen bewilligt (Bescheide vom 25.05.2016 und vom 22.02.2016). Zudem ist gerade nicht angekündigt worden oder sonst erkennbar geworden, dass zukünftig Leistungsbewilligungen allein durch die Anordnung der Auszahlung erfolgen sollten. Daher ist vorliegend die bloße Auszahlung nicht als Regelung mit Verwaltungsaktqualität einzustufen, auch nicht als anderslautende (abändernde) Regelung. Das gilt auch angesichts des Bescheids vom 12.09.2016 über die Bewilligung gekürzter Leistungen nach § 1a AsylbLG. Dessen zeitliche Geltung hat der Beklagte - der Vorgabe des § 14 Abs. 2 AsylbLG folgend - auf sechs Monate, nämlich die Zeit von Oktober 2016 bis März 2017, beschränkt. Für die nachfolgende Zeit wurde damit gerade nichts geregelt, auch nicht in dem Sinn, dass sich die Leistungskürzung fortsetzen bzw. wiederholen sollte. Dagegen spricht vor allem, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beklagte eine weitere Leistungskürzung ohne die von § 14 Abs. 2 AsylbLG vorgeschriebene Befristung auf sechs Monate - vorliegend war mit den Monaten April bis November 2017 ein Zeitraum von acht Monaten betroffen - konkludent verfügen wollte. Eine Regelung für die Zeit nach März 2017 folgt auch nicht daraus, dass mit dem Bescheid vom 12.09.2016 der Bescheid über die Bewilligung von Grundleistungen vom 22.06.2016 ab Oktober 2016 aufgehoben worden ist. Diese Aufhebung war aufgrund der genannten zeitlich beschränkten Geltungsdauer des Bescheids vom 12.09.2016 nur so zu verstehen, dass die Leistungsbewilligung aus dem Bescheid vom 22.06.2016 allein für diese sechs Monate keine Geltung mehr haben sollte. Jedoch kann diese Frage letztlich dahinstehen, denn mit einer - vom Kläger angestrebten - Aufhebung des Bescheids vom 12.09.2016 wäre zugleich die Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 22.06.2016 nicht mehr existent und die in diesem Bescheid enthaltene Leistungsbewilligung wieder wirksam. Damit kann der geltend gemachte klägerische Anspruch auf höhere Leistungen für den Zeitraum von April bis November 2017 mittels einer reinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG), gerichtet auf Zahlung aus dem Bescheid vom 22.06.2016, verfolgt werden. Für Februar 2018 schließlich ist das Klageziel mittels einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG) zu erreichen, denn für diesen Monat hat der Beklagte bisher ausschließlich mit dem Bescheid vom 27.11.2017 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2018) eine Bewilligung von Leistungen, und zwar gekürzter Leistungen i.H.v. monatlich 165,84 EUR, vorgenommen. Der Bescheid vom 07.03.2018 ändert zwar den Bescheid vom 27.11.2017 i.S.d. § 96 SGG ab, ist aber nicht ins Verfahren einbezogen, da er die Zeit ab März 2018 betrifft und diese nach dem klägerischen Antrag (§ 123 SGG) nicht streitgegenständlich ist. Da der gesamte streitige Zeitraum in der Vergangenheit liegt und eventuelle Sachleistungen nicht mehr gewährt werden können, kann insgesamt eine Verurteilung zu einer Geldleistung ausgesprochen werden (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2019 - B 7 AY 1/17 R - juris) und es bedarf keiner zusätzlichen Verpflichtungsklage. Soweit sich der Kläger darüber hinaus - betreffend die Zeit von Oktober 2016 bis Januar 2018 - gegen den Bescheid vom 10.11.2016 (Ziffer 2) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2018 wendet, ist die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) einschlägig.

Die so verstandene Klage ist hinsichtlich des Bescheids vom 10.11.2016 (Ziffer 2) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2018 unzulässig. Durch Ziffer 2 des Bescheids vom 11.10.2016 wurde der Bescheid vom 25.05.2016, mit welchem der Beklagte dem Kläger für die Zeit von Mai 2016 bis Januar 2018 sog. Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG bewilligt hat, ab Juli 2016 aufgehoben. Zwar fehlt der Klage diesbezüglich nicht das Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger, wie oben dargelegt, gar keine Analogleistungen beansprucht (§ 123 SGG). Die Position des Klägers würde nämlich, wenn der Bescheid vom 25.05.2016 nicht mehr ab Juli 2016 aufgehoben wäre, zumindest insofern verbessert, als der Kläger sein im vorliegenden Verfahren geltend gemachtes Begehren nach höheren Leistungen dann auf eine andere bzw. weitere Grundlage neben der Leistungsbewilligung im Bescheid vom 22.06.2016 stützen könnte. Jedoch hat sich Ziffer 2 des Bescheids vom 10.11.2016 i.S.d. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG auf sonstige Weise erledigt. Mit dem Bescheid vom 22.06.2016 über die Bewilligung von Grundleistungen ist für die Zeit von Juli 2016 bis Januar 2018 jedenfalls konkludent der Bescheid vom 25.05.2016 abgeändert worden. Ungeachtet dessen, dass dabei ebenfalls § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 SGB X zu beachten gewesen wäre - die Bewilligung von Analogleistungen mit Bescheid vom 25.05.2016 hätte nicht mehr erfolgen dürfen, da der Kläger die Dauer seines Aufenthalts in Deutschland rechtsmissbräuchlich beeinflusst hatte (dazu unten) -, ist der Bescheid vom 22.06.2016 nicht (fristgemäß) angefochten worden. Widerspruch wurde nur gegen den die Einstellung von Analogleistungen verfügenden Bescheid vom 22.06.2016 erhoben (Widerspruchsbescheid vom 11.08.2016) und die nachfolgende Klage zum SG (S 15 AY 11/16) betraf ebenfalls nicht den Bewilligungsbescheid vom 22.06.2016. Eine sog. rechtliche Einheit (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 04.04.2017 - B 11 AL 19/16 R, und Urteil vom 30.10.2013 - B 7 AY 7/12 R - beide nach juris) der beiden Bescheide vom 22.06.2016 ist nicht anzunehmen. Die Verfügungen korrespondieren lediglich insoweit, als dem Kläger ab Juli 2016 keine Analogleistungen mehr zustehen sollen. Jedoch ergibt sich im Rahmen des AsylbLG aus einer "Einstellung" oder Aufhebung einer Analogleistungsbewilligung anders als im Rahmen des Arbeitsförderungsrechts nicht automatisch, welche Leistungen dem Betreffenden dann zustehen bzw. dass ihm keine Leistungen mehr zustehen. Überdies betraf auch das Klageverfahren S 15 AY 11/16 beim SG und das hierbei abgegebene Anerkenntnis des Beklagten allein die Entscheidung über die Leistungseinstellung, nicht aber die Frage, welche Leistungen der Kläger dann erhalten solle. Somit ist die Aufhebung des Bescheids vom 25.05.2016 bestandskräftig (§ 77 SGG). Daher geht die vom Kläger ebenfalls angefochtene Aufhebung des Bescheids vom 25.05.2016 durch Ziffer 2 des Bescheids vom 10.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2018 ins Leere; Ziffer 2 des Bescheids vom 10.11.2016 hat sich mithin auf sonstige Weise erledigt (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Die Klage ist aber weder für erledigt erklärt worden noch ist eine Umstellung der Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage erfolgt. Zudem würde hier das dafür notwendige berechtigte Interesse an der Feststellung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 131 Rn. 10 ff.) fehlen, da keine der anerkannten Fallgruppen vorliegt, insbesondere ist nichts für eine Wiederholungsgefahr ersichtlich.

Soweit zulässig, ist die Klage weitestgehend begründet. In der Zeit vom 01.10.2016 bis 31.01.2018 und vom 22.02. bis 28.02.2018 hat der Kläger Anspruch auf Leistungen i.H.v. monatlich 320,14 EUR. Dies folgt für die Monate Oktober 2016 bis Januar 2018 aus dem Bescheid vom 22.06.2016, mit dem der Beklagte dem Kläger Grundleistungen i.H.v. 320,14 EUR pro Monat für die Zeit von Juli 2016 bis Januar 2018 bewilligt hat. Für den Zeitraum 22.02. bis 28.02.2018 ergibt sich der Anspruch aus § 3 AsylbLG.

Für die vorliegend geltend gemachten Geldleistungen nach § 3 AsylbLG ist der Beklagte sachlich gemäß § 10 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 2 und § 14 Abs. 2 der (bayer.) Asyldurchführungsverordnung (AsylDV - in der Fassung vom 16.08.2016, GVBl S. 258) und örtlich gemäß § 10a Abs. 1 AsylbLG zuständig, da der Kläger seit 17.04.2012 dem Gebiet des Beklagten zugewiesen ist (Bescheid der Regierung von Schwaben vom 11.04.2012). Auch wenn der Beklagte demnach im übertragenen Wirkungskreis handelt und Kostenträger letztlich der Freistaat Bayern ist (§ 12 Abs. 1 AsylDV), welcher den Landkreisen und kreisfreien Städten die aufgewandten Kosten erstattet (Art. 8 Abs. 1 des Aufnahmegesetzes - AufnG), ist dennoch der Beklagte passiv legitimiert, denn er handelt auch im übertragenen Wirkungskreis nicht als staatliche Behörde (des Freistaats Bayern), sondern behält seine Identität als kommunale Gebietskörperschaft (Art. 4 Abs. 2, Art. 6 der (bayer.) Landkreisordnung - LkrO; vgl. BayVGH, Urteil vom 17.07.2012 - 9 BV 10.809 - juris). Trotz der Kostenerstattung durch den Freistaat Bayern hält der Senat dessen Beiladung (§ 75 SGG) aber nicht für geboten, da kein unmittelbarer Eingriff in dessen Rechtssphäre stattfindet (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 75 Rn. 10).

Der Kläger kann den Anspruch auf höhere Leistungen für den Zeitraum von Oktober 2016 bis Januar 2018 auf den Bewilligungsbescheid vom 22.06.2016 stützen, der weiterhin wirksam ist. Zwar hat der Beklagte diesen Bescheid ab Oktober 2016 durch den Bescheid vom 12.09.2016 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2018) aufgehoben. Der Bescheid vom 12.09.2016 ist jedoch rechtswidrig. Formell ist dieser Bescheid rechtmäßig, vor allem wäre eine eventuell unzureichende oder fehlende Anhörung infolge der Durchführung des Widerspruchsverfahrens, in dem der Kläger ausreichend Gelegenheit zur Äußerung hatte und davon auch Gebrauch gemacht hat, geheilt (Art. 45 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG).

Der Bescheid vom 12.09.2016 ist aber materiell rechtswidrig. Das folgt zwar nicht schon daraus, dass in Bezug auf den Kläger für die Zeit von Oktober 2016 bis März 2017 die Voraussetzungen für die Bewilligung nur gekürzter Leistungen gemäß den §§ 1, 1a Abs. 1, 2 und 3 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 31.07.2016, BGBl. I, 1939) nicht gegeben gewesen wären. Der Kläger war infolge des Beschlusses des VG vom 21.12.2015 (Au 4 S 15.30739), mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage (Au 4 K 15.30738) unanfechtbar (§ 80 AsylG) abgelehnt worden war, vollziehbar ausreisepflichtig und damit leistungsberechtigt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG; für die Zeit ab Stellung des Asylfolgeantrags (§ 71 AsylG) vom 18.12.2017 ergibt sich die Leistungsberechtigung aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Der Senat geht auch davon aus, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung nur gekürzter Leistungen i.S.d. § 1a AsylbLG vorlagen. Insbesondere kam der Kläger seinen Mitwirkungspflichten aus § 3 Abs. 1 und § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht nach, da er weder einen Pass oder Passersatz besaß noch ein solches Dokument der zuständigen Ausländerbehörde des Beklagten vorlegte oder die von ihm geforderte und zumutbare Antragstellung bei der ugandischen Botschaft vornahm (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 20.03.2018 - L 8 AY 3/18 B ER).

Allerdings hat der Beklagte im Bescheid vom 12.09.2016 hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids vom 22.06.2016 über die Bewilligung von Grundleistungen die Vorgaben des § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 SGB X nicht eingehalten. Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG gelten für die Abänderung (Rücknahme, Widerruf, Aufhebung) von Verwaltungsakten die §§ 44 bis 50 SGB X. Vorliegend wurde der Bescheid vom 22.06.2016 durch den Bescheid vom 12.09.2016 mit Wirkung für die Zukunft (ab Oktober 2016) "aufgehoben". Dabei handelt es sich um eine Rücknahme i.S.d. § 45 SGB X, denn die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 45 SGB X, also der Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Begünstigung, einerseits und von § 48 SGB X, der Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts wegen einer nachträglichen wesentlichen Änderung der für seinen Erlass maßgeblichen Umstände, andererseits, erfolgt anhand der objektiv gegebenen Sach- und Rechtslage, die bei Erlass des zur Korrektur anstehenden Verwaltungsaktes gegeben war. Auf die Kenntnis der Behörde (oder auch nur deren Kenntnismöglichkeit) oder gar auf den Abschluss der von ihr für notwendig erachteten Ermittlungen kann es dabei nicht ankommen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 25/07 R; HessLSG, Beschluss vom 31.05.2019 - L 4 AY 7/19 B ER - alle nach juris), da dies die objektive Lage nicht zu ändern bzw. zu beeinflussen vermag. Der Bescheid vom 22.06.2016 stellt einen Dauerverwaltungsakt dar, denn damit sind dem Kläger Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit von Juli 2016 bis Januar 2018 bewilligt worden. Ferner war der Bescheid mangels rechtzeitiger Anfechtung durch einen Widerspruch spätesten Ende Juli 2016 bestandskräftig. Die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 22.06.2016 war jedoch rechtswidrig, denn bei seinem Erlass erfüllte der Kläger die Voraussetzungen für die Bewilligung von Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG nicht mehr. Vielmehr war er vollziehbar ausreisepflichtig, kam aber seinen Mitwirkungspflichten - dazu gilt das oben Gesagte - nicht nach. Damit hätten dem Kläger nur mehr Leistungen gemäß § 1a AsylbLG bewilligt werden dürfen. Das konzediert letztlich auch der Beklagte, wenn er im Bescheid vom 12.09.2016 auf die Ablehnung der weiteren Erteilung einer Aufenthaltsgestattung für das Asylfolgeverfahren durch den Bescheid der Ausländerbehörde vom 21.04.2016 und damit die schon im Zeitpunkt der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 22.06.2016 gegebene Situation abstellt. Bei der Rücknahme des somit rechtswidrigen Bescheids vom 22.06.2016 hätte der Beklagte - unbeschadet dessen, dass einer Rücknahme auch schutzwürdiges Vertrauen des Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X entgegenstehen dürfte - nach der Vorgabe in § 45 Abs. 2 SGB X Ermessen ausüben müssen (vgl. Frerichs in jurisPK-SG XII, § 3 AsylbLG, Stand: 12.06.2020, Rn. 204). Daran fehlt es mangels entsprechender Ausführungen im Bescheid aber völlig, womit ein sog. Ermessensausfall vorliegt. Vielmehr ging der Beklagte von einer Aufhebung gemäß § 48 SGB X aus, die keine Ermessensausübung erfordert. Eine Heilung dieser gänzlich fehlenden Ermessenserwägungen kommt auch über Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG daher nicht infrage. Ebenso scheidet eine Umdeutung wegen Art. 47 Abs. 3 BayVwVfG aus. Ferner existiert für den Bereich des AsylbLG keine Vorschrift, welche - etwa wie im Rahmen des Zweiten oder Dritten Buches Sozialgesetzbuch - in diesen Fällen in Abweichung von § 45 Abs. 2 SGB X eine gebundene Entscheidung vorsieht.

Der Kläger kann mithin für die Monate Oktober 2016 bis Januar 2018 aus dem Bewilligungsbescheid vom 22.06.2016 vom Beklagten die begehrte Zahlung von monatlich 320,14 EUR - unter Anrechnung der bereits ausbezahlten Beträge - verlangen.

Dieser Anspruch auf Zahlung ist auch nicht verjährt. Als kürzeste denkbare Verjährungsfrist kommt vorliegend eine dreijährige Frist (entsprechend § 195 BGB) in Betracht. Allerdings ist spätestens durch die Klagerhebungen beim SG am 23.04.2018 (S 8 AY 5/18 und S 8 AY 6/18), womit der Kläger den Zahlungsanspruch geltend gemacht hat, eine Hemmung der Verjährung entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eingetreten (vgl. zu dieser Folge der Rechtshängigkeit: Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 94 Rn. 5).

Am dargelegten Zahlungsanspruch des Klägers ändert auch der Bescheid vom 27.11.2017 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.04.2018) nichts. Dieser Bescheid ist nämlich ebenfalls rechtswidrig, soweit er den Bescheid vom 22.06.2016 abändert. Wie bereits erläutert, ist weder durch den Bescheid vom 12.09.2016 eine Anspruchseinschränkung gemäß § 1a AsylbLG wirksam festgestellt worden noch war dies für den folgenden Zeitraum von April bis November 2017 - mangels Verwaltungsakts (siehe dazu oben) - der Fall. Der Bescheid vom 27.11.2017 kann nach dem objektiven Empfängerhorizont nur dahin verstanden werden, dass mit ihm - unabhängig von früheren Entscheidungen - eine Anspruchseinschränkung i.S.d. § 1a AsylbLG festgestellt werden sollte. Mit den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 AsylbLG in Bezug auf das Fortbestehen der Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung beschäftigt sich der Bescheid vom 27.11.2017 nämlich nicht. Es erfolgt keine Bezugnahme auf eine frühere Anspruchseinschränkung und es wird auch nicht thematisiert, ob deren Voraussetzungen fortbestehen. Die Erwähnung, der Kläger sei seit Dezember 2015 ausreisepflichtig, genügt dafür vorliegend nicht, gerade weil in der Zeit von April bis November 2017 keine bescheidmäßige Feststellung der Anspruchseinschränkung erfolgt war, die hätte fortgesetzt werden können. Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 AsylbLG folgt zwar nicht ganz eindeutig, dass eine fortbestehende Anspruchseinschränkung nahtlos an die frühere bzw. erste zu verfügen ist. Allerdings deuten die Formulierungen "im Anschluss" und "weiterhin" in § 14 Abs. 2 AsylbLG stark darauf hin. Hinzu kommt, dass die Anspruchseinschränkung gemäß § 1a AsylbLG keine Ermessensentscheidung des Beklagten darstellt, sondern eine gebundene Entscheidung ist, und deshalb bei fortbestehenden Voraussetzungen kein Zwischenraum auftreten dürfte. Im Rahmen des § 14 Abs. 2 AsylbLG ist außerdem zu prüfen, ob nicht aus einzelfallbezogenen Gründen - oder sogar generell aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - eine Befristung auf weniger als sechs Monate zu verfügen ist (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII, § 14 AsylbLG, Stand: 09.03.2020, Rn. 18 ff.). Derartige Überlegungen können nur dann sachgerecht erfolgen, wenn keine Zeiträume ausgespart wurden und die Anspruchseinschränkungen sozusagen in Intervallen erfolgen, zumal dann immer weniger für den Leistungsberechtigten der Zusammenhang mit früheren Belehrungen über bzw. Hinweisen auf die geforderte Mitwirkungshandlung erkennbar würde. Nachdem mithin in diesem Fall nicht von einer fortgesetzten Anspruchseinschränkung auszugehen ist, sondern mit dem Bescheid vom 27.11.2017 nochmals eine (erste) Anspruchseinschränkung erfolgt ist, ist er bezüglich der Aufhebung der Bewilligung aus dem Bescheid vom 22.06.2016 ebenfalls an § 45 SGB X und nicht an § 48 SGB X (i.V.m. § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG) zu messen. Aus den oben zum Bescheid vom 12.09.2016 genannten Gründen fehlt es aber auch insofern an der vorgeschriebenen Ermessensausübung und eine Heilung bzw. Umdeutung kommt nicht in Betracht.

Im Monat Februar 2018 besteht lediglich für die Zeit vom 22.02. bis 28.02.2018 ein Anspruch des Klägers auf Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG. Betreffend diesen Monat liegt mit Ausnahme derjenigen im Bescheid vom 27.11.2017 keine weitere Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem AsylbLG vor. Der Bescheid vom 27.11.2017 ist zwar rechtswidrig, soweit er den Bewilligungsbescheid vom 22.06.2016 abändert (Zeitraum Dezember 2017 bis Januar 2018). Darüber hinaus - also auch für den hier interessierenden Monat Februar 2018 - enthält er aber eine davon nicht betroffene - erstmalige - Entscheidung über die Leistungsbewilligung in Form einer Anspruchseinschränkung gemäß § 1a AsylbLG. Diese ist für die Zeit vom 01.02.2018 bis einschließlich 21.02.2018 zu Recht erfolgt. Soweit angenommen wird, dass eine Anspruchseinschränkung nicht infrage kommt, wenn ein Anspruch auf Analogleistungen besteht (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII, § 1a AsylbLG, Stand: 02.06.2020, Rn. 32), steht dies hier nicht entgegen. Der Kläger war nämlich für Februar 2018 trotz seines langen Aufenthalts in Deutschland nicht analogleistungsberechtigt. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 31.07.2016, BGBl. I, 1939) ist abweichend von den §§ 3, 4 und 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Der Kläger hält sich seit Mitte März 2012 ununterbrochen in Deutschland auf; Anfang Februar 2018 war damit die Wartefrist (vgl. hierzu Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, § 2 AsylbLG, Stand: 27.04.2020, Rn. 32) von 15 Monaten längst überschritten. Jedoch hat der Kläger die Dauer seines Aufenthalts im Inland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Im Ausgangspunkt will das Merkmal der (fehlenden) rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG verhindern, dass sich jemand auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treuwidrig geschaffen hat. Das Verhalten muss generell geeignet sein, die Aufenthaltsdauer überhaupt beeinflussen zu können, und es muss vor allem unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von solchem Gewicht sein, dass der Ausschluss privilegierter Leistungen gerechtfertigt ist. Art, Ausmaß und Folgen des Pflichtverstoßes müssen unter Berücksichtigung des Einzelfalles gewichtet und in ein Verhältnis gesetzt werden zu der strengen Sanktion des unbegrenzten Ausschlusses von Leistungen auf dem Sozialhilfeniveau. Zwar ist fraglich, ob jeder Verstoß gegen asyl- oder ausländerrechtliche Regelungen ausreicht, um die Annahme von Rechtsmissbrauch zu begründen. Ausgehend von den Gesetzesmaterialien wird aber die Vernichtung von Pässen und die Angabe einer falschen Identität als ein dafür ausreichendes Verhalten anzusehen sein (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris; Oppermann/Filges, a.a.O., Rn. 73 ff.). Im Fall des Klägers liegt ein Vernichten von Pässen bzw. Identitätspapieren vor. Zwar hat der Kläger gegenüber dem BAMF angegeben, er habe seine Papiere in Deutschland verloren. Der Senat wertet das aber als Schutzbehauptung. Der Kläger ist per Flugzeug nach Deutschland eingereist. Dafür benötigte er einen Pass bzw. ein Dokument über seine Identität. Zudem musste ihm bewusst gewesen sein, dass diese Papiere auch in Deutschland und für ein Asylverfahren von großem Interesse sind. Es erscheint daher abwegig, dass ihm diese Papiere verloren gegangen sein sollen. Dagegen spricht auch, dass zwischen der Einreise nach Deutschland am 14.03.2012 und der Asylantragstellung nur wenig Zeit vergangen ist und der Kläger von Anfang an kein Identitätsdokument vorgelegt hat. Der Senat geht daher davon aus, dass der Kläger seine bei der Einreise mit sich geführten Dokumente vorsätzlich vernichtet bzw. unterdrückt hat. Überdies ist es als rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland anzusehen, dass er sich seit Anfang 2016 geweigert hat, entgegen der Aufforderung durch die zuständige Ausländerbehörde an der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken, indem er bei der ugandischen Botschaft vorstellig wird oder zumindest einen unterzeichneten Antrag auf ein Passersatzpapier und dafür benötigte biometrische Fotos bei der Ausländerbehörde vorlegt. Andere Gründe als eine bewusste und gewollte Verweigerung kann der Senat angesichts der vielfachen Belehrungen nicht dafür erkennen, dass der Kläger erst am 22.02.2018 bei der Botschaft Ugandas in Berlin vorgesprochen hat. Dazu wird im Übrigen auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 20.03.2018, L 8 AY 3/18 B ER, verwiesen. Infolge dieser Verhaltensweisen konnte der Aufenthalt des Klägers in Deutschland nicht beendet werden, obwohl er nach dem Beschluss des VG vom 22.12.2015 (Au 4 S 15.30 739) vollziehbar ausreisepflichtig war.

Zugleich mit dem Ausschluss eines Anspruchs auf Analogleistungen lagen damit im Februar 2018 die Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung gemäß § 1a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 bis 4 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 31.07.2016, BGBl. I, 1939) vor. Demzufolge erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 7 AsybLG nur Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege, wenn sie ihre Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 5 AsylG verletzen, indem sie erforderliche Unterlagen zu ihrer Identitätsklärung, die in ihrem Besitz sind, nicht vorlegen, aushändigen oder überlassen. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können ihnen auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden. Die Leistungen sollen als Sachleistungen erbracht werden. Da der Kläger am 18.12.2017 einen Asylfolgeantrag i.S.d. § 70 AsylG gestellt hatte und nicht über bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen gemäß § 7 AsylbLG verfügte, zählte er zum Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG und er war gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 5 AsylG verpflichtet, alle erforderlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, die in seinem Besitz sind, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Dagegen hat der Kläger verstoßen, indem er derartige Unterlagen der Ausländerbehörde des Beklagten nicht vorgelegt hat. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger durchaus Kontakt in sein Heimatland hatte und sich von dort aus Nachweise hätte zuschicken lassen können. Bei der Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 12.10.2017 hat der Kläger nämlich das Bestehen von Kontakten eingeräumt. Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung gemäß § 1a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 AsylbLG vor. Danach endet für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. Nr. 4 und 5 AsylbLG, bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, der Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG mit dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung folgenden Tag. Ihnen werden bis zu ihrer Ausreise oder der Durchführung ihrer Abschiebung nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können ihnen auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden. Die Leistungen sollen als Sachleistungen erbracht werden. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Annahme eines Vertretenmüssens ist, dass die den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen hindernden Gründe in den Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten fallen. Insoweit ist zumindest ein persönliches (im Sinn von: eigenes) Fehlverhalten des Leistungsberechtigten zu verlangen. Es muss also ein dem Ausländer vorwerfbares Verhalten und die Ursächlichkeit zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris). Der Kläger war infolge des Beschlusses des VG vom 22.12.2015 (Au 4 S 15.30739), mit dem sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des BAMF vom 01.12.2015 abgelehnt worden war, vollziehbar ausreisepflichtig, da hiermit die im Bescheid vom 01.12.2015 verfügte Abschiebungsandrohung vollziehbar war. Wie sich aus § 71 Abs. 5 AsylG ergibt, berührt auch die Stellung eines Asylfolgeantrags die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen konnten nur deswegen nicht vollzogen werden, weil die bei Einreise nach Deutschland noch vorhandenen Identitätspapiere des Klägers nicht mehr vorhanden waren bzw. vom Kläger nicht vorgelegt wurden und er nicht bei der Beschaffung von Ersatzpapieren mitgewirkt hat. Der Kläger ist mehrfach von der Ausländerbehörde auf seine Pflicht aus § 48 Abs. 3 AufenthG hingewiesen worden, wonach er an der Beschaffung von Identitätspapieren mitwirken muss. Konkret ist vom Kläger verlangt worden, dazu in der Botschaft Ugandas vorzusprechen oder einen Antrag auf Passersatzpapiere auszufüllen, zu unterschreiben und mit Passfotos bei der Ausländerbehörde vorzulegen. Dem ist der Kläger aber bis 22.02.2018 nicht nachgekommen. Dies war ihm auch persönlich vorzuwerfen, da keine ausreichenden Gründe für sein Untätigbleiben bzw. Nichtmitwirken gegeben waren.

Ab dem Tag der Vorsprache in der ugandischen Botschaft, dem 22.02.2018, kann der Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer jedoch nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Beklagte hat aufgrund der Vorsprache bei der Botschaft, wie sich aus der erneuten Bewilligung von Grundleistungen mit dem Bescheid vom 07.03.2018 ergibt, die Mitwirkungspflichten des Klägers i.S.d. § 1a Abs. 5 AsylbLG als erfüllt angesehen. Damit besteht bereits ab dem Tag der Erbringung der Mitwirkungshandlung erneut ein Anspruch auf Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG, denn eine Berücksichtigung erst ab dem Beginn des Folgemonats (hier März 2018) findet erkennbar in § 1a Abs. 5 Satz 2 AsylbLG keine Stütze.

Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der hier zum Tragen kommenden Fallgruppen des § 1a AsylbLG. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Anforderungen an die verfassungsgemäße Normierung von Mitwirkungspflichten, die mit einer Leistungsabsenkung bzw. Anspruchseinschränkung verknüpft werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.11.2019 - 1 BvL 7/16 - juris) weder ausschließlichen Charakter haben noch vollständig sind. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in der genannten Entscheidung nur mit Mitwirkungspflichten zu beschäftigen, die einen engen Bezug zum Nachranggrundsatz und zum Bedarfsdeckungsgrundsatz haben. Die in § 1a Abs. 3 und 5 AsylbLG enthaltenen Fallgruppen der Anspruchseinschränkung haben aber einen anderen Zweck. Sie zielen ab auf die Vermeidung von Rechtsmissbrauch. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass auch der soziale Rechtsstaat darauf angewiesen ist, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt, trägt in noch zu bestimmenden Grenzen aber auch die Rechtsmissbrauchsvermeidung. Dieses legitime Regelungsziel wird allerdings dadurch begrenzt, dass das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge auch für jene verlangt, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind; diese Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist auch zur Erreichung anderweitiger Ziele nicht zu relativieren. Im Bereich der Migration muss sich der Gesetzgeber zudem bewusst sein, dass das Recht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG jeder Person unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit zukommt, die sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes "aufhält". Der Gesetzgeber darf also weder Leistungen allein wegen der Rechtswidrigkeit des Aufenthalts kürzen oder vorenthalten noch aus vermeintlich generalpräventiven oder repressiven Gründen, um Migration einzuschränken. Dies begrenzt die Legitimität einer Rechtsmissbrauchsabwehr im Falle der Sanktionierung einer fehlenden Mitwirkung nach Auffassung des Senats auf Fälle, in denen der Staat den Aufenthalt gerade nicht "duldet", den Aufenthalt aber allein aus Gründen der Verweigerung einer zumutbaren Mitwirkung durch die betreffende Person nicht beenden kann. In diesem Rahmen bewegt sich aber der hiesige Anwendungsfall des § 1a Abs. 3 und 5 AsylbLG (vgl. HessLSG, Beschluss vom 26.02.2020 - L 4 AY 14/19 B ER - juris).

Zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen (§ 7 AsylbLG) steht dem Anspruch ebenfalls nicht entgegen, denn hierüber verfügte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht.

Aufgrund des Umfangs des klägerischen Begehrens (§ 123 SGG) kann dahinstehen, ob der Kläger Anspruch auf einen höheren als den bereits vom Beklagten bewilligten monatlichen Betrag i.H.v. 320,14 EUR hätte. § 3 Abs. 1 AsylbLG (in der Fassung vom 11.03.2016, BGBl. I, 390) bestimmt, dass bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Abs. 1 AsylG - das ist im Fall des Klägers mit der Gemeinschaftsunterkunft, in die er zugewiesen ist, gegeben - Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf) erhalten und der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt wird. Zusätzlich werden Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (notwendiger persönlicher Bedarf) gewährt. Der Senat sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte den notwendigen Bedarf zulasten des Klägers fehlerhaft bemessen hätte und mit dem dafür angesetzten Betrag der Bedarf nicht gedeckt werden konnte. Ein Anspruch auf Bewilligung eines höheren notwendigen persönlichen Bedarfs (§ 3 Abs. 1 Satz 5 AsylbLG) als normiert besteht ebenfalls nicht. Nachdem der Kläger alleinstehend war, betrug dieser Betrag monatlich 135 EUR (§ 3 Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 AsylbLG); die Voraussetzungen für eine Sachleistungsgewährung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 6 AsylbLG sind nicht anzunehmen, da andernfalls der Beklagte davon Gebrauch gemacht hätte, ebenso wie er nicht Gebrauch von der Möglichkeit des § 3 Abs. 1 Satz 7 AsylbLG gemacht hat. Auf die Frage, ob sich im streitigen Zeitraum ein über monatlich 135 EUR hinausgehender Betrag auf § 3 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 4 oder 5 AsylbLG stützen ließe, kommt es damit nicht an. Der Kläger hat überdies auch nicht konkret Umstände geltend gemacht, die in seinem Fall einen höheren Bedarf begründen könnten.

Die Berufung hat somit im tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Umfang des klägerischen Obsiegens. Insgesamt - unter Berücksichtigung der angefochtenen Aufhebung der Analogleistungsbewilligung - stand ein Betrag von knapp 1.278 EUR im Streit. Davon erhält der Kläger aufgrund des Urteilsspruchs über 725 EUR.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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