S 20 R 287/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 R 287/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Zinserstattungsanspruch in Höhe von EUR 7.291,10 des Klägers gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der Erstattung zu Unrecht abgeführter Gesamtsozialversicherungsbeiträge.

I.

Der Kläger hatte am 26.08.2005 bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung gestellt für seine Geschäftsführertätigkeit bei der " X." ab dem 01.01.2005. Mit Bescheid vom 10.11.2005 hatte die Beklagte hierfür unter Zugrundelegung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für den Kläger in dieser Tätigkeit Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung festgestellt.

Mit Schreiben vom 15.11.2005, eingegangen bei der Beklagten am 17.11.2005 hatte der Kläger hiergegen fristwahrend Widerspruch erhoben. Antragstellung und Begründung blieben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Trotz Aufforderung der Beklagten war eine Begründung des Widerspruchs entgegen der Ankündigung nicht erfolgt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2008 hatte die Beklagte ihre Entscheidung aufrechterhalten.

Am 23.06.2006 hatte der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben (Az.: S 12 R 4261/06). In der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2008 hatte die Beklagte den Klaganspruch anerkannt und dieses Anerkenntnis mit Bescheid vom 12.12.2008 ausgeführt.

II.

Mit Schreiben vom 07.11.2008, eingegangen am 12.11.2008, hatte der Kläger zuvor zumindest für die Zeit ab dem 01.12.2006 die Erstattung der ab diesem Zeitpunkt gezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge beantragt.

III.

Mit Schreiben vom 01.03.2010, eingegangen am 09.03.2010, beantragte der Kläger bei der Beklagten, den Zinsausfallschaden in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu übernehmen bzw. den Rückerstattungsbetrag zu verzinsen und setzte eine Frist bis zum 19.03.2010.

Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 18.03.2010 den Kläger hinsichtlich der Verzinsung der zurückgezahlten Arbeitslosenversicherungsbeiträge an die zuständige Agentur für Arbeit und kündigte weitere Nachricht an. Am 25.03.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Zinsprüfung von dem Leistungsträger zu erfolgen habe, der die zu Unrecht gezahlten Beiträge erstattet habe. Das Schreiben vom 01.03.2010 sei daher an die X., weitergeleitet worden.

Mit Schreiben vom 26.04.2010 führte der Kläger unter Hinweis auf ein Telefonat mit der X. aus, dass auch nach dortiger Auffassung eine Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei. Diese müsse die Zinsansprüche befriedigen bzw. die entsprechenden Sozialversicherungsträger anweisen, die entsprechenden Beträge auszukehren. Der Zinsschaden des Klägers belaufe sich auf EUR 7.291,10. Beigefügt war eine entsprechende Zinsberechnung (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB). Der Kläger setzte erneut eine Frist bis zum 10.05.2010 sowie nach deren Ablauf nochmals bis zum 26.05.2010.

Am 21.06.2010 wandte sich die Beklagte nochmals an die X. mit der Bitte um Mitteilung der erstatteten Beiträge. Nach Mitteilung der X. vom 01.07.2010 habe diese dem Kläger am 11.02.2009 den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von EUR 31.271,10 überwiesen. Beigefügt war ein Antrag des Klägers vom 02.02.2009 bei der X. auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge. Der Antrag enthielt eine Aufstellung der zu Unrecht gezahlten Beiträge. Zudem enthielt er Angaben darüber, auf welche Konten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zu überweisen seien sowie weiterer Angaben. Dieser Antrag war bei der X. am 03.02.2009 eingegangen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 07.07.2010 lehnte die Beklagte eine Verzinsung ab. Nach § 27 SGB IV beginne die Verzinsung nach Ablauf des ersten vollen Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrages. Für den Fall, dass der Antrag bei der Einzugsstelle gestellt worden sei, gelte das dortige Eingangsdatum, vorliegend am 03.02.2009. Die Verzinsung ende mit Ablauf des Kalendermonats, der dem Kalendermonat vorausgehe, in dem der Berechtigte über den Erstattungsbetrag habe verfügen können. Nach Mitteilung der X. habe diese den Erstattungsbetrag am 11.02.2009 angewiesen. Es ergebe sich somit kein Verzinsungsanspruch.

IV.

Hiergegen erhob der Kläger am 09.08.2010 Widerspruch. Eine Begründung würde nachgereicht werden.

Mit Schreiben vom 20.10.2011 führte der Kläger dann aus, dass auch das Sozialgericht Nürnberg im Rahmen des Verfahrens S 18 R 128/11 die zutreffende Ansicht geäußert habe, bereits in der Erhebung des Widerspruchs gegen den Stausfeststellungsbescheid sei zugleich ein Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge zu sehen mit der Folge, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt eine entsprechende Zinsverpflichtung bestehe. Es werde daher um Ausgleich gebeten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Verzinsung beginne erst mit Ablauf des ersten vollen Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Antrags auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge. Ein Erstattungsantrag sei dann vollständig, wenn er alle Angaben enthalte, die der Versicherungsträger für die Entscheidung über den Erstattungsanspruch einschließlich deren Auszahlung verfüge. Hierzu würden Angaben zur Beitragstragung, zu eventuellen Ausschlussgründen sowie zur Bankverbindung gehören. Es könne nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass der Berechtigte die Erstattung auf das zum Beispiel aus einem Abbuchungsverfahren bekannte Konto überwiesen haben möchte. Auch in einem solchen Falle sei ein Erstattungsantrag erst dann vollständig, wenn der Berechtigte die maßgebliche Bankverbindung für die Erstattung mitgeteilt habe. Sei der Antrag unvollständig, so trete an die stelle von dessen Eingang der Zeitpunkt, an dem dem Versicherungsträger alle Angaben für eine ordnungsgemäße Bearbeitung des Antrages vorliegen würden. Der vollständige Antrag habe der X. am 03.02.2009 vorgelegen. Die Verzinsung würde daher am 01.04.2009 beginnen, sei jedoch wegen der am 11.02.2009 vorgenommenen Erstattung obsolet. Selbst wenn der Widerspruch als formloser Antrag auf Erstattung gewertet würde, so wäre dieser erst am 03.02.2009 vollständig gewesen.

V.

Mit Schriftsatz vom 07.03.2012, eingegangen am selben Tage, hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, die Ablehnung der Verzinsung sei nicht rechtens. Es werde nochmals auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen, insbesondere die Rechtsansicht der Vorsitzenden im Verfahren S 18 R 128/11 vor dem Sozialgericht Nürnberg. Die Beiziehung der entsprechenden Akte werde beantragt. Der Kläger habe bereits im Statusfeststellungsverfahren alle Angaben gemacht, die auch für den Erstattungsantrag maßgeblich seien. Daher sei nicht erst im Widerspruch ein nur formloser Erstattungsantrag zu sehen. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, 24.03.1983, Az.: 1 RJ 92/81; 26.06.1986, Az.: 7 RaR 121/84). Zudem werde auf den Vortrag im Parallelverfahren S 9 R 946/13 verwiesen. Danach hätte bei rechtzeitiger Anhörung des Klägers im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens die unzutreffende rechtliche Bewertung bereits im Ausgangsverfahren erkannt werden können und nicht erst in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2008. Dieses Fehlverhalten müsse sich die Beklagte jedenfalls vorwerfen lassen. Auch sei selbst bei Anwendung des § 27 SGB IV die Verzinsung in Höhe von nur vier Prozent auch nach der hierzu ergangenen Durchführungsanweisung der Beklagten nur auf Beiträge zur Arbeitslosenversicherung einschließlich Winterbeschäftigungsumlage und Insolvenzgeld anzuwenden, ansonsten eine Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Der Klage sei daher stattzugeben, hilfsweise auch unter dem Aspekt der Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG.

Der Kläger beantragt daher,

den Bescheid der Beklagten vom 07.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger den Betrag von EUR 7.291,10 an Zinsen zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und Widerspruchsbescheides.

Das Gericht hat zur Beweiserhebung die Akten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des Sozialgerichts Nürnberg zu den Aktenzeichen S 12 R 124/12, S 18 R 128/11, S 10 R 4278/06 und S 12 R 4261/06 beigezogen.

Mit Beschluss vom 28.01.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgetrennt, soweit diese sich auf den Aspekt der Amtshaftung stützt. Das abgetrennte Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 20 R 84/16 geführt. Dieses ist mit weiterem Beschluss vom selben Tage an das Landgericht X. verwiesen worden.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gesamte Gerichtsakte und die beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Verpflichtungsklage (in Form der Versagungsgegenklage) und Leistungsklage ist unbegründet.

I.

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, weil die Beteiligten hierzu schriftsätzlich ihr Einverständnis erteilt hatten.

II.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie beim örtlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhoben worden. Das gesetzlich vorgeschriebene Vorverfahren ist ebenfalls durchgeführt worden.

III.

Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Bescheid vom 07.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt.

Die Beklagte hat zu Recht den geltend gemachten Zinsanspruch abgelehnt, weil der Kläger hierauf keinen Anspruch hat, jedenfalls soweit der Anspruch nicht auf Amtshaftung gestützt wird.

Einzig in Betracht kommende Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Verzinsung des Erstattungsbetrages ist § 27 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Vorliegend ist unstreitig und auch nach Auffassung des Gerichts Grundlage ein Erstattungsanspruch des Klägers nach § 26 SGB IV. Damit ist § 27 SGB IV anwendbar.

Die Vorschrift lautet:

"Der Erstattungsanspruch ist nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags, beim Fehlen eines Antrags nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Erstattung bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen."

Nach dieser Vorschrift beginnt die Verzinsungspflicht also frühestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags.

Danach ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Sie hat darauf verwiesen, dass der vollständige Erstattungsantrag erst am 03.02.2009 bei der X. vorgelegen habe, die Erstattung der unstreitig zu Unrecht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge des Klägers jedoch seitens der X. bereits am 11.02.2009 erfolgt sei. Eine Zinspflicht sei daher auch nicht entstanden.

Dabei hat die Beklagte nach Auffassung des Gerichts zu Recht darauf abgestellt, dass der Erstattungsantrag erst am 03.02.2009 vollständig vorgelegen habe.

Der Erstattungsantrag ist vollständig, wenn er die Angaben enthält, die dem Versicherungsträger eine Entscheidung über die Erstattung ermöglichen (vgl. Schlegel in juris-PK, 2. A., Stand 30.01.2004, § 27 SGB IV, RdNr. 24).

Nach Auffassung der Kammer gehört hierzu auch die Angabe der Bankverbindung, unter der die Erstattung erfolgen soll. Zur Entscheidung des Trägers über die Erstattung zählt nicht nur die Höhe des zu erstattenden Betrages, sondern auch an wen und auf welches Konto. Die Kammer folgt auch der Auffassung der Beklagten dahingehend, dass nicht automatisch darauf geschlossen werden könne, dass die Erstattung auf das aus dem Abbuchungsverfahren bekannte Konto erfolgen solle. So ist es durchaus denkbar, dass gegenüber der Einzugsstelle die Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber von dessen Konto abgeführt worden sind, die Erstattung des Arbeitnehmeranteils aber - wie im übrigen vorliegend - auf ein Konto des Arbeitnehmers selbst erfolgen soll, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmeranteil bereits vom Lohn einbehalten hatte. Daher kann der Träger erst dann abschließend und vollständig über einen Erstattungsantrag entscheiden, wenn ihm auch die Bankverbindung mitgeteilt worden ist, auf die die Erstattung nach Wunsch des Erstattungsberechtigten erfolgen soll (vgl. auch SG Hamburg, 15.03.2012, Az.: S 11 R 215/11 WA).

Dies entspricht nach Auffassung der Kammer auch dem Normzweck: § 27 SGB IV soll zwar grundsätzlich einen Ausgleich für entzogene Kapitalnutzung schaffen. Gleichwohl gilt dies nicht uneingeschränkt. Wäre dies der Fall, hätte der Gesetzgeber schlicht die Verzinsung derart regeln können, dass diese bereits mit Entrichtung der zu Unrecht gezahlten Beiträge beginnt. Dies entspricht jedoch nicht dem Wortlaut der Vorschrift, die einen vollständigen Erstattungsantrag voraussetzt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber nicht zwangsläufig einen vollständigen Ausgleich für entgangene Kapitalnutzung in jedem Falle hat schaffen wollen, sondern nur unter der Voraussetzung eines vollständigen Erstattungsantrags und dann noch weiterer zeitlicher Verzögerung ab dessen Eingang. Das bedeutet nach der hier vertretenen Auffassung, dass der Gesetzgeber mit der Verzinsungspflicht einen Sanktionsmechanismus dafür hat schaffen wollen, dass der zur Erstattung verpflichtete Träger trotz Vorliegens aller für die Erstattung relevanten Informationen diese nicht zeitnah vornimmt.

Erst im Erstattungsantrag, der am 03.02.2009 bei der X. eingegangen ist, hat der Kläger jedoch die Bankverbindung mitgeteilt, auf die die Erstattung erfolgen soll. Der Erstattungsantrag war nach der hier vertretenen Auffassung daher auch erst an diesem Tage "vollständig" im Sinne des § 27 SGB IV.

Da die Erstattung unstreitig bereits am 11.02.2009 erfolgt ist, ergibt sich nach § 27 SGB IV auch kein Verzinsungsanspruch. Auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen in Bescheid und Widerspruchsbescheid wird hingewiesen, denen sich die Kammer ausdrücklich anschließt.

Nach der hier vertretenen Ansicht kann es daher offen bleiben, ob bereits mit dem Statusfeststellungsantrag auf "Nichtfeststellung einer abhängigen Beschäftigung und Nichtvorliegens von Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung" (so wohl nach Auffassung des Klägers BSG, 24.03.1983, Az.: 1 RJ 92/81 und BSG, 26.06.1986, Az.: 7 Rar 121/84) implicite von einem Erstattungsantrag auszugehen ist oder zumindest bereits ab Erhebung des Widerspruchs gegen einen Statusfeststellungsbescheid, der - wie vorliegend - dem erklärten Ziel des Statusfeststellungsantrags widerspricht, also Sozialversicherungspflicht entgegen dem Antragsbegehren bejaht (so wohl die Auffassung der 18. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg, Az.: S 18 R 128/11 und BSG 26.06.1986, Az.: 2 RU 25/85; dagegen: 9. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg, Az.: S 9 R 947/13 und S 9 R 946/13, LSG Baden-Württemberg, 21.01.2011, Az.: L 4 R 4672/10).

Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es letztlich auf das Vorliegen des vollständigen Erstattungsantrags in oben beschriebener Weise an. Damit kann dahinstehen, worin ein (unvollständiger) Erstattungsantrag bereits erstmalig zu erblicken ist. Entscheidend abzustellen ist auf das Vorliegen eines vollständigen Antrags.

Ein solcher hat frühestens am 03.02.2009 vorgelegen. Eine Zinspflicht scheidet danach aus.

In der vorliegenden Fallkonstellation braucht daher auch nicht entschieden werden, ob der Antrag auch beim für die Entscheidung über Erstattung und Verzinsung zuständigen Träger eingegangen ist. Die Einreichung beim unzuständigen Träger löst jedenfalls noch nicht die Verzinsungspflicht aus. § 16 Abs. 2 Satz 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist hier nicht anwendbar, weil ein Erstattungsanspruch keine Sozialleistung ist (vgl. Schlegel aaO., RdNr. 25). Würde man danach verlangen, dass der eigentlich der X. am 03.02.2009 zugegangene vollständige Erstattungsantrag der Beklagten zugehen muss, so wäre dies sogar noch später der Fall gewesen; eine Verzinsung käme bei Erstattung am 11.02.2009 daher erst recht nicht mehr in Betracht.

Eine Verzinsung nach § 27 SGB IV scheidet daher aus.

Eine solche kann auch nicht auf andere Vorschriften oder Rechtsinstitute gestützt werden:

Eine Verzinsung nach § 44 SGB I hat nicht zu erfolgen; bei der Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich nicht um Geldleistungen im Sinne dieser Vorschrift (BSG, 24.03.1983, Az.: 1 RJ 92/81). Die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in diesem Zusammenhang scheitert daran, dass § 27 SGB IV und § 44 SGB I insoweit abschließend sind. Zudem hat der Herstellungsanspruch nicht die Funktion eines Schadensausgleichs in diesem Sinne. Dies obliegt der Amtshaftung. Ferner kann eine Verzinsung nicht auf eine entsprechende Anwendung der §§ 717 Abs. 2 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) gestützt werden (BSG, 10.08.1995, Az.: 11 Rar 91/94). Auch kennt das Sozialrecht keinen allgemeinen Rechtssatz, nachdem alle Geldforderungen unter bestimmten Voraussetzungen zu verzinsen sind. Ein Zinsanspruch muss durch eine besondere gesetzliche Anordnung wie etwa § 44 SGB I oder § 27 SGB IV begründet sein (BSG, 25.06.1986, Az.: 9a RVs 22/84). Das Fehlen einer solchen Vorschrift könne nicht als planwidrige Regelungslücke gesehen werden, die richterlich durch Analogie zu schließen wäre (BSG aaO.). Daher scheidet auch ein Ersatz eines "Verzugsschadens" nach dem Allgemeinen Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus.

Einzig in Betracht könnte Amtshaftung kommen. Darüber zu befinden fällt jedoch in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit und braucht hier nicht erörtert zu werden. Der betreffende Verfahrensteil ist abgetrennt und verwiesen worden.

Nach allem erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Klage ist daher als unbegründet abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der unterliegende Teil die gesamten Verfahrenskosten.

Insbesondere ist kein Fall des § 183 SGG gegeben, sondern § 197a SGG anwendbar, weil der Kläger nicht zum nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehört. Es steht nach dem vorangegangenen Verfahren S 12 R 4261/06 fest, dass der Kläger nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Damit ist er aber auch nicht mehr für das nachfolgende vorliegende Verfahren als "Versicherter" im Sinne des § 183 SGG zu sehen.

-
Rechtskraft
Aus
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