L 14 R 883/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 53 R 507/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 883/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 100/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) um die Neuberechnung der dem Kläger seit dem 01.03.2004 bewilligten Rente wegen Erwerbsminderung. Insofern begehrt der Kläger die Berechnung der Rente unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten endet.

Der am 00.00.1956 geborene Kläger beantragte erstmals am 28.01.2004 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte bewilligte mit Rentenbescheid vom 07.04.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.03.2004 bis zum 31.03.2005. In dem Bescheid wurde die Zeit vom 01.09.2003 bis zum 11.06.2016 (also 154 Monate) als Zurechnungszeit berücksichtigt. Mit darauf folgenden Weiterbewilligungsbescheiden verlängerte die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung durchgängig. Mit Bescheid vom 20.04.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann letztlich ab dem 01.09.2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer bis zum Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze. Die Berechnungsgrundlagen blieben insgesamt unverändert.

Mit Schreiben vom 02.01.2019 wandte sich der Kläger an die Beklagte; er beantrage die Neuberechnung seiner Erwerbsminderungsrente, nachdem die Bundesregierung das Rentenpaket I auf den Weg gebracht habe. Er beziehe eine Rente, die vor dem 01.07.2014 bewilligt worden sei. Seine Zurechnungszeit ende mit Vollendung des 60. Lebensjahres. Die neue Regelung sehe die Berücksichtigung einer Zurechnungszeit auf das Alter von 65 Jahren und acht Monaten vor. Er werde hier benachteiligt. Die Stichtagsregelung widerspreche EU-Recht (römisches Recht, Gleichbehandlung). Daher sei die Regelung nach dem EU-Recht rechtswidrig, auch wenn das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht die Stichtagsregelung nicht beanstandeten.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.01.2019 mit, dass eine Neuberechnung der Erwerbsminderungsrente nicht erfolgen könne. Eine Verlängerung der Zurechnungszeit nach dem RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz (RV-LVSG) finde nur Berücksichtigung bei Erwerbsminderungsrenten mit einem Rentenbeginn ab dem 01.01.2019. Somit bleibe es bei der bereits berücksichtigten Rente.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2019 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Aktenzeichen S 58 R 63/19). Die Klage nahm er zurück und beantragte, sie als Widerspruch zu werten.

Innerhalb des nun eröffneten Widerspruchsverfahrens teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 28.02.2019 mit, es sei grundsätzlich das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt der Rentenantragstellung gelte; § 300 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Das Ende einer Zurechnungszeit sei in § 253 Buchst. a SGB VI geregelt. Bei Erwerbsminderungsrenten mit einem Rentenbeginn in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 30.06.2014 - wie auch bei dem Kläger - ende die Zurechnungszeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres.

Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 06.03.2019 mit, er halte seinen Widerspruch aufrecht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Rücknahme des Bescheides vom 07.04.2004 nach § 44 SGB X und eine Neuberechnung unter Verlängerung der Zurechnungszeit auf 65 Jahre und acht Monate komme nicht in Betracht, da bei Erlass des Bescheides vom 07.04.2004 das Recht nicht unrichtig angewandt und nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei.

Hiergegen hat der Kläger am 03.05.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, die vom Gesetzgeber vorgenommene Unterscheidung zwischen "Alt- und Neurentnern" unter Berücksichtigung eines Stichtages zum 01.01.2019 werde wohl vom Bundessozialgericht und vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Er sei aber der Rechtsauffassung, dass hier europäisches Recht (Gleichbehandlung) Vorrang habe. Das Verfahren müsse dem EuGH vorgelegt werden.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2019 zu verurteilen, die Bewilligungen der Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit seit dem 01.03.2004 nach § 44 SGB X zu überprüfen und eine Neuberechnung unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monate vorzunehmen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des europäischen Gerichtshofes zu der Frage, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt, die gegen europäisches Recht verstößt, einzuholen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das SG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 15.08.2019 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört und anschließend mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2019 die Klage abgewiesen. Hierzu hat das SG unter anderem wie folgt ausgeführt:

"Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden,.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2019 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des §§ 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch Rücknahme des Bescheides vom 07.04.2004 sowie aller Folgebescheide nach § 44 SGB X und auf eine Neuberechnung der ihm bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit seit dem 01.03.2004 unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 07.04.2004 nach § 44 SGB X liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist dann, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

In dem Ausgangsbescheid vom 07.04.2004 sowie in den Folgebescheiden ist weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Auch sind die Bescheide nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat die Rentenbewilligung in Anwendung des § 300 SGB VI unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Bewilligung bereits in Kraft getretenen Vorschriften vorgenommen.

Nach § 59 SGB VI in der in der Zeit vom 01.01.2002 bis zum 30.06.2014 geltenden und damit hier anzuwendenden Fassung ist eine Zurechnungszeit die Zeit, die bei einer Rente wegen Erwerbsminderung hinzugerechnet wird, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Zurechnungszeit beginnt bei einer Rente wegen Erwerbsminderung mit dem Eintritt der hierfür maßgebenden Erwerbsminderung, bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, auf die erst nach Erfüllung einer Wartezeit von 20 Jahren ein Anspruch besteht, mit Beginn dieser Rente. Die Zurechnungszeit endet mit Vollendung des 60. Lebensjahres. Entsprechend dieser Vorschrift hat die Beklagte bei der Ausgangsbewilligung der Rente, die mit Bescheid vom 07.04.2004 erfolgte, die Zeit vom 01.09.2003 bis zum 11.06.2016, mithin 154 Monate, als Zurechnungszeit berücksichtigt.

§ 253 Buchst, a SGB VI in der in der Zeit vom 01.01.2002 bis zum 30.06.2014 und damit hier maßgeblichen Fassung regelte lediglich eine abweichende Zurechnungszeit für Renten mit einem Beginn vor dem 01.01.2004 und war damit hier nicht anwendbar, da die dem Kläger bewilligte Rente am 01.03.2004 begann.

§ 253 Buchst, a SGB VI in den für die Folgejahre und in der aktuell geltenden Fassung hat keine Übergangsregelung für Bestandsrenten getroffen und ist damit nicht anwendbar.

Der Kläger bestreitet letztlich auch nicht, dass die Beklagte das Recht richtig angewandt hat. Er ist vielmehr der Auffassung, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Bestandsrentnern und Neurentnern vorliegt.

Eine solche Ungleichbehandlung vermag die erkennende Kammer nicht zu erkennen. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Es kann hier schon dahingestellt bleiben, ob es sich bei Bestandsrentnern einerseits und Neurentnern andererseits um eine vergleichbare Gruppe von Normadressaten handelt. Denn jedenfalls ist es angesichts des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass dieser die Vergünstigungen des §§ 253 Buchst, a SGB VI (sowohl in der aktuell geltenden Fassung als auch in der bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung) nur auf diejenigen Versicherten erstreckt hat, die bis zu den maßgeblichen Stichtagen noch keine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen haben. Dies zumal deshalb, weil die sich aus Zurechnungszeiten ergebenden Entgeltpunkte nicht auf einer eigenen Beitragsleistung der Betroffenen beruhen. Es obliegt dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu beschließen, ob eine begünstigende Rechtsänderung in Kraft treten soll, ab wann dies geschehen soll sowie unter welchen Voraussetzungen und für welche Normadressaten

Der Gesetzgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum und es obliegt ihm auch entsprechende Vergünstigungen nicht auf Bestandsrenten auszudehnen. Für die gesamte Dauer des Rentenbezugs wird durch die auf diese Weise sichergestellte Berechenbarkeit des Rentenanspruchs die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geschützt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.02.2011,1 BvR 642/09 mwN).

Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.

Die Voraussetzungen für eine Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gem. Art 267 AEUV liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung

a) über die Auslegung der Verträge, b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union,

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet.

Das Gericht sieht keinen Verstoß gegen europarechtliche Normen. Ein europarechtlich relevanter Sachverhalt liegt nicht vor. Die Ausgestaltung beitragsunabhängiger Sozialleistungen, zu denen in diesem Fall auch die Entgeltpunkte aus Zurechnungszeiten gehören, obliegt nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich der Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers (vgl. hierzu Fuchs, Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Sozialrecht im Jahr 2016, NZS 2017, 81 ff. m. w. N.; EU:C:2016:436, Urteil vom 14.06.2016).

Eine einheitliche Ausgestaltung von Zurechnungszeiten in den Mitgliedsstaaten der EU ist dem europäischen Recht nicht zu entnehmen.

Soweit sich der Kläger auf Art. 2 des EUVtr beruft, regelt diese Vorschrift, das die Werte, auf die sich die Union gründet, die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, sind. Ein Verstoß hiergegen ist ebenso wenig ersichtlich wie ein Verstoß gegen Art. 3 GG. Insofern wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Das Gericht hat deshalb auch den Hilfsantrag des Klägers auf Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gem. Art 267 AEUV zur Vorabentscheidung abgelehnt, da ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht nicht ersichtlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG."

Gegen das dem Kläger am 28.10.2019 zugestellte Urteil hat dieser am 04.11.2019 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, er begehre die Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten ende. Dies rückwirkend ab dem 01.01.2019. Die neue Regelung gelte nur für Neurentner. Bestandsrentner seien ausgeschlossen. Er berufe sich auf Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union und damit auf den Grundsatz der Gleichheit. Außerdem weise er auf die EGV 883/2004 hin. Es sei erforderlich, innerhalb der Gemeinschaft die betroffenen Personen nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften gleich zu behandeln. Die Stichtagsregelung sei daher diskriminierend. Seiner Meinung nach verstoße die Regelung gegen europäisches Recht. Er beantrage auch, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des europäischen Gerichtshofs einzuholen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 22.10.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2019 zu verpflichten, seine Rente neu zu berechnen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des europäischen Gerichtshofes zu der Frage, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt, die gegen europäisches Recht verstößt, einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Berufungsbegründung enthalte keine neuen Gesichtspunkte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 14.01.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die einschlägigen Rentenbescheide gemäß § 44 Abs. 1 SGB X teilweise zurückzunehmen. Bei Erlass der einschlägigen Rentenbescheide wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch wurde von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hätte. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung einer Zurechnungszeit bis zum 65. Lebensjahr und 8 Monate. Die Beklagte hat in den einschlägigen Rentenbescheiden zutreffend jeweils nur eine Zurechnungszeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers berücksichtigt. Die Berücksichtigung von lediglich 154 Monaten Zurechnungszeit ist daher nicht zu beanstanden. Außerdem verstößt diese Sichtweise auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und zwar weder gegen den grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG) noch gegen etwaige europäische Regelungen zur Gleichbehandlung. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Der Senat verweist nach eigener Prüfung auf die überzeugenden Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid vom 22.10.2019, die zum Gegenstand auch der hier getroffenen Entscheidung gemacht werden; § 153 Abs. 2 SGG.

Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass eine Ungleichbehandlung unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht besteht und zwar weder unter Berücksichtigung europäischen Primärrechts, noch unter Berücksichtigung des Koordinierungsrechts.

Art. 2 EUV lautet:

"Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet."

Der hierin niedergelegte Gleichheitsgrundsatz wird durch die Gleichheitsregelungen der EGV 883/2004 konkretisiert und folgt den gleichen Regeln. Art. 5 EGV 883/2004 lautet:

"Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen

Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte, bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.

b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären."

Die Vorschrift ist ersichtlich mangels EU-Bezug im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 EGV 883/2004 lautet:

"Gleichbehandlung

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates."

Die so verbrieften Rechte des Klägers werden nicht verletzt. EU-Auslandsrentner, die aufgrund der Zurücklegung eines Teils ihres Berufslebens in Deutschland in der deutschen Rentenversicherung anspruchsberechtigt sind, unterliegen der Stichtagsregelung im selben Maße wie Inlandsrentner. Dass hierin kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt, haben das BVerfG und auch das BSG bei den Stichtagsregelungen hinlänglich geklärt. Die Berufung auf den europäischen Gleichbehandlungsgrundsatz führt daher zu keinem anderen Ergebnis.

Daher ist auch der Hilfsantrag unbegründet. Das Verfahren ist nicht dem EuGH vorzulegen. Auch hierzu verweist der Senat im Übrigen auf die überzeugenden Gründe im Gerichtsbescheid vom 22.10.2019 und macht diese auch hinsichtlich des Hilfsantrags zum Gegenstand dieser Entscheidung; § 153 Abs. 2 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der § 160 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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