L 7 AS 8/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 553/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 8/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. November 2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von 30,00 Euro, die er für die Beurkundung der Ausschlagung einer Erbschaft aufgewandt hat.

Der 1956 geborene Kläger bezieht vom Beklagten laufende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Vater des Klägers verstarb am 25. Juli 2016. Am 23. September 2016 schlug der Kläger die Erbschaft vor dem Nachlassgericht aus. Für die Beurkundung der Erbschaftsausschlagung musste er 30,00 Euro bezahlen.

Im Oktober 2016 beantragte er bei dem Beklagten die Erstattung dieser Kosten. Mit Bescheid vom 7. November 2016 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der Beklagte habe einen Nachweis für die Ausschlagung der Erbschaft verlangt und müsse deshalb auch die Kosten tragen. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Die hiergegen am 22. Februar 2017 erhobene Klage hat das Sozialgericht Mannheim (SG) mit Urteil vom 15. November 2019 nach mündlicher Verhandlung, an welcher der Kläger ausweislich des Protokolls teilgenommen hat, abgewiesen. Die Kosten für die Beurkundung der Erbschaftsausschlagung seien vom Regelbedarf umfasst, welcher dem Kläger vom Beklagten gewährt worden sei. Es bestehe auch kein Anspruch auf Übernahme der Beurkundungskosten als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II, als Aufwendungsersatzanspruch nach § 65a Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) oder in entsprechender Anwendung von § 683 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Kläger am 29. November 2019 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019, beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 23. Dezember 2019 eingegangen, hat der Kläger vorgetragen, er habe in der Pause der Verhandlungen am 15. November 2019 gegen 10 Uhr einen Schlaganfall erlitten. Derzeit müsse er noch weitere Untersuchungen abwarten, um im Januar operiert zu werden. Er beantrage, die Frist, um seine Rechte vor dem LSG Baden-Württemberg wahrzunehmen, in den März zu verschieben. Mit E-Mail vom 27. Dezember 2019 hat die Gerichtsleitung des LSG Baden-Württemberg dem Kläger mitgeteilt, eine Verlängerung der Berufungsfrist vor Fristablauf sei nicht möglich. Wenn er aus gesundheitlichen Gründen gehindert sein sollte, Berufung einzulegen, könne er nach Fristablauf Wiedereinsetzung beantragen. Diese könne aber nur Erfolg haben, wenn er die Frist ohne Verschulden nicht habe einhalten können. Vorzugswürdig und am rechtssichersten sei, dass er schriftlich (nur) kurz Berufung einlege und die Begründung ggf. nachreiche. Dass bereits mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 Berufung eingelegt worden sei, könne dem Schreiben nicht entnommen werden. Mit einfacher E-Mail vom 30. Dezember 2019 hat der Kläger daraufhin Berufung eingelegt. Mit E-Mail gleichfalls vom 30. Dezember 2019 hat ihm die Gerichtsleitung daraufhin mitgeteilt, die Einlegung der Berufung sei an Förmlichkeiten gebunden. Ihm werde die genaue Beachtung der Rechtsmittelbelehrung angeraten. Mit Schreiben vom 30. Dezember 2019, am 2. Januar 2020 beim LSG Baden-Württemberg eingegangen, hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Begründung und evtl. weitere Schritte wie Wiedereinsetzung nach § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werde er nach seiner Genesung ab dem 1. März 2020 tätigen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. November 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2017 zu verurteilen, an ihn 30,00 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Mangels Zulassung durch das SG sei die Berufung unzulässig.

Die Beteiligten sind auf die Absicht des Senats, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, hingewiesen worden. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung des Klägers ist mangels Zulassung in dem angefochtenen Urteil unzulässig und daher gem. § 158 Sätze 1 und 2 SGG zu verwerfen.

a) Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung, bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Für die Frage, ob die Berufung der Zulassung bedarf, ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels entscheidend (BSG, Urteil vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 72/80 - juris Rdnr. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 23. Februar 2011 - B 11 AL 15/10 R - juris Rdnr. 13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2015 - L 4 R 3257/13 - juris Rdnr. 41; Breitkreuz/Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 144 Rdnr. 6; Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 144 Rdnr. 24). Der Beschwerdewert bemisst sich ausschließlich nach der Höhe des Geldbetrages, um den unmittelbar gestritten wird (BSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - B 4 AS 77/10 B - juris Rdnr. 6). Fallen mehrere Streitgegenstände in den Anwendungsbereich des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, sind die Beschwerdewerte zu addieren (BSG, Urteil vom 5. Februar 1998 - B 11 AL 19/97 - juris Rdnr. 15; BSG, Beschluss vom 18. April 2016 - B 14 AS 150/15 - juris Rdnr. 6).

b) Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Berufung nicht vor.

aa) Ein Beschwerdewert von mehr als 750,00 Euro wird nicht erreicht.

(1) Der Beschwerdegegenstand richtet sich danach, was durch das angefochtene Urteil des Sozialgerichts versagt, also abgelehnt worden ist, und mit der Berufung weiterverfolgt wird (BSG, Beschluss vom 5. August 2015 - B 4 AS 17/15 B - juris Rdnr. 6 m.w.N.). Dies ist durch Vergleich des vor dem Sozialgericht beantragten Gegenstandes mit dem ausgeurteilten Gegenstand und dem in der Berufung weiterverfolgten Begehren zu bestimmen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rdnr. 14 m.w.N.; Wehrhahn in jurisPK-SGG, 2017, § 144 Rdnr. 19). Maßgeblich ist insoweit, was der Berufungskläger in Wirklichkeit als sachlich verfolgtes Prozessziel anstrebt, was er unter den gegebenen Umständen allenfalls wollen kann (BSG, Urteil vom 5. März 1980 - 9 RV 44/78 - Rdnr. 14). Maßgebend ist der materielle "Kern" des gerichtlichen Verfahrens (BSG, Urteil vom 5. März 1980 - 9 RV 44/78 - Rdnr. 14).

(2) Das Begehren des Klägers zielte in der Sache auf Erstattung der Kosten für die Beurkundung der Ausschlagung einer Erbschaft in Höhe von 30,00 Euro. Ein Gesamtbetrag von mehr als 750,00 Euro wird damit bei weitem ersichtlich nicht erreicht.

bb) Die Berufung betrifft auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, sondern einmalige Leistungen aufgrund eines singulären Ereignisses, nämlich der Kosten für die Beurkundung der Erbschaftsausschlagung.

c) Die Berufung ist auch nicht durch das SG zugelassen worden. Das SG hat vielmehr im Urteilstenor entschieden und in den Entscheidungsgründen und in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht zugelassen wird.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved