L 7 SO 213/20 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 1246/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 213/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 18. November 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 SGG) eingelegt worden und auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der seit dem 25. Oktober 2013 geltenden Fassung ausgeschlossen, denn der Beschwerdeausschluss gilt danach nur, wenn – was hier nicht der Fall ist – das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist.

Die Beschwerde des Klägers ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 8 SO 1246/19 zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden, jedoch darf Prozesskostenhilfe unter diesem Gesichtspunkt bereits dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rdnr. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris Rdnr. 13; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 5. Januar 1994 – 1 A 14/92 – juris Rdnr. 3; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris Rdnr. 4; Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 10 S 961/07 – juris Rdnr. 3).

Bei der Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe haben die Fachgerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Anforderungen zu beachten. Dabei ist keine vollständige Gleichheit Unbemittelter, sondern nur eine weitgehende Angleichung geboten (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 22. Januar 1959 – 1 BvR 154/55 – juris Rdnr. 22 f.; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rdnr. 23, 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris Rdnr. 35). Vergleichsperson ist derjenige Bemittelte, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/98 – juris Rdnr. 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris Rdnr. 35). Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG auch einer Besserstellung der Unbemittelten gegenüber Bemittelten entgegensteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. November 2009 – 1 BvR 2455/08 – juris Rdnr. 9; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2010 – 1 BvR 1974/08 – juris Rdnr. 13; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2011 – 1 BvR 2735/11 – juris Rdnr. 7; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris Rdnr. 13). Im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist bezüglich der Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine summarische Prüfung geboten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2006 – 1 BvR 2236/06 – juris Rdnr. 13; Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 14. Dezember 2006 – IX ZR 164/05 – juris Rdnr. 1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. März 2006 – L 7 SO 96/06 PKH-B – juris Rdnr. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris Rdnr. 4).

In zeitlicher Hinsicht kommt es für die Erfolgsaussichten auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages an. Diese Bewilligungsreife liegt erst bei einem vollständigen Antrag vor. Ein vollständiger und damit bewilligungsreifer Antrag auf Prozesskostenhilfe setzt unter anderem gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel voraus. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass derjenige, der Prozesskostenhilfe begehrt, den Sachverhalt schildert und wenigstens im Kern deutlich macht, auf welche rechtliche Beanstandung er seine Klage stützt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10 – juris Rdnr. 15 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben hat das SG eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegen den Bescheid vom 10. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2019, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, den Bescheid vom 4. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2017 über die Ablehnung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit ab 1. März 2017 bis 23. Mai 2017 gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen, zu Recht verneint. Für die Zeit ab 24. Mai 2017 ist der Bescheid vom 4. April 2017 erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), da der Kläger ab diesem Tag Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten hat.

Gegenstand des Klageverfahrens dürfte nur das Begehren des Klägers auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 23 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 SGB XII) sein. Nur darüber hat der Beklagte mit dem Bescheid vom 4. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2017, dessen Zurücknahme er mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt hat, entschieden. Die Gewährung von Überbrückungs- und Rückreiseleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3, Abs. 3a SGB XII dürfte dagegen nicht Gegenstand des Klageverfahrens sein. Bei den Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XII einerseits und nach § 23 Abs. 3 Satz 3, Abs. 3a SGB XII andererseits handelt es sich jeweils um getrennte Streitgegenstände (Urteil des Senats vom 7. November 2019 – L 7 SO 934/19 – juris Rdnr. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. August 2017 – L 5 AS 1357/17 B ER – juris Rdnr. 114 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Januar 2019 – L 23 SO 279/18 B ER – juris Rdnr. 40; LSG Hessen, Beschluss vom 27. März 2019 – L 7 AS 7/19 – juris Rdnr. 10; Schlette in Hauck/Noftz, § 23 SGB XII Rdnr. 86 [Juni 2019] m.w.N.; Siefert in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rdnr. 114 [1. Überarbeitung]; vgl. allgemein zur Abtrennbarkeit der verschiedenen Ansprüche nach dem SGB XII Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9b SO 10/06 R – juris Rdnr. 12 ff.), da die Überbrückungs- und Rückreiseleistungen nicht zu den Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt gehören, sondern es sich um bereichsspezifische Sonderleistungen handelt, die zudem einen Ausreisewillen des Betroffenen voraussetzen, an dem es hier fehlt. Bereits der Leistungsantrag des Klägers bei dem Beklagten vom 27./29. März 2017 war nur auf die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und nicht auf die Gewährung von Überbrückungs- und Rückreiseleistungen gerichtet. Nur darüber dürfte der Beklagte mit Bescheid vom 4. April 2017 auch entschieden haben. Ebenso nicht streitgegenständlich dürften Leistungen nach den Härtefallregelungen des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII sein. Auch insofern handelt es sich um einen im Verhältnis zu den Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII gesonderten Streitgegenstand (vgl. Urteil des Senats vom 7. November 2019 – L 7 SO 934/19 – juris Rdnr. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Januar 2019 – L 23 SO 279/18 B ER – juris Rdnr. 40 f.; LSG Hessen, Beschluss vom 27. März 2019 – L 7 AS 7/19 – juris Rdnr. 10). Die Gewährung dieser Leistungen knüpft schon hinsichtlich des personellen Anwendungsbereiches an die Überbrückungsleistungen des § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII an, modifiziert sie für den Einzelfall im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer der Leistungsgewährung und kann daher nicht ohne diese geltend gemacht werden (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 24. April 2017 – L 8 SO 77/17 B ER – juris Rdnr. 43 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Januar 2019 – L 23 SO 279/18 B ER – juris Rdnr. 41; Schlette in Hauck/Noftz, § 23 SGB XII Rdnr. 88 [Juni 2019]).

Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erhalten gemäß §§ 19 Abs. 1, 27 SGB XII Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Einem entsprechenden Anspruch des Klägers dürfte aber § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II in der seit dem 29. Dezember 2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155) entgegenstehen. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII n.F. erhalten Ausländer unter anderem keine Leistungen nach Absatz 1 (Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege), wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Jedenfalls durch die Neufassung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII sind auch Ermessensleistungen ausgeschlossen (Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, Bundestags-Drucksache 18/10211, S. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Januar 2019 – L 23 SO 279/18 B ER – juris Rdnr. 27; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Juli 2019 – L 4 AS 246/19 B ER – juris Rdnr. 38), soweit nicht die Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII eingreift, über die aber, wie ausgeführt, im Klageverfahren nicht zu entscheiden sein dürfte.

Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses dürften bei dem Kläger vorliegen. Erforderlich ist eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nicht ausreichend ist hingegen die generelle Freizügigkeitsvermutung, nach der der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden muss, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts festgestellt und damit die Ausreisepflicht begründet hat (st. Rspr.; BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R – juris Rdnr. 23; BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 32/17 R – juris Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R – juris Rdnr. 26; BSG, Urteil vom 21. März 2019 – B 14 AS 31/18 R – juris Rdnr. 17). Dass der Kläger im streitigen Zeitraum im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU dürfte ebenfalls nicht bestanden haben; insbesondere setzt eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU über einen Aufenthalt zur Arbeitsuche über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus einen Nachweis voraus, dass der Betroffene weiterhin Arbeit sucht und die begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Dazu wurde vom Kläger nichts vorgetragen. Selbst wenn eine entsprechende Freizügigkeitsberechtigung nach dieser Vorschrift bestehen würde, wäre diese aber gerade von dem Leistungsausschluss umfasst. Der Kläger dürfte auch kein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger nach § 3 FreizügG/EU gehabt haben, da er im streitigen Zeitraum nicht Familienangehöriger eines in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürgers gewesen sein dürfte. Insbesondere dürfte der Kläger ein Aufenthaltsrecht schon deshalb nicht von seinen Kindern ableiten können, weil diese im streitigen Zeitraum ebenfalls lediglich ein von ihrer Mutter abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 3 Absatz 1 Satz 1 FreizügG/EU gehabt haben dürften. Schließlich dürfte dem Ausschluss von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII entgegenstehen, da nicht ersichtlich ist, dass sich der Antragsteller im streitigen Zeitraum bereits seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufgehalten hatte.

Ein Leistungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten dürfte auch nicht aus Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) folgen, da Rumänien, dessen Staatsangehöriger der Kläger ist, nicht Vertragspartei des EFA ist, so dass sich der Kläger hierauf nicht berufen kann.

§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII n.F. dürfte schließlich auch mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Dies hat der Senat bereits ausführlich mehrfach dargelegt (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 39 ff. sowie Urteil des Senats vom 7. November 2019 – L 7 SO 934/19 – juris Rdnr. 38 ff.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen in den angeführten Entscheidungen Bezug genommen.

Über einen Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII oder gar § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII dürfte im zugrundeliegenden Klageverfahren schon deshalb nicht zu entscheiden sein, weil – wie bereits ausgeführt – entsprechende Ansprüche nicht streitgegenständlich sein dürften. Abgesehen davon dürften im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen aber auch nicht vorgelegen haben, weil der Kläger keine Absicht zur Ausreise gehabt haben dürfte. Nach § 23 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 SGB XII werden hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren (nur) eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen). Schon daraus, dass die Leistungen zur Überbrückung eines Zeitraums von längstens einem Monat bis zur Ausreise dienen sollen, ergibt sich zweifelsfrei, dass vom Betroffenen eine Ausreise beabsichtigt sein muss, damit ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen überhaupt in Betracht kommt. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Nach der Begründung zum Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII sollten die Leistungsausschlüsse im SGB II ergänzt werden und es sollte klargestellt werden, dass Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht aus dem Freizügigkeitsgesetz/EU ebenso wie Personen, die sich mit einem Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, sowie Personen, die ihr Aufenthaltsrecht nur aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ableiten, von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Gleichzeitig sollten die Leistungsausschlüsse im SGB XII denjenigen im SGB II angepasst werden. Daneben sollte im SGB XII ein Anspruch für einen Zeitraum von einem Monat geschaffen werden, mit der Möglichkeit, darlehensweise die Kosten für ein Rückfahrticket zu übernehmen (BT-Drs. 18/10211, Seite 2). Ferner ist in der Gesetzesbegründung (a.a.O. Seite 16) ausgeführt, dass durch die neue Formulierung in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII außerdem klargestellt werde, dass den ausgeschlossenen Personen weder ein Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII zustehe, noch ihnen Leistungen im Ermessenswege gewährt werden. Daneben werde in § 23 Abs. 3 SGB XII ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen für alle von Leistungen ausgeschlossenen ausländischen Personen eingeführt, soweit sie hilfebedürftig sind. Orientiert an § 1a Abs. 2 des AsylbLG erhielten ausländische Personen innerhalb von zwei Jahren einmalig bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Monat Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Körper- und Gesundheitspflege sowie die angemessenen Aufwendungen für eine Unterkunft. Danach erhielten sie keine Leistungen mehr. Im Zeitraum von einem Monat sei es in jedem Fall möglich, innerhalb der EU eine angemessene Rückreisemöglichkeit zu finden (zum Beispiel mit dem Bus). Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass für vom Leistungsausschluss betroffene Personen ausschließlich zur Überbrückung einer Zeit bis zum Auffinden einer Rückreisemöglichkeit bzw. bis zur Ausreise noch abgesenkte Leistungen in Betracht kommen sollen, was die Erforderlichkeit des Vorliegens einer Absicht zur Ausreise impliziert. Da die Härtefallregelungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII, der für Leistungsberechtigte nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Abs. 1 ermöglicht, soweit im Einzelfall besondere Umstände dies erfordern, und außerdem die Leistungserbringung über einen Zeitraum von einem Monat hinaus vorsieht, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist, hinsichtlich des personellen Anwendungsbereiches an die Überbrückungsleistungen des § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII anknüpfen und sie für den Einzelfall im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer der Leistungsgewährung modifizieren (LSG Bayern, Beschluss vom 24. April 2017 – L 8 SO 77/17 B ER – juris Rdnr. 43; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Januar 2019 – L 23 SO 279/18 B ER – juris Rdnr. 41), ist Voraussetzung der Anwendung der Härtefallregelungen, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII erfüllt sind (Urteil des Senats vom 07. November 2019 – L 7 SO 934/19 – juris Rdnr. 49), mithin ein Ausreisewille vorliegt bzw. zumindest eine Ausreisebereitschaft besteht. Nach der Gesetzesbegründung soll durch die Härtefallregelung nicht ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglicht, sondern Bedarfe gedeckt werden, soweit im Einzelfall eine Ausreise binnen eines Monats nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wobei von einer Unmöglichkeit der Ausreise insbesondere bei amtsärztlich festgestellter Reiseunfähigkeit ausgegangen werden kann (BT-Drs. 18/10211 Seite 16 f.). Derartige "reisebezogene" Gründe, die den Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum in tatsächlicher Hinsicht an einer Rückreise nach Rumänien gehindert oder eine Rückkehr im Sinne eines dauerhaften Aufenthalts in Rumänien unzumutbar gemacht hätten, sind nicht ersichtlich.

Sofern dem Kläger aus familiären Gründen – etwa der im streitigen Zeitraum bevorstehenden Eheschließung und dem Zusammenleben mit eigenen Kindern – nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz ein Aufenthaltsrecht zugestanden haben könnte (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rdnr. 31 ff.), ist dies nicht geeignet, eine Erfolgsaussicht für das Klageverfahren zu begründen. Denn in diesem Fall käme nicht ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, sondern nur ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Betracht, für die der Beklagte jedoch nicht der zuständige Leistungsträger ist. Eine Beiladung des für Leistungen nach dem SGB II zuständigen Leistungsträgers dürfte auch nicht vorzunehmen sein, denn dessen Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG dürfte ausgeschlossen sein. Für die vorliegend allein zu entscheidende Frage, ob der Bescheid vom 4. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2017 zurückzunehmen ist, ist allein der Beklagte, nicht aber der SGB II-Leistungsträger zuständig. Die Frage der rückwirkenden Leistungsgewährung ist untrennbar mit der Frage des Anspruchs auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide verknüpft (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 6/12 R – juris Rdnr. 10; BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – juris Rdnr. 23 m.w.N.; Urteil des Senats vom 29. Juni 2017 – L 7 SO 4603/16 – n.v.); die Frage, ob Leistungsansprüche gegen andere Leistungsträger bestehen, kann schon deswegen nicht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X über die Regelung des § 75 Abs. 5 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden (Urteil des Senats vom 18. Juli 2018 – L 7 AY 2834/15 – juris Rdnr. 45).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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