L 7 SO 1251/20 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 722/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1251/20 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 26. März 2020 abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Widersprüche der Antragsteller gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. Februar 2020 aufschiebende Wirkung haben. Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 3.028,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerden der Antragsteller haben im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Der Senat prüft im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht den beschrittenen Rechtsweg zu den Sozialgerichten. Zwar spricht viel dafür, dass im Hinblick auf das einstweilige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller betreffend die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Februar 2020, die dieser auf § 66 Abs. 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) i.V.m. § 15 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz Baden-Württemberg (LVwVG) gestützt hat, nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten in einer Angelegenheit der Sozialhilfe (§ 51 Abs. 1 Nr. 6a Sozialgerichtsbarkeit (SGG)) gegeben war (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 25. September 2013 - B 8 SF 1/13 R - juris Rdnr. 6 ff.; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 29. August 2016 - 5 B 74/15 - juris Rdnr. 6 ff.; Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Juli 2013 - L 5 AS 710/13 B ER - juris Rdnr. 23).

Jedoch ist der Senat an der Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gehindert. Gem. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Zweck des § 17&8198;a Abs. &8201;5 GVG ist es, die Rechtsmittel in der Hauptsacheentscheidung von der Prüfung der Rechtswegfrage zu befreien (Ehlers in Schoch/Scheider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 17a GVG Rdnr. 44; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17a GVG Rdnr. 42). Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Rechtswegfrage von der ersten Instanz zu klären ist und diese Entscheidung ggf. im Beschwerdeverfahren überprüft werden konnte (vgl. § 17a Abs. 2, 3 und 4 GVG). Die Regelung des § 17a Abs. 5 GVG gilt auch im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Ehlers in Schoch/Scheider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 17a GVG Rdnr. 47; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17a GVG Rdnr. 42). Die Prüfungssperre des § 17 a Abs. 5 GVG besteht für das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache befindet. Eine derartige Entscheidung liegt vor, wenn von dem Gericht nach einer Entscheidung über den Rechtsweg eine Entscheidung in einer weiteren Sachfrage getroffen wird (Ehlers in Schoch/Scheider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 17a GVG Rdnr. 45). Dabei tritt die Bindungswirkung des § 17 a Abs. 5 GVG unabhängig davon ein, ob das erstinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung in der Hauptsache den Rechtsweg ausdrücklich oder nur inzident bejaht hat (Ehlers in Schoch/Scheider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 17a GVG Rdnr. 45; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17a GVG Rdnr. 43; Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 17a GVG Rdnr. 19; Zimmermann in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2017, § 17a GVG Rdnr. 25). Hat das erstinstanzliche Gericht trotz Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs durch einen Beteiligten (vgl. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG) nicht vorab durch Beschluss entschieden, besteht keine Bindung des Rechtsmittelgerichts (Bundesgerichtshof (BGH); Beschluss vom 29. Juli 2004 - III ZB 2/04 - NJW-RR 2005, 142/143) und dieses hat die Rechtswegfrage selbst zu entscheiden (Rathmann in Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 17a GVG Rdnr. 17; Zimmermann in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2017, § 17a GVG Rdnr. 29). Hat das erstinstanzliche Gericht hingegen ohne Anlass zu einer Vorabentscheidung in den Entscheidungsgründen die Rechtswegfrage - auch inzident - entschieden, besteht eine Bindung des Rechtsmittelgerichts (BSG, Urteil vom 2. März 2011 - B 6 KA 11/10 R - juris Rdnr. 15; BGH, Beschluss vom 12. November 1992 - V ZR 230/91 - NJW 1993, 389/390).

Der Senat ist an die konkludente Bejahung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten durch das Sozialgericht Ulm (SG) in dem angefochtenen Beschluss vom 26. März 2020 gebunden. Denn das SG hat den Rechtsweg zu den Sozialgerichten inzident bejaht und über das einstweilige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller in der Sache entschieden, d.h. eine Entscheidung in der Hautsache i.S.d. § 17a Abs. 5 GVG getroffen. Die Beteiligten haben die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten weder thematisiert noch gerügt (vgl. z.B. Schreiben des Antragsgegners vom 23. März 2020). Dies hat zur Folge, dass auf den vorliegenden Rechtsstreit die für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit maßgebliche Prozessordnung - das Sozialgerichtsgesetz - Anwendung findet (BSG, Beschluss vom 5. März 2015 - B 8 SO 38/14 BH - juris Rdnr. 5; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 - StB 26/14 u.a. - NJW 2017, 2631/2634; Keller in Meyer-Ladewig u.a, SGG, 12. Aufl. 2017, § 51 Rdnr. 75; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 17 Rdnr. 53).

2. Die Antragsteller haben gegen den ihnen am 30. März 2020 zugestellten Beschluss des SG vom 26. März 2020 form- und fristgerecht (§ 173 SGG) Beschwerde eingelegt, wobei der Senat dem Schreiben der Antragsteller vom 6. April 2020 noch hinreichend deutlich entnimmt, dass sie die Entscheidung des SG im Rechtsmittelweg dem Beschwerdegericht zur Überprüfung stellen. Die Beschwerden der Antragsteller sind nach Maßgabe der §§ 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft, da das einstweilige Rechtsschutzgesuch der Antragsteller eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über den Betrag in Höhe von 12.215,31 EUR betrifft.

3. Gegenstand des am 3. März 2020 von den Antragstellern beim SG anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 6 SO 722/20 ER, vormals S 1 AR 701/20) ist ihr Begehren auf eine (vorläufige) Suspendierung der vom Antragsgegner am 11. Februar 2020 verfügten Pfändungs- und Einziehungsverfügung und ggf. die Einräumung von Pfändungsschutz. Daneben haben sie insbesondere Einwendungen gegen die der Vollstreckung zugrundeliegende Forderung (Kostenersatzbescheid vom 17. September 2019 nach § 103 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölften Buch (XII) - Sozialhilfe - in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2019) geltend gemacht, nämlich hinsichtlich der Höhe des Ersatzanspruchs im Hinblick auf eine behauptete Falschauskunft des Antragsgegners zum Schonvermögen gegenüber der verstorbenen Hilfeempfängerin (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 4. August 2016 - L 7 SO 1394/16 - juris; vgl. zur Rechtsnachfolge bei Sozialhilfeleistungen Senatsurteil vom 13. September 2018 - L 7 SO 4189/16 - juris, jeweils m.w.N.) sowie erbrachte Zahlungen der Antragsteller an den Antragsgegner wegen eines Schenkungsrückforderungsanspruchs und hinsichtlich weiterer Sozialhilfeleistungen (Kleidergeld sowie Leistungen für August und September 2017) an die verstorbene Hilfeempfängerin sowie der Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens der Antragsteller i.S.d. § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (vgl. dazu Senatsurteil vom 8. November 2018 - L 7 SO 3493/15 - n.v.) seitens des Antragsgegners (vgl. Schreiben der Antragsteller vom 14. April 2020). Das SG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. März 2020 dieses einstweilige Rechtsschutzbegehren abgelehnt, auch wenn es sich bei seiner Prüfung auf die Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. Februar 2020 beschränkt hat. Gegen den ablehnenden Beschluss des SG vom 26. März 2020 wenden sich die Antragsteller mit ihren Beschwerden, die im tenorierten Umfang Erfolg haben.

4. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1, für Vornahmesachen in Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs betreffend die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist das SG zutreffend von einer Anfechtungssache i.S.d. § 86b Abs. 1 SGG ausgegangen. Denn es kommt vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG bzw. für den Fall, dass den Widersprüchen der Antragsteller gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, ein Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X (z.B. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2004 - B 11 AL 43/03 R - juris Rdnr. 22), bereits aufschiebende Wirkung zukommt, die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller (dazu z.B. BSG, Beschluss vom 11. Mai 1993 - 12 RK 82/92 - juris Rdnr. 9; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rdnr. 15) in Betracht. Denn das Begehren der Antragsteller ist hinsichtlich "der Pfändung" darauf gerichtet, dass diese vorläufig nicht vollzogen werden kann. Dieses Ziel ist dadurch erreichbar, dass hinsichtlich der Widersprüche gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 11. Februar 2020 die aufschiebende Wirkung angeordnet bzw. festgestellt wird. Denn dann käme den Widersprüchen der Antragsteller gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 11. Februar 2020 gem. § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung zu mit der Folge, dass dieser belastendende Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden könnte (vgl. Keller, a.a.O., § 86a Rdnr. 4).

Dabei kommen den Widersprüchen der Antragsteller (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 20. Februar 2020) gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. Februar 2020 gem. § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung zu, die der Antragsgegner missachtet hat. Denn die vorliegende Vollstreckungssache wird insbesondere nicht von den Regelungen des § 86a Abs. 2 Nrn. 1 und 4 SGG erfasst (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. September 2007 - L 7 AS 183/07 ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2008 - L 10 B 2195/07 AS ER - juris; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 86a Rdnr. 16). Insbesondere besteht keine bundesgesetzliche Regelung, die ein Entfallen der aufschiebenden Wirkung anordnet (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Die über § 66 Abs. 1 Abs. 3 S. 1 SGB X anwendbare landesrechtliche Regelung des § 12 Satz 1 LVwVG, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden, stellt gerade kein Bundesgesetz dar. § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestimmt lediglich, welche Vorschriften des Vollstreckungsrechts Anwendung finden, ordnet jedoch nicht den Entfall der aufschiebenden Wirkung an. Anders als § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) lässt § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG für den Entfall der aufschiebenden Wirkung eine Regelung durch Landesrecht nicht genügen. Dabei hat § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG lediglich deklaratorische Wirkung, weil die eigentliche Regelung in dem jeweiligen Bundesgesetz als lex specialis angeordnet wird (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 86a Rdnr. 16; Richter in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 86a Rdnr. 43; Wahrendorf in BeckOGK-SGG, Stand 1. September 2019, § 86a Rdnr. 51; Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 86a Rdnr. 27). Da - wie oben dargelegt - im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Regelungen des SGG Anwendung finden, bildet § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 12 Satz 1 LVwVG keine Grundlage für ein Entfallen der aufschiebenden Wirkung. Schließlich hat der Antragsgegner auch keinen Sofortvollzug angeordnet (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 11. Mai 2020 an seiner irrigen Rechtsauffassung festgehalten hat, dass den Widersprüchen der Antragsteller keine aufschiebende Wirkung zukomme, hatte der Senat deklaratorisch und ohne Interessenabwägung (vgl. nur Burkiczak in jurisPK-SGG, Stand 1. April 2020, § 86b Rdnr. 229) festzustellen, dass die Widersprüche gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. Februar 2020 aufschiebende Wirkung haben.

5. Hinsichtlich der Einwendungen bezüglich der der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. Februar 2020 zugrundeliegenden Forderung kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG in Betracht. Denn eine Anordnung bzw. Feststellung einer aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Klage kommt wegen der Bestandskraft (§ 77 SGG) des Kostenersatzbescheids vom 17. September 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2019 von vornherein nicht in Betracht. Zwar haben die Antragsteller durch Schriftsatz ihres anwaltlichen Bevollmächtigten vom 28. Januar 2020 einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X des Bescheids vom 17. September 2019 gestellt, jedoch berührt dieser die Bestandskraft des Bescheids vom 17. September 2019 so lange nicht, bis dem Überprüfungsantrag ganz oder teilweise entsprochen worden ist. Insoweit kommt grundsätzlich der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG in Betracht (z.B. Sächsisches LSG, Beschluss vom 25. Februar 2020 - L 8 AS 1422/19 - B ER juris Rdnr. 29; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. Juni 2018 - L 6 KR 30/18 B - juris Rdnr. 47).

Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), wobei im Fall der Bestandskraft eines Bescheids und eines diesbezüglich anhängigen Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X an den Anordnungsgrund besonders strenge Anforderungen zu stellen sind und dieser nur bei einer massiven Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Existenz vorliegen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Januar 2017 - L 7 AY 18/17 ER-B - juris Rdnr. 4; Burkiczak in jurisPK-SGG, 1. April 2020, § 86b Rdnr. 356). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).

Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Sie haben zwar pauschal behauptet, dass durch die vom Antragsgegner verfügte Kontopfändung ihr Leben gefährdet worden sei. Dass damit jedoch massive Beeinträchtigungen ihrer sozialen und wirtschaftlichen Existenz verbunden waren und sind, haben sie weder nachvollziehbar behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht. Insbesondere haben sie nicht ansatzweise ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offenbart und belegt, sodass eine Gefährdung ihres Lebensunterhalts nicht ersichtlich ist. Dagegen spricht, dass die Antragsteller nach ihrem Vorbringen Hilfe Dritter erhalten haben (Schreiben vom 6. April 2020). Dagegen spricht weiterhin, dass die Antragsteller von der durch das SG in dem angefochtenen Beschluss vom 26. März 2020 aufgezeigten Möglichkeit der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos keinen Gebrauch gemacht haben, was dafür spricht, dass sie über anderweitige finanzielle Kapazitäten verfügen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2019 - L 7 SO 3980/19 ER-B - juris Rdnr. 5). Schließlich wird durch die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. Februar 2020 dessen Vollziehbarkeit vorläufig beseitigt, sodass die Antragsteller wieder auf ihr Girokonto zugreifen können. Unter diesen Umständen ist es den Antragstellern zumutbar, den Ausgang des Überprüfungsverfahrens betreffend den Bescheid vom 17. September 2019 abzuwarten.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO, da die Beteiligten nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehören, und berücksichtigt das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Antragsteller haben sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem SG und im Beschwerdeverfahren gegen die Vollstreckung sowie die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Forderung gewandt, die der Antragsgegner auf insgesamt 12.215,31 EUR beziffert hat. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Streitwert nur zu einem Viertel (gerundet 3.028,00 EUR) zu berücksichtigen (BSG, Beschluss vom 29. August 2011 - B 6 KA 18/11 R - juris Rdnr. 21).

7. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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