L 7 AS 1422/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 221/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1422/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Formulierung in einem Leistungsbescheid des Beklagten.

Der in 1967 geborene, dauerhaft getrennt lebende Kläger steht seit Juni 2009 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Der Kläger lebt allein in B., seine Kinder leben bei der Kindesmutter im Freistaat S ... Während des Leistungsbezugs kam es wiederholt zur Streitigkeiten, u.a. zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung für die Wohnungen G. X in S. und E. Str. X in D., den Kosten der Ausübung des Umgangsrechts sowie zu Leistungen der Eingliederung in Arbeit, die anlässlich konkreter Verwaltungsentscheidungen - teilweise auch vor Gericht - ausgefochten wurden.

Auf Fortzahlungsantrag des Klägers bewilligte der Beklagte diesem durch Bescheid vom 22. Oktober 2018 für die Zeit vom 1. November 2018 bis zum 31. Oktober 2019 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diesem Bescheid fügte der Beklagte unter der Überschrift "Besonderer Hinweis" Folgendes an: "Sollten Sie über den 31.10.2019 hinaus Leistungen benötigen, stellen Sie bitte einen Monat zuvor einen erneuten Antrag. Anträge erhalten Sie bei Ihrem Bürgermeisteramt oder bei uns. Sofern Sie die Übernahme von Kindergartengebühren beantragt haben, werden diese in beantragter Höhe übernommen; Sie erhalten diesbezüglich keinen gesonderten Bescheid. Die Übernahme ist auch im Berechnungsbogen nicht ersichtlich. Wenn die Beihilfe auf Ihr Konto überwiesen wurde, sind Sie zur Weiterleitung an den Träger des Kindergartens verpflichtet. Bitte beachten Sie aber, dass Kindergartengebühren von Ihnen extra zu beantragen sind und die Höhe entsprechend nachgewiesen werden muss".

Gegen den Bescheid vom 22. Oktober 2018 legte der Kläger am 23. November 2018 "wegen den enthaltenen Kindergartengebühren" Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass diese in der Vergangenheit nicht nötig gewesen seien, der Bescheid auch ohne den Passus bezüglich der Kindergartengebühren erstellt werden könne und der Beklagte alle "verbrecherischen und kriminellen Taten" zu unterlassen habe.

Der Beklagte wies den klägerischen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2018 zurück, da der Kläger durch den beanstandeten Hinweis im Bescheid vom 22. Oktober 2018 betreffend die Kindergartengebühren nicht beschwert sei. Bei diesem Passus handele es sich um einen Hinweis an jene Personen, die die Übernahme der Kindergartengebühren für ihre Kinder beantragt hätten. Der Kläger habe keine Übernahme von Kindergartengebühren beantragt. Mit ihm lebten keine Kinder in seiner Bedarfsgemeinschaft. Folglich erhalte er auch keine Kindergartengebühren vom Beklagten. Der Hinweis sei für ihn nicht relevant.

Dagegen hat der Kläger am 11. Oktober 2019 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben (S 12 AS 221/19) und weiterhin den Hinweis bezüglich der Kindergartengebühren beanstandet. Dass der Passus nicht aus dem Bescheid entfernt werden könne, sei falsch und gelogen. Er - der Kläger - sei beschwert, weil ihm vorgeworfen werde, "diese Lügenbande würde nicht lügen und dies wäre eine Beleidigung, was jedoch nur den Tatsachen entspricht und gerade keine Beleidigung darstellt".

Das SG hat durch Urteil vom 18. Februar 2020 die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig. Die Klage sei als echte Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage statthaft. Zwar könne mit der echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch ein Unterlassen begehrt werden. Voraussetzung sei jedoch bei der Leistungs- und damit auch bei der Unterlassungsklage, dass eine Beschwer vorhanden und der Kläger zur Klage befugt sei. Insoweit würden die Grundsätze des § 54 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGG sinngemäß bei der Leistungsklage geltend. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass durch den im Antrag zitierten Passus eine Beschwer gegeben sei. Welcher Nachteil dem Kläger aus der Aufnahme dieses Passus in dem Bescheid entstehen solle, erschließe sich nicht.

Gegen das ihm am 28. März 2020 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 28. April 2020 beim SG eingelegten Berufung, die am 5. Mai 2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangen ist.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. Februar 2020 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, in dem Bescheid vom 22. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2018 den Passus "Sofern Sie die Übernahme von Kindergartengebühren beantragt haben, werden diese in beantragter Höhe übernommen, Sie erhalten diesbezüglich keinen gesonderten Bescheid. Die Übernahme ist auch im Berechnungsbogen nicht ersichtlich. Wenn die Beihilfe auf Ihr Konto überwiesen wurde, sind Sie zur Weiterleitung an den Träger des Kindergartens verpflichtet. Bitte beachten Sie aber, dass Kindergartengebühren von Ihnen extra zu beantragen sind und die Höhe entsprechend nachgewiesen werden muss." nicht zu verwenden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

1. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da ein Fall des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorliegt. Die Klage betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Zwar wendet sich der Kläger gegen einen Passus in der Begründung des Bescheids vom 22. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2018. Er wendet sich aber nicht gegen einen in diesem Bescheid enthaltenen Verwaltungsakt. Verwaltungsakt ist gemäß § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Der Bescheid vom 22. Oktober 2018 enthält in diesem Sinne Verwaltungsakte, soweit darin dem Kläger laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2018 bis zum 31. Oktober 2019 bewilligt werden. Gegen diese Regelung wendet sich der Kläger aber nicht. Er wendet sich vielmehr gegen einen Passus der Bescheidbegründung. Bei der Formulierung unter der Überschrift "Besonderer Hinweis" "Sofern Sie die Übernahme von Kindergartengebühren beantragt haben, werden diese in beantragter Höhe übernommen, Sie erhalten diesbezüglich keinen gesonderten Bescheid. Die Übernahme ist auch im Berechnungsbogen nicht ersichtlich. Wenn die Beihilfe auf Ihr Konto überwiesen wurde, sind Sie zur Weiterleitung an den Träger des Kindergartens verpflichtet. Bitte beachten Sie aber, dass Kindergartengebühren von Ihnen extra zu beantragen sind und die Höhe entsprechend nachgewiesen werden muss." handelt es sich lediglich um einen Hinweis; solchen Hinweisen kommt keine Regelungswirkung und damit keine Verwaltungsaktsqualität zu (Senatsurteil vom 31. August 2018 - L 7 SO 1877/18 - juris Rdnr. 19 m.w.N.).

2. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klage ist unzulässig. Der Klage des Klägers fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

a. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43). Gleichwohl kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis, abhängig gemacht werden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 1337/00 - BVerfGE 104, 220 m.w.N.). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Sie verlangt vom Kläger, dass er ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann, das dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Rechtspflege gegenüber gestellt werden kann. Letztlich geht es um das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats (BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 35/12 R - BSGE 111, 234 - juris Rdnr. 17 m.w.N.). Ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis liegt daher nur vor, wenn ein Kläger ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 35/12 R - juris Rdnr. 17).

b. Daran fehlt es vorliegend. Das Begehren des Klägers entbehrt eines Mindestmaßes an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse. Durch Bescheid vom 22. Oktober 2018 wurden dem Kläger diejenigen Leistungen bewilligt und gewährt, die er gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat. Der dem Bewilligungsbescheid angefügte Hinweis hinsichtlich der Kindergartengebühren betrifft den Kläger offensichtlich nicht. Dies kann der Kläger unschwer aus der Eingangsformulierung "Sofern Sie die Übernahme von Kindergartengebühren beantragt haben " entnehmen. Einen solchen Antrag hat er nicht gestellt. Dazu bestand auch für den Kläger keinerlei Anlass. Denn er lebt nicht mit einem Kind in einer Bedarfsgemeinschaft, das einen Kindergarten tatsächlich besucht oder auch nur besuchen könnte. Daher berührt und betrifft der Hinweis des Beklagten in dem Bescheid vom 22. Oktober 2018 den Kläger nicht. Im Übrigen würde sich die rechtliche Situation des Klägers durch die begehrte Verurteilung des Beklagten, im Bescheid vom 22. Oktober 2018 den streitigen Passus nicht zu verwenden, in keiner Weise verändern und somit auch nicht verbessern. Ein rechtlich geschütztes Interesse des Klägers ist nicht einmal im Randbereich berührt. Mit seinem Klagebegehren missbraucht er prozessuale Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit der staatlichen Rechtspflege.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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