S 8 AS 1046/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1046/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 842/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Der Minderungsbescheid vom 17.04.2015 sowie der Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2015 werden aufgehoben.

II. Der Minderungsbescheid vom 19.05.2015 sowie der Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 werden aufgehoben.

III. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Aufhebung von zwei Minderungsbescheiden aus dem Jahr 2015. Die Klägerin steht im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bei dem Beklagten. Dieser bewilligte ihr für die Zeit vom 01.05.2015 bis 31.10.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 555,50 Euro (399,00 Euro Regelbedarf, 156,59 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Mit Schreiben vom 18.02.2015 forderte der Beklagte die Klägerin auf, sich am 05.03.2015 bei ihrer zuständigen Vermittlerin persönlich zu melden. In dem Schreiben heißt es, dass die aktuelle berufliche Situation mit der Klägerin besprochen werden soll. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Klägerin Leistungen nach dem SGB II um 10 % des maßgeblichen Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten gekürzt werden können, sofern sie dem Termin ohne wichtigen Grund fernbleibt. Eine Rechtsfolgenbelehrung war dem Schreiben beigefügt. In der Rechtsfolgenbelehrung wurde unter Punkt 1 ausgeführt, dass eine Verletzung der Meldepflicht nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III vorliegt, wenn der Aufforderung des Jobcenters, sich persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin persönlich zu erscheinen, nicht nachgekommen wird. Mit Schreiben vom 28.02.2015 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie die Einladung zum Termin am 05.03.2015 zurückweise, da das Schreiben keine Unterschrift enthalte. Eine Vertretungsmacht nach § 174 BGB liege ebenfalls nicht vor. Daraufhin wiederholte der Beklagte seine Einladung mit Schreiben vom 03.03.2015. Die Klägerin blieb dem Termin jedoch fern. Mit Schreiben vom 09.03.2015, welches mit Folgeeinladung überschrieben war, forderte der Beklagte die Klägerin auf, sich zu ihrem Ausbleiben zum Termin am 05.03.2015 zu äußern. Dabei wies er darauf hin, dass er beabsichtige, die Leistungen nach dem SGB II um den im vorangegangenen Schreiben genannten Prozentwert des für die Klägerin nach § 20 SGB II maßgeblichen Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten zu mindern. Eine Reaktion der Klägerin hierauf erfolgte nicht. Mit Bescheid vom 17.04.2015 minderte der Beklagte die Leistungen der Klägerin nach dem SGB II unter teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.03.2015 um 10 % des für sie maßgeblichen Regelbedarf mithin um 39,90 Euro für die Zeit vom 01.05.2015 bis 31.07.2015. Gleichzeitig erlies der Beklagte den Änderungsbescheid vom 17.04.2015, mit welchem er der Klägerin für die Zeit von 01.05.2015 bis 31.07.2015 Leistungen in Höhe von 515,69 Euro bewilligte (um 10 % geminderte Regelleistungen: 359,10 Euro, 156,59 Euro Kosten der Unterkunft). Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.05.2015, welches dem Beklagten am 15.05.2015 zuging, Widerspruch ein. Diesen begründet sie im Wesentlichen damit, dass das Einladungsschreiben nicht unterschrieben und damit ungültig gewesen sei. Zum anderen hätte sich der Sachbearbeiter unter Vorlage einer Vollmacht bei der Klägerin anzeigen müssen. Es sei nicht ersichtlich, welche Themen mit ihr zu besprechen wären. Mit Widerspruchbescheid vom 11.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.04.2015, betreffend den Meldetermin am 05.03.2015, zurück. Nachdem die Klägerin zum Termin am 05.03.2015 nicht erschienen ist, erließ der Beklagte am 09.03.2015 eine mit Folgeeinladung überschriebene Aufforderung sich am 02.04.2015 um 11:30 Uhr bei der zuständigen Vermittlerin zu melden, um die aktuelle persönliche Situation der Klägerin zu besprechen. Dem Schreiben war der ausdrückliche Hinweis beigefügt, dass Leistungen nach dem SGB II nochmal um 10 % gemindert werden können, sollte sich die Klägerin zum Termin nicht melden. Die Minderung wegen des Nichterscheinens zum Termin am 05.03.2015 bleibe davon unberührt. Dem Schreiben war die gleiche Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, wie dem Einladungsschreiben vom 18.02.2015. Die Klägerin blieb auch diesem Termin fern. Mit Schreiben vom 08.04.2015, welches mit Anhörung überschrieben war, forderte der Beklagte die Klägerin zur Stellungnahme hinsichtlich des Fernbleibens zum Termin am 02.04.2015 auf. Er wies darauf hin, dass beabsichtigt ist die Leistungen der Klägerin um 10 % der maßgebenden Regelleistung (39,90 Euro) zu mindern. Eine Reaktion auf die Anhörung erfolgte nicht. Mit Bescheid vom 19.05.2015 minderte der Beklagte die Leistungen der Klägerin nach dem SGB II unter teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.03.2015 um 10 % des für sie maßgeblichen Regelbedarfs mithin um 39,90 Euro für die Zeit vom 01.06.2015 bis 31.08.2015. Gleichzeitig erlies der Beklagte den Änderungsbescheid vom 19.05.2015, mit welchem er der Klägerin für die Zeit von 01.06.2015 bis 31.07.2015 Leistungen in Höhe von 475,79 Euro bewilligte (um 20 % geminderte Regelleistungen auf Grund sich überlappender Minderungszeiträume: 319,20 Euro, 156,59 Euro Kosten der Unterkunft) und für Zeit von 01.08.2015 bis 31.08.2015 515,69 Euro (um 10 % geminderte Regelleistungen: 359,10 Euro, 156,59 Euro Kosten der Unterkunft). Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.05.2015, eingegangen beim Beklagten am 22.05.2015 Widerspruch ein. In der Begründung führt sie im Wesentlichen dieselben Gründe an, wie im vorangegangenen Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.05.2015, betreffend den Meldetermin 02.04.2015, zurück. Gegen die Widerspruchsbescheide vom 10.09.2015 und 11.09.2015 hat die Antragstellerin am 24.09.2015 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben. Eine weitere Begründung zu den streitgegenständlichen Bescheiden erfolgte nicht. Die Klägerin beantragt sinngemäß, 1. Den Minderungsbescheid vom 17.04.2015 sowie den Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2015 aufzuheben. 2. Den Minderungsbescheid vom 19.05.2015 sowie den Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Minderungsbescheid nebst Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2015 sowie der Minderungsbescheid nebst Änderungsbescheid vom 19.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Mit diesen Bescheiden stellte der Beklagte die Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Klägerin fest und hob für die Monate Mai 2015 bis August 2015 den Bewilligungsbescheid teilweise auf. Gemäß § 32 Abs. 1 SGB II ist das Arbeitslosengeld II jeweils um 10 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs zu mindern, wenn der Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen. Der Minderungszeitraum beträgt laut § 31b Abs. 1 S.3 SGB II drei Monate und beginnt entsprechend § 31b Abs. 1 S. 1 SGB II mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. Die Klägerin hat für die Termine am 05.03.2015 und 02.04.2015 keine wirksame Meldeaufforderung erhalten. Die Aufforderungen vom 18.02.2015 und 09.03.2015, sich bei dem Beklagten zu melden waren nicht mit einer ausreichenden Belehrung über die Rechtsfolgen versehen. Die Belehrung enthält nur einen Hinweis auf § 309 SGB III. Nach § 59 SGB II ist § 309 SGB III entsprechend anzuwenden. Darauf, dass die Klägerin ihrer Pflicht zur Meldung gemäß § 309 Abs. 3 S. 2 SGB III auch dann nachkommen könnte, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird, wurde nicht hingewiesen. Das der Klägerin dies bekannt war ist weder vorgetragen noch erkennbar. Ein Leistungsberechtigter kann einer Aufforderung zur Meldung nur nachkommen, wenn er vor dem Meldetermin von der Regelung des § 309 Abs. 3 S. 2 SGB II informiert wurde, soweit er keine Kenntnis hiervon hat (vgl. SG Leipzig, Beschluss vom 09.09.2016, Az.: S 22 AS 2098/16 ER). Gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 SGB II ist lediglich eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erforderlich. Allerdings hat der Beklagte sich in seiner mit Rechtsfolgenbelehrung überschriebenen schriftlichen Belehrung nicht auf Ausführungen zu den Rechtsfolgen beschränkt, sondern folgendes ausgeführt: "Eine Verletzung der Meldepflicht nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III liegt vor, wenn Sie der Aufforderung Ihres zuständigen Jobcenters, sich persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen." Der Regelungsgehalt des § 309 SGB III ist in der Belehrung unvollständig wiedergegeben. Der schlichte Hinweis auf § 309 SGB III genügt nicht. Denn es ist mit dem Zweck einer Rechtsfolgenbelehrung nicht zu vereinbaren, dass deren Inhalt nur unter Heranziehung des Gesetzestextes zu erschließen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 30/09 R). Zudem vermittelt die weitere Erläuterung in der behördlichen Belehrung, dass die Angabe, wann eine Verletzung der Meldepflicht vorliegt abschließend ist. Es ergibt sich der Anschein, dass die Meldepflicht bereits mit Verstreichen der im Einladungsschreiben genannten Uhrzeit an dem Meldetag verletzt wurde und ein späteres Erscheinen in den Räumen des Beklagten hieran nichts ändert. Der Hinweis auf § 309 Abs. 3 S. 2 SGB III ist auch nicht erst bei einem entsprechenden Anlass zu erteilen (vgl. SG Leipzig, Beschluss vom 09.09.2016, Az.: S 22 AS 2098/16 ER). Dem Leistungsberechtigten muss in dem Zeitpunkt, in welchem ihm die Meldeaufforderung zugeht klar sein, welches Verhalten von ihm verlangt wird und wie er seinen Pflichten nachkommen kann. Die Rechtsfolgenbelehrung war daher rechtsfehlerhaft. Soweit für die Monate Mai 2015 bis August 2015 Leistungen aufgehoben wurden gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 S. 1 SGB X ist die Entscheidung rechtswidrig, da keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten ist. Mit der Aufhebung der Minderungsbescheide und der hierzu ergangenen Änderungsbescheide in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide lebt die ursprüngliche Bewilligung wieder auf. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Die Berufung war nach § 144 SGG nicht zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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