Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 975/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 610/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1982 geborene Kläger absolvierte nach Erlangung der Mittleren Reife von September 2000 bis Juli 2002 eine Ausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten. Im Anschluss daran besuchte er von September 2002 bis Juli 2004 die Technische Oberschule S., die er mit der Allgemeinen Hochschulreife abschloss. Von August 2004 bis zum 10. Februar 2016 war der Kläger an der Universität T. immatrikuliert im Studiengang Diplomphysik. Das Studium schloss er mit erfolgreich bestandenem Diplom im Fach Physik im September 2016 ab. Während des Studiums war der Kläger zeitweise als Assistent für das Physikpraktikum von Studenten der Medizin und der Naturwissenschaften tätig. Hierbei legte er - neben Zeiten einer geringfügigen nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung - Pflichtbeitragszeiten zurück vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012, 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012, 1. März 2013 bis 30. September 2013, 6. Februar 2014 bis 31. August 2014 und 1. Oktober 2014 bis 30. September 2015 (Versicherungsverlauf vom 28. September 2017). Vom 1. Februar 2016 bis 31. Dezember 2016 und vom 1. Februar 2017 bis Januar 2018 bezog der Kläger Arbeitslosengeld II.
Im Jahr 2013 wurde beim Kläger erstmals eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Vom 16. September bis 22. November 2013, 22. August bis 12. September 2014, 30. April bis 5. Mai 2015 und 21. Juli bis 3. September 2015 war der Kläger in stationärer Behandlung in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Krankenhaus F. jeweils mit der Diagnose Paranoide Schizophrenie.
Am 19. Juli 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste die gutachterliche Untersuchung des Klägers. Im Gutachten vom 7. September 2017 stellte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. E. die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie. Im Vordergrund der Symptomatik stünden nicht die psychotischen Symptome, eine floride psychotische Symptomatik liege nicht vor. Der Kläger sei vielmehr eingeschränkt durch Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen sowie eine verminderte Belastbarkeit und ein deutlich vermindertes Durchhaltevermögen. Diese Symptomatik habe sich in den vergangenen Jahren in der Folge der vorliegenden psychischen Erkrankung im Sinne einer Negativsymptomatik entwickelt, die nur wenig beeinflussbar sei. Zum jetzigen Zeitpunkt sei er nicht in der Lage, in einer Tätigkeit als Physiker zu arbeiten. Das Durchhaltevermögen liege zum jetzigen Zeitpunkt bei unter drei Stunden täglich. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Es sollte eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme stattfinden, die es dem Kläger ermögliche, seine Leistungsfähigkeit einzuschätzen und so weit zu verbessern, dass eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich werde. Hinsichtlich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung führte Dr. E. aus, der Kläger sei in der Lage, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr pro Tag nachzugehen.
Mit Bescheid vom 28. September 2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die allgemeine Wartezeit sei nicht erfüllt. Das Versicherungskonto des Klägers enthalte bis zum 28. September 2017 statt der erforderlichen 60 Monate nur 38 mit Pflichtbeiträgen belegte Monate. Auch die Voraussetzungen einer vorzeitigen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit seien nicht gegeben.
Hiergegen legte der Kläger am 17. Oktober 2017 Widerspruch ein mit der Begründung, die Erwerbsminderung sei schon im Jahr 2013 eingetreten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 2. Januar 2018 vertrat Dr. E. die Auffassung, die Leistungsfähigkeit des Klägers liege unter drei Stunden täglich. Diese Einschätzung gelte seit Antragstellung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei seit dem Datum der Rentenantragstellung am 19. Juli 2017 voll erwerbsgemindert. Er habe bis dahin jedoch lediglich 32 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet. Eine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) liege nicht vor. Im originären Zwei-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung vom 19. Juli 2015 bis zum 18. Juli 2017 seien nur drei Monate Pflichtbeiträge vorhanden. In diesem Zeitraum lägen fünf Monate der schulischen Ausbildung, die nicht gleichzeitig Pflichtbeiträge seien. Im um fünf Monate verlängerten Zwei-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung vom 19. Februar 2015 bis zum 18. Juli 2017 seien nur acht Monate Pflichtbeiträge vorhanden.
Hiergegen hat der Kläger am 20. April 2018 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Gleichzeitig hat er Klage gegen den Bescheid vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2018 wegen verbindlicher Feststellung der rentenrechtlichen Zeiten erhoben. Das SG hat den behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalyse F. als sachverständigen Zeugen gehört. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 3. August 2018 hat der Arzt F. mitgeteilt, der Kläger stehe seit dem 11. Juni 2015 in seiner regelmäßigen fachärztlichen psychiatrischen Behandlung. Alle zwei Wochen fänden Kurzkontakte zur Gabe der Depotspritze mit Risperdalkonsta 25 mg statt, ca. alle sechs bis acht Wochen längere Gesprächstermine. Seit der Einstellung auf die Depotmedikation während des letzten stationären Aufenthalts sei es zu keiner erneuten psychotischen Dekompensation gekommen. An Positivsymptomatik zeigten sich vereinzelt noch bizarre Denkinhalte, es überwiege jedoch im gesamten Verlauf der letzten Jahre eine ausgeprägte Negativsymptomatik. Der Kläger leide unter einer ausgeprägten Antriebslosigkeit, Motivationslosigkeit, Affektverflachung, Anhedonie, sozialem Rückzug, Apathie sowie ausgeprägten kognitiven Defiziten (Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, reduzierte Aufmerksamkeit). Ein Teil der Symptomatik könnte durch das Medikament Risperidon bedingt sein im Sinne einer unerwünschten Arzneimittel-Wirkung. Allerdings lehne der Kläger einen Wechsel ab, da er unter allen Umständen eine erneute Dekompensation bzw. stationäre Behandlung vermeiden wolle, was aufgrund der Vorgeschichte durchaus nachvollziehbar sei. Im Rahmen der letzten Dekompensation sei es zu übergriffigem Verhalten gegenüber zwei Mitstudentinnen gekommen. Anfang 2016 habe der Kläger seine Diplomarbeit abschließen können, allerdings nur in deutlich reduzierter Form und mit schlechterem Ergebnis. Ursächlich seien vor allem die kognitiven Einschränkungen und der reduzierte Antrieb gewesen. Belastbarkeit und Ausdauer seien deutlich reduziert. Aufgrund der Diagnose und des bisherigen Verlaufs halte er den Kläger seit dem Krankenhausaufenthalt 2013 nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 10. Oktober 2018 hat die Ärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin Dr. H. ausgeführt, eine leistungsrelevante ausgeprägte residuale bzw. negative Symptomatik sei in den Entlassungsberichten nicht beschrieben. Es sei vielmehr berichtet worden, dass der Kläger mit seiner Diplomarbeit begonnen habe und sich in der Arbeitsgruppe an seiner Universität gut eingebunden fühle. Er fühle sich auch psychisch relativ stabil. Beruflich habe er seitens des Studiums Praktika als Assistent gegeben. Der Nebenjob sei sehr erfüllend für ihn gewesen. In Zusammenschau der medizinischen Unterlagen könne nach Aktenlage für die Zeit vor der Rentenantragstellung eine überdauernde und leistungsmindernde negative schizophrene Symptomatik nicht mit der erforderlichen Sicherheit belegt werden. Trotz einiger krankheitsbedingter Einschränkungen sei es dem Kläger doch noch gelungen, sein Studium und seine Diplomarbeit abzuschließen - was gegen eine schwere krankheitsbedingte Beeinträchtigung spreche. Eine leistungsrelevante ausgeprägte quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit könne somit mit ausreichender Sicherheit erst seit der Begutachtung im September 2017 belegt werden.
In der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2019 hat der Kläger die Klage gegen den Bescheid vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2018 (verbindliche Feststellung der rentenrechtlichen Zeiten) für erledigt erklärt.
Mit Urteil vom 29. Januar 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung hätten unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19. Juli 2017 nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters seien die Zeiten der schulischen Ausbildung im Versicherungsverlauf nicht als Beitragszeiten einzustufen. Es läge auch keine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit vor. Bis Februar 2016 sei der Kläger noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hierfür spreche, dass er im Zeitraum zwischen 2013 und Februar 2016 seine mündlichen Diplomprüfungen absolviert, seine Diplomarbeit erstellt und das Physikstudium damit erfolgreich abgeschlossen habe und nebenher im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Assistent im Physikpraktikum für die Universität T. tätig gewesen sei. Auch wenn der Kläger für die Diplomprüfungen, die Diplomarbeit und für die Assistententätigkeit auf Wissen, Erfahrungen und Unterlagen habe zurückgreifen können, die er im Verlauf seines Studiums vor seiner Erkrankung habe erwerben und zusammenstellen können, stehe zur Überzeugung des Gerichts dennoch fest, dass jedenfalls keine volle Erwerbsminderung vorgelegen habe. Maßstab sei insoweit die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach diesen allgemeinen Maßstäben sei einer Berufsausübung im Regelfall immanent, dass der Berufstätige auf bereits erlerntes Wissen und Berufserfahrung zurückgreifen könne. Auch wenn der Kläger die Inhalte der Diplomarbeit nicht habe neu erarbeiten und die Assistententätigkeit nicht habe vorbereiten müssen, setze die Vorbereitung auf die mündlichen Prüfungen, die Abfassung der Diplomarbeit und auch die Nebentätigkeit als Assistent im Physikpraktikum nach diesen allgemeinen Maßstäben eine Leistungsfähigkeit von mehr als drei Stunden täglich nach Überzeugung des Gerichts voraus. Hinzu komme, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Leistungsvermögens im Falle voller Erwerbsminderung auf nicht absehbare Zeit vorliegen müsse. Darunter sei nach § 101 Abs. 1 SGB VI mindestens ein Zeitraum von sechs Monaten zu verstehen. Die psychotischen Dekompensationen des Klägers in den Jahren 2013 bis 2015 hätten durch entsprechende Medikamente gut behandelt werden können; unter der Gabe von Depotspritzen habe der Kläger seit dem Jahr 2015 nicht mehr stationär behandelt werden müssen. Eine mindestens sechs Monate andauernde Leistungseinschränkung im Sinne einer vollen Erwerbsminderung sei daher auch aus dem Behandlungsverlauf nicht ableitbar.
Gegen das am 3. Februar 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Februar 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Januar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2017 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat mitgeteilt, dass letztmals bei einem Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung im Monat März 2017 die Wartezeit vorzeitig nach § 53 Abs. 2 SGB VI erfüllt sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I am Psychiatrischen Zentrum N., W ... Im Gutachten vom 4. November 2019 hat Prof. Dr. S. die Diagnose eines schizophrenen Residuums (ICD 10: F 20.5) in blander Ausprägung gestellt. Bei der schizophrenen Erkrankung des Klägers handle es sich um eine Erkrankung, die in Akutphasen mit produktiven psychotischen Symptomen einhergehe. Jeweils nach Abklingen der psychotischen Produktivsymptomatik sei beim Kläger eine Negativsymptomatik mit Reduktion von Antrieb, Interessen, kognitiver Leistungsfähigkeit und sozialer Interessen aufgetreten. Wie nicht selten im langjährigen Verlauf solcher Negativsymptome zu beobachten, sei auch beim Kläger bei konsequent fortgeführter Pharmakotherapie eine substantielle Besserung der Negativsymptomatik zu verzeichnen. Insbesondere seit Mitte Februar 2019 habe sich seine Stimmung verbessert, die drückende Verstimmung präge sein Leben nicht mehr. Die Erkrankung des Klägers bedürfe jedoch einstweilen weiterhin einer kontinuierlichen medikamentösen Behandlung. Zu beachten sei, dass der Kläger die substantielle symptomatische Besserung unter ausgeprägten Schonbedingungen entwickelt habe und bei der vorliegenden Grunderkrankung zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer deutlichen Minderung der Belastbarkeit weiter auszugehen sei. Die schizophrene Erkrankung führe zwar nicht zu Minderungen der körperlichen Belastbarkeit, wohl aber sei die kognitive und psychosoziale Ausdauerbelastbarkeit gemindert. Arbeiten mit auch nur durchschnittlichen Anforderungen an die psychosoziale Stressbelastbarkeit - etwa Arbeiten unter Zeitdruck, in enger Abstimmung mit Arbeitskollegen oder Nachtarbeit - kämen gegenwärtig für den Kläger nicht in Frage. Auch Tätigkeiten mit hoher Verantwortung für Personen oder Sachwerte sowie Tätigkeiten mit Kontrollfunktion oder der Notwendigkeit des Einschreitens im Indikationsfall seien gegenwärtig nicht zumutbar, da sie das Risiko der Verstärkung der Negativsymptomatik oder der Auslösung einer produktiv-psychotischen Symptomatik förderten. Über diese Einschränkungen hinaus müsse bei dem gegenwärtigen Leistungsvermögen des Klägers auch ein Pausieren in häufigerer Frequenz - mit Unterbrechung der Arbeit nach etwa einer Stunde für bis zu 15 Minuten Pause - vorgesehen werden. Unter Berücksichtigung der persistierenden formalgedanklichen Störungen und der konzentrativen Ausdauerleistungsdefizite sei ein Einsatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Wettbewerbsbedingungen gegenwärtig für maximal zwei bis unter drei Stunden möglich. Hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs hat Prof. Dr. S. ausgeführt, eine Vorläufersymptomatik sei bereits ab 2005 festzustellen. Die Produktivsymptomatik sei ab spätestens März 2012 und das Vollbild einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie dann erstmals Mitte 2013 aufgetreten. Ab 2015 liege eine persistierende Negativsymptomatik vor mit substantieller Besserung ab Mitte Februar 2019. Eine Minderung der erwerbsbezogenen Belastbarkeit sei schon für die Phase der Vorläufersymptomatik ab 2005 anzunehmen. Die aktuelle gravierende Leistungsminderung mit quantitativer Belastungsminderung auf unter drei Stunden für den allgemeinen Arbeitsmarkt sei retrospektiv spätestens ab der dokumentierten psychotischen Dekompensation Mitte 2013 anzunehmen. Die seitdem wiederholt aufflackernde Produktivsymptomatik habe ja nicht zuletzt auch zu gravierenden Störungen im Physiklabor mit ernsthafter Gefährdung des Physik-Diploms geführt. Nachvollziehbar sei für den Abschluss des Studiums die besondere Unterstützung von Lehrkräften hilfreich gewesen. Soweit Dr. H. die Auffassung vertreten habe, das Absolvieren des Studiums und die Bewältigung der Diplomarbeit spreche gegen eine schwere krankheitsbedingte Beeinträchtigung, werde diese Beurteilung aus seiner Sicht der sich auch im Studienverlauf abzeichnenden geminderten Leistungsfähigkeit nicht gerecht. Der Kläger habe sein Vordiplom im siebten Semester, sein Diplom etwa im 23. Fachsemester absolviert. Das Studium sei durch eine kognitive Prämordialsymptomatik bereits in den ersten Jahren beeinträchtigt gewesen, später durch fulminante Krankheitsausbrüche und stationäre Behandlungen unterbrochen. Nach der letzten Dekompensation im Jahr 2015 sei es dem Kläger nicht mehr möglich gewesen, seine Laborarbeit fortzuführen. Der Abschluss des Studiums sei offenkundig nur aufgrund der besonderen Rücksichtnahme von Lehrkräften gelungen. Aus seiner Sicht sei eine Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in relevantem Umfang spätestens ab der psychotischen Dekompensation 2013 nicht mehr möglich gewesen.
In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 7. Januar 2020 hat Dr. H. hierzu ausgeführt, gegen die von Prof. Dr. S. getroffene gutachterliche Einschätzung, eine quantitative Leistungsminderung sei Mitte 2013 anzunehmen, spreche nach wie vor die Tatsache, dass der Kläger sein anstrengendes Studium - wenn auch mit Einschränkungen bzw. Unterbrechungen - in diesem Zeitraum habe erfolgreich abschließen und nebenbei auch eine Nebentätigkeit als Assistent ausführen können. Maßgeblich sei die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die im Vergleich mit dem absolvierten, anspruchsvollen Studium deutlich weniger anstrengend sei. Die Beurteilung des aktuellen Leistungsvermögens mit einer Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von zwei bis drei Stunden täglich sei zwar nachvollziehbar. Die "eigentlich" leistungsmindernde Negativsymptomatik könne nach Aktenlage aber nicht bis Mitte 2013 - wie vom Gutachter angenommen - zurückverfolgt werden. Der Kläger sei erst seit Juni 2015 bei dem Psychiater F. in ambulanter Behandlung. Betrachte man die vorliegenden, späteren Entlassungsberichte aus dem Jahr 2015, sei darin weder ein schizophrenes Residuum diagnostiziert noch eine eindeutige negativ-residuale Symptomatik berichtet worden.
Der Senat hat weiter den Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum F. vom 6. November 2013 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 27. August 2013 bis zum 5. September 2013 beigezogen. Prof. Dr. W. hat darin ausgeführt, fremdanamnestisch lasse sich durch die Eltern eruieren, dass der Kläger seit etwas mehr als einer Woche sich zunehmend verändert habe. Er sei immer misstrauischer geworden, habe immer wieder Fragen gestellt, um seine Sicherheit bestätigt zu bekommen. So hätten sie ihn noch nie erlebt. Er sei bisher nie psychiatrisch behandlungsbedürftig oder auffällig gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der er die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung geltend macht.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) nicht erfüllt. Denn er hatte im Zeitpunkt des Eintritts der vollen Erwerbsminderung (dazu nachfolgend) im August 2013 weder 60 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt noch liegen in den fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeiträgen vor.
Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit auch nicht vorzeitig nach § 53 Abs. 2 SGB VI erfüllt. Danach ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren.
Der Kläger ist zwar seit August 2013 voll erwerbsgemindert. Beim Kläger besteht eine paranoide Schizophrenie mit aktuell postschizophrenem Residuum (ICD-10: F20.5) in blander Ausprägung. Die schizophrene Erkrankung hat sich in einer fulminanten psychotischen Dekompensation im August 2013 manifestiert. Nach mehreren produktiv-psychotischen Akutphasen und fünf stationär-psychiatrischen Behandlungen hat sich ab dem Jahr 2015 eine praktisch reine Negativsymptomatik ausgebildet mit im Vordergrund stehender Antriebsschwäche, Anhedonie, Interessenreduktion, Konzentrationsdefizit und deutlich beeinträchtigter Ausdauerleistungsfähigkeit. Aufgrund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist der Kläger seit August 2013 nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Der Senat stützt sich hierbei auf die Ausführungen von Prof. Dr. S. im Gutachten vom 4. November 2019. Prof. Dr. S. hat in für den Senat gut nachvollziehbarer Weise unter Auswertung sämtlicher vorliegender Unterlagen ausgeführt, das Vollbild einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie habe ab Mitte des Jahres 2013 vorgelegen. Der Senat folgt nicht der Beurteilung durch Dr. H. in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 7. Januar 2020, wonach der Abschluss des Studiums einer seit Mitte 2013 vorliegenden Negativsymptomatik entgegenstehe. Denn wie Prof. Dr. S. zutreffend ausgeführt hat, hat sich die Minderung der Leistungsfähigkeit bereits im Studienverlauf des Klägers abgezeichnet. So hat er sein Vordiplom im siebten, sein Diplom im 23. Fachsemester absolviert, was nahelegt, dass das Studium bereits in den ersten Jahren durch eine kognitive Prämordialsymptomatik beeinträchtigt gewesen ist. Dem Kläger war es auch durch krankheitsbedingte Komplikationen nicht mehr möglich, nach der letzten Dekompensation 2015 seine Laborarbeit fortzuführen. Der Abschluss des Studiums war dem Kläger deshalb nur unter extremer zeitlicher Verlängerung des Studiums möglich, weil seine tägliche Arbeitszeit begrenzt war. Prof. Dr. S. hat zwar ausgeführt, eine Produktivsymptomatik sei ab spätestens März 2012 aufgetreten. Hieraus kann jedoch ein früherer Eintritt der zeitlichen Leistungseinschränkung nicht abgeleitet werden. Dem steht insbesondere entgegen, dass im Entlassungsbericht des Klinikums F. vom 6. November 2013, der Prof. Dr. S. nicht vorgelegen hat, die Angaben der Eltern des Klägers dahingehend referiert werden, der Kläger habe sich seit etwas mehr als einer Woche verändert, sei immer misstrauischer geworden und habe immer wieder Fragen gestellt, um seine Sicherheit bestätigt zu bekommen. So hätten sie ihn noch nie erlebt. Er sei immer etwas umständlich und weitschweifig gewesen, allerdings bisher nicht psychiatrisch behandlungsbedürftig oder auffällig. Insbesondere eine bereits im Jahr 2012 aufgetretene halluzinatorische Produktivsymptomatik, wie sie der Kläger gegenüber Prof. Dr. S. geschildert hat, kann dem Entlassungsbericht weder den anamnestischen Angaben des Klägers noch seiner Eltern entnommen werden.
Bezüglich des ersten stationären Aufenthalts im Krankenhaus F. vom 27. August bis 5. September 2013 hat Dr. T., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrisches Zentrum am MVZ H., in der Epikrise vom 9. Dezember 2013 angegeben, der Kläger habe bei der Untersuchung am 21. November 2013 berichtet, er habe sich im Rahmen seiner Erkrankung das Auto seiner Eltern unerlaubt genommen und sich dann auf eine größere Reise begeben. Er sei zunächst nach M. gefahren, dann nach K. dann nach F ... Bei D. habe er schließlich einen Unfall gehabt. Er sei dann zu Fuß weitergelaufen und habe in F. einige Zeit im Park übernachtet. Nachdem er einen Zug Richtung Kopenhagen bestiegen habe, sei er von der Polizei festgenommen worden. Er sei dann in einer Klinik in F. eine Woche stationär behandelt worden. Dann sei er von seinen Eltern abgeholt und im Krankenhaus F. stationär behandelt worden. Auch dies spricht dafür, dass die Erkrankung des Klägers in einem das zeitliche Leistungsvermögen einschränkenden Ausmaß kurze Zeit vor der Behandlung im Krankenhaus F. und damit im Monat August 2013 eingetreten ist.
Der nach § 26 SGB X i.V.m. §§ 187, 188 BGB zu berechnende Zweijahreszeitraum reicht vorliegend vom 1. Juli 2011 bis Mitte August 2013. Innerhalb dieses Zeitraums ist die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012 (drei Monate), vom 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012 (drei Monate) und vom 1. März 2013 bis Mitte August 2013 (sechs Monate) und damit ein Zeitraum von zwölf Monaten mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Keine Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit stellen die Zeiten einer geringfügigen nichtversicherungspflichtigen Beschäftigung dar, welche der Kläger vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2012 und vom 1. Januar 2013 bis zum 28. Februar 2013 zurückgelegt hat.
Einer vorzeitigen Erfüllung der Wartezeit nach § 53 Abs. 2 SGB IV steht jedoch entgegen, dass der Kläger nicht nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden ist, sondern während einer Ausbildung. Die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit gem. § 53 Abs. 2 SGB VI setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die Erwerbsminderung nach Beendigung einer Ausbildung eintritt. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, der im Einklang mit Sinn und Zweck der Vorschrift stehe, die denjenigen Personenkreis begünstigen wolle, der (zugunsten der Solidargemeinschaft der Versicherten) sich einer Ausbildung unterziehe, und damit an die daraus typischerweise resultierende berufliche Qualifikation anknüpfe, die es ihm ermögliche, ein höheres Entgelt zu erzielen, so dass er höhere Beiträge an die Solidargemeinschaft leisten könne. Da dies typischerweise jedoch nur bei einer - erfolgreich - abgeschlossenen Ausbildung der Fall sei, knüpfe das Gesetz – insoweit ebenfalls typisierend - an die Beendigung der Ausbildung an (BSG, Urteil vom 21. Juni 2000 - B 4 RA 14/99 R - juris Rdnr. 15). Dem folgt der Senat.
Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, die Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, dass volle Erwerbsminderung vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eingetreten sein müsse, sei auch in dem Fall erfüllt, dass die volle Erwerbsminderung noch während der Ausbildung eingetreten sei. Mit dem Gesetzeswortlaut "vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung" habe der Gesetzgeber nur den Zeitpunkt festgelegt, in dem die volle Erwerbsminderung spätestens eingetreten sein müsse. Diese Auslegung entspreche auch den Gesetzesmaterialien (vgl. Heidemann in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, juris Rdnr. 58; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 1/08, § 53 Rdnr. 48). Dem ist jedoch nicht zu folgen. Insbesondere sprechen für diese Auslegung auch nicht die Gesetzesmaterialien. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (zu BT-Dr. VI/3767 S. 14) wird zu der damaligen Regelung in § 1252 RVO, ausgeführt, die Fiktion der Wartezeiterfüllung greife künftig auch dann Platz, wenn der Versicherte in so jungen Jahren oder so kurzer Zeit nach Beendigung seiner Ausbildung einen Versicherungsfall erlebe, dass es ihm normalerweise noch nicht möglich gewesen sei, die sog. kleine Wartezeit zu erfüllen. Auch danach wird ein Versicherungsfall "nach Beendigung der Ausbildung" vorausgesetzt.
Die volle Erwerbsminderung ist noch während des Studiums des Klägers im August 2013 eingetreten. Dahingestellt bleiben kann deshalb, ob eine Beendigung des Studiums durch die zeitweilige Exmatrikulation des Klägers zum 30. September 2013 erfolgt ist.
Zugunsten des Klägers kann auch nicht auf eine frühere Ausbildung zurückgegriffen werden. Der Begriff der Ausbildung i.S.v. § 53 Abs. 2 SGB VI umfasst auch eine Schul- oder Fachschulausbildung. Eine solche hat der Kläger vor seinem Studium in der Zeit von September 2002 bis Juli 2004 absolviert. Die volle Erwerbsminderung des Klägers ist aber, wie ausgeführt, nicht innerhalb von sechs Jahren nach dieser Ausbildung eingetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1982 geborene Kläger absolvierte nach Erlangung der Mittleren Reife von September 2000 bis Juli 2002 eine Ausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten. Im Anschluss daran besuchte er von September 2002 bis Juli 2004 die Technische Oberschule S., die er mit der Allgemeinen Hochschulreife abschloss. Von August 2004 bis zum 10. Februar 2016 war der Kläger an der Universität T. immatrikuliert im Studiengang Diplomphysik. Das Studium schloss er mit erfolgreich bestandenem Diplom im Fach Physik im September 2016 ab. Während des Studiums war der Kläger zeitweise als Assistent für das Physikpraktikum von Studenten der Medizin und der Naturwissenschaften tätig. Hierbei legte er - neben Zeiten einer geringfügigen nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung - Pflichtbeitragszeiten zurück vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012, 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012, 1. März 2013 bis 30. September 2013, 6. Februar 2014 bis 31. August 2014 und 1. Oktober 2014 bis 30. September 2015 (Versicherungsverlauf vom 28. September 2017). Vom 1. Februar 2016 bis 31. Dezember 2016 und vom 1. Februar 2017 bis Januar 2018 bezog der Kläger Arbeitslosengeld II.
Im Jahr 2013 wurde beim Kläger erstmals eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Vom 16. September bis 22. November 2013, 22. August bis 12. September 2014, 30. April bis 5. Mai 2015 und 21. Juli bis 3. September 2015 war der Kläger in stationärer Behandlung in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Krankenhaus F. jeweils mit der Diagnose Paranoide Schizophrenie.
Am 19. Juli 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste die gutachterliche Untersuchung des Klägers. Im Gutachten vom 7. September 2017 stellte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. E. die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie. Im Vordergrund der Symptomatik stünden nicht die psychotischen Symptome, eine floride psychotische Symptomatik liege nicht vor. Der Kläger sei vielmehr eingeschränkt durch Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen sowie eine verminderte Belastbarkeit und ein deutlich vermindertes Durchhaltevermögen. Diese Symptomatik habe sich in den vergangenen Jahren in der Folge der vorliegenden psychischen Erkrankung im Sinne einer Negativsymptomatik entwickelt, die nur wenig beeinflussbar sei. Zum jetzigen Zeitpunkt sei er nicht in der Lage, in einer Tätigkeit als Physiker zu arbeiten. Das Durchhaltevermögen liege zum jetzigen Zeitpunkt bei unter drei Stunden täglich. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Es sollte eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme stattfinden, die es dem Kläger ermögliche, seine Leistungsfähigkeit einzuschätzen und so weit zu verbessern, dass eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich werde. Hinsichtlich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung führte Dr. E. aus, der Kläger sei in der Lage, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr pro Tag nachzugehen.
Mit Bescheid vom 28. September 2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die allgemeine Wartezeit sei nicht erfüllt. Das Versicherungskonto des Klägers enthalte bis zum 28. September 2017 statt der erforderlichen 60 Monate nur 38 mit Pflichtbeiträgen belegte Monate. Auch die Voraussetzungen einer vorzeitigen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit seien nicht gegeben.
Hiergegen legte der Kläger am 17. Oktober 2017 Widerspruch ein mit der Begründung, die Erwerbsminderung sei schon im Jahr 2013 eingetreten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 2. Januar 2018 vertrat Dr. E. die Auffassung, die Leistungsfähigkeit des Klägers liege unter drei Stunden täglich. Diese Einschätzung gelte seit Antragstellung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei seit dem Datum der Rentenantragstellung am 19. Juli 2017 voll erwerbsgemindert. Er habe bis dahin jedoch lediglich 32 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet. Eine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) liege nicht vor. Im originären Zwei-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung vom 19. Juli 2015 bis zum 18. Juli 2017 seien nur drei Monate Pflichtbeiträge vorhanden. In diesem Zeitraum lägen fünf Monate der schulischen Ausbildung, die nicht gleichzeitig Pflichtbeiträge seien. Im um fünf Monate verlängerten Zwei-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung vom 19. Februar 2015 bis zum 18. Juli 2017 seien nur acht Monate Pflichtbeiträge vorhanden.
Hiergegen hat der Kläger am 20. April 2018 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Gleichzeitig hat er Klage gegen den Bescheid vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2018 wegen verbindlicher Feststellung der rentenrechtlichen Zeiten erhoben. Das SG hat den behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalyse F. als sachverständigen Zeugen gehört. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 3. August 2018 hat der Arzt F. mitgeteilt, der Kläger stehe seit dem 11. Juni 2015 in seiner regelmäßigen fachärztlichen psychiatrischen Behandlung. Alle zwei Wochen fänden Kurzkontakte zur Gabe der Depotspritze mit Risperdalkonsta 25 mg statt, ca. alle sechs bis acht Wochen längere Gesprächstermine. Seit der Einstellung auf die Depotmedikation während des letzten stationären Aufenthalts sei es zu keiner erneuten psychotischen Dekompensation gekommen. An Positivsymptomatik zeigten sich vereinzelt noch bizarre Denkinhalte, es überwiege jedoch im gesamten Verlauf der letzten Jahre eine ausgeprägte Negativsymptomatik. Der Kläger leide unter einer ausgeprägten Antriebslosigkeit, Motivationslosigkeit, Affektverflachung, Anhedonie, sozialem Rückzug, Apathie sowie ausgeprägten kognitiven Defiziten (Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, reduzierte Aufmerksamkeit). Ein Teil der Symptomatik könnte durch das Medikament Risperidon bedingt sein im Sinne einer unerwünschten Arzneimittel-Wirkung. Allerdings lehne der Kläger einen Wechsel ab, da er unter allen Umständen eine erneute Dekompensation bzw. stationäre Behandlung vermeiden wolle, was aufgrund der Vorgeschichte durchaus nachvollziehbar sei. Im Rahmen der letzten Dekompensation sei es zu übergriffigem Verhalten gegenüber zwei Mitstudentinnen gekommen. Anfang 2016 habe der Kläger seine Diplomarbeit abschließen können, allerdings nur in deutlich reduzierter Form und mit schlechterem Ergebnis. Ursächlich seien vor allem die kognitiven Einschränkungen und der reduzierte Antrieb gewesen. Belastbarkeit und Ausdauer seien deutlich reduziert. Aufgrund der Diagnose und des bisherigen Verlaufs halte er den Kläger seit dem Krankenhausaufenthalt 2013 nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 10. Oktober 2018 hat die Ärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin Dr. H. ausgeführt, eine leistungsrelevante ausgeprägte residuale bzw. negative Symptomatik sei in den Entlassungsberichten nicht beschrieben. Es sei vielmehr berichtet worden, dass der Kläger mit seiner Diplomarbeit begonnen habe und sich in der Arbeitsgruppe an seiner Universität gut eingebunden fühle. Er fühle sich auch psychisch relativ stabil. Beruflich habe er seitens des Studiums Praktika als Assistent gegeben. Der Nebenjob sei sehr erfüllend für ihn gewesen. In Zusammenschau der medizinischen Unterlagen könne nach Aktenlage für die Zeit vor der Rentenantragstellung eine überdauernde und leistungsmindernde negative schizophrene Symptomatik nicht mit der erforderlichen Sicherheit belegt werden. Trotz einiger krankheitsbedingter Einschränkungen sei es dem Kläger doch noch gelungen, sein Studium und seine Diplomarbeit abzuschließen - was gegen eine schwere krankheitsbedingte Beeinträchtigung spreche. Eine leistungsrelevante ausgeprägte quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit könne somit mit ausreichender Sicherheit erst seit der Begutachtung im September 2017 belegt werden.
In der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2019 hat der Kläger die Klage gegen den Bescheid vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2018 (verbindliche Feststellung der rentenrechtlichen Zeiten) für erledigt erklärt.
Mit Urteil vom 29. Januar 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung hätten unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19. Juli 2017 nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters seien die Zeiten der schulischen Ausbildung im Versicherungsverlauf nicht als Beitragszeiten einzustufen. Es läge auch keine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit vor. Bis Februar 2016 sei der Kläger noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hierfür spreche, dass er im Zeitraum zwischen 2013 und Februar 2016 seine mündlichen Diplomprüfungen absolviert, seine Diplomarbeit erstellt und das Physikstudium damit erfolgreich abgeschlossen habe und nebenher im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Assistent im Physikpraktikum für die Universität T. tätig gewesen sei. Auch wenn der Kläger für die Diplomprüfungen, die Diplomarbeit und für die Assistententätigkeit auf Wissen, Erfahrungen und Unterlagen habe zurückgreifen können, die er im Verlauf seines Studiums vor seiner Erkrankung habe erwerben und zusammenstellen können, stehe zur Überzeugung des Gerichts dennoch fest, dass jedenfalls keine volle Erwerbsminderung vorgelegen habe. Maßstab sei insoweit die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach diesen allgemeinen Maßstäben sei einer Berufsausübung im Regelfall immanent, dass der Berufstätige auf bereits erlerntes Wissen und Berufserfahrung zurückgreifen könne. Auch wenn der Kläger die Inhalte der Diplomarbeit nicht habe neu erarbeiten und die Assistententätigkeit nicht habe vorbereiten müssen, setze die Vorbereitung auf die mündlichen Prüfungen, die Abfassung der Diplomarbeit und auch die Nebentätigkeit als Assistent im Physikpraktikum nach diesen allgemeinen Maßstäben eine Leistungsfähigkeit von mehr als drei Stunden täglich nach Überzeugung des Gerichts voraus. Hinzu komme, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Leistungsvermögens im Falle voller Erwerbsminderung auf nicht absehbare Zeit vorliegen müsse. Darunter sei nach § 101 Abs. 1 SGB VI mindestens ein Zeitraum von sechs Monaten zu verstehen. Die psychotischen Dekompensationen des Klägers in den Jahren 2013 bis 2015 hätten durch entsprechende Medikamente gut behandelt werden können; unter der Gabe von Depotspritzen habe der Kläger seit dem Jahr 2015 nicht mehr stationär behandelt werden müssen. Eine mindestens sechs Monate andauernde Leistungseinschränkung im Sinne einer vollen Erwerbsminderung sei daher auch aus dem Behandlungsverlauf nicht ableitbar.
Gegen das am 3. Februar 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Februar 2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Januar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2017 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat mitgeteilt, dass letztmals bei einem Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsminderung im Monat März 2017 die Wartezeit vorzeitig nach § 53 Abs. 2 SGB VI erfüllt sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I am Psychiatrischen Zentrum N., W ... Im Gutachten vom 4. November 2019 hat Prof. Dr. S. die Diagnose eines schizophrenen Residuums (ICD 10: F 20.5) in blander Ausprägung gestellt. Bei der schizophrenen Erkrankung des Klägers handle es sich um eine Erkrankung, die in Akutphasen mit produktiven psychotischen Symptomen einhergehe. Jeweils nach Abklingen der psychotischen Produktivsymptomatik sei beim Kläger eine Negativsymptomatik mit Reduktion von Antrieb, Interessen, kognitiver Leistungsfähigkeit und sozialer Interessen aufgetreten. Wie nicht selten im langjährigen Verlauf solcher Negativsymptome zu beobachten, sei auch beim Kläger bei konsequent fortgeführter Pharmakotherapie eine substantielle Besserung der Negativsymptomatik zu verzeichnen. Insbesondere seit Mitte Februar 2019 habe sich seine Stimmung verbessert, die drückende Verstimmung präge sein Leben nicht mehr. Die Erkrankung des Klägers bedürfe jedoch einstweilen weiterhin einer kontinuierlichen medikamentösen Behandlung. Zu beachten sei, dass der Kläger die substantielle symptomatische Besserung unter ausgeprägten Schonbedingungen entwickelt habe und bei der vorliegenden Grunderkrankung zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer deutlichen Minderung der Belastbarkeit weiter auszugehen sei. Die schizophrene Erkrankung führe zwar nicht zu Minderungen der körperlichen Belastbarkeit, wohl aber sei die kognitive und psychosoziale Ausdauerbelastbarkeit gemindert. Arbeiten mit auch nur durchschnittlichen Anforderungen an die psychosoziale Stressbelastbarkeit - etwa Arbeiten unter Zeitdruck, in enger Abstimmung mit Arbeitskollegen oder Nachtarbeit - kämen gegenwärtig für den Kläger nicht in Frage. Auch Tätigkeiten mit hoher Verantwortung für Personen oder Sachwerte sowie Tätigkeiten mit Kontrollfunktion oder der Notwendigkeit des Einschreitens im Indikationsfall seien gegenwärtig nicht zumutbar, da sie das Risiko der Verstärkung der Negativsymptomatik oder der Auslösung einer produktiv-psychotischen Symptomatik förderten. Über diese Einschränkungen hinaus müsse bei dem gegenwärtigen Leistungsvermögen des Klägers auch ein Pausieren in häufigerer Frequenz - mit Unterbrechung der Arbeit nach etwa einer Stunde für bis zu 15 Minuten Pause - vorgesehen werden. Unter Berücksichtigung der persistierenden formalgedanklichen Störungen und der konzentrativen Ausdauerleistungsdefizite sei ein Einsatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Wettbewerbsbedingungen gegenwärtig für maximal zwei bis unter drei Stunden möglich. Hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs hat Prof. Dr. S. ausgeführt, eine Vorläufersymptomatik sei bereits ab 2005 festzustellen. Die Produktivsymptomatik sei ab spätestens März 2012 und das Vollbild einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie dann erstmals Mitte 2013 aufgetreten. Ab 2015 liege eine persistierende Negativsymptomatik vor mit substantieller Besserung ab Mitte Februar 2019. Eine Minderung der erwerbsbezogenen Belastbarkeit sei schon für die Phase der Vorläufersymptomatik ab 2005 anzunehmen. Die aktuelle gravierende Leistungsminderung mit quantitativer Belastungsminderung auf unter drei Stunden für den allgemeinen Arbeitsmarkt sei retrospektiv spätestens ab der dokumentierten psychotischen Dekompensation Mitte 2013 anzunehmen. Die seitdem wiederholt aufflackernde Produktivsymptomatik habe ja nicht zuletzt auch zu gravierenden Störungen im Physiklabor mit ernsthafter Gefährdung des Physik-Diploms geführt. Nachvollziehbar sei für den Abschluss des Studiums die besondere Unterstützung von Lehrkräften hilfreich gewesen. Soweit Dr. H. die Auffassung vertreten habe, das Absolvieren des Studiums und die Bewältigung der Diplomarbeit spreche gegen eine schwere krankheitsbedingte Beeinträchtigung, werde diese Beurteilung aus seiner Sicht der sich auch im Studienverlauf abzeichnenden geminderten Leistungsfähigkeit nicht gerecht. Der Kläger habe sein Vordiplom im siebten Semester, sein Diplom etwa im 23. Fachsemester absolviert. Das Studium sei durch eine kognitive Prämordialsymptomatik bereits in den ersten Jahren beeinträchtigt gewesen, später durch fulminante Krankheitsausbrüche und stationäre Behandlungen unterbrochen. Nach der letzten Dekompensation im Jahr 2015 sei es dem Kläger nicht mehr möglich gewesen, seine Laborarbeit fortzuführen. Der Abschluss des Studiums sei offenkundig nur aufgrund der besonderen Rücksichtnahme von Lehrkräften gelungen. Aus seiner Sicht sei eine Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in relevantem Umfang spätestens ab der psychotischen Dekompensation 2013 nicht mehr möglich gewesen.
In der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 7. Januar 2020 hat Dr. H. hierzu ausgeführt, gegen die von Prof. Dr. S. getroffene gutachterliche Einschätzung, eine quantitative Leistungsminderung sei Mitte 2013 anzunehmen, spreche nach wie vor die Tatsache, dass der Kläger sein anstrengendes Studium - wenn auch mit Einschränkungen bzw. Unterbrechungen - in diesem Zeitraum habe erfolgreich abschließen und nebenbei auch eine Nebentätigkeit als Assistent ausführen können. Maßgeblich sei die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die im Vergleich mit dem absolvierten, anspruchsvollen Studium deutlich weniger anstrengend sei. Die Beurteilung des aktuellen Leistungsvermögens mit einer Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von zwei bis drei Stunden täglich sei zwar nachvollziehbar. Die "eigentlich" leistungsmindernde Negativsymptomatik könne nach Aktenlage aber nicht bis Mitte 2013 - wie vom Gutachter angenommen - zurückverfolgt werden. Der Kläger sei erst seit Juni 2015 bei dem Psychiater F. in ambulanter Behandlung. Betrachte man die vorliegenden, späteren Entlassungsberichte aus dem Jahr 2015, sei darin weder ein schizophrenes Residuum diagnostiziert noch eine eindeutige negativ-residuale Symptomatik berichtet worden.
Der Senat hat weiter den Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum F. vom 6. November 2013 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 27. August 2013 bis zum 5. September 2013 beigezogen. Prof. Dr. W. hat darin ausgeführt, fremdanamnestisch lasse sich durch die Eltern eruieren, dass der Kläger seit etwas mehr als einer Woche sich zunehmend verändert habe. Er sei immer misstrauischer geworden, habe immer wieder Fragen gestellt, um seine Sicherheit bestätigt zu bekommen. So hätten sie ihn noch nie erlebt. Er sei bisher nie psychiatrisch behandlungsbedürftig oder auffällig gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der er die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung geltend macht.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) nicht erfüllt. Denn er hatte im Zeitpunkt des Eintritts der vollen Erwerbsminderung (dazu nachfolgend) im August 2013 weder 60 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt noch liegen in den fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre mit Pflichtbeiträgen vor.
Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit auch nicht vorzeitig nach § 53 Abs. 2 SGB VI erfüllt. Danach ist die allgemeine Wartezeit auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren.
Der Kläger ist zwar seit August 2013 voll erwerbsgemindert. Beim Kläger besteht eine paranoide Schizophrenie mit aktuell postschizophrenem Residuum (ICD-10: F20.5) in blander Ausprägung. Die schizophrene Erkrankung hat sich in einer fulminanten psychotischen Dekompensation im August 2013 manifestiert. Nach mehreren produktiv-psychotischen Akutphasen und fünf stationär-psychiatrischen Behandlungen hat sich ab dem Jahr 2015 eine praktisch reine Negativsymptomatik ausgebildet mit im Vordergrund stehender Antriebsschwäche, Anhedonie, Interessenreduktion, Konzentrationsdefizit und deutlich beeinträchtigter Ausdauerleistungsfähigkeit. Aufgrund dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist der Kläger seit August 2013 nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Der Senat stützt sich hierbei auf die Ausführungen von Prof. Dr. S. im Gutachten vom 4. November 2019. Prof. Dr. S. hat in für den Senat gut nachvollziehbarer Weise unter Auswertung sämtlicher vorliegender Unterlagen ausgeführt, das Vollbild einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie habe ab Mitte des Jahres 2013 vorgelegen. Der Senat folgt nicht der Beurteilung durch Dr. H. in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 7. Januar 2020, wonach der Abschluss des Studiums einer seit Mitte 2013 vorliegenden Negativsymptomatik entgegenstehe. Denn wie Prof. Dr. S. zutreffend ausgeführt hat, hat sich die Minderung der Leistungsfähigkeit bereits im Studienverlauf des Klägers abgezeichnet. So hat er sein Vordiplom im siebten, sein Diplom im 23. Fachsemester absolviert, was nahelegt, dass das Studium bereits in den ersten Jahren durch eine kognitive Prämordialsymptomatik beeinträchtigt gewesen ist. Dem Kläger war es auch durch krankheitsbedingte Komplikationen nicht mehr möglich, nach der letzten Dekompensation 2015 seine Laborarbeit fortzuführen. Der Abschluss des Studiums war dem Kläger deshalb nur unter extremer zeitlicher Verlängerung des Studiums möglich, weil seine tägliche Arbeitszeit begrenzt war. Prof. Dr. S. hat zwar ausgeführt, eine Produktivsymptomatik sei ab spätestens März 2012 aufgetreten. Hieraus kann jedoch ein früherer Eintritt der zeitlichen Leistungseinschränkung nicht abgeleitet werden. Dem steht insbesondere entgegen, dass im Entlassungsbericht des Klinikums F. vom 6. November 2013, der Prof. Dr. S. nicht vorgelegen hat, die Angaben der Eltern des Klägers dahingehend referiert werden, der Kläger habe sich seit etwas mehr als einer Woche verändert, sei immer misstrauischer geworden und habe immer wieder Fragen gestellt, um seine Sicherheit bestätigt zu bekommen. So hätten sie ihn noch nie erlebt. Er sei immer etwas umständlich und weitschweifig gewesen, allerdings bisher nicht psychiatrisch behandlungsbedürftig oder auffällig. Insbesondere eine bereits im Jahr 2012 aufgetretene halluzinatorische Produktivsymptomatik, wie sie der Kläger gegenüber Prof. Dr. S. geschildert hat, kann dem Entlassungsbericht weder den anamnestischen Angaben des Klägers noch seiner Eltern entnommen werden.
Bezüglich des ersten stationären Aufenthalts im Krankenhaus F. vom 27. August bis 5. September 2013 hat Dr. T., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrisches Zentrum am MVZ H., in der Epikrise vom 9. Dezember 2013 angegeben, der Kläger habe bei der Untersuchung am 21. November 2013 berichtet, er habe sich im Rahmen seiner Erkrankung das Auto seiner Eltern unerlaubt genommen und sich dann auf eine größere Reise begeben. Er sei zunächst nach M. gefahren, dann nach K. dann nach F ... Bei D. habe er schließlich einen Unfall gehabt. Er sei dann zu Fuß weitergelaufen und habe in F. einige Zeit im Park übernachtet. Nachdem er einen Zug Richtung Kopenhagen bestiegen habe, sei er von der Polizei festgenommen worden. Er sei dann in einer Klinik in F. eine Woche stationär behandelt worden. Dann sei er von seinen Eltern abgeholt und im Krankenhaus F. stationär behandelt worden. Auch dies spricht dafür, dass die Erkrankung des Klägers in einem das zeitliche Leistungsvermögen einschränkenden Ausmaß kurze Zeit vor der Behandlung im Krankenhaus F. und damit im Monat August 2013 eingetreten ist.
Der nach § 26 SGB X i.V.m. §§ 187, 188 BGB zu berechnende Zweijahreszeitraum reicht vorliegend vom 1. Juli 2011 bis Mitte August 2013. Innerhalb dieses Zeitraums ist die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012 (drei Monate), vom 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012 (drei Monate) und vom 1. März 2013 bis Mitte August 2013 (sechs Monate) und damit ein Zeitraum von zwölf Monaten mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Keine Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit stellen die Zeiten einer geringfügigen nichtversicherungspflichtigen Beschäftigung dar, welche der Kläger vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2012 und vom 1. Januar 2013 bis zum 28. Februar 2013 zurückgelegt hat.
Einer vorzeitigen Erfüllung der Wartezeit nach § 53 Abs. 2 SGB IV steht jedoch entgegen, dass der Kläger nicht nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden ist, sondern während einer Ausbildung. Die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit gem. § 53 Abs. 2 SGB VI setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die Erwerbsminderung nach Beendigung einer Ausbildung eintritt. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, der im Einklang mit Sinn und Zweck der Vorschrift stehe, die denjenigen Personenkreis begünstigen wolle, der (zugunsten der Solidargemeinschaft der Versicherten) sich einer Ausbildung unterziehe, und damit an die daraus typischerweise resultierende berufliche Qualifikation anknüpfe, die es ihm ermögliche, ein höheres Entgelt zu erzielen, so dass er höhere Beiträge an die Solidargemeinschaft leisten könne. Da dies typischerweise jedoch nur bei einer - erfolgreich - abgeschlossenen Ausbildung der Fall sei, knüpfe das Gesetz – insoweit ebenfalls typisierend - an die Beendigung der Ausbildung an (BSG, Urteil vom 21. Juni 2000 - B 4 RA 14/99 R - juris Rdnr. 15). Dem folgt der Senat.
Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, die Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, dass volle Erwerbsminderung vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eingetreten sein müsse, sei auch in dem Fall erfüllt, dass die volle Erwerbsminderung noch während der Ausbildung eingetreten sei. Mit dem Gesetzeswortlaut "vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung" habe der Gesetzgeber nur den Zeitpunkt festgelegt, in dem die volle Erwerbsminderung spätestens eingetreten sein müsse. Diese Auslegung entspreche auch den Gesetzesmaterialien (vgl. Heidemann in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, juris Rdnr. 58; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 1/08, § 53 Rdnr. 48). Dem ist jedoch nicht zu folgen. Insbesondere sprechen für diese Auslegung auch nicht die Gesetzesmaterialien. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (zu BT-Dr. VI/3767 S. 14) wird zu der damaligen Regelung in § 1252 RVO, ausgeführt, die Fiktion der Wartezeiterfüllung greife künftig auch dann Platz, wenn der Versicherte in so jungen Jahren oder so kurzer Zeit nach Beendigung seiner Ausbildung einen Versicherungsfall erlebe, dass es ihm normalerweise noch nicht möglich gewesen sei, die sog. kleine Wartezeit zu erfüllen. Auch danach wird ein Versicherungsfall "nach Beendigung der Ausbildung" vorausgesetzt.
Die volle Erwerbsminderung ist noch während des Studiums des Klägers im August 2013 eingetreten. Dahingestellt bleiben kann deshalb, ob eine Beendigung des Studiums durch die zeitweilige Exmatrikulation des Klägers zum 30. September 2013 erfolgt ist.
Zugunsten des Klägers kann auch nicht auf eine frühere Ausbildung zurückgegriffen werden. Der Begriff der Ausbildung i.S.v. § 53 Abs. 2 SGB VI umfasst auch eine Schul- oder Fachschulausbildung. Eine solche hat der Kläger vor seinem Studium in der Zeit von September 2002 bis Juli 2004 absolviert. Die volle Erwerbsminderung des Klägers ist aber, wie ausgeführt, nicht innerhalb von sechs Jahren nach dieser Ausbildung eingetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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