L 7 SO 3426/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 1428/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3426/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. September 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Rechnung des O. Klinikums vom 15. Januar 2018 sowie die hierauf bezogene zweite Mahnung vom 8. März 2018.

Der 1975 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 13. September 2011 bis zum 28. Januar 2020 mit Unterbrechungen in verschiedenen Justizvollzugsanstalten (JVA) in Haft. Zuletzt war er in der JVA Frankfurt/Main inhaftiert, aus der er am 28. Januar 2020 ohne festen Wohnsitz ausgetreten ist.

Mit Rechnung vom 15. Januar 2018 forderte das O. Klinikum, dessen Träger der Beklagte ist, wegen des Kopierens von Behandlungsunterlagen sowie der Überlassung einer Röntgen-CD einen Betrag von 10,95 Euro von dem Kläger. Unter dem 8. März 2018 mahnte das O. Klinikum bei dem Kläger den ausstehenden Betrag in Höhe von 10,95 Euro an und erhob zugleich eine Mahngebühr in Höhe von 10 Euro.

Am 16. März 2018 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, er sei Strafgefangener, weshalb es offenkundig ausgeschlossen sei, dass der Beklagte aus den Konsilien der JVA O. Ansprüche an ihn stellen könne. Der Beklagte hat ausgeführt, der Kläger solle sich entweder zivilrechtlich gegen die Mahngebühr wenden oder sich mit seiner Krankenversicherung auseinandersetzen. Ein Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Kosten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bestehe jedenfalls nicht. Mit Schreiben vom 25. April 2018 hat der Kläger hierzu angegeben, in diversen offenen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) behaupte das O. Klinikum, passiv legitimiert sei nur der Beklagte als Träger. Er gehe davon aus, dass die Überweisungen der JVA einen Vertrag iSv. §§ 630a ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auslösten, für deren Kosten alleine die JVA hafte. Im Wege der Klageerweiterung fordere er, analog § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) festzustellen, dass die Versagensbescheide des Beklagten zum SGB XII unbeachtlich seien und den Beklagten zu verurteilen, die offenen Gebühren im Rahmen des SGB XII auszugleichen. Auf Anfrage des SG hat das O. Klinikum mit Schreiben vom 11. Mai 2018 mitgeteilt, die Forderung sei erfolglos gemahnt und schließlich wegen Geringfügigkeit ausgebucht worden. Sie werde seitens des Klinikums nicht weiterverfolgt. Der Kläger teilte daraufhin mit, die streitbefangenen Kopien der Krankenakten lägen nicht vor, so dass er diese im Wege der Klageänderung fordere. Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 hat der Beklagte mitgeteilt, dass er eine Klageänderung nicht für sachdienlich halte und dieser nicht zustimme.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Nachdem das O. Klinikum mitgeteilt habe, dass es die Forderung nicht weiterverfolge, sei nicht erkennbar, warum der Kläger noch eines gerichtlichen Rechtsschutzes bedürfe. Er sei nicht beschwert. Hinsichtlich der weiteren Klageanträge sei die Klage ebenfalls unzulässig. Diese habe der Kläger im Wege der Klageänderung geltend gemacht. Es fehle jedoch an einer Einwilligung des Beklagten. Das Gericht halte zudem sämtliche Klageerweiterungen nicht für sachdienlich, da sie vom ursprünglichen Streitgegenstand wegführten und nicht erkennen ließen, dass durch eine gerichtliche Entscheidung eine abschließende, alle Seiten befriedigende Lösung erreicht werden könne.

Am 14. September 2018 hat der Kläger hiergegen Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Das Verfahren sei wegen unheilbarer Verstöße gegen Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) an das SG zurückzuverweisen. Es fehle eine Rubrumsberichtigung und Trennung. Es liege keine Klageänderung vor, die im Übrigen sichtbar zulässig wäre. Da der Beklagte die begehrten Kopien, die die JVA bezahlt habe, nicht herausgebe, sei eine angebliche Niederschlagung der Rechnung unerheblich. Er beantrage eine mündliche Verhandlung und die Verweisung an das Landgericht (LG) Offenburg.

Der Kläger beantragt – teilweise sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. September 2018 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht Freiburg zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen,

hilfsweise den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Freiburg vom 7. September 2018 aufzuheben und

festzustellen, dass dem Beklagten als Träger des O. Klinikums keine Forderung in Höhe von 20,95 Euro zusteht,

festzustellen, dass die Versagensbescheide des Beklagten zum SGB XII unbeachtlich sind,

den Beklagten zu verurteilen, die offene Forderung aus der Rechnung des O. Klinikums vom 15. Januar 2018 sowie der hierauf bezogenen zweiten Mahnung vom 8. März 2018 im Rahmen des SGB XII auszugleichen,

den Beklagten zu verurteilen, ihm die streitbefangenen Kopien zu übermitteln.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 7. September 2018 hat keinen Erfolg.

1. Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers im anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da der Kläger in der ihm am 23. März 2020 durch Übergabe an einen zum Empfang ermächtigten Vertreter zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft, da sie nicht der Zulassung bedarf (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG).

Gegenstand des Verfahrens sind die oben sachgerecht formulierten Anträge des Klägers. Der Senat hat dabei die vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Anträge zu Grunde gelegt.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

a.) Eine Zurückverweisung an das SG gemäß § 159 Abs. 1 SGG kommt nicht in Betracht. Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, oder 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Die Zurückverweisung ist dabei als Ausnahme zu sehen, bei Entscheidungsreife ist hiervon Abstand zu nehmen (Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 159 Rdnr. 15). Zudem ist das Berufungsgericht selbst in den Fällen des § 159 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt, die Sache an das SG zurückzuverweisen (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 10). Dabei ist im Zweifel die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002 - B 6 KA 1/02 R - juris Rdnr. 18). Der Senat sieht schon aus diesem Grund von einer Zurückverweisung ab. Soweit der Kläger einen Verfahrensfehler in der fehlenden Trennung und Verweisung sehen will, greift zudem die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), wonach das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Aus diesem Grund kommt auch keine Verweisung an das Landgericht (LG) Offenburg, wie vom Kläger mit Berufungseinlegung begehrt, in Betracht.

b.) Soweit der Kläger von dem Beklagten als Träger des O. Klinikums die "Aufhebung" der Rechnung vom 15. Januar 2018 sowie die hierauf bezogene zweite Mahnung vom 8. März 2018 begehrt, ist die Klage als Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art ein (BSG, Urteil vom 2. August 2001 – B 7 AL 18/00 R – juris Rdnr. 11). An einem solchen fehlt es hier jedoch. Das O. Klinikum hat mit Schreiben vom 11. Mai 2018 mitgeteilt, dass die Forderung wegen Geringfügigkeit ausgebucht worden sei und nicht weiterverfolgt werde. Zwar handelt es sich dabei lediglich um eine einseitige Erklärung, an die das O. Klinikum allenfalls im Wege der Selbstbindung, nicht jedoch auf vertragliche Weise gebunden ist. Aus dieser Äußerung lässt sich nach Auffassung des Senats jedoch entnehmen, dass das Klinikum auf die weitere Durchsetzung des Anspruchs verzichtet. Ein Feststellungsinteresse besteht daher nicht.

c.) Soweit der Kläger von dem Beklagten die Übernahme der Rechnung des O. Klinikums aus den Mitteln der Sozialhilfe begehrt, hat er dieses Begehren erstmals mit Schreiben vom 25. April 2018 geltend gemacht. Die darin liegende Klageänderung ist nicht zulässig. Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Eine Zustimmung des Beklagten liegt nicht vor. Zwar hat dieser mit Schreiben vom 18. April 2018 in der irrigen Annahme, der Kläger verfolge bereits mit der Klageerhebung eine Übernahme der Kosten nach dem SGB XII, eine solche Kostenübernahme abgelehnt. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 25. April 2018 klargestellt hat, dass sich seine Klage zunächst nur gegen den Landkreis O. als Träger des O. Klinikums gerichtet und selbst ausdrücklich eine Übernahme nach dem SGB XII im Wege der Klageerweiterung gefordert hat, hat der Beklagte mit Schreiben vom 24. Juli 2018 dieser nicht zugestimmt. Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich. An einer Sachdienlichkeit fehlt es, wenn die geänderte Klage als unzulässig abgewiesen werden müsste (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - juris Rdnr. 19). Denn auch für eine geänderte Klage müssen sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sein (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 - juris Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 18. März 2015 - B 2 U 8/13 R - juris Rdnr. 14). Im Hinblick auf die Übernahme der Rechnung des O. Klinikums aus den Mitteln der Sozialhilfe ist die Klage jedoch unzulässig, weil der Beklagte hierüber keine Entscheidung getroffen hat, so dass es an der für eine Leistungsklage notwendigen vorherigen Behördenentscheidung mangelt.

d.) Auch soweit der Kläger die Übermittlung der streitbefangenen Kopien und die Feststellung begehrt, dass sämtliche Versagensbescheide des Beklagten zum SGB XII unbeachtlich seien, ist die darin liegende Klageänderung nicht zulässig. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 24. Juli 2018 ausdrücklich mitgeteilt, dass einer Klageänderung nicht zugestimmt werde. Eine Klageänderung ist zudem aus den vom SG dargestellten Gründen auch nicht sachdienlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved