L 7 R 361/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2169/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 361/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Dezember 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1957 geborene Kläger absolvierte keine Berufsausbildung und erlangte keine spezifische berufliche Qualifikation. Zuletzt war der Kläger im Wachdienst und als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung übte er im Dezember 2007 aus. Anschließend bezog er Arbeitslosengeld II.

Die Versorgungsverwaltung stellte bei dem Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 50, ab Januar 2016 von 60 fest.

Einen ersten Rentenantrag vom 14. Februar 2011 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 4. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 ab, weil der Kläger nicht die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente erfülle. Dabei stützte sich die Beklagte auf das Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. S., der in seinem Gutachten vom 30. März 2011 - unter Berücksichtigung der Diagnosen Fehlhaltung der Wirbelsäule, Verschleißerkrankung, Bandscheibenvorfall 1991 mit Restbeschwerden, muskuläre Dysbalance, Meniskusschädigung am rechten Kniegelenk, Senk /Spreizfußbildung beidseits, Adipositas, arterielle Hypertonie, chronische Raucherbronchitis, Tabakabhängigkeit - zu der Einschätzung gelangt war, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten könne. Der Unfallchirurg und Sozialmediziner Dr. G. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 19. Juli 2011 degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung, medio-linkslateraler Bandscheibenvorfall L5/S1, medio-rechtslaterale Rezidiv-Protrusion L4/5, keine belangvolle Wurzelreizsymptomatik, degenerative Kniebinnenschäden rechts stärker als links mit Funktionseinschränkung rechts sowie Funktionseinschränkung in beiden Schultergelenken bei degenerativen Veränderungen und sah den Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. beschrieb in seinem Gutachten vom 19. Juli 2011 eher leichtgradige somatoforme Schmerzen mit im Kern somatisch erklärbaren Beschwerden, Übergewicht sowie anamnestisch eine geringgradige Alkoholerkrankung mit konstanter Trinkmenge ohne Hinweis auf floride Abhängigkeit von Suchtmitteln. Er sah den Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten. In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) (S 2 R 4278/11) erstattete der Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie, Chirurgie, Sozialmedizin, Notfallmedizin Dr. B. unter dem 30. März 2012 (Bl. 63/83 der SG-Akten S 2 R 4278/11) ein orthopädisches Gutachten mit folgenden Diagnosen: - Degeneratives Halswirbelsäulensyndrom mit Funktionseinschränkung, Cervicobrachialgie, - Degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom bei Fehlhaltung, Funktionseinschränkung ohne radikuläre Symptomatik, - Kniebinnenschädigung rechts mehr als links, Gonalgie, keine signifikante Funktionseinschränkung, - Beginnende Coxarthrose beidseits, Coxalgie rechts ohne signifikante Funktionseinschränkung, - Epicondylopathie beider Ellenbogen, Einschränkung der Unterarmumwendbewegung beidseits ohne Beeinträchtigung der Streck- bzw. Beugefähigkeit der Ellenbogen, - Senk-/Spreizfußbildung beidseits. Schwere und mittelschwere Tätigkeiten, Klettern, Steigen und kniende Tätigkeiten, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 15 Kilogramm, Zwangshaltungen, Bücken, fixiertes Sitzen, häufige Stoß- und Erschütterungsbelastungen seien dem Kläger nicht zuzumuten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG den Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie und physikalische Medizin Dr. F. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens. Dr. F. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 1. September 2012 (Bl. 106/115 der SG-Akten S 2 R 4278/11) Lendenwirbelsäulendegeneration, Spinalkanalstenose L3/L4, Foraminastenose L3/L4, linkskonvexe Lumbalskoliose, Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Irritation S1 links, Bandscheibenprotrusion L4/L5 mit Irritation L5 rechts, Brustwirbelsäulendegeneration, Halswirbelsäulendegeneration, Kniearthrose Grad II rechts, Kniescheibenarthrose rechts, Druckschädigung nervus ulnaris links, Ellenbogenarthrose links, Knick-Senk-Spreizfuß beidseits, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Hüftarthrose beidseits, Innenmeniskusschaden rechtes Kniegelenk, Fibromyalgie, Adipositas, Hypertonie, Einklemmung der Supraspinatussehne unter dem Schulterdach (Impingement) beidseits, Beinverkürzung links 0,5 Zentimeter, Meralgia parästhetica rechts (Einklemmung eines Nervens in der Leiste), Kurzsichtigkeit, Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte), Zustand nach Alkoholkrankheit, schmerzbedingte Schlaflosigkeit, Zustand nach Bandscheibenvorfall, Colondivertikulose, Zustand nach Polypenentfernung im Sigma, Plantarfasziitis rechte Ferse, somatoforme Schmerzstörung und Fingerpolyarthrose. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig zu arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch für leichte körperliche Tätigkeiten weniger als drei Stunden je Tag eingesetzt werden. Die Gehstrecke sei durch Beschwerden in Knien und Hüften auf 300 Meter limitiert. Dieses Klageverfahren beendeten die Beteiligten durch gerichtlichen Vergleich vom 19. April 2013 dahingehend, dass dem Kläger eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation bewilligt wurde.

In der Zeit vom 24. September 2013 bis zum 15. Oktober 2013 absolvierte der Kläger eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik am Kurpark B., aus der er arbeitsfähig und mit einem Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten, überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen unter Vermeidung von Tätigkeiten in gebückter Körperhaltung und knienden Tätigkeiten sechs Stunden und mehr entlassen wurde (Entlassbericht des Prof. Dr. R.-B. vom 17. Oktober 2013; Diagnosen: degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Funktionseinschränkungen bei Fehlhaltung, degenerative Kniebinnenschäden mehr rechts als links mit Funktionseinschränkung rechts, somatoforme Schmerzstörung, Adipositas, Alkoholabusus).

Am 28. Januar 2014 beantragte der Kläger erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag durch Bescheid vom 27. Februar 2014 ab und wies den Widerspruch des Klägers (Schreiben vom 18. März 2014) durch Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2014 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 24. Juni 2014 Klage zum SG erhoben (S 8 R 2169/14). Der Kläger sei seit Januar 2010 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Zudem sei bei ihm seit November 2010 ein GdB von 50 anerkannt. Er - der Kläger - könne keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Er könne seinen bisherigen Beruf als Dachdecker und zuletzt als Produktionshelfer nicht mehr ausüben. Auch eine Alternativtätigkeit im Wach- und Sicherheitsdienst sei auszuschließen. Darüber hinaus seien auch keine sonstigen Tätigkeiten ersichtlich, die er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im quantitativen Umfange von sechs Stunden verrichten könne. Er - der Kläger - leide unter starken Beschwerden im Rückenbereich, Funktionsbehinderung der Arme/Schultern, der Knie und Hüften, einer Lungenerkrankung sowie einer Fibromyalgie. Bei ihm liege auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung sowie eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Stellungnahmen des Hautarztes Dr. F. vom 14. Oktober 2014 (Bl. 41/42 der SG-Akten), des Facharztes für Innere Medizin Z. vom 26. Oktober 2014 (Bl. 43/66 der SG-Akten), des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 30. Oktober 2014 (Bl. 68/73 der SG-Akten) sowie des Internisten Dr. H. vom 12. Mai 2016 (Bl. 158/159 der SG-Akten) Bezug genommen. Dazu hat die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin Dr. B.-K. vom 22. Dezember 2014 (Bl. 75 der SG-Akten) vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens. Der Facharzt für Orthopädie Dr. W. hat im Gutachten vom 17. April 2015 (Bl. 96/118 der SG-Akten) folgende Gesundheitsstörungen beschrieben: - Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei vorauseilenden degenerativen Veränderungen, ohne überdauernde Nervenwurzelreizsymptomatik, - Kniegelenksarthrosen rechts ausgeprägter als links. Der Kläger könne ohne Gefährdung seiner Gesundheit eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Unzumutbar seien dem Kläger Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 Kilogramm, Arbeiten in gebückter Haltung, mit dauerhafter Zwangshaltung im Sitzen oder im Stehen, mit hoher Schwingungsbelastung im Sitzen, Akkordarbeiten, Arbeiten überwiegend im Gehen, mit hohen Anforderungen an die Standsicherheit, mit häufigem Treppensteigen, auf Leitern und Gerüsten, in der Hocke oder im Knien. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Das SG hat das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. W. durch Beschluss vom 2. Juli 2015 (Bl. 130/131 der SG-Akten) sowie seine Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 2. Juli 2015 zurückgewiesen. Durch Beschluss vom 28. Juli 2017 hat das SG weiterhin den Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG abgelehnt (Bl. 226/229 der SG-Akten).

Sodann hat das SG - nach Anhörung der Beteiligten - durch Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2017 die Klage - insbesondere gestützt auf das Gutachten des Dr. W. - abgewiesen.

Gegen den seinen Bevollmächtigten am 29. Dezember 2017 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 25. Januar 2018 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt. Die Begutachtung durch Dr. W. könne nicht mehr als aktuell angesehen werden. Im Übrigen bestünden gegen das Gutachten des Dr. W. massive Bedenken. Das SG habe es unterlassen, das beantragte Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2014 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, höchst hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt ihre Entscheidung.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen einvernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahmen des Facharztes für Innere Medizin Z. vom 27. Juli 2018 (Bl. 56/80 der Senatsakten), des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 31. Juli 2018 sowie der Fachärztin für Dermatologie Dr. L. vom 17. August 2018 (Bl. 91/109 der Senatsakten) Bezug genommen. Dazu hat die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin, Rheumatologie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. Lucas vom 28. Januar 2019 (Bl. 133 der Senatsakten) vorgelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines interdisziplinären Sachverständigengutachtens. Prof. Dr. S., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Physikalische und rehabilitative Medizin, Rheumatologie, Schmerztherapie, Psychotherapie, Chirotherapie, Handchirurgie und Sportmedizin, hat in seinem Gutachten vom 7. August 2019 (Bl. 147/193 der Senatsakten) unter Einbeziehung der psychologischen Evaluation der Dipl.-Psych. M. vom 7. August 2019 (Bl. 184/196 der Senatsakten) folgende Gesundheitsstörungen beschrieben: - Nackenschmerzen mit endgradiger Einschränkung der Halswirbelsäulen-Beweglichkeit bei Aufbrauch der mittleren und unteren Halswirbelsäule, bei muskulärer Verspannung, ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen, - Rückenschmerzen mit belastungsabhängiger Ausstrahlung in beide Beine bei mehrsegmentalem Aufbrauch der Bandscheiben und knöcherner Anpassung und Einengung des lumbalen Wirbelkanals, - Knieschmerzen bei beginnender innenseitiger Kniearthrose rechts, - Carpaltunnelsyndrom beidseits ohne dauerhafte neurologische Ausfälle, - Endgradige Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes ohne weitere Funktionsstörung und ohne Schmerzklagen, - Dysthymia. Bei der Beurteilung der Auswirkung der festgestellten Gesundheitsstörungen auf die Leistungsfähigkeit sei festzuhalten, dass der aktuelle strukturelle und funktionelle Zustand der Lendenwirbelsäule auf körperlich leichte Tätigkeiten mit der Möglichkeit des regelmäßigen Körperhaltungswechsels und ohne Rumpfbeugen, ohne überwiegendes Stehen und Gehen einschränke. Der Aufbrauch des rechten Knies mache Tätigkeiten im Knien, Hocken und Kriechen nicht zumutbar. Die Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit mache Tätigkeiten wiederholt und dauerhaft über Kopf nicht zumutbar. Die Dysthymia begrenze den möglichen Arbeitsdruck und das Arbeitstempo auf durchschnittliche Anforderungen. Ansonsten sei festzuhalten, dass sich der Kläger selbst versorge, seine Wohnung versorge, beiläufige Sozialkontakte mit Nachbarschaft und Bekannten unterhalte sowie mit dem selbst gesteuerten PKW mobil sei. Gehen bei mittlerem Tempo und mit der Möglichkeit von Pausen sei über etwa 500 Meter in etwa 20 Minuten auch wiederholt möglich. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht unerlässlich. Bei der Möglichkeit von regelmäßigen Körperhaltungswechseln seien körperlich leichte Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an die mentale und psychische Durchhaltefähigkeit arbeitstäglich mindestens sechs Stunden möglich. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Die funktionellen Auswirkungen der Strukturschäden insbesondere der Lendenwirbelsäule, auch des rechten Knies könnten durch körperliche Rekonditionierung (regelmäßiges Gehtraining, Fitnesstraining, z.B. an Geräten), Gewichtsreduktion, Nahrungsmittelumstellung und Nikotinverzicht nachhaltig gebessert werden. Eine begleitende Psychotherapie könne helfen, die Traurigkeit zu verstehen, dann auch zu überwinden, um hierdurch mehr Lebensqualität zu gewinnen, aktiver zu werden, Beziehungsängste zu lindern. Übereinstimmend bestehe mit den Leistungsbeurteilungen durch Dr. S., Dr. G., den Nervenarzt B., Dr. B., die Reha-Ärzte der Klinik am Kurpark in B. und Dr. W ... Die Leistungseinschätzung des Dr. F. sei nicht nachvollziehbar. Die von ihm genannte Fibromyalgie sowie eine somatoforme Schmerzstörung mit Chronifizierungsgrad III liege nicht vor.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG (S 2 R 4278/11 und S 8 R 2169/14) und des Senats (L 7 R 361/18) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden durfte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie wurde gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt.

2. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 27. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2014 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Januar 2014 abgelehnt hatte. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, höchst hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

3. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2014 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI (in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung gemäß Gesetz vom 20. April 2007 [BGBl. I, S. 554]) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen, a) Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet, b) Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den c) Ursachenzusammenhang ("wegen") zwischen a) und b) (z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rdnr. 13).

b. Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Bei der Beurteilung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit stehen im Vordergrund seine Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet, mit denen er in erster Linie sein Begehren begründet hat. Diese sind jedoch nicht von einer solchen Schwere, das sie das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht einschränken. Vielmehr genügen qualitative Einschränkungen, um seinen Leiden gerecht zu werden. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf das aktuelle Gutachten des Prof. Dr. S., das vom SG bei Dr. W. eingeholte Gutachten sowie den Reha-Entlassbericht des Prof. Dr. R.-B ...

Die bei dem Kläger vorliegenden somatischen Erkrankungen begründen keine Leistungseinschränkung in quantitativer Hinsicht. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des Prof. Dr. S. und des Dr. W. sowie dem Entlassbericht des Prof. Dr. R.-B., den der Senat im Rahmen des Urkundenbeweises zu verwerten hat (BSG, Beschluss vom 29. Juni 2015 - B 9 V 45/14 B - juris Rdnr. 6; Beschluss vom 26. Mai 2000 - B 2 U 90/00 B - juris Rdnr. 4). Prof. Dr. S. hat in seinem aktuellen und ausführlichen Gutachten in Einklang mit den klinischen und radiologischen Untersuchungsbefunden sowie den aktenkundigen Vorbefunden Nackenschmerzen mit endgradiger Einschränkung der Halswirbelsäulen-Beweglichkeit bei Aufbrauch der mittleren und unteren Halswirbelsäule und bei muskulärer Verspannung, jedoch ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen, Rückenschmerzen mit belastungsabhängiger Ausstrahlung in beide Beine bei mehrsegmentalem Aufbrauch der Bandscheiben und knöcherner Anpassung und Einengung des lumbalen Wirbelkanals, Knieschmerzen bei beginnender innenseitiger Kniearthrose rechts, ein Carpaltunnelsyndrom beidseits ohne dauerhafte neurologische Ausfälle sowie eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes ohne weitere Funktionsstörung und ohne Schmerzklagen beschrieben. Prof. Dr. S. hat im Rahmen seiner Untersuchung des Klägers u.a. einen leicht vernachlässigten, reduzierten Allgemein- und übergewichtigen Ernährungszustand, einen symmetrischen Gang mit einem Gangtempo von drei bis vier Kilometer/Stunde über 300 Meter mit zwei kurzen Pausen, ein selbständiges Entkleiden, dreimalige Körperstreckung, zehnmalige Hocke bis etwa 80 Grad Kniebeugung, einen beidseitigen Nacken- und Schürzengriff, einen beidseitigen Einbeinstand, eine endgradige Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit, eine leichte Rumpfbeugung bei Angst vor Schmerzen, eine freie Beweglichkeit der Schulter-, Ellenbogen-, Unterarmdreh- und Fingergelenke sowie des rechten Handgelenks, eine Einschränkung von Streckung und Beugung des linken Handgelenks um 20 Grad, die typischen Griff-Formen, einen regelrechten neurologischen Untersuchungsbefund der Arme, eine freie Beweglichkeit der Hüftgelenke, des linken Knies sowie der oberen und unteren Sprunggelenke, eine schmerzhaft endgradig eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Knies, einen regelrechten neurologischen Untersuchungsbefund der Beine, einen Beinhebeversuch über 20 Sekunden, einen Rumpfhebeversuch über 15 Sekunden sowie einen Vierfüßler-Stand mit Katzenbuckel- und Pferderückenhaltung festgestellt und dokumentiert. Er hat überzeugend darauf hingewiesen, dass die körperlichen Funktionen zum Altersmaß weitgehend frei, jedoch funktionell durch mangelnde Kraft und Ausdauer geschwächt sind. Prof. Dr. S. hat - in Einklang mit Dr. S., Dr. G., Dr. B., Prof. Dr. R.-B. und Dr. W. - das berufliche Leistungsvermögen dahingehend beurteilt, dass der Kläger jedenfalls leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten kann. Eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht resultiert daraus nicht.

Eine andere Bewertung folgt nicht aus dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG bei Dr. F. eingeholten Gutachten. Die vom ihm angenommene quantitative Leistungseinschränkung lässt sich nicht mit dem von ihm festgestellten Funktionseinschränkungen nachvollziehbar begründen, denen durch qualitative Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden kann. Auch die Leistungseinschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. M. (Schreiben vom 30. Oktober 2014 und 31. Juli 2018), der den Kläger letztmalig im Dezember 2013 untersucht hat, lässt sich nicht aus den maßgeblichen objektiv-klinischen Untersuchungsbefunden ableiten, zumal er fachfremd seine Beurteilung im Wesentlichen auf die Diagnosen Fibromyalgie, psychische Erkrankung und erhebliche COPD stützt.

Auch die vorliegenden anderen somatischen Erkrankungen begründen keine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers in zeitlicher Hinsicht. Zwar liegen bei dem Kläger eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (klinisch stabil, keine respiratorische Insuffizienz) sowie eine arterielle Hypertonie vor (Stellungnahmen bzw. Befundberichte des Internisten und Pneumologen Dr. H. vom 14. September 2015, 12. Mai 2016 und 14. Juni 2016), jedoch kann diesen Erkrankungen durch den Ausschluss schwerer körperlicher Arbeiten und Arbeiten in Kälte, Nässe, Zugluft sowie unter reizenden Gasen Rechnung getragen werden. Die orientierende körperliche Untersuchung im Rahmen der stationären Rehabilitation im Herbst 2013 hat keine Auffälligkeiten der Atmungsorgane, der Herz- und Kreislauforgane, der Gefäße und des Abdomens ergeben. Auch der von Prof. Dr. S. erhobene allgemeinmedizinische Befund war weitgehend unauffällig. Eine entzündliche rheumatische Erkrankung liegt bei dem Kläger nicht vor (Befundberichte des Internisten und Rheumatologen Dr. W. vom 29. April 2008 und 18. September 2018). Die Hauterkrankung Lichen ruber begründet keine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht (Schreiben des Hautarztes Dr. F. vom 14. Oktober 2014 sowie der Fachärztin für Dermatologie Dr. L. vom 17. August 2018); der Hautbefund konnte im Rahmen des stationären Aufenthalts in der Hautklinik Heilbronn im März 2015 gebessert werden (Entlassbericht des Prof. Dr. L. vom 30. März 2015).

Der Senat wertet die somatischen Funktionseinschränkungen dahingehend, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten kann. Ausgeschlossen sind Tätigkeiten mit Zwangshaltungen (z.B. Rumpfbeugen), mit Knien, Hocken, Kriechen und Überkopfarbeiten, auf Leitern und Gerüsten sowie in Kälte, Nässe, Zugluft sowie unter reizenden Gasen.

Auch die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet rechtfertigen keine Einschränkungen seiner beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht. Prof. Dr. S. hat in seinem aktuellen Gutachten vom 7. August 2019 auf Grundlage der psychologischen Evaluation der Dipl.-Psych. M. vom 7. August 2019 eine psychiatrische Erkrankung ausgeschlossen und lediglich eine chronische Niedergestimmtheit (Dysthymia) beschrieben. Er hat eine ungestörte Konzentration und Merkfähigkeit, eine herabgeminderte, traurige, bisweilen mürrische Grundstimmung, im Gespräch auslenkbar, auch fröhlich und kurz lachend, dokumentiert sowie formale und inhaltliche Denkstörungen ausgeschlossen. Bei Dipl.-Psych. M. hat sich der Kläger im Kontaktverhalten anfangs zurückhaltend, dann zunehmend entspannter und kooperativ, im Denken auf die begehrte Rente fixiert, wach, bewusstseinsklar, zu Person, Ort, Zeit und Situation uneingeschränkt orientiert, mit unauffälliger Aufmerksamkeit und Konzentration, normalem formalen und inhaltlichen Denken, etwas gedrückter Stimmung, themenbedingt traurig oder gereizt bis unauffällig bei voll erhaltener Schwingungsfähigkeit, mit leicht reduziertem Antrieb und ohne Hinweise auf akute oder latente Eigen- oder Fremdgefährdung gezeigt. Sie hat die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie empfohlen. Prof. Dr. S. hat überzeugend eine belangvolle psychiatrische Erkrankung ausgeschlossen und leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit durchschnittlichem Arbeitsdruck und durchschnittlichem Arbeitstempo für möglich erachtet.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in der Lage ist, noch mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mit Ausnahme von Tätigkeiten mit Zwangshaltungen (z.B. Rumpfbeugen), Knien, Hocken, Kriechen und Überkopfarbeiten, auf Leitern und Gerüsten, in Kälte, Nässe, Zugluft und unter reizenden Gasen sowie mit überdurchschnittlichem Arbeitsdruck und Arbeitstempo zu verrichten. Der Senat folgt dabei den überzeugenden Leistungseinschätzungen des Prof. Dr. S., des Dr. W., des Prof. Dr. R.-B. und des Dr. B. sowie den Rentengutachtern Dr. S., Dr. G. und B., nach denen der Kläger jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr ausüben kann.

Steht das krankheits- bzw. behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 17 ff. m.w.N.) Diese Frage ist hier zu verneinen. "Bedingungen" sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind. Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen. Die Bedingungen sind "üblich", wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl. Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten, für die es faktisch "Angebot" und "Nachfrage" gibt. Das Adjektiv "allgemein" grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - und dem Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen.

Der Kläger kann - wie dargelegt - an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Er benötigt im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Er hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Dabei ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger über die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit notwendigen kognitiven Grundfähigkeiten verfügt. Nach der Rechtsprechung des BSG werden unter den Begriff der üblichen Bedingungen "auch tatsächliche Umstände" verstanden, wie z.B. die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz, mithin ausschließlich kognitive Grundfähigkeiten (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris Rdnr. 29). Wie dargelegt, liegt bei dem Kläger kein Leiden vor, das leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließt. Die angesprochenen kognitiven Grundfähigkeiten sind nicht betroffen, es bestehen allenfalls qualitative Leistungsausschlüsse für überdurchschnittlich anspruchsvolle Tätigkeiten.

Die gesundheitlichen Einschränkungen sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 24 ff.; ferner BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R - juris Rdnrn. 27 ff.). Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, körperlich leichte und geistige einfache Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten regelmäßig gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 79/09 R - BSGE 109, 189; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R - juris). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen dem Kläger es diesem erlaubt, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen auszuüben. Es liegt weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R - juris Rdnrn. 34 ff.).

Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass bei dem Kläger die erforderliche Wegefähigkeit vorliegt. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (beispielsweise BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - BSGE 110, 1). Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24/35). Nach dieser Rechtsprechung gilt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, a.a.O.): Hat - wie hier - der Versicherte keinen Arbeitsplatz inne und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm noch möglich sein müssen, - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht viermal am Tag Wegstrecken von über 500 Metern mit zumutbarem Aufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zweimal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Dazu gehört z.B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Senat der Überzeugung, dass bei dem Kläger Wegefähigkeit vorliegt. Dr. S., Dr. G., Dr. B., Prof. Dr. R.-B., Dr. W. und Prof. Dr. S. haben in Einklang mit den von ihnen erhobenen objektivierbaren Befunden und für den Senat überzeugend begründet, dass der Kläger in der Lage ist, viermal am Tag Wegstrecken von über 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zu bewältigen und ferner zweimal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Im Übrigen ist der Kläger in der Lage, entsprechende Wegstrecken (wie den Weg zur Untersuchung bei Prof. Dr. S. in H.) mit dem eigenen Kraftfahrzeug zu bewältigen.

Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI.

c. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Re-gelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Bei der Frage, ob Versicherte berufsunfähig sind, ist von ihrem bisherigen Beruf, das ist in der Regel die zuletzt und nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit, auszugehen (ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. SozR 2200 § 1246 Nrn. 104, 107, 130, 164, 169). Dabei liegt Berufsunfähigkeit nicht schon dann vor, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Vielmehr sind anhand des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes zumutbare Tätigkeiten zu ermitteln, auf die die Versicherten verwiesen werden können. Das BSG hat in dem Zusammenhang das so genannte Mehrstufenschema entwickelt. Die Stufen sind von unten nach oben nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung und beruflichen Erfahrung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Danach sind zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3); Berufe, die zusätzliche Qualifikation oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6). Eine "Verweisung", die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine konkrete Benennung ist grundsätzlich dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein so genannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (siehe hierzu insgesamt Urteil des BSG vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann der Kläger, der keine Ausbildung absolviert sowie keine berufsbezogene Qualifikation (im Rahmen seines ersten Rentenantrags hat sich der Kläger durchgehend als Dachdeckerhelfer beschrieben) erlangt hat und zuletzt als ungelernter Arbeiter im Sicherheitsdienst und in der Produktion versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden. Der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf es daher nicht. Nachdem der Kläger - wie bereits dargelegt - in der Lage ist, noch mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit zu verrichten, ist auch keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gegeben.

Somit hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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