Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 21 KR 204/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 362/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 20. Mai 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist zunächst zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) am 29. Mai 2020 durch den Antragsteller gegen den ihm am 23. Mai 2020 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 20. Mai 2020 eingelegt worden.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat im Rahmen des gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG einen Anordnungsanspruch und -grund nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, aus dem der Antragsteller eigene Ansprüche ableitet (Anordnungsanspruch), zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Für die Beurteilung des Anordnungsanspruchs kommt es in erster Linie auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. Der Anordnungsgrund besteht nur dann, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Januar 2019 - L 11 KR 442/18 B ER - KrV 2019, 126; Beschluss vom 22. Januar 2018 - L 11 KA 82/16 B ER - juris; jeweils m.w.N.). Wegen des Zusammenhangs zwischen den genannten Kriterien (einerseits der Erfolgsaussichten im Falle einer Entscheidung in der Hauptsache und andererseits der Unzumutbarkeit, auf eine solche Entscheidung zu warten) besteht eine funktionelle Wechselbeziehung zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund: Mit zunehmender Eilbedürftigkeit sind die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs zu reduzieren, und je höher die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, desto geringere Anforderungen sind an den Anordnungsgrund zu stellen. Gänzlich verzichtet werden kann indessen weder auf den Anordnungsanspruch noch auf den Anordnungsgrund. Ist Letzterer nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung selbst dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird. Andernfalls würde sich das Gericht über den eindeutigen Wortlaut des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ("wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint") hinwegsetzen. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, so bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung (zu den genannten Kriterien ausführlich Senat, Beschluss vom 22. Januar 2018, a.a.O. m.w.N.).
1. Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers ergibt sich zunächst nicht aus § 13 Abs. 3a SGB V. Diese Norm gilt lediglich für Fragen der Kostenerstattung, die vorliegend nicht streitig sind (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R -; BSG, Urteile vom 18. Juni 2020 - B 3 KR 14/18 R -, - B 3 KR 6/19 R - und - B 3 KR 13/19 R -, Terminberichte Nr. 19/20 und 21/20).
2. Bislang ist es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Versorgung mit dem Elektrostimulationsgerät PhySys aus § 33 Abs. 1 SGB V hat.
a) Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Die erstrebte Hilfsmittelversorgung muss im Einzelfall geeignet, erforderlich und angemessen sein, um dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot der gesetzlichen Krankenversicherung zu genügen (Pitz in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage 2020, § 33 Rn. 41).
b) Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob die Versorgung des Antragstellers zu dem von ihm angestrebten Zweck der Erfolgssicherung der Krankenbehandlung in der von ihm beantragten Form, nämlich der häuslichen Eigenbehandlung, überhaupt geeignet ist.
aa) Es ist unstreitig, dass der Hersteller von PhySys in seine Produktbeschreibung wörtlich folgenden Hinweis aufgenommen hat: "Die Anwendung des Gerätes ist medizinischen Fachkreisen (z.B. Ärzten, Therapeuten, Angehörige, med. Hilfsberufe) vorbehalten. Der Patient sollte während der Therapie aufmerksam beobachtet werden."
bb) Diese Anforderungen sind bei der beabsichtigten Nutzung durch den Antragsteller nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass der Hersteller, wie die dringende Empfehlung ("sollte") der Beobachtung des Patienten während der Anwendung nahelegt, offenbar nicht von einer Selbstanwendung ausgeht, gehört der Antragsteller, auch wenn er als Sanitätssoldat a.D. und Rettungssanitäter über medizinische Grundkenntnisse verfügen mag, nicht zu dem vom Hersteller genannten Anwenderkreis. Die Ausbildung von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern ist ausgerichtet auf die Patientinnen- und Patientenbetreuung beim Krankentransport und auf die Unterstützung der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten oder der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters in der Notfallrettung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter sowie Rettungshelferinnen und Rettungshelfer vom 15. Dezember 2017, GV NRW, S. 917). Mit den hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gehört der Antragsteller nicht zu dem Personenkreis, wie er für die Anwendung von Elektro- und Ultraschalltherapie qualifiziert ist.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller durchgängig die vom Hersteller für erforderlich gehaltene Beobachtung während der Anwendung sicherstellen könnte. Er trägt insoweit vor, er beabsichtige einen täglichen Einsatz, ggf. bei entsprechenden Schmerzzuständen auch nachts. Das bedeutet, dass günstigstenfalls eine Beobachtung durch seine Lebensgefährtin möglich ist, die als Steuerfachangestellte nicht erkennbar über medizinische Fachkenntnisse über die Wirkungsweise von Elektro- und Ultraschalltherapie auf Patienten verfügt.
cc) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es sich bei den in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Hilfsmitteln um Medizinprodukte im Sinne der Medical Device Regulation (MDR) VO (EU) 745/2017 handelt. Ein Medizinprodukt muss sicher und wirksam sein und darf weder den klinischen Zustand und die Sicherheit der Patienten noch die Sicherheit und die Gesundheit der Anwender oder gegebenenfalls Dritter gefährden, wobei etwaige Risiken im Zusammenhang mit seiner Anwendung gemessen am Nutzen für den Patienten vertretbar und mit einem hohen Maß an Gesundheitsschutz und Sicherheit vereinbar sein müssen (Anhang I Kapitel 1 der MDR; Pitz a.a.O. § 33 Rdnr. 12, 16). Insofern wird im Hauptsacheverfahren auch zu klären sein, ob und unter welchen Bedingungen das durch den Antragsteller begehrte Gerät überhaupt für die häusliche Nutzung einsetzbar ist.
c) Ebenso wenig ist im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Erforderlichkeit der Versorgung des Antragstellers mit dem Elektrostimulationsgerät PhySys zur Erreichung der Versorgungsziele glaubhaft gemacht. Zwar hat der den Antragsteller vormals behandelnde Facharzt für Neurologie Dr. T zweimalig, nämlich im April 2017 und Oktober 2018, eine entsprechende Verordnung ausgestellt. Auch der Entlassungsbericht der Orthopädischen Klinik I gGmbH - Zentrum für Tetra- und Paraplegie - vom 10. August 2019 empfiehlt aufgrund der diversen Folgeerkrankungen des Antragstellers die Verordnung des o.g. Geräts. Demgegenüber hat jedoch der den Antragsteller seit dem 13. November 2019 behandelnden Facharzt für Neurologie Dr. C in seinem durch den Senat eingeholten Befundbericht vom 21. August 2020 mitgeteilt, dass er als therapeutischen Maßnahme eine fortlaufende Physiotherapie verordne (KG-ZNS 3x/Woche). Eine Wärme- und/oder Elektrotherapie sei nicht mitumfasst. Als Grund hat Dr. C angeführt, dass der Antragsteller diese nicht angefragt habe. Mithin hielt der behandelnde Arzt diese Therapievariante aus medizinischer Sicht selbst nicht für erforderlich. Auch das Gerät PhySys hat er nach eigener Auskunft nicht verordnet. Es ist insofern nicht Teil seines Behandlungskonzepts. Diese Einschätzung wird auch durch die Berichte der Klinik für Neurologie und Palliativmedizin der Kliniken L im Wesentlichen gestützt (Berichte vom 27. November 2018 und 18. März 2019), welche durchgehend die Durchführung von Physiotherapie empfehlen, während der Hinweis im letztgenannten Bericht auf eine "großzügige Heilmittelversorgung" unspezifisch bleibt. Gleiches gilt für den Bericht der St. Mauritius Therapieklinik vom 16. April 2019, wonach u.a. eine Empfehlung für einen - hier nicht streitrelevanten - Fahrradbewegungstrainer und - lediglich - "ggfs. ein Elektrostimulationsgerät mit der Möglichkeit der Wärmeanwendung" ausgesprochen wird.
d) Weitere Ermittlungen zur Frage der Erforderlichkeit, die ggf. auch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens einschließen, bleiben dem Hauptsacheverfahren überlassen. Auch die durch den Antragsteller angeregte Einholung eines weiteren Befundberichtes des vormals behandelnden Arztes Dr. T kommt nicht in Betracht, da sich der Antragsteller bereits seit 2019 nicht mehr in seiner Behandlung befindet. Er kann demnach keine Auskunft über die derzeitigen Verhältnisse geben, die möglicherweise eine gerichtliche Intervention im Eilverfahren erforderlich machen. Gleiches gilt für eine ergänzende Anfrage im Zentrum für Tetra- und Paraplegie der Orthopädischen Klinik I gGmbH.
e) Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Kombinationstherapie von Elektrostimulations- und Ultraschalltherapie um eine neue Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt, zu deren Anwendung es einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bedürfte.
3. Da der Anordnungsanspruch nicht dargetan ist, kann der Senat das Vorliegen des Anordnungsgrundes dahinstehen lassen, da auch sein Vorliegen das Fehlen des Anordnungsanspruchs nicht kompensieren kann. Ungeachtet dessen ist aufgrund der Einschätzung des den Antragsteller gegenwärtig behandelnden Neurologen, wonach einerseits (aktuell nur) eine regelmäßige, mehrfach wöchentliche Physiotherapie medizinisch indiziert und diese zudem durch fortlaufende Verordnungen sichergestellt wird, eine besondere Eilbedürftigkeit, die ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zumutbar erscheinen lässt, nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde ist zunächst zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) am 29. Mai 2020 durch den Antragsteller gegen den ihm am 23. Mai 2020 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 20. Mai 2020 eingelegt worden.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat im Rahmen des gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG einen Anordnungsanspruch und -grund nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, aus dem der Antragsteller eigene Ansprüche ableitet (Anordnungsanspruch), zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Für die Beurteilung des Anordnungsanspruchs kommt es in erster Linie auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. Der Anordnungsgrund besteht nur dann, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Januar 2019 - L 11 KR 442/18 B ER - KrV 2019, 126; Beschluss vom 22. Januar 2018 - L 11 KA 82/16 B ER - juris; jeweils m.w.N.). Wegen des Zusammenhangs zwischen den genannten Kriterien (einerseits der Erfolgsaussichten im Falle einer Entscheidung in der Hauptsache und andererseits der Unzumutbarkeit, auf eine solche Entscheidung zu warten) besteht eine funktionelle Wechselbeziehung zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund: Mit zunehmender Eilbedürftigkeit sind die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs zu reduzieren, und je höher die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, desto geringere Anforderungen sind an den Anordnungsgrund zu stellen. Gänzlich verzichtet werden kann indessen weder auf den Anordnungsanspruch noch auf den Anordnungsgrund. Ist Letzterer nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung selbst dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird. Andernfalls würde sich das Gericht über den eindeutigen Wortlaut des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ("wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint") hinwegsetzen. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, so bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung (zu den genannten Kriterien ausführlich Senat, Beschluss vom 22. Januar 2018, a.a.O. m.w.N.).
1. Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers ergibt sich zunächst nicht aus § 13 Abs. 3a SGB V. Diese Norm gilt lediglich für Fragen der Kostenerstattung, die vorliegend nicht streitig sind (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 9/18 R -; BSG, Urteile vom 18. Juni 2020 - B 3 KR 14/18 R -, - B 3 KR 6/19 R - und - B 3 KR 13/19 R -, Terminberichte Nr. 19/20 und 21/20).
2. Bislang ist es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Versorgung mit dem Elektrostimulationsgerät PhySys aus § 33 Abs. 1 SGB V hat.
a) Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Die erstrebte Hilfsmittelversorgung muss im Einzelfall geeignet, erforderlich und angemessen sein, um dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot der gesetzlichen Krankenversicherung zu genügen (Pitz in: jurisPK-SGB V, 4. Auflage 2020, § 33 Rn. 41).
b) Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob die Versorgung des Antragstellers zu dem von ihm angestrebten Zweck der Erfolgssicherung der Krankenbehandlung in der von ihm beantragten Form, nämlich der häuslichen Eigenbehandlung, überhaupt geeignet ist.
aa) Es ist unstreitig, dass der Hersteller von PhySys in seine Produktbeschreibung wörtlich folgenden Hinweis aufgenommen hat: "Die Anwendung des Gerätes ist medizinischen Fachkreisen (z.B. Ärzten, Therapeuten, Angehörige, med. Hilfsberufe) vorbehalten. Der Patient sollte während der Therapie aufmerksam beobachtet werden."
bb) Diese Anforderungen sind bei der beabsichtigten Nutzung durch den Antragsteller nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass der Hersteller, wie die dringende Empfehlung ("sollte") der Beobachtung des Patienten während der Anwendung nahelegt, offenbar nicht von einer Selbstanwendung ausgeht, gehört der Antragsteller, auch wenn er als Sanitätssoldat a.D. und Rettungssanitäter über medizinische Grundkenntnisse verfügen mag, nicht zu dem vom Hersteller genannten Anwenderkreis. Die Ausbildung von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern ist ausgerichtet auf die Patientinnen- und Patientenbetreuung beim Krankentransport und auf die Unterstützung der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten oder der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters in der Notfallrettung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter sowie Rettungshelferinnen und Rettungshelfer vom 15. Dezember 2017, GV NRW, S. 917). Mit den hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gehört der Antragsteller nicht zu dem Personenkreis, wie er für die Anwendung von Elektro- und Ultraschalltherapie qualifiziert ist.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller durchgängig die vom Hersteller für erforderlich gehaltene Beobachtung während der Anwendung sicherstellen könnte. Er trägt insoweit vor, er beabsichtige einen täglichen Einsatz, ggf. bei entsprechenden Schmerzzuständen auch nachts. Das bedeutet, dass günstigstenfalls eine Beobachtung durch seine Lebensgefährtin möglich ist, die als Steuerfachangestellte nicht erkennbar über medizinische Fachkenntnisse über die Wirkungsweise von Elektro- und Ultraschalltherapie auf Patienten verfügt.
cc) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es sich bei den in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Hilfsmitteln um Medizinprodukte im Sinne der Medical Device Regulation (MDR) VO (EU) 745/2017 handelt. Ein Medizinprodukt muss sicher und wirksam sein und darf weder den klinischen Zustand und die Sicherheit der Patienten noch die Sicherheit und die Gesundheit der Anwender oder gegebenenfalls Dritter gefährden, wobei etwaige Risiken im Zusammenhang mit seiner Anwendung gemessen am Nutzen für den Patienten vertretbar und mit einem hohen Maß an Gesundheitsschutz und Sicherheit vereinbar sein müssen (Anhang I Kapitel 1 der MDR; Pitz a.a.O. § 33 Rdnr. 12, 16). Insofern wird im Hauptsacheverfahren auch zu klären sein, ob und unter welchen Bedingungen das durch den Antragsteller begehrte Gerät überhaupt für die häusliche Nutzung einsetzbar ist.
c) Ebenso wenig ist im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die Erforderlichkeit der Versorgung des Antragstellers mit dem Elektrostimulationsgerät PhySys zur Erreichung der Versorgungsziele glaubhaft gemacht. Zwar hat der den Antragsteller vormals behandelnde Facharzt für Neurologie Dr. T zweimalig, nämlich im April 2017 und Oktober 2018, eine entsprechende Verordnung ausgestellt. Auch der Entlassungsbericht der Orthopädischen Klinik I gGmbH - Zentrum für Tetra- und Paraplegie - vom 10. August 2019 empfiehlt aufgrund der diversen Folgeerkrankungen des Antragstellers die Verordnung des o.g. Geräts. Demgegenüber hat jedoch der den Antragsteller seit dem 13. November 2019 behandelnden Facharzt für Neurologie Dr. C in seinem durch den Senat eingeholten Befundbericht vom 21. August 2020 mitgeteilt, dass er als therapeutischen Maßnahme eine fortlaufende Physiotherapie verordne (KG-ZNS 3x/Woche). Eine Wärme- und/oder Elektrotherapie sei nicht mitumfasst. Als Grund hat Dr. C angeführt, dass der Antragsteller diese nicht angefragt habe. Mithin hielt der behandelnde Arzt diese Therapievariante aus medizinischer Sicht selbst nicht für erforderlich. Auch das Gerät PhySys hat er nach eigener Auskunft nicht verordnet. Es ist insofern nicht Teil seines Behandlungskonzepts. Diese Einschätzung wird auch durch die Berichte der Klinik für Neurologie und Palliativmedizin der Kliniken L im Wesentlichen gestützt (Berichte vom 27. November 2018 und 18. März 2019), welche durchgehend die Durchführung von Physiotherapie empfehlen, während der Hinweis im letztgenannten Bericht auf eine "großzügige Heilmittelversorgung" unspezifisch bleibt. Gleiches gilt für den Bericht der St. Mauritius Therapieklinik vom 16. April 2019, wonach u.a. eine Empfehlung für einen - hier nicht streitrelevanten - Fahrradbewegungstrainer und - lediglich - "ggfs. ein Elektrostimulationsgerät mit der Möglichkeit der Wärmeanwendung" ausgesprochen wird.
d) Weitere Ermittlungen zur Frage der Erforderlichkeit, die ggf. auch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens einschließen, bleiben dem Hauptsacheverfahren überlassen. Auch die durch den Antragsteller angeregte Einholung eines weiteren Befundberichtes des vormals behandelnden Arztes Dr. T kommt nicht in Betracht, da sich der Antragsteller bereits seit 2019 nicht mehr in seiner Behandlung befindet. Er kann demnach keine Auskunft über die derzeitigen Verhältnisse geben, die möglicherweise eine gerichtliche Intervention im Eilverfahren erforderlich machen. Gleiches gilt für eine ergänzende Anfrage im Zentrum für Tetra- und Paraplegie der Orthopädischen Klinik I gGmbH.
e) Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Kombinationstherapie von Elektrostimulations- und Ultraschalltherapie um eine neue Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt, zu deren Anwendung es einer Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bedürfte.
3. Da der Anordnungsanspruch nicht dargetan ist, kann der Senat das Vorliegen des Anordnungsgrundes dahinstehen lassen, da auch sein Vorliegen das Fehlen des Anordnungsanspruchs nicht kompensieren kann. Ungeachtet dessen ist aufgrund der Einschätzung des den Antragsteller gegenwärtig behandelnden Neurologen, wonach einerseits (aktuell nur) eine regelmäßige, mehrfach wöchentliche Physiotherapie medizinisch indiziert und diese zudem durch fortlaufende Verordnungen sichergestellt wird, eine besondere Eilbedürftigkeit, die ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zumutbar erscheinen lässt, nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved